Protokoll der Sitzung vom 19.06.2002

In Bezug auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist aber jetzt schon eines festzustellen: Das EEG muss in den nächsten Jahren mit dem Ziel überarbeitet werden, die Fristen für die Einspeisevergütung für die Offshore-Windenergie zu verlängern. Wir werden im vorgegebenen Zeitraum nicht genügend Projekte im Offshore-Bereich rechtzeitig verwirklichen können, da die technische Entwicklung doch nicht so schnell voranschreitet, wie wir dachten. Um die Chancen der Offshore-Windenergie aufrechtzuerhalten und unseren schleswig-holsteinischen Firmen eine Entwicklungschance bieten zu können, muss die Landesregierung schon jetzt dafür arbeiten, die Grundlagen für eine Fristverlängerung zu schaffen. Denn wir dürfen auf keinen Fall vergessen, dass gerade die erneuerbaren Energieformen dazu beigetragen haben, dass die wirtschaftliche Situation im Lande nicht noch schlechter aussieht.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wer gegen die erneuerbaren Energien redet, redet gegen die Interessen des Landes Schleswig-Holstein. Wer sich für die erneuerbaren Energien einsetzt, setzt sich für die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes ein. So einfach ist das, so einfach wird das bleiben.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Wortbeitrag nach § 56 Abs. 4 erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. von Hielmcrone das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werter Herr Finanzminister, ich muss Sie in einem Punkt leider etwas korrigieren. Nach Auskunft des Arbeitsamtes Husum sind in dessen Bezirk 1.000 Arbeitsplätze von der Windenergie abhängig. Wir haben damit in

(Dr. Ulf von Hielmcrone)

Husum die Verluste auffangen können, die etwa durch den Abzug der Bundeswehr, bei der Post und bei der Bahn sowie durch die Pleite der Werft entstanden sind. Husum ist heute, übrigens auch beim Gewerbesteueraufkommen, zu einem großen Teil von der Windenergie abhängig, und gerade heute steht in der „Süddeutschen Zeitung“ ein Artikel, in dem es ganz klar heißt, dass die Windenergie in Deutschland einen Umsatz von 3,18 Milliarden € hat. In unserem Land stehen 11.438 Windenergieräder. Das ist eine erstaunliche und stolze Anzahl, auf die hingewiesen werden muss.

Jetzt stehen wir, auch und gerade an der Westküste, vor einem Quantensprung, und zwar durch Offshore und Repowering. Das ist die einzige Chance, die wir seit Jahren, fast seit Jahrhunderten haben, von der Strukturschwäche dieser Region wegzukommen und zu einer starken wirtschaftlichen Entwicklung zu gelangen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Strukturschwäche an der Westküste, die ja immer beklagt wird, können wir hiermit endlich ausgleichen. Es werden an der Küste und landseitig ja nicht mehr Windräder entstehen, sondern durch Repowering weniger als vorher. Es entstehen auch neue Chancen für die Häfen an der Westküste. Ich nenne hier ausdrücklich Brunsbüttel, nenne aber natürlich auch Husum, das sich hier behaupten will und behaupten muss.

Vor diesem Hintergrund haben Sie, Graf Kerssenbrock, das Szenario entworfen, dass es ab 22. September anders herum geht; dann soll hier abgebaut werden, spätestens ab 2005. Das ist für uns an der Westküste natürlich eine regelrechte Bedrohung.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wollen Sie diese Arbeitsplätze abbauen? Dann werden wir den Leuten doch gleich einen Brief schreiben: Ihr werdet dank Graf Kerssenbrock und anderen arbeitslos. - Ich denke nicht, dass das eine Perspektive für unsere Region sein sollte. Denken Sie bitte darüber nach!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ein abschließendes Wort: Ich frage mich in der Tat auch, was eigentlich die Einstellung der Kolleginnen und Kollegen von der Westküste auf der anderen Seite des Hauses zu diesem Thema ist. Das hätte ich nun allerdings auch gerne einmal gewusst.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 hat Herr Abgeordneter Dr. Graf Kerssenbrock das Wort.

(Zurufe von der SPD: Er ist wieder da! - Er war die ganze Zeit weg! - Er hat mit Stoiber telefoniert!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es geht mir sozusagen um die Provokation des Kollegen von Hielmcrone. Es kann aber eigentlich nur darum gehen - das will ich, an der Sache orientiert, einfach nur sagen -, dass die ungeheure Subventionierung der Windenergie,

(Zuruf vom SSW: Die nicht stattfindet!)

die letztlich natürlich auch Arbeitsplätze zum Effekt hat, irgendwann beendet wird und dass man sich dann ehrlich macht. Wenn dann die Exporterfolge der Windenergie anhalten, ist das im Sinne, auch im wirtschaftspolitischen Sinne dieses Landes, aber sonst ist es ein Aufschwung, der auf Sand gebaut ist, und damit letzten Endes ein Pyrrhussieg der Wirtschaftspolitik, weil die Wettbewerbsfähigkeit nicht erreicht wird und wir dann irgendwann bei den Kostgängern sind. Deshalb geht es schon darum: Wir wollen natürlich eine Energiepolitik, die einen vernünftigen energiepolitischen Mix hat. Dieser Mix muss eben auch die Wettbewerbsfähigkeit jedes Energieträgers berücksichtigen. Um diese Wettbewerbsfähigkeit geht es uns. Wir können nicht auf Dauer einen Energieträger so subventionieren, dass die Wettbewerbsfähigkeit dadurch überhaupt erst sichergestellt wird, und uns dann über die Arbeitsplatzeffekte freuen, die aber tatsächlich auf Sand gebaut sind.

(Beifall bei CDU und FDP)

Nun hat Frau Ministerin Franzen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Finanzminister hat mir eine halbe Minute genommen und darüber werden wir noch verhandeln müssen, aber die verbleibenden zweieinhalb Minuten werde ich gerne in Anspruch nehmen.

Als Ministerin für Landesplanung bin ich genauso gern draußen im Land wie in allen anderen Funktionen, und deshalb war ich in Husum. Dort habe ich in der Region drei Firmen besucht, habe Unternehmer, die ihren Namen verdienen, und Arbeitnehmer und

(Ministerin Ingrid Franzen)

auch den einen oder anderen, der an Windenergie verdient - und was ist eigentlich dabei? -, kennen gelernt. Diesen Menschen fühle ich mich auch als Planungsministerin nachhaltig verpflichtet, und das ist keine Quadratur des Kreises, sondern unsere Pflicht.

Herr Malerius hat das Chaos des Beginns von Windenergie sehr gut dargestellt, was aber nicht für und nicht gegen unser Land spricht, denn wir waren in allem früh, und es gab auch Bundesgesetze, die es nicht gerade förderlich machten. Wir von der Landesplanung haben uns dann daran gemacht und haben mit allen Beteiligten im Detail mit dem Know-how, das im Land vorhanden ist, eine neue Regionalteilplanung gemacht. Wir haben die Eignungs- und die Nichteignungsräume geschaffen, die wir heute haben.

An diesen Planungen wollen wir beim Thema Repowering - und das ist heute mein Thema - festhalten. Wir wollen sie nicht neu öffnen. Wir glauben, dass bei den objektiven Interessen von Repowering eine Neuordnung nicht notwendig ist. Dabei habe ich durchaus Verständnis für die wirtschaftlichen Interessen Betroffener in den Nichteignungsgebieten, aber das wird man dann aushalten müssen.

Trotzdem muss die Landesplanung Instrumente verwenden, um sich zu öffnen und anzupassen. Auch das ist richtig. Das Instrument heißt für uns Novellierung des Runderlasses. Wir sind an der Arbeit und ich will darüber gern im Ausschuss näher berichten.

Wo wollen wir Repowering? Wir wollen es in den Eignungsgebieten. Es ist möglich - Herr Hentschel hat es hier sogar berechnet -, dort weitaus mehr Energie mit weitaus weniger Anlagen zu erzeugen. Das erscheint wie die Quadratur des Kreises und es ist doch möglich. Wir werden es hinbekommen und das ist gut für Schleswig-Holstein und ist auch gut für die nachhaltige Entwicklung.

Es hat keinen Sinn, an der 100-Meter-Grenze festzuhalten. Ich sage das hier ganz deutlich. Auch das habe ich bei den Firmenbesuchen gelernt. Wir sind in Schleswig-Holstein kein Windkraftmuseum à la Kerssenbrock. Das ist nicht das, was wir sein können! Diese landesplanerischen Ziele waren nie gerichtssicher, und es wäre sicher ein Zubrot für Anwälte, zu versuchen, sie gerichtssicher zu machen. Nur fühle ich mich dem nicht verpflichtet, Herr Kerssenbrock, das tut mir Leid.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir können uns hier doch nicht anders benehmen als der Rest der Welt. Es gibt auch keine Restfirmen, die für Schleswig-Holstein produzieren. Wir wollen welt

weit produzieren, exportieren und uns nicht bei unwirtschaftlichen Dingen aufhalten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir werden neue Maßstäbe für eine vertragliche Planung von Repowering finden, und wir sind gern bereit, auch diese zu diskutieren. Wir werden neue Abstände zur Wohnbebauung, zur Siedlung herstellen. Wir werden sie nicht starr, sondern im Verhältnis zur Größe herstellen. Auch das halte ich für klug.

Zum CDU-Antrag hat es viele Worte gegeben.

(Glocke der Präsidentin)

- Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. - Wir haben gestern aus den Medien erfahren, dass die CDU eine Wirtschaftspartei sein will.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lange, lange her!)

Ich frage mich allen Ernstes: Ist diese Wirtschaftspartei CDU wirklich gut beraten, die Frage der Windenergie einem Juristen zu überlassen? Das müssen Sie, meine Damen und Herren, wirklich selber entscheiden. Juristen - ich komme aus dem Bereich - können viel, aber sie können nicht alles.

Flugsicherung und UVP sind auch heute schon zu beachten. Das ist gar nichts Neues. Aber die Krönung Ihres Antrages ist - ich habe die Ziffern nicht auswendig gelernt -: Sie wollen, dass wir die Leistungen nach den Kreisen so beibehalten. Was ist das denn für eine Wirtschaftsphilosophie? Wo soll ich da denn noch planen, meine Damen und Herren? Nein, das kann es wirklich nicht sein. Wir haben in Schleswig-Holstein eine Chance in diesem Bereich. Wir werden dies planerisch begleiten. Ich empfinde die Landesplanung als ein hilfreiches und nicht als ein Verhinderungsinstrument. So werden wir im Ausschuss auch gern weiter diskutieren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Jetzt sehe ich wirklich keine Wortmeldung mehr und schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, die Anträge und den Bericht zur federführenden Beratung dem Umweltausschuss und zur Mitberatung dem Wirtschaftsausschuss - ich schlage vor, auch dem Agrarausschuss - zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so angenommen.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau)

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 8:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Fachkliniken (FKING)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 15/1914