Protokoll der Sitzung vom 20.06.2002

In der Großen Anfrage der SPD, für deren Erstellung ich dem Ministerium ebenso wie allen anderen Hilfsorganisationen, die Sie, Herr Minister, eben genannt haben, ebenfalls sehr herzlich danke, werden die mit sorgsamem Bedacht formulierten Fragen der SPDFraktion von der SPD-geführten Landesregierung mit bedachtsamer Sorgfalt beantwortet. Ein Tabellenteil ergänzt das Werk, mit dem die fragende Fraktion oder die Landesregierung nun an die Öffentlichkeit gehen kann, denke ich einmal, nicht aber die Grünen, denn die durften nicht mitfragen.

Die Landesregierung beschreibt viele Entwicklungen in Schleswig-Holstein, die ohne Zweifel in die richtige Richtung gehen. Die IuK-Branche ist im Vergleich zu allen übrigen Branchen bei Umsatz und Beschäftigtenzahlen weit überdurchschnittlich gewachsen. Allerdings enden die meisten Statistiken in der Mitte des Jahres 2000. Niemand will der Landesregierung die konjunkturellen Probleme dieser Branche anlasten, aber wäre die Große Anfrage ein halbes Jahr später gestellt worden, sodass für das Jahr 2001 gesicherte Angaben zur Verfügung gestanden hätten, wäre das eine oder andere Ergebnis sicherlich etwas anders ausgefallen. Das hat ja der Minister bereits eingeräumt.

Auch die große Vielzahl der diversen Förderungen im Bereich IuK durch das Land, manchmal auch gemeinsam mit privaten Partnern, ist durchaus beein

druckend. Allerdings gewinnt der kritische Betrachter den Eindruck, dass hier der gleiche Finanzierungstopf mehrfach unter neuem Namen verkauft wird. Ein Beispiel: Eine Initiative mit der Deutschen Telekom AG, die von 2001 bis 2006 laufen soll, trägt den schönen Namen INMSH, das für „Initiative New Media Schleswig-Holstein“ steht. Förderfähig sind vor allem - so wörtlich -„Maßnahmen und Projekte, die modellhaft innovative Anwendungsfelder für multimediale Informations- und Kommunikationstechnologien erschließen“. Beide Partner wollen sich jeweils mit bis zu 5 Millionen Euro beteiligen. Welch’ wunderbare Neuerung! Doch das Land finanziert diese Initiative nicht etwa zusätzlich, sondern aus - so wörtlich „bestehenden Förderprogrammen“. Welche das sind, wird nicht gesagt, aber wir können sicher sein: Sie wurden uns bestimmt schon einmal als Leistung der Landesregierung verkauft. Oder das betriebliche Förderprogramm Business to Business - B2B -, in dem wörtlich steht:

„Mit dem Programm werden Anwendungen gefördert, die möglichst die gesamte Wertschöpfungskette unter Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologie modernisieren. Es trägt dazu bei, strukturelle Wettbewerbsnachteile von kleinen und mittleren Unternehmen auszugleichen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.“

Welch’ edle Absicht der Landesregierung! Merkwürdigerweise haben nur solche Firmen eine Internetnachhilfe nötig, deren Betriebsstätte im Ziel-2-Gebiet liegt. Das Rätsel ist schnell gelöst: Hier werden EFREMittel ausgegeben. Ich gehe davon aus, dass sie uns auch schon einmal begegnet sind unter „Ziel: Zukunft im eigenen Land“.

Auch die VISION Schleswig-Holstein 2002 der IHKs zu Flensburg und Kiel findet sich erstaunlicherweise in der Leistungsbilanz der Landesregierung. Hier ist es aber nun wirklich nach dem Fielmann-Prinzip gegangen: Das Land hat keinen Cent dazugezahlt! Bei der wichtigen Aufgabe Technologietransfer machen Technologiestiftung und Technologietransferzentrale mit ihren regionalen Innovationsberatern ohne Zweifel einen guten Job. Auch die inzwischen flächendeckend auf das Land verteilten Innovations- und Technologiezentren haben einen positiven Einfluss auf die Gründungssituation gehabt.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die IuK-Firmen sind in diesen Zentren überdurchschnittlich stark vertreten. Dass es aber immer noch nicht möglich ist, etwas über die Wirtschaftlichkeit der TGZs selbst zu sagen, verwundert. Hat das Land

(Brita Schmitz-Hübsch)

wirklich so wenig Einfluss auf die Kreise und kreisfreien Städte, dass hier keine Informationen möglich sind? - Das bezweifele ich.

Leider zeigen die Wirtschaftszahlen, dass sich die guten Taten der Landesregierung in Sachen Innovationsförderung auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigtenzahlen bisher nicht positiv ausgewirkt haben, wie schon bei der Debatte des Wirtschaftsberichtes vor wenigen Wochen deutlich geworden ist. Damit will ich nicht etwa den Schluss ziehen, dass es falsch gewesen wäre, in IuK zu investieren, aber möglicherweise hat sich die Landesregierung zu wenig und/oder zu spät in diesem Bereich engagiert.

(Bernd Schröder [SPD]: Menschenskinder!)

Zum Schluss möchte ich noch kurz eine Aussage im statistischen Teil, Seite 12 ff, aufgreifen. Dort wird die Zahl der IuK-Unternehmen und ihr Umsatz in den Jahren 1999 und 2000 beschrieben. Im Text wird ein Durchschnittsumsatz je Unternehmen ermittelt: 1 Million im Jahre 1999, 1,25 Millionen im Jahre 2000. Aber, Herr Minister, eigentlich lernt jeder Student im ersten Semester, dass Durchschnittszahlen wenig Aussagekraft besitzen. Und so lese ich etwas anderes aus diesen beiden Tabellen heraus, und zwar in Bezug auf die Verteilung der Umsätze auf die Betriebe in unserem Land.

(Beifall der Abgeordneten Christel Aschmo- neit-Lücke [FDP] - Lothar Hay [SPD]: Das gilt auch für den PISA-Bericht!)

83 % aller Unternehmen, die einen Umsatz bis zu 1 Million Euro hatten, erwirtschafteten 1999 zusammen circa 10 % des Jahresumsatzes und 17 % erarbeiteten 90 % des Gesamtumsatzes. Im Jahre 2000 hat sich das noch einmal verschlechtert: 82 % aller Betriebe erzielten 8 % des Umsatzes, und 18 % erarbeiteten 92 % des Umsatzes. Das zeigt, dass es viele kleine Anbieter gibt, die Bedeutung dieser Branche aber von wenig großen Anbietern herrührt. Wenn Sie sich die konjunkturellen Schwankungen ansehen, dann wissen Sie, dass es diese Branche besonders hart getroffen hat. Das ist auch ein Grund für das schlechte Bruttoinlandsproduktwachstum, das wir im vergangenen Jahr gehabt haben.

(Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Ich bedanke mich auch bei der Frau Präsidentin. Ich denke, dass wir den Bericht zur abschließenden Beratung an den Wirtschaftsausschuss überweisen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller.

Zunächst, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin, vielen Dank für die vielen guten Wünsche. Der angenehme persönliche Umgang in diesem hohen Haus ist sehr wohltuend. Vielen Dank!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Warum ist für die SPD-Fraktion die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie in SchleswigHolstein von so großer Bedeutung? Warum haben wir diese Große Anfrage gestellt? Natürlich spricht man als Regierungsfraktion gerne über die Erfolgsstorys der eigenen Regierung. Der wichtigste Grund aber wird durch ein Schlüsselbegriff in der Antwort auf unsere Große Anfrage benannt: Die Informations- und Kommunikationstechnologie ist eine Querschnittstechnologie. Sie lässt sich eben nicht nur der so genannten New Economy zuordnen; alle Branchen, die gesamte Arbeitswelt, wird von diesem technologischen Wandel erfasst. Auch unser Privatleben hat und wird weiter durch die neuen Technologien maßgeblich beeinflusst.

Nahezu ein Drittel des Beschäftigungszuwachses der Wirtschaft Schleswig-Holsteins zwischen 1998 und 2000 geht auf die IuK-Wirtschaft zurück - Umsatzsteigerung um 17 %, Beschäftigtenzuwachs um 14 %. Die Schwerpunkte in Schleswig-Holstein liegen in der Mobiltelefonie, der großen Anzahl an Callcenter - die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat sich in den Jahren 1999 und 2000 verdreizehnfacht - sowie in der Softwareentwicklung und Softwareberatung. Die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage weist sehr richtig darauf hin - meine Damen und Herren, hierfür möchte ich Sie sensibilisieren -, dass mit derzeit rund 58 Millionen Mobilfunkanschlüssen eine gewisse Marktsättigung in diesem Bereich erreicht ist und die Perspektiven der IuKWirtschaft in Schleswig-Holstein maßgeblich vom Erfolg der UMTS-Technologie abhängen. Ich konnte schon im Zusammenhang mit der Diskussion um die Zukunft der UMTS-Technologie in diesem hohen Haus auf die Vielzahl neuer Anwendungen hinweisen, vom mobilen Büro bis zur Datenübertragung vom Rettungswagen in die Aufnahmeklinik. Die Querschnittsfunktionen der neuen Kommunikationstechnologien und die vielen Anwendungsbeispiele von UMTS zeigen über die Diskussionsschwerpunkte hinaus, dass die IuK-Wirtschaft sehr heterogen ist, also eine große

(Klaus-Dieter Müller)

Vielzahl von Betriebsstrukturen aufweist. Die Landesregierung weist zu Recht darauf hin, dass dies in Bezug auf Krisenanfälligkeit und Anpassungsfähigkeit sehr vorteilhaft ist.

Lassen Sie mich nun der Frage nachgehen, warum Schleswig-Holstein in der IuK-Wirtschaft die genannten Erfolge verbuchen kann. Sehr eindrucksvoll unterlegt die Antwort der Landesregierung auf den Seiten 43 bis 45 die Funktion der Technologiestiftung Schleswig-Holstein und der Technologietransferzentrale bei der Vorbereitung des Landes auf die Herausforderungen der Informationsgesellschaft. Insbesondere die vielfältigen Impulse, die in den Jahren 1997 bis 2001 durch die Initiative Informationsgesellschaft flächendeckend und branchenübergreifend gegeben werden konnten, schaffen den Nährboden, auf dem sich neue Technologien in Produkte und Dienstleistungen ausgestalten und Arbeitsplätze erhalten sowie neu geschaffen werden. Die Antwort der Landesregierung zeigt sehr deutlich, dass das gesamte Instrumentarium, das die sozialdemokratisch geführten Landesregierungen im letzten Jahrzehnt geschaffen haben, auch im Zusammenhang mit dem Aufbau der IuK-Wirtschaft in unserem Lande gegriffen hat. Neben TSH und TTZ seien die Technologiezentren, die Bürgschaftsbank und die MBG genannt. Die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft hat sich in den vergangenen zehn Jahren an insgesamt 213 Unternehmen beteiligt,

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Das ist ganz schön wenig!)

und zwar mit einem Volumen von 65 Millionen €. Gut ein Viertel dieser Unternehmen sind der Informationsund Kommunikationswirtschaft zuzurechnen.

Der Bericht zeigt aber auch, Frau Kollegin SchmitzHübsch, wie wichtig es ist, dass sich die Technologiestiftung des Landes auch weiterhin als Spürnase und als Impulsgeberin für neue Technologien begreift. Sie darf nicht zum bloßen Drittmittelgeber unserer Hochschulen degenerieren und schon gar nicht originäre Aufgaben des Landes etwa bei der Ausstattung unserer Hochschulen übernehmen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Lassen Sie mich abschließend den Blick für eine besondere Leistung schärfen. Größtes Hindernis für eine Ausweitung des Online-Handels ist das geringe Vertrauen der Nutzer in die Sicherheit des Mediums Internet. Genau hier kommt Schleswig-Holstein im deutschen und sogar im europäischen Kontext eine Vorreiterrolle zu. Wir haben ein wegweisendes Datenschutzgesetz. Wir haben ein unabhängiges Landeszentrum für den Datenschutz mit Audit und Gütesie

gel. Niemand außer uns in Europa hat den Datenschutz bisher als Marktlücke entdeckt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Unsere Unternehmen generieren jetzt durch Gütesiegel und Audit einen Marktvorteil. Sie können sich positiv von ihrer Konkurrenz abgrenzen. Die öffentliche Verwaltung ist gehalten, vorrangig Produkte einzukaufen, die als datenschutzgerecht zertifiziert sind. Ich habe gestern noch mit dem Datenschutzbeauftragten telefoniert. Er bestätigt, dass ihn aus ganz Europa Anrufe erreichen. Die Anrufer fragen, wie sie an das Gütesiegel kommen können und warum es das nur in Schleswig-Holstein gibt. Bäumler wörtlich: Drei Jahre wird es dauern, bis es eine bundeseinheitliche Regelung geben wird, die sich zudem an unseren Vorstellungen orientieren wird. Diese drei Jahre haben wir einen klaren Wettbewerbsvorteil, den wir richtig nutzen werden.

Ich danke der Landesregierung und dem Wirtschaftsminister für diese Leistung, Schleswig-Holstein zu einem anerkannten Standort der IuK-Wirtschaft gemacht zu haben und dabei auch die Ängste der Bevölkerung und die Gefahren, die sich aus neuen Technologien immer ergeben, ernst genommen zu haben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Aschmoneit-Lücke.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als die Kollegin Schmitz-Hübsch vor ungefähr zehn Minuten sagte, es sei im Saal relativ leer geworden, bin ich davon ausgegangen, dass alle anderen Abgeordneten im Internet surfen, und das ist ja angesichts der Tatsache, dass wir in SchleswigHolstein das Internet so gut angenommen haben, natürlich eine ganz tolle Sache.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Lieber Herr Kollege Müller, die Vorbemerkung zur Großen Anfrage, aber auch das, was Sie eben gesagt haben, bestätigt meine Einschätzung, dass man seitens der Mehrheitsfraktion eine solche Anfrage natürlich aus ganz bestimmten Gründen stellt. Man erwartet, dass man der Landesregierung damit die Möglichkeit

(Christel Aschmoneit-Lücke)

gibt, eine Lobeshymne auf das zu singen, was hier im Lande alles geschehen ist.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Natürlich, Herr Hentschel, es ist so, und deswegen wundere ich mich darüber, dass Sie sich daran gar nicht beteiligt haben.

Wenn ich mir aber die Große Anfrage und die Antwort darauf richtig ansehe, muss ich feststellen: Jawohl, Schleswig-Holstein ist weit vorne, jawohl, die Informations- und Kommunikationswirtschaft in SchleswigHolstein ist dynamisch und sehr erfolgreich, sie ist trotz des Einbruchs im letzten Jahr eine Wachstumsbranche. Selbstverständlich freuen wir uns darüber, aber wie weit die Politik der Landesregierung damit etwas zu tun hat, das möchte ich dann doch etwas relativieren.

(Beifall bei FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, das Land ist pleite, investiert kaum noch, hängt beim Wirtschaftswachstum in Westdeutschland hinten und hat eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit. Das bremst natürlich auch die IuK-Branche. Für mich haben die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen bisher kein überzeugendes Konzept dafür, wie sie diese Gesamtsituation ändern wollen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Information und Kommunikation, das ist eine bedeutende Branche in Schleswig-Holstein; ich sagte es schon. Die Menschen in dieser Branche leisten sehr gute Arbeit. Wir brauchen ihre Leistungen, wir brauchen diese Wachstumsbranche, und wir freuen uns über ihre Erfolge.

Eine Zahl unterstreicht die Bedeutung der Branche in unserem Lande: Es gibt derzeit 19.010 Unternehmen. Zwei weitere Zahlen unterstreichen die Dynamik der Branche: In den letzten zehn Jahren wurden 31.303 Unternehmen gegründet und 23.505 geschlossen. Das ist - das sage ich ausdrücklich - Dynamik. Es ist wirtschaftliche Dynamik, wenn wir neue Unternehmen bekommen und wenn andere natürlich wegfallen.