- Ich kann Ihnen jetzt weder zuhören noch kann ich darauf reagieren. Ich bitte Sie, sich Ihre Wortmeldung für später aufzusparen.
Die echte Bewährung fängt also erst nach dem Ablegen der Fußfessel an. Daher muss für eine seriöse Beurteilung der Rückfallquote das Verhalten in dem Zeitraum nach dem Fußfessel-Arrest herangezogen werden; alles andere zählt nicht.
Es bleiben also allenfalls die Möglichkeiten der Anwendung in der Führungsaufsicht und der Untersuchungshaft. Die Führungsaufsicht wird in der Regel weitere Weisungen enthalten, die nicht durch eine elektronische Fußfessel überwacht werden können. Eine intensive Betreuung durch die Bewährungshilfe ist also in jedem Fall erforderlich. Es ist zumindest fraglich, ob die elektronische Fußfessel dann noch eine wesentliche Erleichterung bringt.
In der Untersuchungshaft könnte ich mir eine Anwendung noch am ehesten vorstellen. Zu prüfen ist allerdings, ob hier noch Platz für einen Anwendungsbereich bleibt, da Untersuchungshaft wegen Wiederholungs- und vor allem wegen Verdunkelungsgefahr kaum durch eine Fußfessel ersetzt werden kann.
Für mich bleibt festzuhalten: Der Modellversuch läuft, wie hier bereits gesagt worden ist, noch, und solange keine ordentliche Evaluation stattgefunden hat, ist der Modellversuch nicht aussagekräftig. Eine ordentliche Evaluation heißt aber: Zwei Gruppen mit - bis auf die Fußfessel - ansonsten gleichen Bedingungen müssen verglichen werden. Es muss beobachtet werden, wie die Rückfallquote in der echten Bewährungszeit, also in der Zeit nach der elektronischen Überwachung, aussieht. Solange dies nicht geschehen ist, bleibt eine Berufung auf das hessische Modell für mich unseriös, und es bleiben mehr Zweifel am Nutzen der elektronischen Fußfessel als Gründe dafür.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, und das haben meine Kollegen vorher auch schon gesagt: Auf den ersten Blick erscheint die Perspektive verlockend. Mit der elektronischen Fußfessel können wir einen Beitrag dazu leisten, Freiheitsentzug zu vermeiden und straffällig Gewordene wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Wie immer ergibt sich aber beim näheren Hinsehen und bei weiterer Befassung mit der Materie, dass es doch noch Fragen gibt. Das fängt schon mit dem Kreis der Personen an, der in den Genuss der kontrollierten Freiheit kommen soll. Offensichtlich sind sich nunmehr alle einig, dass die Fußfessel keine Alternative zur Haftstrafe ist. Je nach politischer Ausrichtung wird dies damit begründet, dass so keine ordentliche Resozialisierung möglich ist beziehungsweise dass die Freiheitsstrafe nicht hart genug oder zu luxuriös ist. Daher kommt dieses Instrument nicht für jene in Betracht, bei denen die Alternative die Haft ist. Es kann also nur um Personen gehen, für die kein Grund für einen Verbleib in der Haft besteht, die man aber gerne etwas im Auge behalten will. Es stellt sich schon die Frage, ob hier nicht ein Personenkreis behandelt werden soll, der ohnehin gute Chancen für eine Integration in die Gesellschaft hat.
In Hessen ist der Modellversuch abgeschlossen, aber noch nicht abgeschlossen ist die wissenschaftliche Evaluation. In einem Zwischenbericht zu diesem Projekt wird vom Max-Planck-Institut für Strafrechtsforschung - das haben meine Kollegen auch schon zitiert - unterstrichen, dass der Erfolg der elektronischen Fußfessel vor allem darin liegt, dass die betroffenen Personen wieder einen geregelten Tagesablauf bekommen.
Eine Bedingung für die Aufnahme ist nämlich, dass sie schon für mindestens 20 Stunden pro Woche Arbeit haben einer gemeinnützigen Tätigkeit nachgehen oder ausgebildet werden. Das Erfolgskriterium für die Maßnahme besteht also darin, dass diese Tätigkeit aufrecht erhalten und auch ansonsten ein strenges Zeitschema eingehalten wird. Die elektronische Fußfessel ist somit eine pädagogische Maßnahme, die sozusagen das schlechte Gewissen der Probanden fördert und sie bei der Stange hält.
Gleichzeitig erschwert die strenge Zeitplanung aber auch private Aktivitäten und soziale Kontakte. Überhaupt wird die nähere Umgebung stark mit einbezogen, was sich allein darin ausdrückt, dass alle Erwachsenen im Haushalt - also nicht nur der von der Fußfessel Betroffene - schriftlich in die Maßnahme einwilligen müssen. Die Fußfessel ist damit nicht nur eine Belastung für private Beziehungen jeder Art, sie wirft
Im Zwischenbericht aus Hessen wird unterstrichen, dass die Probanden vor allem auch einen positiven Effekt der Maßnahme darin sahen, dass die mit dem Versuch verbundenen Sozialarbeiter beziehungsweise Bewährungshelfer ihnen halfen. Es stellt sich also die Frage, welchen Anteil die Fußfessel und welchen Anteil die soziale Begleitung an der gelungenen Integration hat.
Die elektronische Fußfessel ist ein tief greifender Eingriff in das Leben und die Rechte der Betroffenen und ihrer Umgebung. Deshalb stellt sich schon die Frage, ob es für diesen Personenkreis nicht ebenso effektive Möglichkeiten im Rahmen „konventioneller" Methoden gibt: ambulante soziale Hilfen, Meldeauflagen, Führungsaufsicht und Ähnliches. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die Fußfessel auch eine körperliche Dimension hat. Die mag zwar deutlich milder ausfallen als bei ihren mittelalterlichen Vorgängern, aber das Max-Planck-Institut unterstreicht immerhin, dass die Fußfessel unter anderem wegen ihrer permanenten Fühlbarkeit von den Trägern als Sanktion aufgefasst wird. Es stellt sich also die Frage: Welcher Personenkreis hat es einerseits verdient, frei gelassen zu werden, soll aber anderseits noch eine zusätzliche, neue Bestrafung erhalten?
Der CDU-Antrag wirft weitere Fragen auf. Deshalb können wir auch dem FDP-Antrag nicht zustimmen, der gleich Tatsachen schaffen will. Eine abschließende Bewertung können und wollen wir heute nicht abgeben. Wir wünschen uns eine gründliche Erörterung auch im Hinblick darauf, dass die wissenschaftliche Begleitung zu dem Versuch in Hessen und den Versuchen in anderen Ländern noch nicht abgeschlossen ist im Ausschuss. Skepsis besteht unter anderem, weil hier eine Technologie eingeführt werden soll, die erstmals eine elektronische Kontrolle der Bewegungsfreiheit von Menschen ermöglicht. Die Einführung der Fußfessel kann ein Einstieg in mehr staatliche Kontrolle werden. Es geht ja nicht um eine Alternative zur Haft, sondern um die Überwachung von Personen, die sich nicht in Haft befinden, aber möglicherweise Straftaten begehen könnten. Der SSW will kein Land, in dem Menschen zur Kriminalitätsvorbeugung als lebende Peilsender herumlaufen müssen.
Aus dem Zwischenbericht ergibt sich - dass als abschließende Bemerkung - noch Folgendes: Zu diesem Versuch wurden insgesamt 60 Personen angemeldet. Es waren nur zwei und damit nicht alle Bereiche betroffen, die im Antrag der CDU genannt sind. Es ging nur um die Fragen der Strafaussetzung zur Bewährung beziehungsweise der Vermeidung des Widerrufs der
Strafaussetzung zur Bewährung einerseits und um die Vermeidung der U-Haft andererseits. Nur diese Personengruppen haben also an dem Versuch teilgenommen, nicht aber die unter Punkt vier und fünf Ihres Antrags genannten. Zudem wurden laut der Zwischenbilanz nur 24 Personen von diesen 60 endgültig übernommen. Darauf wollte ich hinweisen, weil ich denke, dass wir das in der Erörterung näher betrachten sollten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur der Ordnung halber will ich sagen, dass auch wir die Presseerklärungen des hessischen Kollegen und die entsprechenden Untersuchungen gelesen haben. Wir konnten uns daher bei der Vorbereitung der Sitzung erklären, warum die Anträge jetzt auf dem Tisch liegen. Wir haben über dieses Thema ja schon vor einiger Zeit ausführlich debattiert. Die damals von mir dargelegten erheblichen Bedenken gegen die Anwendung der elektronischen Fußfessel bestehen fort. Die Erfahrungen aus Hessen, soweit sie jetzt auf dem Tisch liegen, sind nicht geeignet, diese Bedenken zu entkräften.
Die Anwendung der elektronischen Fußfessel als Weisung bei der Strafaussetzung zur Bewährung sowie zur Vermeidung des Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung können nach wie vor nicht befürwortet werden. Denn es bestehen noch immer Bedenken, ob die elektronische Fußfessel als Form des Freiheitsentzuges überhaupt als eine Maßnahme der Bewährung gerechtfertigt ist und ob sie gerechtfertigt werden kann. Bewähren kann sich nur der, der seine Bereitschaft zum straffreien Leben in voller Freiheit unter Beweis stellt und unter Beweis stellen kann.
Es bleibt nach wie vor fraglich, ob die Fußfessel ein geeignetes Instrument zur Vermeidung des Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung ist. Vielmehr ist sie - so unsere vorläufige Bewertung - Instrument zur Kontrollerweiterung im Rahmen einer ohnehin ausgesetzten Strafe. Die Anwendung der elektronischen Fußfessel als Maßnahme zur Vermeidung oder zur Verkürzung von Untersuchungshaft könnte - ich betone das Wort „könnte“ - ein geeignetes Mittel zur Beseitigung der bestehenden Fluchtgefahr sein. Entscheidend ist, dass der tatsächliche Anwendungsbereich
schon aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ausgesprochen begrenzt sein könnte. Die Anordnung muss immer dann scheitern, wenn der Haftzweck bereits durch mildere Maßnahmen - ich erinnere an § 116 der Strafprozessordnung - erreicht werden kann. Bei den Haftgründen der Verdunklungsgefahr und der Wiederholungsgefahr kommt die elektronische Fußfessel überhaupt nicht in Betracht. Sie gewährleistet nämlich keine so lückenlose Überwachung, dass diese beiden Haftgründe in Wegfall geraten könnten.
Beide Anträge - sowohl der der CDU als auch der der FDP - halten der genauen Nachprüfung der Realisierbarkeit nicht Stand. Denn die Anträge zielen ganz eindeutig auf eine Ressourcenverschiebung. Ressourcen für betreuende Maßnahmen sollen auf kontrollierende Maßnahmen verschoben werden. Das könnte eine Schwächung, wenn nicht gar der Ausverkauf des Resozialisierungsgedankens, dem wir uns doch alle verpflichtet fühlen, sein.
Statt ambulanter Maßnahmen, ambulanter Hilfen und Sanktionen als gesetzliche Alternativen zu nutzen, wird auf den elektronisch überwachten Hausarrest oder die elektronische Fußfessel - beides ist ja nicht ganz identisch - gesetzt. Die Justiz in SchleswigHolstein hingegen setzt auf die konsequente Reduzierung von Haftplätzen. Wir nutzen ambulante Hilfen.
Der Debattierklub in der hinteren linken Ecke, gefällt mir nicht. Sollen wir vielleicht noch Bier und Frikadellen servieren?
Aus vielen Berichten und Debatten wissen Sie, dass es in Schleswig-Holstein Alternativen gibt: Wohnprojekte, Arbeitsprojekte, Schuldnerhilfen sowie Beratungsstellen für Straffällige und ihre Angehörigen stehen bei uns ganz oben. Auch die Förderung und die Organisation von gemeinnütziger Arbeit zur Abwendung von Ersatzfreiheitsstrafen stehen für uns an oberster Stelle. Die Zahl der mittellosen Menschen, die ihre Strafe aus Geldmangel in Form der Ersatzfreiheitsstrafe im Vollzug verbüßen müssen, muss reduziert werden. Das geht nicht mit elektronischer Überwachung, das kann es auch gar nicht.
Statt eines weiteren Modellversuchs oder gar der flächendeckenden Einführung der elektronischen Fußfessel steht die Reform des Sanktionsrechts auf der Liste, die unabhängig vom Wahlkampf sehr sorgfältig auf der Basis des vorgelegten Gesetzentwurfs der Regierungsfraktionen im Bundestag zu diskutieren ist. Durch den Ausbau des gesetzlichen Rahmens für gemeinnützige Arbeit anstelle kurzzeitiger Freiheitsstrafen kann ein sinnvoller Beitrag für den Einstieg in ein straffreies Leben gewährleistet werden. Die immer wieder wiederholten Anträge auf Einführung elektronischer Fußfesseln suggerieren ein Mehr an Sicherheit. Tatsache ist aber, dass statt der Verhinderung von Straftaten neue Tatbestände und neue Sanktionen geschaffen werden, die dichtere Regelungen für die Arrestanten und damit aber auch deren Gefährdung schaffen.
steht in keinem sinnvollen Verhältnis zu dem, was damit erreicht werden kann. Das gilt abgesehen davon, dass die Kosten - wie schon vorgetragen worden ist sehr hoch sind.
Es besteht ja die Ungerechtigkeit, dass arme Menschen wegen geringerer Delikte schneller in Haft geraten; das ist eben schon erwähnt worden. Wer keine Wohnung hat, keine Arbeit hat, kann schneller in Untersuchungshaft oder eben in die Ersatzfreiheitsstrafe geraten. Diese Ungerechtigkeit wird durch die elektronische Fußfessel eben nicht aufgehoben, vielmehr wird sie verstärkt.
Darüber hinaus - das ist mir noch wichtig, Herr Präsident - gibt es hinsichtlich der praktischen Anwendung noch zwei Punkte, die hier nicht angesprochen worden sind. Das eine sind die datenschutzrechtlichen Probleme, die nicht geklärt sind, und das andere ist die mögliche Beeinträchtigung des staatlichen Gewaltmonopols, wie die Erfahrungen im angelsächsischen Raum zeigen. Hier bestehen weitere Gefahren, die wir dann beim nächsten Mal diskutieren können.
Fairerweise muss ich natürlich sagen, dass die Redezeit für die Fraktionen neu eröffnet ist. Zunächst erteile ich Herrn Abgeordneten Geißler das Wort zu einem Kurzbeitrag.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige Wortbeiträge zeigen leider, dass die zur Verfügung stehenden Materialien nicht sorgfältig ausgewertet worden sind.
Das betrifft auch den Beitrag der Frau Ministerin. Da wurde nämlich die falsche Behauptung aufgestellt, es finde eine Ressourcenverschiebung von der Betreuung hin zur Überwachung statt. Das ist nicht der Fall. Schauen Sie sich doch einmal an, wie das in Hessen gehandhabt wird. Bei jedem einzelnen Probanden wird ein detaillierter Sozialbericht erarbeitet.