Protokoll der Sitzung vom 11.09.2002

Deswegen haben vielleicht die „Kieler Nachrichten“ vom Wochenende Recht: Frau Ministerin, Sie dürfen bleiben, weil es sich mit Ihnen so bequem regieren lässt.

Heute, zur Halbzeit der Legislaturperiode in Schleswig-Holstein und am Ende der Regierungszeit von Gerhard Schröder, ist die Bilanz der rot-grünen Bundesregierung und der rot-grünen Landesregierung in der Bildungs-, der Wirtschafts-, der Arbeitsmarkt-, der Sozial- und Finanzpolitik verheerend. Deutschland und Schleswig-Holstein dürfen aber nicht um ihre Zukunft gebracht werden. Wir brauchen dringend Reformen für Schleswig-Holstein, damit unser Land wieder zukunftsfähig und wettbewerbsfähig wird.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dabei ist ein Doppelhaushalt zur rechtzeitigen Verschleierung rot-grüner Misswirtschaft vor der nächsten Landtagswahl sicherlich kein Beispiel für Reformen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Die Quittung, meine Damen und Herren von RotGrün, werden Sie am 22. September bekommen. Das rot-grüne Projekt jedenfalls ist in Berlin und in Kiel am Ende. Also frei nach Trappatoni: Flasche leer, Rot-Grün hat fertig.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Hay.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heutige 11. September ruft uns auf bedrückende Weise noch einmal die Situation in Erinnerung, die wir vor einem Jahr an den Bildschirmen erleben mussten: das furchtbarste Attentat seit Beendigung des Zweiten Weltkrieges. Die Welt ist seitdem in der Tat verändert. Der Präsident hat - aus meiner Sicht - in beeindruckender Weise auf diesen Tag hingewiesen.

(Lothar Hay)

Innenpolitisch hat sich seit dem 11. September 2001 die Situation sowohl in Schleswig-Holstein als auch in der Bundesrepublik Deutschland verändert. Wir mussten lernen, dass Staaten mit freiheitlicher Verfassung trotz verschärfter Sicherheitsbedingungen nie vollständig vor Terrorismus geschützt werden können und immer verletzbar bleiben werden. Die Länder haben gemeinsam mit dem Bund ein ganzes Bündel von Maßnahmen beschlossen, um weiterreichende Möglichkeiten auch im innerstaatlichen Vorgehen gegen mögliche Terroristen zu haben. Wir haben die Sicherheitspakete der Bundesregierung ebenso unterstützt wie die Umsetzung der Rasterfahndung in Schleswig-Holstein. Damit verbunden haben wir seinerzeit die regelmäßige Überprüfung. Das sollten wir in naher Zukunft auch umsetzen. Ich habe gerade mit Interesse eine Mitteilung des Bundes Deutscher Kriminalbeamter gehört, wonach die Rasterfahndung nicht den erhofften Erfolg gebracht habe. Dann sollten wir diese auch kritisch hinterfragen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Rechtzeitig sind damals sinnvolle Maßnahmen zur Stärkung von Polizei, Verfassungsschutz, Justiz und Katastrophenschutz ergriffen worden. Wir werden uns darum bemühen, die auf den Weg gebrachten Maßnahmen so weit wie möglich dauerhaft finanziell abzusichern.

Meine Damen und Herren, wir werden uns morgen ausführlich mit den Folgen der verheerenden Flutkatastrophe auseinander setzen. Aber eines wissen oder ahnen wir schon heute: Die zukünftigen Haushalte unseres Landes werden von dieser verheerenden Jahrhundertflut beeinflusst werden. Der Kanzlerkandidat der Union brauchte eine kurze Zeit des Durchatmens, um wahrzunehmen, dass hier Einschneidendes passiert war.

Die Niederschläge und Überschwemmungen der letzten Wochen haben eine Verwüstung hinterlassen, die die schlimmsten Befürchtungen übertroffen haben. Wir müssen und wir werden die Opfer bei den Aufbauarbeiten als nicht oder nur leicht betroffenes Land nach Kräften unterstützen müssen. Wir werden das auch tun.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Zu danken ist den vielen Freiwilligen Feuerwehren, dem Technischen Hilfswerk, der Bundeswehr, dem Bundesgrenzschutz, der Polizei und den vielen Hilfsorganisationen und unzähligen Bürgerinnen und Bürgern, die in den betroffenen Gebieten über Wochen im Einsatz waren. Wegen unserer Betroffenheit gilt

natürlich ein besonderer Dank den Menschen in Schleswig-Holstein, die im Herzogtum Lauenburg einen Deichbruch verhindert haben.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

In schwierigen Zeiten haben Menschen zusammengestanden. Das ist aus meiner Sicht die positivste Erfahrung aus der Katastrophe. Zu danken ist allen Organisationen, allen Gremien und Verantwortlichen im Herzogtum Lauenburg für die Organisation der ineinander greifenden Maßnahmen und natürlich auch unserer Landesregierung.

Die Bewältigung der Hochwasserkatastrophe ist zweifellos eine nationale Aufgabe, an deren Finanzierung wir uns mit Sicherheit in den nächsten Jahren beteiligen müssen. Klar ist: An den Flussläufen von Elbe und Donau oder an der Nord- und Ostsee hat für uns Sozialdemokraten der Schutz von Menschen und deren Hab und Gut absolute Priorität.

(Beifall bei SPD, FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ohne in die Ursachenforschung einsteigen zu wollen: Es liegt doch wohl auf der Hand, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Klimaentwicklung - ich habe das schon sehr vorsichtig formuliert - diese und andere Katastrophen zumindest begünstigt hat. Hinzu kommen eine Begradigung der Flüsse, nicht nur der großen, eine Politik, die Siedlungen direkt an die Flüsse herangeführt hat, eine Flächenversiegelung, die glaubte, keine Rücksicht auf jetzt zu erkennende Gefahren nehmen zu müssen, und eine Landwirtschaft, die durch den Rückgang von Grünland leider ebenfalls einen negativen Beitrag geliefert hat.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Klar ist natürlich auch, dass der jetzt geforderte Rückbau als Schutz kein Allheilmittel ist. Denn niemand von Ihnen wird ernsthaft vorschlagen wollen, Innenbezirke hochwassererprobter Städte wie Dresden, Meißen oder Pirna oder Lauenburg abzureißen. Vielmehr sind hier Maßnahmen zu ergreifen, damit in Zukunft die Menschen dort geschützt vor Hochwasser leben und arbeiten können.

(Beifall bei SPD und FDP - Klaus Schlie [CDU]: Das hört sich gut an!)

Lassen Sie mich das für meine Person an dieser Stelle deutlich sagen: Wir müssen uns mit der Frage des weiteren Ausbaus der Elbe kritisch auseinander setzen. Wir müssen neue Fakten bekommen, neue Be

(Lothar Hay)

wertungen vornehmen und dann Entscheidungen treffen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die gerade zu Ende gegangene Konferenz von Johannesburg zeigt ein weiteres Mal, dass die kleinen Fortschritte deutlich hinter den dringenden Notwendigkeiten zurückbleiben.

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Reden Sie jetzt über den Haushalt?)

Solange die USA und Japan weiter glauben, Umweltschutz sei etwas für alle anderen und Flüsse kein Thema, werden entscheidende Schritte nach vorn nicht gelingen. Meine Damen und Herren von der Opposition, welchen Stellenwert der Umweltschutz bei Ihnen, in Ihrem Kompetenzteam einnimmt, das haben wir in den letzten Wochen und Monaten deutlich gespürt. Da haben Sie noch Nachholbedarf.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich noch eines in Richtung von so genannten Superschlauen in der Finanzpolitik sagen.

(Klaus Schlie [CDU]: Er scheint zum Haus- halt zu kommen!)

Sollte es wirklich so sein, dass aufgrund der nationalen Flutkatastrophe die Maastricht-Kriterien in diesem Jahr nicht erfüllt werden können, so heißt meine klare Antwort: Hilfe für die Opfer und die betroffenen Regionen geht eindeutig vor Maastricht-Kriterien.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn es noch eines Beweises für die Notwendigkeit einer Politik der Nachhaltigkeit bedurft hätte: Die Flutkatastrophe hat ihn geliefert. Die Flutkatastrophe hat gezeigt, dass eine unveränderte Fortführung der Lebens-, Wirtschafts- und Konsummuster die schon bestehenden Umweltprobleme noch steigern wird. Deshalb muss sich in Zukunft ökonomisches Wachstum noch stärker an den ökologischen und sozialen Machbarkeiten orientieren. Der Begriff von qualitativem Wachstum muss und wird wieder an Bedeutung gewinnen.

Die Landesregierung wird diese Erkenntnisse sicherlich bei der weiteren Entwicklung ihrer eigenen Nachhaltigkeitsstrategie in den nächsten Wochen mit zu berücksichtigen haben.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuru- fe von der CDU)

Meine Damen und Herren, der Haushaltsentwurf 2003 - -

(Zurufe von der CDU: Ah, ah, ah!)

- Das hat alles mit dem Haushaltsentwurf zu tun.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU - Zuruf von der CDU: Ja, be- stimmt!)

Ich freue mich, dass Sie das auch verstehen.

Der Haushaltsentwurf 2003 zeigt eines deutlich: Will der Staat seine Aufgaben weiter so erfüllen, wie Bürgerinnen und Bürger es von ihm erwarten, dann sind zurzeit weitere Steuersenkungen ausgeschlossen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Klaus Schlie [CDU]: Tolle Erkenntnis!)

Diese Analyse trifft nicht nur auf Schleswig-Holstein zu, sondern auf fast alle Bundesländer. Auch die FDP muss mit ihrem vermeintlichen Kanzlerkandidaten endlich erkennen, dass verlässliche Einnahmen des Staates erst die Grundlage dafür schaffen, dass die von den Menschen erwartete Grundversorgung in den Bereichen Bildung, soziale Sicherheit und innere Sicherheit auch vom Staat garantiert werden kann. Deshalb ist es dort nicht mehr mit einem Spielreim getan.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Wir müssen selbstkritisch sagen - wir haben ja auch der Steuerreform zugestimmt -, dass die Erwartungen, die wir hatten, durch das Absinken der Steuern nicht eingetroffen sind; das erhoffte Wirtschaftswachstum ist nicht eingetreten. Wir haben uns mit den verminderten Einnahmen sowohl auf Landesseite als auch auf kommunaler Seite zu beschäftigen. Wie schwierig diese Entwicklung in den letzten Wochen und Monaten gewesen ist und wie sie auch noch in Zukunft sein wird, hat die Mai-Steuerschätzung deutlich gemacht: Allein Schleswig-Holstein musste 117 Millionen € ausgleichen und die erwarteten Steuereinnahmen bis zum Jahre 2005 mussten um 1 Milliarde € nach unten korrigiert werden.