Protokoll der Sitzung vom 13.09.2002

(Lothar Hay [SPD]: Das müssen Sie Kubicki sagen zu dem, was er gerade für MobilCom gefordert hat!)

Kein Wunder, dass die Fachleute des Wirtschaftsministeriums den Entwurf verwarfen. Dass die Vertreter der Koalitionsfraktionen und der SSW diesen ökonomischen Unsinn als einzige Begründung für den Entwurf vorbringen, wirft ein bezeichnendes Licht auf deren wirtschaftspolitische Kompetenz.

(Beifall bei FDP und CDU)

Die FDP lehnt den Entwurf ab. Die Tariftreue schreibt hauptsächlich den Lohn der Baustelle vor. Das bedeutet: Die öffentlichen Baukosten steigen.

Ein Beispiel! Angenommen, die Hälfte aller öffentlichen Bauaufträge würde durch heimische Firmen zum hiesigen Tarif ausgeführt, die andere Hälfte durch auswärtige Firmen mit niedrigeren Tarifen. Mit Tariftreue würden die Kosten der auswärtigen Firmen steigen und damit deren Angebotspreise und damit die Kosten für den Fiskus. Und es glaubt doch niemand in diesem Land, dass das Land oder die Gemeinden auch nur einen Euro mehr für Baumaßnahmen ausgeben könnten als bisher.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: So ist es!)

Die Gemeinden können Sie ohnehin nicht verpflichten.

(Beifall bei FDP und CDU)

Folglich kann der Staat nur noch weniger Aufträge vergeben. Er bekommt weniger und muss dafür mehr bezahlen. Für die schon erbärmlich niedrigen Investitionsausgaben des Landes erhielten wir noch weniger Infrastruktur. Das ist völlig widersinnig.

Jetzt könnte man glauben, heimische Baufirmen würden mehrheitlich die Aufträge erlangen, die bisher durch Auswärtige erledigt wurden. Ein trügerischer Fehlglaube!

Erstens lässt sich die Auftragsvergabe nicht auf heimische Baufirmen beschränken. Baufirmen aus anderen westdeutschen Ländern stehen auch bereit.

Zweitens würden besonders ostdeutsche Baufirmen in Schwierigkeiten geraten und den Zuschussbedarf für Ostdeutschland erhöhen. Die Zuschüsse müssen in Westdeutschland erwirtschaftet werden. Im Westen wäre entweder weniger Geld für eigene Zwecke vorhanden oder Steuern und Abgaben müssten steigen. Beides schwächt öffentliche und private Investitionen und damit West- und Ostdeutschland.

(Beifall der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

Drittens sind die Vorteile der Tariftreue für die formal begünstigten Firmen erheblich kleiner als die Nachteile für die gesamte Gesellschaft.

Viertens würde eine auf Schleswig-Holstein begrenzte Tariftreue die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft noch weiter zurückwerfen mit negativen Auswirkungen auf die heimische Bauwirtschaft.

Hinzu kommt die fragwürdige Legalität. Die Tariftreue widerspricht ganz klar den Regeln des europäischen Binnenmarktes. Der Rechtsweg würde vielleicht Jahre dauern. Aber das ist keine Entschuldigung für rechtswidrige Gesetzentwürfe.

(Beifall bei FDP und CDU)

Sicherlich hat auch dies das Wirtschaftsministerium bewogen, den Entwurf fallen zu lassen. Es ist schon verwunderlich, dass sich die Regierungsfraktionen daran nicht stören. Würde eine Kommune entsprechend gegen Landesrecht verstoßen, würden die Wellen der Empörung wahrscheinlich auch und gerade auf der linken Seite dieses Hauses hochschlagen.

Lassen Sie mich abschließend ein Zitat von Herrn Professor Schatz, den Sie vermutlich alle kennen,

(Christel Aschmoneit-Lücke)

bringen. Er ist jetzt beim Institut der Deutschen Wirtschaft:

„Die Bindung der Vergabe öffentlicher Aufträge an die Tariftreue (verstößt) gegen das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft. Der Wirtschaftsminister darf sie nicht schweigend hinnehmen oder sogar selbst betreiben.“

(Beifall der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

Herr Minister Rohwer, Sie haben den diesbezüglichen Betrieb erfreulicherweise eingestellt. Nehmen Sie den widersinnigen Entwurf der Regierungsfraktionen jetzt nicht schweigend hin. Der Wirtschaftsminister sollte das wirtschaftspolitische Gewissen der Regierung sein, und zwar im Sinne der gesamten Volkswirtschaft und nicht im Interesse einzelner Branchen.

(Anhaltender Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hentschel das Wort.

Liebe Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe gerade eine Stellungnahme des Baugewerbeverbandes Schleswig-Holstein zu unserem Gesetzentwurf bekommen. Ich lese vor:

(Martin Kayenburg [CDU]: Haben Sie die auch verstanden?)

„Die Überführung des gescheiterten Bundestariftreuegesetzes auf Landesebene“

also den Entwurf eines Gesetzes zur Tariftreue von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten des SSW –

„begrüßen wir außerordentlich.“

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Weiter heißt es:

„Die Tariftreueerklärung wird auch auf bauverwandte Bereiche positive Ausstrahlungswirkung haben.“

(Beifall des Abgeordneten Bernd Schröder [SPD])

Weiter habe ich soeben eine Stellungnahme des Baugewerbeverbandes Schleswig-Holstein zum Entwurf

eines Mittelstandförderungsgesetzes der CDU-Landtagsfraktion bekommen. Da heißt es:

„Die Interessen und die wirtschaftliche Situation der kleinen und mittleren Betriebe sind durch den Entwurf nicht ausreichend berücksichtigt.“

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

„Generell ist zu bemerken, dass klarere Strukturen der geltenden Vorschriften dort aufgegeben wurden, wo die bisherigen Regelungen weitgehend inhaltsgleich übernommen wurden.“

Das heißt, der Baugewerbeverband ist der Auffassung, dass der Gesetzentwurf der CDU das jetzige Gesetz verschlechtert.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Reden wir über Ihr Gesetz!)

Der Baugewerbeverband hat Anregungen gegeben, was wir im Gesetzentwurf verbessern können. Er hat insbesondere darauf hingewiesen, dass wir darauf achten sollten, die Kontrollpflicht des Auftraggebers zu normieren, damit die Durchsetzung dieses Gesetzes auch sichergestellt wird. Das werden wir prüfen. Er hat weiterhin angeregt, dass der Einsatz von Subunternehmern auf 50 % beschränkt werden soll, möglicherweise auf 70 %, wie es in anderen Ländern der Fall ist. Auch das ist ein Hinweis des Baugewerbeverbandes, dem wir nachgehen werden.

Ich möchte noch einmal auf das Thema Tariftreue an sich eingehen,

(Heinz Maurus [CDU]: Endlich!)

weil das von Frau Strauß angesprochen worden ist. Tariftreue ist etwas - so glaube ich -, was sich in der freien Marktwirtschaft über die Verbände, über die Auseinandersetzung zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften automatisch durchsetzt. Der Staat ist in einer anderen Rolle, Frau Strauß. Wenn der Staat Aufträge vergibt und Lohndumping zulässt, besteht die Gefahr, dass er damit - weil er über die Ausschreibung gezwungen ist, das billigste Angebot zu nehmen;

(Roswitha Strauß [CDU]: Ist er nicht!)

er hat gar keine Möglichkeit, die Frage von Tarifen zu berücksichtigen - Unternehmen zwingen kann, aus den Arbeitgeberverbänden auszusteigen. Das kann aber nicht Sinn staatlicher Politik sein.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

(Karl-Martin Hentschel)

Noch schwieriger ist die Situation im ÖPNV. Wenn wir bei den Busunternehmen in den Wettbewerb gehen und Angebote zulassen, die im Wesentlichen auf Lohnkosten beruhen, die unterhalt der Tarife liegen, zwingen wir sämtliche Kleinunternehmen SchleswigHolsteins, aus den Tarifverbänden auszusteigen. Das kann nicht unser Wille sein.