Protokoll der Sitzung vom 13.09.2002

Bei der Abfallabfuhr bekamen wir gerade in der letzten Woche ein klassisches Beispiel frei Haus geliefert. In Kiel wurde die Abfuhr ausgeschrieben. Während bisher ordentliche Tarife gezahlt wurden und sich auch Unternehmen mit Bindung an die Tarife der Entsorgungswirtschaft um die Abfuhr beworben hatten, hat ein Unternehmen die Ausschreibung gewonnen, das 30 bis 40 % weniger zahlt, als es in den für diese Branche einschlägigen Tarifen festgelegt ist. Die Folge ist: Hiesige Unternehmen ziehen den Kürzeren und die bisherigen Beschäftigten sind von Arbeitslosigkeit bedroht.

Laut „Kieler Nachrichten“ hat der Chef des Abfallwirtschaftsbetriebs Kiel bedauert, dass in Sachen Tarifbindung keine Vorgaben gemacht werden durften. Hier liege eine echte Gesetzeslücke vor, hat er gesagt. Genau diese Gesetzeslücke wollen und werden wir schließen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mir liegen eine ganze Reihe von Wortmeldungen für Kurzbeiträge vor, sodass ich zunächst einmal Herrn Minister Professor Rohwer das Wort erteile.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich sagen: Die Fraktionen haben einen guten Gesetzentwurf vorgelegt. Er ist so gut, dass er

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

genauso aus dem Wirtschaftsministerium hätte kommen können.

Meine Damen und Herren von der Opposition, über welche Frage reden wir eigentlich? Lassen wir doch einmal alle Ablenkungsmanöver weg! Lassen wir auch alle Ablenkungsmanöver mit rechtlichen Risiken weg, liebe Frau Aschmoneit-Lücke und liebe Frau Strauß! Ich komme gleich darauf zurück. Lassen wir einmal die Frage des Bauvolumens beiseite; darum geht es im Kern nicht.

Es geht um die Frage: Wie sichern wir den heimischen Baubetrieben fairen Wettbewerb?

(Beifall bei SPD und SSW)

Wenn Sie mit denen einmal darüber reden würden, dann wüssten Sie, dass es darum geht.

Wir haben - und ich hoffe, dass wir uns wenigstens da einig sind - im Moment in der Bauwirtschaft, insbesondere in den grenznahen Regionen, keinen fairen, sondern ruinösen Wettbewerb. Das wird Ihnen jedes Bauunternehmen bestätigen, mit dem Sie reden.

Sie haben auf die Wettbewerbshilfe abgehoben. Bei der Wettbewerbshilfe geht es um das Verhältnis zwischen Korea und Deutschland. Da gibt es einen Preisunterschied von 30 %. Zufälligerweise ist das ein Preisunterschied, der genauso hoch ist wie derjenige zwischen unseren Baufirmen und den Baufirmen von Mecklenburg-Vorpommern. Bei der Wettbewerbshilfe sind die anderen die Ersten, die eine vollständige Subventionierung dieses Preisunterschieds fordern. Wir sind die Letzten.

Herr Kubicki hat heute - ich habe es gelesen - gefordert, MobilCom mit maßgeblichen Beiträgen des Landes finanziell direkt zu unterstützen. Ist das konsequent? Ich frage mich nach seiner Logik. Es tut mir Leid; es ist nicht konsequent.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich habe - das wissen Sie genau - bei der Frage nach der Tariftreue immer gesagt, dass die Tarifbindung eigentlich selbstverständlich sein müsste. Aber sie ist nicht selbstverständlich, weil wir aus guten Gründen unterschiedliche Tarifgebiete haben. Diese unterschiedlichen Tarifgebiete haben Verträge, bei denen die Kosten über 30 % auseinander liegen. Damit kann kein kleines Unternehmen in Schleswig-Holstein mithalten, wenn ein Auftrag 30 % billiger kalkuliert wird. Das müssen Sie anerkennen.

Ich komme Ihnen an einer Stelle entgegen. Wir haben in der Diskussion ja gesagt, dass es sich hier nicht um ein Gesetz auf Ewigkeit handelt. Wir haben gesagt:

Das ist ein Gesetz, das so lange gelten muss, wie diese Unterschiede ein nicht vertretbares Ausmaß haben. Wenn wir irgendwann einmal bei einer Differenz von 10 % sind, kann die Sache ganz anders aussehen.

Ich nenne das ein Stück Zynismus. Ich finde nicht, dass das Populismus ist; vorhin hat ja jemand gesagt, es sei Populismus. Nein, ich finde es zynisch, wenn wir die Situation der Bauwirtschaft nicht ernst nehmen und auf sie nicht adäquat reagieren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Machen wir uns doch nichts vor. Natürlich haben wir die rechtlichen Argumente ausführlich geprüft. Es gibt wie bei vielen anderen Dingen auch hier unterschiedliche Einschätzungen. Aber es gibt die Einschätzung - die hat bei uns sehr viel Unterstützung bekommen -, dass dieses Gesetz so rechtlich zulässig ist und mit einem gewissen Restrisiko versehen ist; ich erinnere an das Berliner Gesetz und das Bundesverfassungsgericht. Aber wir können doch nicht drei Jahre auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts warten. Denn in drei Jahren sind die betroffenen Betriebe restlos Pleite. Das können wir nicht zulassen und das ist nicht zulässig.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Sie haben gelegentlich - Herr Garg ist jetzt nicht anwesend - den Begriff des fairen Wettbewerbs in Frage gestellt. Ich finde, er ist nicht in Frage zu stellen. Ihr Parteifreund Brüderle nimmt ja die Worte „fairer Wettbewerb“ sehr oft in den Mund. In dem Parteiprogramm der FDP stehen diese überall. Ich finde, wenn wir fairen Wettbewerb ernst nehmen, dann müssen wir auch Taten folgen lassen und können nicht nur darüber reden. Das ist der Vorschlag, den die Fraktionen vorgelegt haben. Diesen unterstütze ich auch.

(Zuruf der Abgeordneten Brita Schmitz- Hübsch [CDU])

Ferner ist gesagt worden - das finde ich wirklich ein wenig zynisch -: Da die Aufträge etwas teurer werden, besteht die Gefahr, dass das reale Volumen etwas geringer wird. Wollen wir denn, dass das Land auf Kosten der Tarifpartner verdient? Nein, es geht darum - -

(Zuruf von der CDU)

- Das ist vorhin gesagt worden; Ich weiß nicht, von wem. - Das können wir doch nicht zulassen. Dieses Argument ist doch widersinnig. Wir müssen dafür sorgen, dass das Bauvolumen nach vernünftigen

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

Prinzipien im Sinne eines fairen Wettbewerbs vergeben wird. Darüber hinaus müssen wir dafür sorgen, dass möglichst viele Aufträge in Schleswig-Holstein landen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Hier sind wir ja nicht auseinander. Dazu gehört natürlich eine konsequente Anwendung unseres Vergaberechts und die Vergabe in Fachlosen und Teillosen.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Wo ist das denn geregelt?)

- Das ist doch gültig. Sie wissen doch, dass das gilt. Das muss doch nur angewendet werden. Dazu brauchen wir kein neues Gesetz, um in Teillosen und Fachlosen zu vergeben.

Es geht darum, dass wir faire Vergabebedingungen haben, die wir in Vergabegesetzen regeln, und dass wir Tariftreue haben, damit unsere Unternehmen wenigstens noch einige Jahre im Wettbewerb so mithalten können, dass sie dann auf Dauer wettbewerbsfähig bleiben. Ich bitte Sie, überdenken Sie Ihre Argumentation. Denken Sie in diesem Falle nicht an Prinzipien, sondern an die Lage und die Beschäftigten dieser Betriebe.

(Beifall bei der SPD - Martin Kayenburg [CDU]: Das war sehr gut!)

Man kann Prinzipien, lieber Herr Kayenburg, tot reiten. Den Betrieben ist mit Prinzipien nichts genützt. Damit können Sie noch in drei Jahren kommen. Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU])

Ich erlaube mir angesichts der Wortmeldungen zu Kurzbeiträgen an dieser Stelle den Hinweis, dass wir uns in der ersten Lesung befinden.

Nach § 58 Absatz 2 der Geschäftsordnung hat Frau Abgeordnete Strauß das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Rohwer, Sie haben mit bitterer Miene versucht, Nebelkerzen zu werfen. Das war ein Stück weit peinlich. Sie wissen ganz genau, - zum Schluss haben Sie ja den kleinen Schlenker noch gemacht -: Die VOB Teil A § 25 Abs. 3 besagt: „Auf ein Angebot

mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis darf der Zuschlag nicht erteilt werden.“

Meine Damen und Herren, zur Annahme eines Dumpingangebotes gehören immer zwei, nämlich einer, der es macht, und ein anderer, der es annimmt. Die öffentlichen Auftraggeber - das ist die Problemlage - haben sich überwiegend vom niedrigsten Preis bestechen lassen und ihre Nachprüfungs- und Aufklärungspflichten nur zum Schein und der Form halber durchgeführt und so protokolliert, dass am Ende die Vergabe an denjenigen, der das Dumpingangebot vorgelegt hat, gerechtfertigt war. Das ist bereits nach geltendem Recht nicht in Ordnung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich habe auf den Mindestlohn hingewiesen. Ich möchte gerne von Ihnen, Herr Minister, wissen, ob Sie mit diesem Gesetz ein schleswig-holsteinisches Bauunternehmen, das Mindestlöhne zahlt, weil es in bedrängter Lage ist - in dem Tarifkonflikt hatte der Baugewerbeverband genau damit gedroht; sie werden es also tun -, von öffentlichen Aufträgen ausschließen, wenn es nicht Ihre Vorgaben einhält oder nicht,

(Beifall bei CDU und FDP)

und ob Sie den Unternehmer vor den Kadi ziehen wollen.

Ich komme jetzt noch zu einem anderen Punkt. Widersinn und Verlogenheit dieses Gesetzes machen Sie auch an einem anderen Punkt deutlich. Der Wirtschaftsminister feiert seine Einsparerfolge im Bereich SPNV, die im freien Wettbewerb erzielt worden sind, und nicht dadurch, dass hier Sonderregelungen eingeführt worden sind.

(Christel Aschmoneit-Lücke [FDP]: So ist es!)

In der Großen Anfrage beantwortet der Minister die Frage nach Dumping mit den Worten: Nein, das ist ein effektiver Einsatz von Personal. Soweit zu einem Bereich, der ihn nicht tangiert.

Sie werden den Kommunen erklären müssen, wie Sie diese Teuerungswelle finanzieren wollen. Zum einen betrifft es die Kommunen, denn das bedeutet weniger Aufträge, und zum anderen ist zu bedenken, dass im Bereich der Schülerbeförderung die Eltern für ihre Kinder ab der 10. Schulklasse das selber zahlen. Auch diese Steigerung müssen Sie den Familien und den Bürgern erklären.

(Anke Spoorendonk [SSW]: Was ist das für eine Argumentation? - Holger Astrup [SPD]: Das war ein Kurzbeitrag!)