Protokoll der Sitzung vom 09.10.2002

Vierter Punkt. Wir wollen die Möglichkeiten zur Unterschriftensammlung erweitern, sprich, erleichtern für die Volksinitiativen. Bisher sollte das im Regelfall und wenn es möglich ist, nur in amtlichen Räumen erfolgen, dass Unterschriften für ein Volksbegehren gesammelt werden. Künftig wollen wir das erleichtern. Es soll außerhalb des eigenen Wohnorts und außerhalb amtlicher Räume, ohne die bisherigen Einschränkungen gesammelt werden können. Wir werden zulassen, dass Unterschriften auch in Geschäften und anderen Örtlichkeiten gesammelt werden. Das ist insbesondere im ländlichen Raum eine Erleichterung für die Volksinitiativen.

Fünfter und letzter Punkt, den ich Ihnen kurz darstellen möchte. Vor der Durchführung eines Volksentscheides sollen die Vertrauenspersonen der Initiative und des Landtages Gelegenheit erhalten, den Bürgerinnen und Bürgern ihre Auffassungen und Argumente gleichgewichtig darzustellen, vorzustellen, damit die Bürgerinnen und Bürger, die dann entscheiden sollen, auch beide Positionen, wenn sie denn widerstreitend sind, zur Kenntnis nehmen. Das gibt ihnen eine bessere Abstimmungs- und Entscheidungsvorbereitungsmöglichkeit. Das entspräche im Übrigen, wenn es denn gemacht wird, der neuen Regelung in unserer Kommunalverfassung, wo wir Ähnliches geregelt haben.

Meine Damen und Herren, wir als SPD-Landtagsfraktion wollen, dass die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sich nicht auf das relativ kärgliche Mitbestimmungsrecht zur personellen Zusammenset

(Klaus-Peter Puls)

zung des Landtages, also auf das Wahlrecht zum Landtag einmal alle fünf Jahre beschränkt, sondern wir wollen, und es ist uns willkommen, Herr Kollege Wadephul, wenn Bürgerbeteiligung auch zwischen den Wahlen stattfindet und die Menschen sich rege beteiligen und dieses Instrument rege nutzen. Deswegen schließe ich mit einem Appell: Meckert nicht nur an den Stammtischen und auf Marktplätzen, mischt aktiv mit in der Politik, wo euch die Möglichkeit gegeben wird. Mitmachen ist besser als Miesmachen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort erteile ich dem Herrn Abgeordneten Schlie.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Kollege aus der zweiten Reihe hat gerade noch gesagt, ich solle etwas Farbe in die Debatte bringen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich habe gemeint, dass das bei diesem Thema gar nicht notwendig sei. Eine Aussage von Ihnen, Herr Kollege Puls, ist aber doch vielleicht etwas missverständlich. Ich denke schon, dass das Wahlrecht wirklich das Gut der Bürgerinnen und Bürger ist, um die Demokratie auszugestalten. Die repräsentative parlamentarische Demokratie sollten wir nicht infrage stellen und ich bin sicher, Sie wollten das nicht.

(Beifall bei CDU und FDP)

Vielen Dank an die Kollegen Puls und Hentschel. Sie haben die Vorschläge und Anregungen der CDULandtagsfraktion aufgegriffen und jedenfalls teilweise unserer Initiative entsprechend in einen Artikelgesetzentwurf einfließen lassen. Es besteht Handlungsbedarf in vielen Frist- und Formfragen - Sie haben das dargestellt -, die auch den Antragstellern einer Volksinitiative entgegenkommen und für sie hilfreich sind.

Kern des Artikelgesetzes ist eine Neuregelung darüber, wann und mit welchem Quorum ein durch Volksentscheid zustande gekommenes Gesetz vom Landtag geändert werden kann. Wir meinen, dass der vorliegende Vorschlag diskussionswürdig ist. Ich will noch deutlicher werden. Wir halten die Höhe des Quorums für angemessen, denn wenn man einen solchen Volksentscheid revidieren will, muss man ein angemessenes Quorum haben, weil es dann parteiübergreifende Gründe geben muss.

Die Notwendigkeit zur Neuregelung ergab sich zwingend aus dem Umgang des Landtages mit dem Volksentscheid zur Rechtschreibreform. Wegen dieser Änderung der Landesverfassung schlagen wir eine Vielzahl von Änderungen des Volksabstimmungsgesetzes vor, die sicher zum großen Teil auch sinnvoll sind.

Leider haben Sie - das muss ich schon sagen - vier Jahre gebraucht, um unsere CDU-Initiative zur Änderung des Volksabstimmungsgesetzes zu beraten. Die CDU-Fraktion hat am 28. Oktober 1998 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Volksabstimmungsgesetzes eingebracht, um, wie Sie selbst gesagt haben, die damals gesammelten Erfahrungen aus der Volksinitiative „Schule in Freiheit“ der Aktion Mündige Schule e.V. in das Gesetz einfließen zu lassen. Sie erinnern sich alle: Die Volksinitiative hatte 20.000 Stimmen gesammelt und der Landtag hatte aufgrund der geltenden Verfahrensvorschriften feststellen müssen, dass die Initiative nicht rechtmäßig war. Leider ist es nicht nur aufgrund des Punktes, den Sie angesprochen haben, Herr Kollege Puls, sondern auch aufgrund der zögernden Beratungen im Ausschuss nie zu einer zweiten Lesung des Gesetzentwurfs gekommen, der dann leider am Ende der Legislaturperiode der Diskontinuität zum Opfer gefallen ist. Wir hatten eineinhalb Jahre Zeit, das zu erledigen. Nur auf Diskontinuität zu verweisen, ist da ein bisschen wenig. Sie wollten damals noch nicht, weil Sie sich nicht einig waren, wohin die Reise gehen sollte.

(Zuruf von der FDP: So ist das!)

Wir freuen uns, dass die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nun nach vier Jahren interner und sicher auch intensiver Beratung einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen und jetzt auch einer Meinung sind. Wenn man die Beratungen von 1998 noch einmal nachliest, sieht man, wo sie auseinander driften. Das ist also ganz in Ordnung so. Wir werden uns an einer konstruktiven Debatte im Innen- und Rechtsausschuss beteiligen.

Wir als Union - ich will das ausdrücklich betonen - sehen nach wie vor das Instrument der Volksabstimmung als gleichberechtigte Möglichkeit, landespolitische Entscheidungen zu treffen, neben unserer Landtagszuständigkeit. Wir wollen allerdings auch klar und deutlich machen, dass primär die parlamentarische Demokratie erhalten bleiben muss. Deshalb ist es zwar sinnvoll, dass wir dieses Instrumentarium des Volksentscheides auch schlank und handhabbar machen, aber im Wesentlichen müssen wir uns natürlich

(Klaus Schlie)

den Herausforderungen stellen, weiterhin Gesetze im Landtag zu verabschieden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hildebrand.

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Alle Macht geht vom Volke aus, dann ist sie weg. Diese etwas ironische Darstellung der repräsentativen Demokratie entspricht leider heutzutage der Denkweise vieler Menschen im Land, wenn sie zu den Gestaltungsmöglichkeiten des Einzelnen zu politischen Vorgängen gefragt werden. Mit den Werkzeugen Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid geben wir den Bürgerinnen und Bürgern einen Teil dieser anscheinend verloren gegangenen Macht zurück. Die FDP begrüßt es daher im Grundsatz, wenn durch die Änderung des Volksabstimmungsgesetzes die Teilhabemöglichkeiten der Bevölkerung an politischen Vorgängen erweitert werden.

Die Regierungsfraktionen haben nun einen Versuch gestartet und uns einen Gesetzentwurf zur Änderung der Landesverfassung und des Volksabstimmungsgesetzes vorgelegt.

Eigentlich sollten wir für diese Initiative dankbar sein. Dennoch hat uns dieser Vorstoß etwas misstrauisch gemacht. So sind es doch in der letzten Zeit immer die Sozialdemokraten, die bei Reformen kräftig auf die Bremse drücken. So bilden die Sozialdemokraten bei der Reduzierung der Wahlkreise im Landeswahlgesetz und der damit verbundenen Verkleinerung des Landtages die Spitze der Blockadefraktion; neuerdings ja eigentlich allein, wenn man das so richtig liest.

(Klaus Schlie [CDU]: Na!)

Sie stellen sich lieber schützend vor ihre Abgeordneten, die bei den Landtagswahlen 2005 um ihr Mandat fürchten müssen, anstatt den Landtag auf die Größe zu reduzieren, die eigentlich in der Landesverfassung vorgesehen ist.

(Martin Kayenburg [CDU]: So ist das in Ordnung!)

Die Grünen wollen zwar das Gleiche wie wir, aber nicht mit uns. Schade! Sie stellen, wie so oft, Koalitionsräson über die eigene Überzeugung in einzelnen Sachfragen.

(Silke Hinrichsen [SSW]: Können Sie auch zum Thema sprechen?)

- Ich komme darauf zurück.

Ein weiteres Beispiel ist die Weigerung zur Abschaffung der 5-%-Hürde im Kommunalwahlrecht. Da bin ich schon wesentlich dichter dran. Die SPD schließt hier munter einen Teil der Bürgerinnen und Bürger von der Teilhabe am Geschehen aus. Die Grünen hingegen machen es hier noch besser: Herr Hentschel erklärt großspurig, die 5-%-Klausel im Kommunalwahlrecht sei verfassungswidrig, und stimmt dann für deren Erhalt, weil die Freundschaft zu den Genossen höher angesiedelt ist als die eigene Überzeugung und als die Verfassung.

Herr Abgeordneter, darf ich Sie auf den Tagesordnungspunkt hinweisen?

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Klaus Schlie [CDU]: Recht hat sie!)

Es geht mir leider etwas Zeit verloren.

(Heiterkeit)

Ausnahmen gibt es nur dann, wenn es um die Bedienung der eigenen Parteigenossen und befreundeter Verbände geht. Daher also unser Misstrauen. Die Kardinalfrage ist: Welcher SPD-Klientel soll diese Änderung des Volksabstimmungsgesetzes nützen? An die Bürgerinnen und Bürger haben die Sozialdemokraten mit Sicherheit nicht gedacht.

Das zeigen Beispiele aus dem kommunalen Bereich. Bei einer Bürgerinitiative in Eckernförde gegen den Anteilsverkauf der dortigen Stadtwerke wurden Unterschriftslisten, die im öffentlichen Bereich auslagen, von der SPD-geführten Verwaltung einfach eingesammelt. Die örtliche SPD vertrat nämlich Interessen, die entgegengesetzt zu denen der Bürgerinitiative waren.

(Rolf Fischer [SPD]: Das ist doch kein par- teipolitischer Streit!)

Im uns vorliegenden Gesetzentwurf wollen Sie nun aber, dass Unterschriftenlisten nicht nur in amtlichen Räumen, wo Sie sie in Eckernförde eingesammelt haben, sondern auch an anderen Stellen ausliegen dürfen.

Beim Studieren des vorliegenden Gesetzentwurfes fielen uns noch weitere Dinge auf. So wollen Sie die Sperrfrist abschaffen, die verhindert hat, dass nach erfolgloser Durchführung eines Volksbegehrens in den darauf folgenden zwei Jahren eine Initiative glei

(Günther Hildebrand)

chen Inhalts gestartet wird. Diese Sperrfrist hat aber einen guten Sinn. Es ist richtig, dass sich die Betreiber einer entsprechenden Initiative beziehungsweise eines Begehrens eine Frist zum Nachdenken geben, warum sie gescheitert ist. Ansonsten besteht die Gefahr nicht abreißender Initiativen in gleicher Angelegenheit und einer immer erneuten Befassung mit der gleichen Sache. Wenn Ihnen dieser Punkt aber so wichtig ist, dann wundere ich mich, dass Sie im kommunalen Bereich die entsprechende Regelung haben stehen lassen. Gerade bei den Kommunen, wo viel mehr Gebrauch von der Möglichkeit der Bürgerinitiative, des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheids gemacht wird und wo die Probleme die Menschen viel direkter betreffen, haben Sie keinen Antrag zur Änderung dieser Frist eingebracht. Wieso eigentlich nicht? Macht die Sperrfrist dort Sinn und auf Landesebene nicht? Das werden wir im Ausschuss zu klären haben. Wir werden uns im Ausschuss den Sachargumenten für eine Reform nicht verschließen.

(Klaus Schlie [CDU]: Sehr gut!)

Bevor wir diese Reform aber starten, sollten wir beispielsweise die vorhin angesprochenen anderen Reformen nicht auf die lange Bank schieben und sollten diese erst einmal in Angriff nehmen.

(Beifall bei der FDP)

Frau Abgeordnete Fröhlich hat jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die Redezeit nach Anfragen in Besuchergruppen verteilt würde, dann müssten wir hier deutlich mehr als fünf Minuten reden. Ich finde es auch sehr schade, dass wir nur fünf Minuten haben.

Herr Hildebrand, ich finde, dass Sie viel von Ihrer Zeit verschenkt haben. Ich habe manches von dem, was Sie zu dem Volksabstimmungsgesetz gesagt haben, das wir jetzt verhandeln wollen, nicht verstanden. Ich denke, Sie reden von einem anderen Gesetz und nicht über das, über das ich jetzt sprechen möchte.

(Martin Kayenburg [CDU]: Lesen Sie das noch einmal nach! Das war sehr sinnvoll!)

Seit längerer Zeit gibt es auf Landesebene eine Diskussion über die Verbesserung der 1995 eingeführten direkten Demokratie, die allerdings schon seit 1990 in der Verfassung des Landes steht. So groß können also manchmal die Zeiträume sein. Ich finde, es macht auch Sinn, wenn Gesetzgebungsverfahren