Protokoll der Sitzung vom 09.10.2002

Das finde ich schade. Es ist aber leider Gottes nun einmal so.

Bei der Unternehmensführung der MobilCom sind auch Fehler gemacht worden. Vonseiten des Unternehmensgründers - das alles ist nachzulesen - die falsche Einschätzung des Marktes oder auch der

UMTS-Technologie. Es ist aber nicht nur MobilCom gewesen, sondern es gab weltweit eine Fehleinschätzung des Marktes.

Erstens. Es kann niemals Aufgabe der Politik sein - um das ganz klar zu sagen -, sich in das operative Geschäft eines Unternehmens einzumischen.

(Beifall bei der FDP sowie der Abgeordneten Holger Astrup [SPD] und Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das heißt aber nicht, dass Politik nicht in der Verantwortung steht. Die Politik steht somit in der Verantwortung, die richtigen Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Unternehmen zu setzen. Sie ist gefordert, ihre Möglichkeiten zu nutzen, ordnungspolitische Spielregeln zu fördern und auf den Weg zu bringen. Letzteres galt für die MobilCom in der Situation, in der sich das Unternehmen Mitte September befand - das muss man heute auch noch einmal sehen -, in besonderer Weise. Sie befand sich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dem Großgesellschafter France Telecom - das will ich nicht im Einzelnen aufführen; das können wir vielleicht im Wirtschaftsausschuss besprechen - und es laufen nach wie vor juristische Untersuchungen, welche Rechte daraus abzuleiten sind.

Zweitens. Vielfach wird die Meinung vertreten, ein Insolvenzverfahren wäre der bessere Weg gewesen. Nur: Das Risiko, dass gerade der Großgesellschafter dann gesagt hätte: „Wickelt einmal eure Insolvenzverfahren ab, mit uns ist überhaupt nichts mehr zu machen“ist doch auch offenkundig gewesen. Auch in dieser Frage galt es also, Zeit zu gewinnen. Das ist hier gelungen.

Drittens. In dem Kerngeschäft, dem Mobilfunkgeschäft, wird MobilCom durchaus auch von Fachleuten so gesehen - das ist auch die Hoffnung und die Chance der Arbeitnehmerinnen und der Arbeitnehmer, die durch den Betriebsrat hier vertreten sind -, dass es eine Zukunft gibt. Das bedeutet, MobilCom muss zunächst auf ihr Kerngeschäft zurückgeführt werden, leider auch mit der bitteren und schmerzlichen Konsequenz, dass dies zahlreiche Arbeitsplätze kosten wird. Das ist an dieser Stelle sozusagen als Fußnote anzumerken.

Es gibt eine Reihe von Vertretern, die sich gern als Verfechter marktwirtschaftlicher Prinzipien darstellen, jetzt aber behaupten, die Bundesregierung habe seinerzeit, bei der Versteigerung der UMTS-Lizenzen, einschreiten und das Ganze stoppen müssen. Diese Forderung ist absoluter Unsinn. Das wissen Sie auch.

(Bernd Schröder)

Die Kritik, der Staat hätte seinerzeit aufpassen müssen, dass sich die Unternehmen nicht übernehmen, geht doch wohl ins Leere. Die handelnden Unternehmensführer hätten sich solche Eingriffe vermutlich mit dem Hinweis auf Wettbewerb und Marktwirtschaft strengstens verbeten.

(Beifall bei der FDP - Wolfgang Kubicki [FDP]: Zu Recht!)

Sie wären es gewesen, die zu neuen Höhenflügen im Populismus angesetzt hätten und gesagt hätten: Wie kann es angehen, dass jetzt in Berlin wieder alles falsch gemacht wird. Da besteht die Möglichkeit, Einnahmen zu bekommen, es wird geboten und jetzt wird wieder reglementiert. Das wäre Ihre Auffassung dazu gewesen.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, für die Politik gab es in den Jahren zuvor keinen Anlass, die MobilCom zu ermahnen, die Finger von der UMTSTechnologie zu lassen, oder sich mit ähnlichen Ratschlägen zu Wort zu melden. Meine Damen und Herren, ich mache noch einmal den Versuch, den Vorschlag von Frau Kollegin Aschmoneit-Lücke aufzugreifen, die Angelegenheit in nicht öffentlicher Sitzung zu diskutieren. Herr Kayenburg, ich mache noch einmal den Versuch, sachlich und gemeinsam in Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der MobilCom Hilfestellung zu geben und für Schleswig-Holstein Arbeitsplätze zu retten.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir die Legislaturperiode begonnen haben, haben wir alle ein feierliches Gelöbnis mit dem Inhalt abgelegt, dass wir unsere parlamentarische Tätigkeit zum Wohle des Landes ausüben wollen. Die heutige Debatte über MobilCom - egal, von welcher Seite sie geführt wird, Kollege Schröder - erfüllt nach meiner Einschätzung die Verpflichtung, die wir übernommen haben, nicht.

MobilCom ist ein Unternehmen, das noch im Wettbewerb steht. MobilCom ist ein Unternehmen, das im Überlebenskampf steht.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

- Herr Kollege Nabel, im Gegensatz zu Ihnen stehe ich nicht im Überlebenskampf. Was die Fraktion von

Ihnen hält, hat sie Ihnen ja gezeigt. Vielleicht sollten wir die Debatte über das Thema MobilCom ein bisschen ernsthafter führen.

(Widerspruch bei der SPD)

- Der Zwischenruf des Kollegen Nabel war ja auch sehr genial. Das muss man schon sagen.

Das Unternehmen MobilCom steht im Überlebenskampf. Ich glaube nicht, dass einer von uns, der hier im hohen Hause sitzt - die Ministerpräsidentin und den Wirtschaftsminister eingeschlossen -, beurteilen kann, ob das Unternehmen sanierungsfähig ist oder nicht. Das zu beurteilen ist auch gar nicht unsere Aufgabe. Das ist Aufgabe der Unternehmensleitung.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

MobilCom ist ein börsennotiertes Unternehmen. In einem Debattenbeitrag mag davon die Rede sein, dass der Staat verpflichtet ist, für unternehmerische Fehlentscheidungen den Kopf hinzuhalten. Es mag auch davon die Rede sein, dass der Staat verpflichtet ist, unternehmerische Entscheidungen gar nicht erst zuzulassen. Herr Kollege Wadephul, es war das Unternehmen selbst, das sich - im Gegensatz zu anderen Unternehmen, die auch in Schleswig-Holstein ihren Sitz haben - entschieden hat, sich am Lizenzverfahren zu beteiligen und den entsprechenden Preis zu zahlen. Es gibt andere Unternehmen, die an dem Verfahren nicht in der Weise teilgenommen haben, weil sie vielleicht wirtschaftlich vernünftiger gedacht haben als die Unternehmensleitung von MobilCom. Es ist jedenfalls nicht unsere Aufgabe, jedes Mal bei unternehmerischen Fehlentscheidungen einzutreten und den Eindruck zu erwecken, es sei völlig egal, was die unternehmerischen Führungen praktizieren würden; im Zweifel sei es der Staat, der in Anspruch genommen werden könne, wenn es darum gehe, Fehlentscheidungen auszubügeln. Diesen Eindruck dürfen wir nicht erwecken.

Herr Kollege Wadephul, es ist völlig falsch, dass wir in der gegenwärtigen Phase diese Debatte im Schleswig-Holsteinischen Landtag öffentlich führen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei SPD und CDU)

Das ist deshalb falsch, weil wir Erwartungen entweder wecken oder zerstören, die jeweils Auswirkungen auf die Entscheidungen von Aktionären, von Anteilseignern, von Leuten, die sich in der einen oder anderen Richtung um ein Sanierungskonzept bemühen, haben. Ich kann gern und überall grundsatzpolitische Debatten über die Frage führen, ob es Sinn hat, in der einen oder anderen Richtung tätig zu werden. Ich

(Wolfgang Kubicki)

würde sie auch gerne führen, aber nicht solange ein Unternehmen in dieser Größenordnung in SchleswigHolstein wirklich darum kämpft, einen sanierungsfähigen Kern zu erhalten, von dem es davon ausgeht, es sei ein sanierungsfähiger Kern.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Wadephul, Sie wissen, dass ich die ordnungspolitischen Vorstellungen, die Sie haben, zwar nicht am Anfang, aber sozusagen am Ende der Fahnenstange teile. Sie wissen, dass meine Fraktion erhebliche Schwierigkeiten hatte, bereits dem ursprünglichen Resolutionsantrag zuzustimmen, weil wir geglaubt haben, dass damit der Eindruck erweckt wird, es sei eine staatliche Aufgabe, unternehmerische Fehlentscheidungen zu korrigieren. Nach unserer Auffassung ist das keine staatliche Aufgabe.

(Anke Spoorendonk [SSW]: Was war das denn für eine Pressemitteilung? - Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Herr Kollege Kayenburg, ich finde es sehr beeindruckend, dass ausgerechnet die CDU der FDP vorwirft, einen Resolutionsantrag mit unterschrieben zu haben, den die Union auch unterschrieben hat. Das hat ja vergleichsweise viel Sinn, was Ihre Vorstellungen angeht.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie müssen jetzt aber eine Frage, die Sie bisher nicht beantwortet haben, nun wirklich beantworten. Ich habe vernommen, was der Kollege Wadephul gesagt hat: Es sei Betrug gewesen, den Menschen vor der Wahl vorzugaukeln, sie könnten ihre Arbeitsplätze behalten. Jetzt aber seien 1800 Arbeitsplätze vom Wegfall bedroht. Herr Kollege Wadephul, wollten Sie uns damit sagen, dass es sinnvoll gewesen wäre, den Menschen vor der Wahl zu sagen, alle Arbeitsplätze seien verloren, oder meinen Sie, es sei sinnvoll, den mehreren Tausend in Arbeit verbliebenen Menschen jetzt zu sagen, auch dies sei nur eine Arbeitsplatzsicherung auf Zeit?

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie waren schon einmal besser!)

Ich will daran erinnern, dass man - vielleicht sollten wir zu dieser guten alten Tradition zurückkehren -, wenn es um Unternehmen in Schleswig-Holstein geht, die eine Liquiditätshilfe oder eine zeitliche Überbrückungshilfe benötigen, über diese Frage aus wohlverstandenen Erwägungen heraus in einem sehr kleinen Kreis debattiert und auch entscheidet. Herr Kollege Wadephul, ich will daran erinnern, dass in

diesem Landtag bereits im Falle anderer Unternehmen - beispielsweise aus dem Bereich der Werftindustrie - vergleichbare Entscheidungen zum Erhalt dieser Unternehmen unter schweren Bedenken getroffen worden sind. Darüber haben wir aus guten Gründen niemals öffentlich debattiert,

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil uns klar gewesen ist, dass wir damit den von uns allen gewollten Erfolg der Erhaltung von Unternehmen und Arbeitsplätzen in Schleswig-Holstein, dem Land, für das wir hier tätig sind und dem wir hier dienen müssen, gefährden.

Ich will versuchen, noch einmal einen Appell der Vernunft zu starten: Kehren wir dazu zurück, über solche Themen in einem sehr kleinen, vertrauten Kreise, möglicherweise in einem kleineren Kreise als im Wirtschaftsausschuss, zu debattieren. Ich sage es noch einmal: Unsere Aufgabe besteht darin, Unternehmen im Land zu halten und Arbeitsplätze im Land zu sichern. Wer unsere Wirtschaftsstruktur kennt, weiß, dass wir wirklich um jedes Unternehmen und um jeden Arbeitsplatz kämpfen müssen, weil wir unsere Probleme künftig sonst nicht werden lösen können.

(Beifall bei FDP, SPD und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was das Ganze schwierig macht, ist, dass wir vor der Unsicherheit stehen, wie man die Situation im UMTS-Bereich in Zukunft einschätzen soll. Hinzu kommt die Unsicherheit bezüglich des Kerngeschäftes, weil es für die ganze Branche schwierig aussieht und ein Marktbereinigungsprozess stattfindet. Trotzdem müssen wir bestimmte Risiken eingehen, um überhaupt voranzukommen. Die UMTS-Sparte wird bei MobilCom vorerst stillgelegt. Man will sich die Option für UMTS aber erhalten. Grundsätzlich ist dies auch in Ordnung. Wir müssen uns aber jetzt schon darüber im Klaren sein, dass die MobilCom eine solche Haltung nicht lange durchhalten kann. Man wird entweder eigenes Geld brauchen oder wieder einen neuen Partner beteiligen müssen. Gleichzeitig wird aber mehr oder weniger offen sagt, dass der UMTS-Markt mittelfristig - nicht langfristig - noch nicht so hoffnungsvoll ist, wie anfangs geglaubt, und dass es am Markt möglicherweise dann auch zu viele

(Lars Harms)

Anbieter geben wird. Beides führt dazu, dass es sehr schwer sein wird, schnell einen Partner zu finden, der einem beim Einstieg in dieses unsichere Geschäft hilft. Es gibt also Unsicherheit in Bezug auf das Gefühl, dass derzeit in dieser Branche herrscht.

Gerade deshalb brauchen wir erst einmal eine Überbrückungshilfe, damit man überhaupt weiterarbeiten kann, damit man sich die Option, später im UMTSBereich noch etwas leisten zu können, erhalten kann, denn im Bereich UMTS ist die MobilCom definitiv immer noch führend. In jedem Fall ist es sehr schwer zu sagen, wie man die Lage wirklich einschätzen soll. Ich persönlich glaube, dass in der UMTS-Technik langfristig immer noch Chancen liegen. Diese Meinung scheint man auch bei MobilCom zu vertreten. MobilCom hat trotz der schwierigen Lage in diesem Bereich einen Vorsprung vor anderen Anbietern. Insofern ist es zu verstehen, dass man sich die Option erst einmal offen halten will. Letztendlich hängt der Erfolg von dem Verhältnis von MobilCom zur France Telecom und von dem Geld, das - woher auch immer - noch fließen soll, ab. Im Kerngeschäft mit Festnetz und Mobilfunk schreibt man derzeit rote Zahlen, aber, wie ich vorhin schon sagte, man muss eben auch die Lage der ganzen Branche betrachten und in dieser Hinsicht sieht es komplett nicht sehr rosig aus. Es findet eine Marktbereinigung statt.

Da - so wird jedenfalls von Fachleuten gesagt - die MobilCom bisher aber relativ gut am Markt dagestanden hat und man ihr zutraut, sich am Markt durchzusetzen, müssen wir davon ausgehen, dass wir als Schleswig-Holsteiner mit unserer MobilCom eine Chance am Markt haben. Wir müssen deshalb versuchen, diese Chance auch wahrzunehmen.