Der Einfluss der Bürokratie auf die Wirtschaft wird in einem unverantwortlichen Maß gesteigert, wenn die Unzuverlässigkeit von Unternehmen nicht mehr an rechtskräftige Verurteilungen gebunden ist,
Zu diesem Punkt hat der SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Uwe Jens in der Debatte des Bundestages am 5. Juli Folgendes erklärt:
„Auf alle Fälle nehmen der Einfluss und die Macht der Bürokratie gegenüber der Wirtschaft immer mehr zu. Dies ist ein schleichender Prozess und die Freiheit der Wirtschaft und aller Menschen in unserer marktwirtschaftlichen Ordnung stirbt immer nur scheibchenweise. Von der Macht, der Einflussmöglichkeit des Staates, geht mindestens genauso viel Gefahr für die Freiheit aus wie von der ständig steigenden Machtballung in Großkonzernen. Beide Gefahrenpotenziale müssen wir erkennen und danach politisch handeln. Vor allem muss das Recht herrschen, das durch die Legislative überprüfbar ist, und nicht etwa die Willkür der Politiker oder der Exekutive.
Ich teile diese Auffassung und möchte Dr. Jens gleichzeitig meine Hochachtung für dieses mutige Votum gegen die eigene Fraktion aussprechen.
Wer übernimmt eigentlich die Verantwortung und die Haftung im Fall des Irrtums oder der gewollten Ausgrenzung? Wer rechtfertigt die Tatsache, dass Großunternehmen Mittel und Wege haben, gar nicht erst auf der Liste zu erscheinen, während mittelständische Unternehmen, die zudem stärker von öffentlichen Aufträgen abhängig sind, diese Mittel und Wege nicht haben? Wer erklärt ihren Arbeitnehmern die Kollektivhaftung, in die sie genommen werden, wenn sie dadurch ihren Arbeitsplatz verlieren?
Wenn Sie mir diese Fragen beantworten können, dann können Sie mir sicher auch erklären, weshalb das angepeilte Ziel nicht durch vorhandene Instrumente wie das Bundeszentralregister beziehungsweise das Gewerbezentralregister erreicht wird. Oder wollen Sie mit Ihrer schwarzen Liste Menschen, die bereits die Konsequenzen ihrer Verfehlungen zu tragen haben, stigmatisieren und ihnen eine Rehabilitation erschweren? Das wäre ein herber Schlag gegen die ohnehin schwer gebeutelte Kultur der Selbstständigkeit in Deutschland.
Wie kann man eigentlich guten Gewissens von engagierten und dynamischen Menschen erwarten, dass sie sich selbstständig machen, wenn ihnen im Fall des Fehlverhaltens einzelner Mitarbeiter die Pleite, der Verlust des investierten Geldes und Haftungsansprüche drohen?
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Freibrief für jegli- chen Rechtsbruch, was Sie hier vortragen! - (Roswitha Strauß)
Last, but not least wissen wir aus leidvoller Erfahrung in Schleswig-Holstein, dass Korruption nicht nur ein Problem der Privatwirtschaft ist, sondern auch in Ministerien und Amtsstuben stattfindet.
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Dafür müsste es auch ein Register geben!)
Die CDU steht für eine zielgenaue verfassungskonforme Korruptionsbekämpfung. Diesem Anspruch wird der vorgelegte Gesetzentwurf leider nicht gerecht. Daher können wir ihm so nicht zustimmen.
Ich möchte zunächst neue Besucher auf der Tribüne begrüßen, die Aktivgruppe der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Neumünster und das Nordkolleg Rendsburg mit Gästen aus Schweden. - Herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Strauß, herzlichen Dank für diesen hervorragenden Beitrag! Herr Minister Rohwer, da Sie sich eben zu Recht so eindrucksvoll gegen mehr Bürokratie ausgesprochen haben, gehe ich davon aus, dass Sie dieses Gesetz ebenso ablehnen wie Frau Strauß und wie wir.
Der Kollege Müller hat bereits darauf hingewiesen, dass ein ähnliches Gesetz im Bund gescheitert ist. Nun versuchen Sie es also wieder im Land. Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Wir lehnen den Gesetzentwurf ab, weil er formal ungenügend und inhaltlich unzweckmäßig ist.
Er ist formal ungenügend, weil zu ungenau beschrieben wird, wann ein Unternehmen in das Register eingetragen wird, was eingetragen wird und wann der Eintrag wieder gelöscht wird. Wenn ein solches Register überhaupt eingeführt wird, dann muss zwingend festgeschrieben werden, unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmen womit eingetragen wird.
Hier reicht der Hinweis in § 2 auf die „Erhebung öffentlicher Daten“ und das weiträumige Ermessen der Behörde in § 4, was gespeichert und weitergegeben werden „kann“ nicht aus.
Zur Löschung von Einträgen! Bei einem zeitlich festgelegten Ausschluss muss der Eintrag automatisch zwingend mit dem Ablauf des Ausschlusszeitraums gelöscht werden. Es gibt keinen Grund, hier Ermessen einzuräumen. Auch bei Ausschlüssen, bei denen die Wiederzulassung eines Unternehmens an andere Kriterien als den Zeitablauf gebunden ist, muss sichergestellt sein, dass die Melde- und Informationsstelle die Information über die Wiederzulassung sofort erhält. Das bedeutet, dass die Behörden des Bundes oder anderer Bundesländer verpflichtet werden müssten, die Wiederzulassung eines Unternehmens nach Schleswig-Holstein zu melden. Das ist problematisch, da wir Behörden des Bundes oder anderer Länder nicht binden können. Sie erwarten ja wohl nicht von den Unternehmen selbst, dass sie Verwaltungsakte weitermelden.
Der Gesetzentwurf ist auch formal ungenügend, weil die Bedingungen für den Nachweis einer schwerwiegenden Verfehlung zu unkonkret sind. Die Vorschrift, „… wenn aufgrund anderer Tatsachen kein Zweifel an dem Vorliegen des Tatbestandes bestehen“ in § 3 Abs. 2 ist eine Allgemeinklausel, die staatlicher Willkür Tür und Tor öffnet.
Ob zum Beispiel ein strafrechtlich relevanter Tatbestand zweifelsfrei feststeht, stellen in Deutschland nur Gerichte fest und nicht Regierungen und Verwaltungen - und das aus gutem Grund.
Solange kein Gericht eine strafrechtliche Relevanz festgestellt hat, gilt zwingend die Unschuldsvermutung - und Unschuldige dürfen von Behörden, von Regierenden oder wem auch immer nicht benachteiligt werden. Ich denke, diese rechtsstaatlichen Grundsätze sollten wir auf keinen Fall aufweichen, sondern daran festhalten, auch in diesem Landtag.
Kurzum, die regierungstragenden Fraktionen der gesetzgebenden Gewalt in Schleswig-Holstein haben die einfachsten Regeln der Gesetzgebung missachtet. Es bleibt jedem selbst überlassen, über zwei Dinge zu urteilen, Herr Kollege Hentschel: erstens, ob die Regeln der Gesetzgebung vorsätzlich oder unwissend missachtet wurden, und zweitens, was von beidem wohl schlimmer wäre.
Ich meine nicht, dass wir diese Mängel in den Ausschüssen beheben sollten, denn sie verletzen zu sehr die elementaren Regeln des deutschen Rechtsstaates.
Das führt mich zu unseren Zweifeln am Sinn dieses Gesetzes an sich und der Vorschriften, die Behörden dazu ermächtigen, Unternehmen nicht nur von einer konkreten Vergabe, sondern gleich über einen gewissen Zeitraum von der Vergabe öffentlicher Aufträge auszuschließen.
Nehmen wir zum Beispiel ein Straßenbauunternehmen, das verständlicherweise auf öffentliche Aufträge angewiesen ist. Ein Ausschluss von öffentlichen Aufträgen bedeutet automatisch die Pleite des Unternehmens. Das ist offensichtlich gewollt.
Mitbestraft werden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für die Verfehlungen einzelner Personen überhaupt nichts können und im Zweifel auch nichts daran ändern können. Oder erwarten Sie ernsthaft, dass ein Hilfsarbeiter, der froh ist, überhaupt einen Job zu haben, versucht, seinen Chef dahin gehend zu überzeugen oder gar zu überwachen, dass er die Bestimmungen des Vergaberechts einhält? Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein.
Wer garantiert eigentlich, dass, wenn das Unternehmen dafür gesorgt hat, dass die Person, die zugegebenermaßen - selbst wenn sie verurteilt ist -, also strafrechtlich relevant gehandelt hat, dem Unternehmen nicht mehr angehört, dieses Unternehmen aus dem Register wieder herauskommt?
Wirklich alles ist offen. Dazu gibt es überhaupt keine Regelungen. Das können wir so nicht akzeptieren. Wollen wir wirklich, dass in einem solchen Fall 100 oder 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeitslos werden, weil das Unternehmen, in dem sie arbeiten, keine öffentlichen Aufträge mehr bekommen kann? Ich glaube, dass können wir alle nicht wollen.
Mein Fazit: ein schlechtes und überflüssiges Gesetz als Folge anderer schlechter und überflüssiger Gesetze.
Ich danke für die Aufmerksamkeit und hoffe, dass auch Sie, Herr Müller, sich dieses noch einmal genauer anschauen werden.