Protokoll der Sitzung vom 14.11.2002

(Beifall bei FDP, SPD und vereinzelt bei der CDU)

Bevor ich das Wort an die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN weiterleite, möchte ich die Gelegenheit nehmen, mit Herrn Kollegen Wodarz Einvernehmen darüber zu erzielen, dass die Geschäftsordnung des Landtages die Verteilung von Unterlagen auf dem Luftwege im Plenarsaal nicht vorsieht.

(Heiterkeit)

Frau Kollegin Irene Fröhlich von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird nur allzu leicht vergessen, dass schon das Baugesetzbuch in § 136 Abs. 4 fordert, kulturelle Standards und Gegebenheiten bei städtebaulichen Sanierungen zu beachten, zu entwickeln und zu verbessern. Insofern trägt die Große Anfrage der SPD dazu bei, dies ins Bewusstsein zu rufen. Ich bedaure nur, dass es leider anscheinend niemanden von der Presse interessiert. Ich kann das verstehen, weil es natürlich ein bisschen kompliziert ist, aber es berührt das Leben der Menschen wirklich unmittelbar.

(Günther Hildebrand [FDP]: Die Presse ist doch da!)

- Herr Baab, Entschuldigung, Sie habe ich übersehen, ich habe bloß in die Loge gesehen. Aber das Fernsehen ist natürlich außerhalb der Loge.

(Günther Hildebrand [FDP]: Man soll nicht so einseitig sein!)

- Da haben Sie Recht, gut, Herr Hildebrand, das nehme ich auch mit.

Man soll auch nicht einseitig sein, wenn man über solche Großen Anfragen nachdenkt. Bisher sind wir es gewöhnt, den beantwortenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ministerien zu danken. Ich stehe nicht an, das hiermit zu tun. In diesem Falle möchte ich aber auch einmal denjenigen danken, die die Fragen formuliert haben. Man merkt dem ganzen Unternehmen an, dass außerordentlich viel Kompetenz am Werk war, um diese Fragen zu formulieren und eine solche eindrucksvolle Zusammenstellung der notwendigen Fragen überhaupt zustande zu bringen. Auch dafür vielen Dank an dieser Stelle.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen die Große Anfrage vor allem daraufhin prüfen, welche Aktivitäten notwendig sind, um das Bauen und Wohnen in Schleswig-Holstein so zu entwickeln, dass alle daran Beteiligten Nutzen davon haben. Da finde ich doch eine ganze Menge, Frau Schwalm, und da widerspreche ich Ihnen ausdrücklich. Es wundert mich auch, dass Sie das nicht gesehen haben. Natürlich gehen Baugenehmigungen zurück, im Moment auch im Mietwohnungsbau. Sie wissen selbst, und das weiß jeder, der sich damit beschäftigt, dass wir inzwischen in einem bestimmten Segment Leerstände haben und Wohnungen nicht mehr so leicht zu vermieten sind. Das ist ein Markt, den Sie sonst immer wollen und fordern. An dieser Stelle muss man auch einmal sagen, zum Glück sind die Nachkriegsschäden inzwischen ausgebessert. Damit kommt auch eine gewisse Dynamik in der Bauwirtschaft zur Ruhe. Das ist völlig klar. Darauf muss sich die Bauwirtschaft einstellen. Ich bedaure nur, dass dieses offenbar nicht so leicht geht, wie man sich das erhofft und erwünscht. Ich komme später noch darauf.

Bei dem Nutzen, den alle davon haben sollen, setzen wir vor allem auf wärmetechnische Verbesserungen, denn auch das gehört zur Baukultur insofern dazu, als die Form der Funktion folgt und das somit auch deutlich werden soll. Wir wollen also nicht nur für die Bewohnerinnen und Bewohner von Haushalten, sondern auch für das Klima Vorteile schaffen. Wir schaffen dadurch aber auch Vorteile für die

(Irene Fröhlich)

Bauwirtschaft, denn sie kann von einem solchen Impuls durchaus profitieren.

Sie profitiert auch davon, dass wir von der Neubauförderung auf eine gleich geartete Altbauförderung umsteuern. Dazu wünschen wir uns eine breite Akzeptanz des Instrumentes „Gebäudepass“, der als ein erfolgreich absolvierter Forschungsauftrag des Landes aufgeführt ist und ein Instrument vorstellt „zur Kennzeichnung guter Bauqualität und Förderung ökologischer Orientierungen im Bauwesen“. Von einer Verbreitung dieses individuellen Qualitätssiegels einzelner Gebäude könnten weitere Impulse für die Bauwirtschaft, aber auch eine größere Transparenz und Sicherheit für die Wohnungswirtschaft ausgehen. Es ist ein ausgesprochenes Instrument des Verbraucherschutzes. Auch das sollte Ihr Augenmerk haben.

Besonders freut uns, dass die Beantwortung der Großen Anfrage grüne Spuren aufdeckt, zum Beispiel die Einrichtung der Fachkommission „Bauen Planen Wohnen“ und die Standardsetzung des NiedrigEnergie-Hauses im öffentlich geförderten Mietwohnungsbau, das immer noch die Vorgaben der bundesweiten Verordnung unterschreitet. Darauf können wir stolz sein. Beides ist durch die heutige Abgeordnete und frühere Ministerin Angelika Birk auf den Weg gebracht worden. Aber auch der grüne Umweltminister Klaus Müller hat in seinem Bereich Pilotprojekte unter der Überschrift Ökotechnik und Ökowirtschaft auf den Weg gebracht.

Ich möchte noch einen weiteren Hinweis aufgreifen auf Seite 19: „Das Land unterstützt eine Initiative auf Bundesebene, die sich mit einer Evaluierung der Fördereffekte der Eigenheimzulage befasst.“ Gemeint ist damit die Untersuchung des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, die auf Initiative der Landesbauminister durchgeführt wurde. Untersucht wurde die Inanspruchnahme der Eigenheimzulage in den Jahren 1996 bis 2000.

Entscheidend ist für mich nun, welche Konsequenzen wir aus der Untersuchung ziehen und welche Ziele wir mit der Wohnraumförderung verfolgen. Ich denke, im Interesse der Städte müssen wir ein stärkeres Gewicht auf die Förderung von Wohneigentum im urbanen Raum legen. Mir ist bewusst, dass das in der Praxis mit Schwierigkeiten verbunden ist, trotzdem sollten wir dies anstreben. Gerade für Familien ist es zurzeit schon deshalb nicht attraktiv, in der Stadt zu bleiben, weil es wenig kindgerechte Wohnangebote in Mehrfamilienhäusern gibt, also mit Spielflächen in Sicht- und Rufweite.

Ich komme zum Schluss. Die Wohnangebote werden auch nicht entwickelt, weil aufgrund der undifferenzierten Förderung und der niedrigen Grundstückspreise im Umland relativ gesehen der Förderanteil am Gesamtbaupreis dort natürlich höher ist. Hier muss schon im Interesse der Städte dringend etwas geschehen, denn - ich komme zum Schluss, Herr Präsident - die Folgen des Bauens auf der grünen Wiese, die dies für die Infrastruktur mit sich bringt, kennen wir alle. Wir müssen sie dringend stoppen, damit unsere Städte nicht veröden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt der Sprecherin, Frau Anke Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Große Anfrage zur Baukultur in Schleswig-Holstein fällt auf einen trockenen Stein. Meines Wissens ist es das erste Mal, dass der Versuch unternommen wird, das Bauen ganzheitlich unter dem Gesichtspunkt Baukultur zu betrachten. Dafür danken wir der antragstellenden Fraktion und wir danken den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums für die große Arbeit, die geleistet worden ist.

(Beifall bei SSW und SPD)

Sie wird eine Handreichung für alle sein, die sich künftig mit Bauen, Städtebauplanung und Stadtentwicklung zu befassen haben.

Baukultur, so wie der Begriff definiert wird, ist auch ein Ansatz im Sinne der Agenda 21. In dieser Tagesordnung für das 21. Jahrhundert geht es darum - wir haben in diesem Hause mehrfach Debatten dazu geführt -, dass sich weder unser soziales Zusammenleben noch die Ressourcen, die wir dafür nutzen, zulasten unserer Nachkommen auswirken dürfen. Wir haben eine Verantwortung für unsere gemeinsame Zukunft, und wir können nicht so leben oder bauen, als könnten wir uns eine neue Erde kaufen, wenn wir diese verbraucht haben.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das heißt wiederum, dass wir auch eine Verpflichtung haben, die historische Dimension unseres Bauens nicht auszublenden. Das bedeutet zum einen, dass Denkmalschutz und Denkmalpflege genau so ein Bestandteil unserer Bau

(Anke Spoorendonk)

kultur sind wie die Arbeit des schleswig-holsteinischen Archivs für Architektur- und Ingenieurbaukunst. Gestatten Sie mir hierzu eine kleine Bemerkung. Die Konstruktion dieses Archivs hat aus Sicht des SSW Vorbildcharakter, denn die auf Seite 48 geschilderte Kooperation mit dem Landesarchiv ist aus unserer Sicht zukunftweisend. Auch ein Wirtschaftsarchiv - Sie wissen, der SSW möchte ein solches Archiv - könnte nach diesem Modell eingerichtet werden. Das wäre auch unter dem Gesichtspunkt Baukultur wünschenswert.

Baukultur, als ganzheitlicher Ansatz definiert, heißt somit auch, dass wir eine Fülle von Informationen über unser Bauwesen, über Planungsinstrumente, Förderprogramme und politische Zuständigkeiten erhalten. In der Kürze der Zeit - das wissen Sie alle - ist es aber nicht möglich, auf alles einzugehen, daher nur ein paar Aspekte. Damit will ich sagen, dass es auch noch Fragen gibt, und so muss es ja auch sein bei einer guten Antwort auf die Große Anfrage; diese müssen dann im Ausschuss weiter vertieft werden.

Der SSW begrüßt, dass die Landesregierung selbst auf den möglichen Konflikt zwischen Sparsamkeit und Deregulierung einerseits und der Forderung nach Qualität und Wahrung einer demokratischen Planungskultur aufmerksam macht. Dieser Zielkonflikt wird sich andererseits in der Zeit der leeren öffentlichen Kassen ausweiten. Mit anderen Worten, wenn wir wollen, dass unsere Städte auch weiterhin lebenswert und weiterhin Ausdruck für Baukultur sein sollen, dann dürfen wir nicht einknicken und alles - im heiligen Namen der Deregulierung - dem Markt überlassen.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SPD)

Auf Seite 52 wird diese Problematik indirekt unter der Überschrift „Projektbezogene Zusammenarbeit mit privaten Investoren (Public-Private-Partnership)“ angesprochen. Zu Recht wird darauf aufmerksam gemacht, dass Städte und Gemeinden häufig nicht mehr in der Lage sind, wesentliche Aufgaben der Stadtentwicklung allein zu bewältigen. Dieses gelingt nur unter Zuhilfenahme privaten Engagements und Kapitals. Wer die Debatte in Flensburg über den Bau der Südermarktpassage aus nächster Nähe mitverfolgt hat, bekommt diese Problematik in ihrer vollen Breite als Lehrstück vorgeführt, einschließlich der Unsicherheit, ob der gewählte Investor auch finanziell dazu imstande ist, zu halten, was er verspricht.

Ein anderer Aspekt, der in der Antwort der Landesregierung aufgegriffen wird, ist die Beteiligung von

Kindern und Jugendlichen. In meiner eigenen Gemeinde, die ich dann auch einmal loben möchte - das tue ich regelmäßig, aber heute auch -, ist gerade dieses bei der Planung von Neubaugebieten mit großem Erfolg geleistet worden, zuletzt bei dem Wohngebiet Himmernmoos, wo die Gemeinde gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen eine Zukunftswerkstatt durchführte. Es handelt sich hierbei - das kann ich auch hinzufügen - um ein Modellprojekt des Landes, weil dort in erster Linie Niedrig-Energie-Häuser gebaut werden. Auch das hat mit unserem Thema zu tun.

Der Zusammenhang Bauen und Energie wird im Übrigen auch in anderen Punkten der Großen Anfrage problematisiert. - Herr Präsident, ich komme gleich zum Schluss. - Damit meine ich die Arbeit der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen. Hier würde ich im Ausschuss gern noch einmal nachfragen, was aus den Bestrebungen der Arbeitsgemeinschaft, das Bauen zu verbilligen - es gab dazu vor einigen Jahren eine große Debatte - geworden ist.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Holzhäuser!)

- Zum Beispiel, aber auch andere Sachen.

(Weitere Zurufe)

- Ich merke, dass ihr alle etwas dazu zu sagen habt.

Eine ausführliche Beratung hätte ich gern auch zum Abschnitt Windkraft und Repowering,

(Glocke des Präsidenten)

denn wir wissen alle, dass gerade dieser Punkt weiterhin sehr konfliktträchtig ist.

(Glocke des Präsidenten)

Das Läuten, Frau Kollegin, hat eine gewisse Bedeutung.

Ja, Herr Präsident, ich musste ja eben mal den Satz zu Ende führen.

(Heiterkeit)

Entschuldigen Sie.

Aber es handelt sich um einen Hauptsatz und der ist auch der Schlusssatz, Frau Kollegin.