Protokoll der Sitzung vom 14.11.2002

Highlight. Es bietet eine ausgezeichnete Grundlage für eine breite Diskussion hier im Landtag, in den Fachausschüssen und - wie ich hoffe - auch mit allen Beteiligten vor Ort. Deshalb sind wir der Auffassung, dass diese Große Anfrage federführend an den Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend an den Bildungs-, den Sozial- und den Agrarausschuss überwiesen und dort beraten werden soll.

Was war der Anlass für diese Große Anfrage? Im letzten Jahr hat das Bundesbauministerium mit den bundesweit tätigen Kammern und Verbänden der planenden Berufe die Initiative Architektur und Baukultur auf den Weg gebracht. Sie wird von Bundesländern, Kommunen und der Bau- und Wohnungswirtschaft begleitet und unterstützt. Der in diesem Rahmen erarbeitete Statusbericht Baukultur in Deutschland ist dem Deutschen Bundestag zugeleitet.

Mit unserer Großen Anfrage wollten wir wissen, wie es um die Baukultur in Schleswig-Holstein steht. Lassen Sie mich an dieser Stelle der Architekten- und Ingenieurkammer Schleswig-Holstein mit ihrem Präsidenten, Herrn Ferdinand, und dem Geschäftsführer, Dr. Alberts, sowie Frau Piehler, der Pressereferentin, ausdrücklich danken. Sie hat uns die Anregung dazu gegeben und uns mit Rat und Tat zur Seite gestanden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Worum geht es? Ziel ist es, Bewusstsein und Verständnis für die Baukultur zu stärken. Das Bild der gebauten Umwelt ist auch ein Spiegelbild der Gesellschaft. Ebenso sind Stadtgestaltung und gute Architektur Standortfaktoren für Städte und Gemeinden. Es geht nicht nur um elitäre Architektur, sondern um sozial und human gestaltete und gebaute Umwelt. Es geht um qualitätsvolles und zukunftsfähiges Bauen. Es geht darum, Baukultur als umfassenden Ausdruck für Lebensqualität in Stadt und Land zu begreifen.

Die Antwort macht deutlich, dass die Landesregierung der Baukultur mit den bereits vorhandenen Instrumenten von Förderprogrammen, der Raum-, Stadt- und Ortsplanung sowie der Ausbildung, Weiterbildung und Nachwuchsförderung einen hohen Stellenwert beimisst. Lassen Sie mich einige Beispiele herausgreifen: Die Städtebau- und Wohnraumförderprogramme enthalten städtebauliche, soziale und ökologische Qualitätsziele. Das Land setzt in seinen Förderprogrammen auf Qualitätswettbewerbe und gibt ideelle Anreize, zum Beispiel mit dem Landespreis für zukunftweisendes Bauen in SchleswigHolstein.

Die GMSH wird ihrer Vorbildfunktion bei landeseigenen Hochbaumaßnahmen durch den Leitfaden für

nachhaltiges Bauen gerecht. Nachhaltigkeitskriterien sind auch in den Förderprogrammen für Ökotechnik und Ökowirtschaft enthalten. Projekte der Dorfentwicklung und der ländlichen Regionalentwicklung werden auf ihre gestalterische Qualität und die Grundsätze der Nachhaltigkeit überprüft. Bei öffentlichen touristischen Infrastruktureinrichtungen ist auf eine landschafts- und regionaltypische Baukultur zu achten. Die Hochschulen, aber auch die Volkshochschule, die Akademie Sankelmark und natürlich die Architekten- und Ingenieurkammer tragen der Bedeutung von Architektur und Baukultur in unserem Land in besonderem Maße Rechnung. Architekturforen vor Ort und landesweite Veranstaltungen zum Tag der Architektur sollen ein breites Interesse am Thema wecken.

Baukultur wird leider immer noch als das Anliegen von Spezialisten wie Architekten, Stadtplanern, Bauingenieuren oder der Verwaltung verstanden. In anderen europäischen Ländern - wie zum Beispiel in Finnland - ist das Bewusstsein viel stärker ausgeprägt. Nicht nur seit PISA ist Finnland für uns ein Vorbild. Zum Beispiel gibt es in Helsinki kaum Graffiti. Dies hat auch etwas damit zu tun, dass man das, was man schätzt und in dem man einen Wert erkennt, sorgsam behandelt.

Ob Menschen sich in ihrer Stadt oder in ihrem Dorf wohl fühlen, ob in Gemeinden investiert wird oder ob sie attraktiv für Besucher sind, hat etwas mit der Qualität der gebauten Umwelt zu tun. Daher ist Baukultur ein Anliegen der gesamten Gesellschaft. Die SPDLandtagsfraktion hofft, dass es auch ein Anliegen des gesamten Parlaments ist. Lassen Sie uns gemeinsam dazu beitragen, die Baukultur als ein Stück Lebensqualität und einen Standortfaktor für unser Land im öffentlichem Bewusstsein zu stärken und zu fördern.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Für die Fraktion der CDU erteile ich Frau Abgeordneter Monika Schwalm das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion zur Baukultur in die Hand nahm, war ich innerlich darauf eingestellt, besonders gut gelungene Beispiele der Baukultur in unserem Land erläutert zu bekommen. Dies findet man gerade nicht. Das ist schade. Stattdessen informiert der Bericht ausführlich über die Förderprogramme der ver

(Monika Schwalm)

gangenen Jahre, von der Wohnraumförderung über Städtebauförderungsprogramme bis hin zu den Fördermitteln für Denkmalpflege. Von der Förderung der Landschaftsplanung über die Förderung der Dorf- und ländlichen Regionalentwicklung bis hin zur Förderung öffentlicher touristischer Infrastruktureinrichtungen findet man alles, was man unter dem Titel eigentlich gar nicht vermutet.

Gesetzliche Grundlagen des Planungsrechts und der Bauleitplanung sind ebenso erläutert wie die Fortbildungsprogramme der Architekten- und Ingenieurkammer Schleswig-Holstein, die im Bereich der Baukultur in Schleswig-Holstein eine Vorreiterrolle einnimmt. Kommunale Planungselemente werden beschrieben. Die Bürgerbeteiligung wird erläutert und auch ökologische Aspekte des Bauens kommen nicht zu kurz. Aus den Worten des Innenministers und der Kollegin Gröpel ging hervor, dass das Themenspektrum vielschichtig ist. Daher habe ich mir für meinen Redebeitrag den Themenschwerpunkt der Förderprogramme herausgesucht.

Zunächst habe ich mich gefragt, was diese Große Anfrage eigentlich soll und wem sie nützt. Dem Baugewerbe nützt sie mit Sicherheit nicht. Im Gegenteil, sie lenkt von den Sorgen der vielen Menschen ab, die im Baugewerbe ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Sie versuchen den Eindruck zu erwecken, als sei unser Schleswig-Holstein voll von Programmen und Projekten, die Arbeitsplätze sichern. Das Gegenteil ist allerdings der Fall.

(Beifall bei der CDU)

In der Wohnraumförderung setzt die Landesregierung nach wie vor auf das falsche Pferd. Mietwohnungsbau wird gefördert, die Nachfrage nach dieser Förderung ist jedoch gering. Wesentlich wichtiger wäre es, den Eigenheimbau stärker zu fördern. In diesen Tagen erreichte uns die Meldung des Statistischen Landesamtes, dass in den ersten neun Monaten dieses Jahres die Anzahl der Baugenehmigungen in Schleswig-Holstein für Wohnungen gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 10 % zurückgegangen ist. 7.900 Baugenehmigungen gab es in Schleswig-Holstein. Davon sind 5.400 neue Wohnungen in Eigenheimen und nur 1.700 neue Wohnungen im Geschosswohnungsbau entstanden. Diese Zahlen werden weiter zurückgehen, wenn die Pläne der rot-grünen Bundesregierung zur Veränderung der Eigenheimzulage Wirklichkeit werden. Der Traum vom eigenen Haus zerplatzt wie eine Seifenblase. Der Wunsch nach Wohneigentum steht in unserem Land immer noch ganz oben. Es ist eine Tatsache: Wer im Alter belastungsfrei in den eigenen vier Wänden leben kann, hat die beste Altersvorsorge.

(Renate Gröpel [SPD]: Aber Baukultur ist mehr!)

Wenn die Landesregierung diesen Kürzungen im Bundesrat zustimmen wird, macht sie einen schweren Fehler. Es geht bei der Eigenheimförderung nicht nur darum, Bauwilligen leichter zu Wohnungseigentum zu verhelfen. Es geht auch darum, der ohnehin schon gebeutelten Bauwirtschaft nicht neue Todesstöße zu versetzen. Der Bau von 10.000 Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern schafft fast 44.000 Arbeitsplätze. Im Mehrfamilienhausbau sind es immerhin noch 25.000.

Durch eine Eigenheimzulage von beispielsweise 26.000 € wird ein durchschnittliches Investitionsvolumen von 160.000 € ausgelöst. Das rechnet sich also für den Staat. Die Eigenheimzulage sollte als Konjunkturmotor genutzt werden. Das Baugewerbe hat es vorgerechnet: Wenn die rot-grünen Kürzungspläne so, wie jetzt vereinbart wurde, umgesetzt werden, dann schrumpft das Volumen der Bauinvestitionen erheblich.

Vieles in der Antwort der Landesregierung liest sich gut. Doch wie sieht die Wirklichkeit aus? Lassen Sie mich einige Beispiele nennen. Fördermittel für Denkmalpflege sind kaum noch in nennenswertem Umfang vorhanden. Auch hier könnte eine verstärkte Förderung besonders das Handwerk stärken und die Kommunen entlasten.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wir haben ja Geld im Über- fluss!)

Wir dürfen unsere Baudenkmäler nicht vernachlässigen. Die Meinung der Landesregierung, dass sie ein wichtiger Standortfaktor für den Tourismus in unserem Lande sind, teile ich ausdrücklich.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Viel Enttäuschung und Verbitterung über die Landesregierung gibt es bei den Kommunen in unserem Land über die Einschränkung der Förderung der Landschaftsplanung. Auch sie gehören zu dem umfassenden Begriff der Baukultur. Die Gemeinden fühlen sich getäuscht. Fest eingeplante Zuschüsse fließen nicht, die Gemeinden sitzen auf den Kosten. Im Pressespiegel dieser Woche konnten wir es aktuell lesen. Was hilft es den Kommunen und der Bauwirtschaft, wenn sich die Volumina der Bund-LänderProgramme „Städtebauförderung“ und „Soziale Stadt“ in den letzten Jahren nach oben entwickelt haben, das Land aber die Mitfinanzierung nicht sicherstellen konnte? Erinnern will ich an dieser Stelle

(Monika Schwalm)

auch daran, dass Sie sich aus der Finanzierung der LSE-Folgemaßnahmen ganz zurückgezogen haben. Hier müssen die Gemeinden eigene Mittel einsetzen, die an anderer Stelle fehlen.

Dies war nur ein ganz kleiner Ausschnitt aus der vielfältigen Themenpalette der Großen Anfrage. In den Ausschüssen werden wir die Gelegenheit haben, alle Problematiken dieser Antwort der Landesregierung intensiv zu erörtern.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der FDP erteile ich Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben erst vor kurzer Zeit erfahren müssen, was Baukultur in Schleswig-Holstein für einzelne Abgeordnete bedeuten kann. Bei der Bemalung unseres Paternosters im Landeshaus warteten einige CDU-Abgeordnete darauf, endlich eine schwarze Kabine besteigen zu können.

(Heiterkeit)

In der Baukultur des Landtags sind aber schwarze Paternosterkabinen nicht vorgesehen - sorry! Die anderen Fraktionen haben diese baukulturellen Defizite offensichtlich nicht.

(Beifall bei FDP und SPD)

Nun zur Antwort der Landesregierung zum Thema Baukultur in Schleswig-Holstein außerhalb des Landeshauses. Insgesamt liegt uns eine sehr umfangreiche Darstellung zur Baukultur in SchleswigHolstein vor. Die Große Anfrage der SPD-Fraktion deckt die Themenbereiche von der Landesplanung bis zum Lehrplan für das Fach Kunst der Sekundarstufe I ab. Das muss sie nach der Definition auch, denn Baukultur umfasst alle Elemente der gebauten Umwelt, den Hochbau, den Tiefbau, den Garten- und Landschaftsbau sowie die bildende Kunst im öffentlichen Raum. Ich bitte also, mir zu verzeihen, wenn ich nur einige Gesichtspunkte herausgreife. Ein solcher Bericht ist zu umfassend, um ihn entsprechend in Gänze würdigen zu können.

Die Landesregierung definiert in ihrer Antwort klare Ziele. Das ist gut für die politische Diskussion. Ich möchte dabei betonen, dass sich viele Ziele und Schwerpunkte mit unseren überschneiden. Was dennoch oftmals fehlt, ist das konkrete Beispiel anhand eines Projekts. Wir begrüßen es außerordentlich, dass

die so genannte Innenstadtproblematik als ein Schwerpunkt zukünftiger Städtebau- und Wohnraumförderung angesehen wird.

(Beifall bei FDP, SPD und SSW)

In vielen Innenstädten und auch in den Mittelzentren ist zu beobachten, dass viele ehemalige Handelsbetriebe und mittelständische Unternehmen ihre Existenz aufgeben, weil sie durch die allgemeine schlechte wirtschaftliche Lage und aufgrund der Konkurrenz in den Gewerbegebieten im Außenbereich nicht mehr profitabel wirtschaften können. Dadurch geht Urbanität verloren. Teilweise kann diesem Phänomen aber planerisch entgegengewirkt werden. Das ist letztlich auch im wirtschaftlichen Interesse der jeweiligen Kommune. So ist es zum Beispiel gerade aus fremdenverkehrlichen Aspekten für Klein- und Mittelzentren auf dem Land ungeheuer wichtig, dass sie auch durch eine kreative Gestaltung der Innenstädte mit einem vielfältigen Freizeit- und Einkaufsangebot sowie durch die bauliche Gestaltung an Attraktivität gewinnen beziehungsweise diese halten können, ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf die Lebensqualität der Menschen vor Ort.

(Beifall der Abgeordneten Renate Gröpel [SPD])

Auch die notwendige interkommunale Planungskommunikation im Stadt-Umland-Bereich wird immer wichtiger. Viele Städte im Lande stoßen bereits im wahrsten Sinne des Wortes an ihre Grenzen und erkennen die Notwendigkeit zur intensiven und konstruktiven Zusammenarbeit mit den Umlandgemeinden bei der Entwicklung zum Beispiel der Bauleitplanung. Wie die Landesregierung hier nun aber konkret unterstützend tätig sein will und welche Vorstellungen sie hat, darüber schweigt sich der Bericht leider zum Teil aus.

Ebenso interessant wird die Antwort auf die Frage sein, was nach dem Bundeswehrabzug mit den freistehenden Kasernengeländen sein wird - Stichwort Konversion. Es hätte uns schon interessiert, wie weit die Projekte, die die Landesregierung in der Antwort angesprochen hat, vor Ort realisiert worden sind und welchen Beitrag das Land konkret dazu geleistet hat. Aus Wentorf ist zum Beispiel bekannt, dass das ehemalige Kasernengelände, auf dem früher 3.000 Soldaten stationiert waren, Wohnungen für etwa 2.700 Menschen geschaffen und gleichzeitig auch Gewerbe neu angesiedelt werden soll. Das sind gute Nachrichten, wenn die Pläne denn auch alle realisiert werden. Darüber hinaus sind Themen wie Kunst am öffentlichen Bau, Straßenbau, Energiewirtschaft - Stichwort

(Günther Hildebrand)

Repowering und Flächenverbrauch - Dinge, die wir im Ausschuss noch weiter beraten sollten.

Eine kleine Bemerkung am Rande, die besonders den Herrn Finanzminister interessieren dürfte. Ich zitiere von Seite 34 des Berichts: „Die Landesregierung setzt sich für eine strikte Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften … ein.“ Das umfasst auch das Vorhandensein der entsprechenden Vergabevermerke und die Wahrung der Form entsprechend der gültigen Rechtsvorschriften.

Meine Damen und Herren, wenn auch der Bericht in dem einen oder anderen Punkt nachgebessert werden kann, so stellt er jedoch eine umfassende und informative Grundlage zum Beispiel für neue Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter nach der Kommunalwahl am 2. März dar,

(Beifall bei der FDP)

sich Anregungen für ihre zukünftige kommunalpolitische Arbeit zu holen.

(Beifall bei FDP, SPD und vereinzelt bei der CDU)