Protokoll der Sitzung vom 15.11.2002

Viertens. Wir brauchen weitere Einsparungen im Landeshaushalt. Kurzfristig ist wenig möglich. Es muss erneut über kofinanzierte Förderprogramme und über Personalkosten geredet werden.

Weitere relevante Sparmaßnahmen gehen auf Kosten der Investitionen, auf Kosten der Wirtschaft und auf Kosten der Konjunktur. Auch das muss bedacht werden. Mittelfristig können wir die Verwaltungskosten weiter reduzieren, wenn wir Strukturreformen beim Land und bei den Kommunen vornehmen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Dann machen Sie es doch! - Klaus Schlie [CDU]: Legen Sie los!)

Fünftens. Wir brauchen ein Umsteuern bei der Finanzierung unserer Sozialsysteme. Auch wenn wir einen gut ausgebauten Sozialstaat erhalten wollen, brauchen wir Einschnitte.

(Klaus Schlie [CDU]: Wo sind die Konzep- te? - Dr. Heiner Garg [FDP]: Regieren Sie seit gestern?)

Vor allem müssen wir eine Änderung bei der Finanzierung hinbekommen. Die Grundrente und die medizinische Grundversorgung müssen endlich über Verbrauchsteuern finanziert werden. Nur Verbrauchsteuern wie die Mehrwertsteuer wirken sich nicht auf unsere Konkurrenzfähigkeit auf dem internationalen Markt aus.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Lars Harms [SSW]: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren von der Opposition, jeder, der sich an diesen Entscheidungen vorbeizumogeln versucht, wer weiterhin im Land herumläuft und den

(Karl-Martin Hentschel)

Eindruck erweckt, es könne alles so bleiben - das gilt für alle Politiker von allen Parteien -, wer weiter so tut, als könne alles so bleiben, wie es ist und es müsse nicht zu Einsparungen kommen, der belügt sich selber und die Wählerinnen und Wähler.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das können Sie am besten, sich selber belügen!)

Wir haben eine Situation - das ist das Problem in unserem Land -, dass jeder Vorschlag, um die Krise zu bewältigen, von zwei Dritteln der Meinungsträger abgelehnt wird. Es gibt keinen Konsens unter den politischen und wirtschaftlichen Meinungsträgern in diesem Land über das notwendige Paket, das jetzt umzusetzen ist. Ich kann nur sagen: Die Krise, in der wir sind, erfordert es, dass wir diesen Weg hinbekommen.

Die Opposition hat die Wahl verloren, weil sich die CDU nicht getraut hat, Alternativen zu formulieren, und die FDP allen, die nicht zu den Besserverdienern gehören, Angst eingejagt hat.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Huh!)

Heute kommt die FDP mit einem Antrag zur Dienstrechtsreform, nach dem möglichst nichts passieren soll.

(Günter Neugebauer [SPD]: Genauso ist es!)

In der jetzigen Situation - ich komme zum Schluss, Herr Präsident - ist es das Allerwichtigste, dass es gelingt, die Stimmung im Land herumzureißen.

(Lachen bei CDU und FDP - Klaus Schlie [CDU]: Sie hätten gestern vor das Landes- haus gehen sollen!)

Dieses Land hat genügend geistige und materielle Ressourcen, um das Ruder herumzureißen. Die Zeit des Zauderns und der Angst muss jetzt vorbei sein. Das sage ich in Richtung Berlin, das sage ich in Richtung Opposition und das sage ich auch an uns selber gerichtet.

(Zuruf von der CDU: Höchste Zeit!)

Ich bin sicher: Wenn wir unsere Hausaufgaben gemeinsam und mutig machen, wenn wir den Menschen Vertrauen geben, dass wir die Situation anpacken, dann können und werden wir die Probleme lösen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Für den SSW erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorige Mittwoch war wirklich ein schlechter Tag für Deutschland und nicht nur für Rot-Grün, wie einige das gern sehen möchten. Denn von der Entwicklung sind wir alle betroffen, alle Bundesländer. Zum einen wurde das förmliche Verfahren der EUKommission gegen die Bundesrepublik wegen Überschreitung der 3-Prozent-Verschuldensgrenze, der so genannten Maastricht-Kriterien, 2002 eingeleitet. Zum anderen präsentierten die fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ihre traditionelle Herbstprognose zum Wirtschaftswachstum, die nur noch von 1 % Wachstum für 2003 ausgeht. Vor Jahresfrist hatten sowohl die Bundesregierung als auch die Wirtschaftsforschungsinstitute noch mit einem Wachstum für 2003 zwischen 2 und 3 % gerechnet. Somit haben sich alle in ihrer ursprünglichen Einschätzung geirrt, nicht nur die Bundesregierung.

Da kann es nicht mehr verwundern, dass dann auch noch die aktuelle Novembersteuerschätzung für Bund, Länder und Kommunen, die ebenfalls am Mittwoch präsentiert wurde, von Steuereinnahmeausfällen für 2002 und 2003 von insgesamt 31 Milliarden € ausgeht.

Zusammengefasst muss man deshalb sagen: Die Bundesrepublik steht vor einer ernsten wirtschaftlichen und finanziellen Krise.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wir sind mitten drin!)

Das gilt für das ganze Land und für jedes Bundesland.

Diese Krise muss natürlich vor dem Hintergrund der internationalen Konjunkturentwicklung bewertet werden. Als Exportweltmeister, der wir immer noch sind, trifft uns eine solche Entwicklung besonders hart. Dennoch ist ein Teil der Probleme, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, hausgemacht. Wir sprachen einige dieser Probleme schon bei der Diskussion über eine mittelstandsfreundliche Politik an. Deutschland hat ein systembedingtes Problem, das zum Beispiel zu hohen Lohnnebenkosten führt. Da hilft das HartzKonzept, das wir befürworten, nur punktuell. Wir brauchen grundlegende Reformen im Sozialversicherungsbereich, wobei der SSW - ähnlich wie die Grünen gerade eben - für ein steuerfinanziertes Sozialsystem plädiert. Hier muss die Bundesrepublik schnellstens ansetzen, um eine wirkliche Wende auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Lars Harms)

Der Bundesfinanzminister hat für seinen Nachtragshaushalt 2002, der nächste Woche beschlossen wird, den „finanziellen Notstand“ - so will ich es einmal nennen - erklären lassen, damit er weitere Kredite zum Stopfen der neuen Haushaltslöcher aufnehmen kann. Es ist offensichtlich, dass wir das gleiche Prozedere auch für den Nachtragshaushalt des Landes Schleswig-Holstein durchführen müssen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: So ein Quatsch!)

Denn die regionalisierte Steuerschätzung ergibt auch für Schleswig-Holstein katastrophale Zahlen. Insgesamt werden uns in diesem Jahr im Verhältnis zur Steuerschätzung im Mai, die auch schon Steuermindereinnahmen prognostizierte, noch einmal 282 Millionen € fehlen und nächstes Jahr sieht die Lage nicht besser aus.

(Rainer Wiegard [CDU]: Das sind ja Neuig- keiten!)

Was das für die angespannte Haushaltslage des Landes bedeutet, wissen wir alle.

Der SSW vertritt die Auffassung, dass wir uns kurzfristig nicht aus dieser Lage heraussparen können. Einsparungen in dieser Größenordnung zerstören mehr, als dass sie etwas bringen. Deshalb unterstützen wir die Landesregierung in ihrem Bestreben, das Haushaltsloch für 2002

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Zu stopfen!)

durch weitere Kredite zu finanzieren. Ich glaube, es ist ehrlich, wenn man das hier öffentlich sagt.

Den Haushalt für 2003 muss man sich noch einmal genau ansehen darauf, ob es weitere Sparmöglichkeiten gibt. Allerdings warnen wir davor, weitere Investitionen zu kürzen. Schon der Haushaltsentwurf 2003 hat ja eine unglaublich niedrige Investitionsquote. Gerade in dieser wirtschaftlich angespannten Lage sind Kürzungen im investiven Bereich kontraproduktiv.

Aber auch, wenn wir die konsumptiven Ausgaben ansehen, kann man sagen, dass wir am Ende der Sparmöglichkeiten angekommen sind. Die strukturellen Haushaltsprobleme sind eindeutig konjunkturabhängig.

(Zuruf von der CDU: Bitte?)

Dennoch sind wir der Auffassung, dass der Haushalt in jedem Fall noch in diesem Jahr beschlossen werden muss. Denn wenn wir bis zum Januar oder Februar warten würden, träfe das insbesondere die Kommunen, die von Landeszuschüssen abhängig sind.

(Jürgen Feddersen [CDU]: Dummes Zeug!)

Da auch die Kommunen von der neuen Steuerschätzung stark betroffen sind, sollten wir sie nicht noch zusätzlich belasten.

Sollte der Haushalt 2003 nur verfassungskonform beschlossen werden können, indem man für jedes Ministerium eine bestimmte Summe von globalen Minderausgaben festsetzt, muss auf jeden Fall eine angemessene Beteiligung des Landtages im Haushaltsvollzug gesichert werden. Besser und ehrlicher wäre es allerdings, auch für 2003 den „finanziellen Notstand“ zu erklären, damit von solchen globalen Minderausgaben abgesehen werden kann.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dies entspricht auch eher dem Selbstverständnis eines Parlaments. Auf jeden Fall lässt sich feststellen, dass wir derzeit nicht in der Lage sind, die finanziellen Probleme selbstständig zu lösen. Die Einflüsse von außen sind zu groß. Deshalb müssen wir die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts feststellen und so den Bürgerinnen und Bürgern reinen Wein einschenken - ob wir das nun gut finden oder nicht.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich jetzt Herrn Finanzminister Möller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst zu Ihrer, wie ich meine, peinlich kleinkarierten Äußerung zur Reise der Ministerpräsidentin mit einer Wirtschaftsdelegation.