Protokoll der Sitzung vom 15.11.2002

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben die Zahlen nicht ein- mal gelesen!)

Da Sie heute die Presse vor dem Parlament informiert haben, habe ich die Gelegenheit nicht gehabt, das nachzurechnen. Nach meinen Berechnungen von gestern haben wir etwa 5,6 Milliarden € im nächsten Jahr. Das sind die höchsten Steuereinnahmen. Sie können nur nicht damit umgehen, Herr Möller. Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die SPD erteile ich jetzt dem Herrn Fraktionsvorsitzenden Lothar Hay.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat vonseiten der Opposition recht kräftige Worte gegeben. Es wurden Begriffe gewählt, die ich aus meiner Sicht in dieser Situation für nicht angemessen halte.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Wiegard, ich glaube, es gibt für Sie einen gewissen Nachhilfebedarf, was den Zusammenhang von Export, Steuern und Steuereinnahmen des Landes betrifft. Aber das kann sicherlich im Finanzausschuss noch nachgeholt werden.

(Roswitha Strauß [CDU]: Sie haben das nicht verstanden!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann mich noch gut an Vorschläge beider Oppositionsfraktionen im Bundestag erinnern. Ich glaube, das haben meine Kolleginnen und Kollegen auf der rechten Seite des Hauses inzwischen vergessen. Das waren Vorschläge für weitere Steuersenkungen. Das waren Vorschläge für Ausgabensteigerungen. An diesen Vorstellungen müssen wir Sie heute messen. Das haben Sie damals im Bundestagswahlkampf wider besseres Wissen gefordert. Wir müssen den Bürgern dieses Landes erklären, wie Ihre Position ist. Bis jetzt sind von Ihrer Seite keine konkreten Vorschläge gekommen, wie der Haushalt für 2003 realisiert werden kann. Das werden wir demnächst sehen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun regen Sie sich nicht auf. Wir haben Gott sei Dank von Ihnen heute zwei Punkte bekommen. Wir werden beim nächsten Tagesordnungspunkt zum Thema Beamte diskutieren.

(Klaus Schlie [CDU]: Ja, ein Glück!)

Die FDP lehnt alles ab, die CDU lehnt ab bis auf - das ist der Oberbegriff - die Flexibilisierung des Beamtenrechts.

(Klaus Schlie [CDU]: Richtig! Da müssen Sie weitermachen!)

(Lothar Hay)

Dann will ich von Ihnen konkret hören, was Sie darunter verstehen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW- Klaus Schlie [CDU]: Das kriegen Sie ganz konkret!)

Wir als Sozialdemokraten sagen, dass die Bundesratsinitiative der richtige Weg ist. Wir sind nicht bereit, betriebsbedingte Entlassungen mitzumachen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Ja!)

Und wenn es um Einkommenskürzungen geht, wie sie im Gesetzentwurf des Landes Berlin stehen,

(Klaus Schlie [CDU]: Sie müssen hier Ihre Hausaufgaben machen!)

dann wollen wir eine sozialverträgliche Komponente dort hinein haben. Der mittlere Dienst muss von Kürzungen verschont bleiben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Klaus Schlie [CDU]: Bei wel- chem Tagesordnungspunkt sind wir eigent- lich? Wollen wir den nächsten Punkt jetzt auch schon diskutieren? Dann melde ich mich auch noch zu Wort!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Situation, vor der wir jetzt stehen, ist aus meiner Sicht mit den gängigen Mechanismen nicht mehr zu handhaben. Der Bund sieht das so für sich und Finanzminister Eichel hat das wirtschaftliche Ungleichgewicht erklärt; dies werden wir auch für Schleswig-Holstein tun müssen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das muss der Bun- destag feststellen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich auf einen Punkt eingehen, bei dem ich eine gewisse Gefahr sehe, die wir vielleicht auch alle so sehen. Man kann nur hoffen, dass die Steuerschätzer nach den Erfahrungen der letzten zwei Jahre nicht erneut eine Neigung entwickeln, die Steuereinnahmen für 2003 auf Grundlagen von Zahlen von 2001 und 2002 unrealistisch positiv zu schätzen. Dann würde sich nämlich die Haushaltspolitik der Länder in ihrer Planbarkeit wahrscheinlich vollends verlieren. Wenn man sich nur einmal die Zahlen anguckt, dann wird das Lohnsteueraufkommen im Jahr 2002 um 0,1 % steigen, für 2003 werden 5,7 % geschätzt; die Umsatzsteuer erreicht in diesem Jahr ein Minus von 0,4 % und wird mit einer Steigerung für 2003 von 2,9 % geschätzt; die Körperschaftsteuer erwarten die Experten in einer Höhe von 850 Millionen € für dieses Jahr und 2003 nach einer Steigerung in Höhe von

6,6 Milliarden. Diese Zahlen erscheinen mir unrealistisch zu sein.

Wir sind, glaube ich, gemeinsam in der Verantwortung, deutlich zu machen, dass wir mit unrealistischen Steuerprognosen für das nächste Jahr nächstes Jahr in eine gleiche Situation hineinkommen, die wir den Menschen im Land dann einfach nur schwer erklären können.

Deshalb rufe ich auf: Wir brauchen verlässliche Prognosen! Darauf können wir eine verlässliche Politik machen. Dazu gehört die Ehrlichkeit, den Menschen in den nächsten Wochen zu sagen, wo es zu weiteren Kürzungen kommen wird - bei Zuwendungen an Vereine und Verbände, in Bereichen, in denen wir eventuell Abbau von Leistungen vornehmen müssen. Das erwartet man in dieser Situation: Konkrete Vorschläge!

Die SPD-Fraktion wird dies gemeinsam mit dem grünen Koalitionspartner vorlegen. Wir erwarten Ihre Vorschläge im Dezember und dann werden wir diese Vorschläge - wie in der Vergangenheit, Herr Garg - auf ihre Realisierbarkeit und die Frage prüfen, wie wir sie umsetzen können. Das ist der Weg, den wir Sozialdemokraten in diesem Land gehen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Für die Fraktion der FDP erhält jetzt Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! In der Tat: Der Vorwurf, Herr Minister, die Unwahrheit zu sagen, das ist starker Tobak. Aber ich frage Sie jetzt: Haben sämtliche Spitzenvertreter Ihrer Partei - sowohl hier im Land Schleswig-Holstein als auch im Bund - abgestritten, dass Deutschland das Maastricht-Kriterium, das Defizitkriterium, reißt oder nicht? Haben Sie es vor der Wahl abgestritten - ja oder nein? - Ja, Sie haben es abgestritten. Auf die Frage, ob Sie das Kriterium reißen, haben Sie da gesagt, ja, wir reißen es? - Nein, das haben Sie nicht! Sie haben also die Unwahrheit gesagt. Das darf man an dieser Stelle hoffentlich auch noch einmal feststellen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Zweitens. Ich wundere mich ja schon ein wenig, dass sich die Vertreter der Regierungsfraktionen - Herr Hentschel hat das getan, Herr Hay hat das getan, Sie

(Dr. Heiner Garg)

haben das auch getan, Herr Finanzminister - ständig den Kopf über die Wahlversprechen der Opposition zerbrechen, die nicht in Regierungsverantwortung gewählt wurde, zu Recht - wie Sie glauben - nicht in Regierungsverantwortung gewählt wurde.

(Zurufe von der SPD)

Zerbrechen Sie sich doch einmal den Kopf über Ihre Wahlversprechen, die Sie täglich brechen!

(Beifall bei FDP und CDU - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir weisen nur darauf hin, was Sie verspro- chen haben!)

- Lieber Herr Kollege Hentschel, ich leide weder unter einem Trauma noch muss ich mich irgendwie regenerieren. Mir geht es ausgezeichnet. Ich freue mich, dass Sie mein Gesundheitszustand so interessiert.

Ich will Ihnen ganz deutlich eines sagen: Auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, Lothar Hay, wird sich entscheiden müssen, wofür er hier eigentlich steht. Ihr eigener Generalsekretär, Ihr neu gewählter Generalsekretär Olaf Scholz, hat heute Morgen im ZDFFrühstücksfernsehen zu den Vorstellungen, die im CDU-Wahlprogramm und im FDP-Wahlprogramm stehen, gesagt: CDU und FDP wollen es den Armen nehmen, den Rentnern nehmen, den Kranken nehmen. Wir wollen es also offensichtlich überall wegnehmen.

Jetzt müssen Sie sich entscheiden: Wollen wir es überall wegnehmen oder versprechen wir der ganzen Republik nur Wohltaten? Es kann ja wohl nur eines richtig sein.

(Klaus Schlie [CDU]: Die schnacken, wie sie gerade wollen!)

Meine Damen und Herren, lieber Herr Möller, seit Jahren verbreiten Sie von dieser Stelle aus nichts als Luftblasen. Ich will Sie jetzt einmal ganz konkret fragen - vielleicht bekommen wir irgendwann einmal eine Antwort darauf -: Sie sind seit neun Jahren in diesem Land Finanzminister. Wann gedenken Sie eigentlich Ihre segensreichen Gedanken, die Sie ja halbjährlich vortragen, auch tatsächlich einmal in die Tat umzusetzen?

(Heiterkeit bei FDP und CDU)

Wann eigentlich, wenn Sie schon neun Jahre Zeit dazu hatten?

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Da war ich wirklich für einen Moment sprachlos und das kommt nicht allzu oft vor.