Protokoll der Sitzung vom 23.01.2003

- Wir haben keine Redezeit vereinbart, Herr Kollege Kubicki. Es ist mir nicht bekannt, dass wir es getan haben. Wir haben es hier mit einem ganz wichtigen Bereich zu tun, bei dem ich vielleicht noch eine Minute Redezeit in Anspruch nehmen kann.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bei allem Verständnis: Wir haben zehn Minuten Redezeit vereinbart und ich möchte Sie bitten, den letzten Satz zu formulieren.

Dann werde ich mich nachher noch einmal zu Wort melden.

Wir werden Ihren Antrag sorgfältig prüfen. Hier gilt, was schon mein Großvater sagte: Solidität geht vor Schnelligkeit. Wir werden uns nicht ausschließlich auf das Wort der Opposition verlassen, es sei alles in

Ordnung. Das werden wir nicht mehr akzeptieren. Meine Damen und Herren, die Menschen hier im Lande erwarten von uns nicht, dass wir Detektiv spielen oder uns an Verschwörungstheorien beteiligen oder etwa den albernen Antrag weiterverfolgen, Todesermittlungsakten herbeizuziehen. Die Menschen im Lande erwarten vielmehr, dass wir uns den drängenden Aufgaben und Problemen der Landtagsarbeit und der Landespolitik zuwenden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach den Ausführungen des Kollegen Neugebauer will ich einmal darüber nachdenken, ob die gesamte Sozialdemokratie dieses Landes diese Ausführungen teilt, denn wir müssten gegebenenfalls der Frage nachgehen, wie weit die Sozialdemokraten eigentlich in den letzten 13 Jahren gesunken sind

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: In den letzten 15 Jahren!)

- in den letzten 15 Jahren -, wenn es aufgrund rechtsstaatlicher Erwägungen darum geht, die Rechte des Parlaments und der Regierung zu stärken oder auszuformulieren. Die Frage, wie weit wir in diesem Hause eigentlich gekommen sind, stellt sich für alle Abgeordneten dieses Hauses, die zu Beginn der Legislaturperiode ja erklärt haben, dass sie Recht, Gesetz und Verfassung wahren und achten wollten.

Ich will hier keine Motivforschung über die Handlungsweise der Regierung betreiben. Ich will also gar nicht näher untersuchen, was sie veranlasst hat, neun Monate lang dem Untersuchungsausschuss alles zur Verfügung zu stellen, jetzt aber, da die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten zur Verfügung stehen, jetzt, da Herr Dr. Pröhl vor dem Untersuchungsausschuss eine Aussage machen will, jetzt, da die Terminkalender eingesehen werden sollten, zu erklären, dass sie urplötzlich Bedenken, die der Wissenschaftliche Dienst in der Tat zu Beginn der Einsetzung formuliert hat, teilt und aus diesen Bedenken heraus schlussfolgert, sie sei an einer weiteren Mitwirkung gehindert.

Ich gebe zu, Herr Kollege Hay, dass die SPDFraktion bei Einsetzung des Untersuchungsausschusses auf diese Bedenken hingewiesen hat. In der De

(Wolfgang Kubicki)

batte haben wir gesagt: Auch wir haben solche Bedenken, aber sie führen uns nicht zu der Konsequenz, dass der von der Union gestellte Einsetzungsantrag rechtswidrig wäre. - Die Tatsache, dass sich alle Abgeordneten dieses Hauses beim Einsetzungsbeschluss so verhalten haben, hat bei mir die Vorstellung ausgelöst, alle anderen Abgeordneten dieses Hauses würden genauso zu der Erkenntnis kommen, dass zwar Bedenken bestünden, diese aber nicht durchgreifend seien, um einen Einsetzungsbeschluss zu verhindern. Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wenn sie durchgreifend gewesen wären, hätten Sie dem Einsetzungsantrag in diesem Haus nicht zustimmen dürfen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Herr Kollege Neugebauer, dass Sie nicht nur nicht daran gehindert gewesen wären, dem Antrag zuzustimmen, sondern verpflichtet gewesen wären, dem Antrag nicht zuzustimmen, ergibt sich bereits aus unserer Landesverfassung selbst. Wenn Ihre Fraktionsjuristen die Kommentierung weiter verfolgt hätten, wären sie auf die Randnummer 7 des Kommentars zur Landesverfassung gestoßen. Dort wird zu Artikel 18 Folgendes formuliert: Der Landtagsbeschluss zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist ein Pflichtbeschluss, der auch auf Antrag einer Minderheit gefasst werden muss.

Wörtlich heißt es dort:

„Dies gilt indessen nur für einen rechtlich einwandfreien Antrag. Ist etwa der Untersuchungsgegenstand nicht hinreichend konkretisiert worden oder liegt er nicht innerhalb der Grenzen, die dem parlamentarischen Untersuchungsrecht auf Landesebene gezogen sind, ist eine Zurückweisung nicht nur möglich, sondern geboten.“

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Dass dies nicht nur etwas ist, was uns betrifft, sondern dass es bereits von einem Verfassungsgericht judiziert worden ist, erschließt sich aus der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes vom 27. Juni 1977. In dieser Entscheidung heißt es in den Leitsätzen 4.3 und 5.1:

„Es genügt, wenn der Gegenstand der Untersuchung bei der Erteilung des Untersuchungsauftrages hinreichend umschrieben ist. Die Minderheit kann ihren Antrag während der Beratungen bis zur Beschlussfassung des Landtages noch abändern oder ergänzen, um etwaige rechtliche Bedenken auszuräumen.“

Jetzt kommt die entscheidende Passage:

„Es ist mit den Belangen des Minderheitenschutzes vereinbar, dass der Landtag einem Minderheitsantrag gemäß Artikel 25 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung“

- dies entspricht unserem Artikel 18 Abs. 1 -

„unter bestimmten Voraussetzungen nur zum Teil stattgibt, ihn im Übrigen aber, soweit er verfassungswidrig ist oder soweit er gesetzlichen Mindestanforderungen nicht entspricht, abweist.“

In der Begründung zu diesen Leitsätzen heißt es ausdrücklich:

„Anträge, die diesen Erfordernissen nicht entsprechen, müssen vom Landtag zurückgewiesen werden.“

Sie sind also Ihrer gesetzlichen Pflicht nicht nachgekommen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich will nicht glauben, Herr Kollege Neugebauer, dass Sie uns und der Öffentlichkeit in SchleswigHolstein hier erklären wollen, dass Abgeordnete dieses Hauses bewusst und sehenden Auges rechtswidrige Beschlüsse fassen, weil sonst ganz andere Fragen aufgeworfen würden, etwa die Frage, ob Sie das regelmäßig tun, ob Sie das immer tun. Wenn Sie erklären, die Bedenken seien für Sie durchgreifend gewesen, hätten Sie auf eine Änderung hinwirken können und müssen. Das Verfahren in den Ausschüssen ist ja beschrieben. Ich will doch nicht glauben, dass Abgeordnete dieses Hauses rechtswidrige oder verfassungswidrige Beschlüsse fassen, nur um anderen einen Gefallen zu tun. So etwas können Sie doch nicht ernsthaft erklären, denn dies würde schließlich riesige Bedenken auslösen.

Nun gibt es einen Weg, um mit der Verfahrenssituation, in der wir uns befinden, zurechtzukommen. Ich halte den Einsetzungsbeschluss nach wie vor für rechtmäßig. Auf diese Frage kommt es aber gar nicht an. Die Regierung hat erklärt, auf der Grundlage dieses Einsetzungsbeschlusses wolle sie die weitere Mitarbeit einstellen. Nun könnten die antragstellende Minderheit, der Untersuchungsausschuss in Gänze oder der Landtag in Gänze ein Organstreitverfahren anzetteln. Das würde einige Zeit in Anspruch nehmen. Möglicherweise liegt das im Interesse der Regierung und der die Mehrheit tragenden Fraktionen.

Die Minderheitsfraktion kann nun, und zwar jederzeit, einen Ergänzungsantrag stellen, um den Untersuchungsauftrag zu konkretisieren und auf der

(Wolfgang Kubicki)

Grundlage dieses Ergänzungsantrages mit der bisherigen Arbeit fortzufahren. Herr Kollege Neugebauer, dass dies möglich ist, ergibt sich nicht nur aus dem Gesetz. Vielmehr ergibt sich wiederum aus der Verfassung, dass, wenn Sie Bedenken haben, eine Änderung durch den Landtag insgesamt zwingend erforderlich ist. In der vorhin bereits zitierten Randnummer heißt es zum Schluss:

„Sofern sich im Laufe des Untersuchungsverfahrens verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Inhalt des Untersuchungsauftrages ergeben, ist der Landtag verpflichtet, einem Änderungsantrag der Einsetzungsminderheit zu entsprechen, soweit er in verfassungskonformer Weise auf die Beseitigung der Bedenken zielt.“

Es wird sogar ein Rechsprechungshinweis dazu gegeben. Von diesem Weg macht die Unionsfraktion momentan Gebrauch.

Wir werden darüber im Innen- und Rechtsausschuss relativ zügig beraten. Herr Kollege Matthiessen, Sie müssen aber von dem Glauben Abschied nehmen, dass die Mehrheitsfraktion dieses Hauses die Möglichkeit hat - das mag sie vielleicht beabsichtigen -, das Verfahren in die Länge zu ziehen. Der Kollege Neugebauer hat hier viele Fragen gestellt. Diese Fragen lassen sich relativ zügig beantworten. Vielleicht lassen Sie sich von Ihrer Bundestagsfraktion, die in diesem Bereich ja Erfahrung hat, einmal einige Hinweise geben.

(Beifall bei FDP und CDU)

Der Innen- und Rechtsausschuss wird über diese Fragestellung zügig beraten und dann feststellen - der Wissenschaftliche Dienst hat dies bereits jetzt getan -, dass die jetzige Konkretisierung verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung trägt und die bisherigen Bedenken jedenfalls ausräumt. Auch in der sehr fundierten Stellungnahme des Innenministeriums wird gesagt, man schließe sich der Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes in voller Breite an. Insofern kann auch von dieser Seite nicht mehr sehr viel erwartet werden.

Insofern kann nach der Beratung des Innen- und Rechtsausschusses spätestens in der Februar-Tagung der Ergänzungsbeschluss gefasst werden und der Untersuchungsauftrag endgültig abgearbeitet werden. Dass die Öffentlichkeit daran ein Interesse hat, möglicherweise nicht die von Ihnen repräsentierte Öffentlichkeit, ergibt sich aus vielfältigen Begegnungen, die wir alle haben. Die Tatsache, dass möglicherweise einige Organe, einige Medienvertreter in SchleswigHolstein wenig Interesse daran haben, ist deren Prob

lem. Das beseitigt aber nicht das öffentliche Interesse an der Untersuchung von Verwicklungen, die möglicherweise keinen Einmaligkeitscharakter haben, aber jedenfalls nicht üblich sind. Oder habe ich jetzt von der Mehrheitsfraktion zu hören, dass diese Form der Verquickung von privaten Interessen und dienstlichen Belangen in der Landesverwaltung in SchleswigHolstein jeweils im Regierungsapparat üblich ist? Dann in der Tat könnten wir uns den Untersuchungsauftrag ersparen. Aber wir wollen ja auch einmal wissen, was für Konsequenzen wir daraus ziehen müssen, wie wir denn künftig als Parlament sicherstellen müssen, dass die Kontrolle, die notwendigerweise über hochrangige Bedienstete zu erfolgen hat, ausgeübt wird, wenn das im bisherigen Verfahren nicht so ist.

Ich bin der Unionsfraktion, jedenfalls in diesem Teil, dankbar, dass sie nicht den Rechtsstreit vor den Gerichten gesucht hat, sondern einen relativ zügigen Weg beschritten hat, den Untersuchungsauftrag zu Ende zu bringen. Wir können relativ schnell zu dem Ergebnis kommen, dass der vom Wissenschaftlichen Dienst bereits geprüfte und jetzt vorliegende Antrag der Union als Ergänzungsantrag verabschiedet werden kann. Dann sollten wir zügig weiter beraten und zu einem Ende kommen und dafür Sorge tragen, dass im Jahre 2005 ff. in Schleswig-Holstein andere Verhältnisse herrschen als bisher.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Matthiessen das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich verweise auf den Beitrag der Kollegin Heinold schon bei der Diskussion der Dringlichkeit dieses Antrages, in der sie gesagt hat: Wir kommen den Wünschen der Opposition entgegen, den Antrag zügig zu behandeln.

Die Verzögerung der Untersuchungsarbeit ist allein von der Opposition zu verantworten, die hier versucht, mit dem vorgelegten Antrag den vermutlich rechtsfehlerhaften ursprünglichen Antrag zu heilen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich davon rede, dass die Opposition den Untersuchungsfortgang verzögert, dann wiegt das umso schwerer, weil auf die Rechtsmängel von den Koalitionsparteien schon vor der Einsetzung des Ausschusses deutlich hingewiesen wurde. Diese Vermutung

(Detlef Matthiessen)

der Rechtsfehlerhaftigkeit wurde durch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes erhärtet und an dieser Stelle und zu diesem Zeitpunkt hätte die CDU ihren Antrag korrigieren können beziehungsweise müssen.