Protokoll der Sitzung vom 13.07.2000

(Zurufe von der CDU)

Das ist eine Erfahrung, die man in dieser Republik auch machen konnte, Herr Kayenburg, und die hat dazu geführt, dass es eine starke grüne Bewegung gegeben hat und dass es sie noch gibt. Wir werden dafür sorgen,

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

dass wirklich zukunftsfähige Energie eingeführt wird. Bei dem, was Sie uns hier von Gaskraftwerken vorstellen, die angeblich die Interessen der nächsten Generation verletzen,

(Martin Kayenburg [CDU]: Natürlich!)

(Irene Fröhlich)

und wenn Sie dann nicht mit einem Gedanken dazu kommen, was in Tausenden und Zigtausenden von Jahren mit dem Müll ist, von dem wir nicht wissen, wie er sicher gelagert werden soll - dazu fällt Ihnen die nächste Generation noch nicht einmal ein -, dann können wir hier nicht vernünftig diskutieren! Ehrlich gesagt: Mich erschüttert das.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das müssen Sie einmal Herrn Hentschel sagen!)

Für mich sind das wirklich wichtige Fragen. Genauso wie ich damals in Brokdorf mit meinem ganzen Herzen und meinem ganzen Verstand gestanden habe, genauso stehe ich heute hier. Die Grünen, Herr Kubikki, haben eine Entwicklung durchgemacht, die immerhin ihre Jugenderfahrungen und ihre Jugenderinnerungen nicht einfach über Bord schmeißen lässt, sondern sie arbeiten kontinuierlich daran und streiten kontinuierlich dafür, dass wir unsere Konzepte durchgesetzt kriegen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Wo denn? Wo denn?)

Und das verdient eher Beachtung als Ihr spöttisches Grinsen.

(Zurufe von der CDU)

Und hier dann auch noch von „französischen Waffenbrüdern“ zu sprechen, Herr Kubicki, das veranlasst mich zu der Frage: In welchem Krieg befinden Sie sich? Das frage ich Sie.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD sowie der Abge- ordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Wir haben noch einen weiteren Beitrag nach § 56 der Geschäftsordnung. Herr Abgeordneter Kubicki, bitte.

(Konrad Nabel [SPD]: Der hat doch schon einmal!)

- Die Landesregierung hat ihre Redezeit überschritten, Herr Kollege.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht zunächst an die Abgeordnete Frau Fröhlich: Die Bundesrepublik Deutschland befindet sich im Eurokorps mit den Franzosen in Waffenbrüderschaft. So haben es jedenfalls der Bundeskanzler und der Bundesverteidigungsminister geäußert, von denen ich bisher angenommen habe, sie sind Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei. Und die Bundesrepublik Deutschland steht beispielsweise mit Franzosen im

Kosovo mit Waffen, um dort den Frieden zu sichern, damit es nicht zu weiteren Massakern kommt. Insofern denke ich, dass wir unsere französischen Nachbarn durchaus auch als „französische Waffenbrüder“ bezeichnen können.

Herr Kollege Kayenburg, mein Freund

(Heiterkeit)

Günther Hildebrand hat mich zu Recht darauf hingewiesen, dass wir als F.D.P.-Fraktion den Angriff auf die Kommunalpolitiker zurückweisen wollen. Es hörte sich bei Ihnen so an, als sei das Niveau von Kommunalpolitikern nicht mit dem Ihren zu vergleichen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Wider- spruch bei der CDU)

Das wollen wir natürlich entschieden zurückweisen.

Herr Finanzminister, bedauerlicherweise haben Sie vorhin eine Zwischenfrage von mir nicht zugelassen, aber ich nehme an, Sie erinnern sich auch noch daran, dass ich damals dagegen opponiert habe - und das tue ich heute noch -, dass es ein sozialdemokratischer Bundeskanzler war, mit dem Namen Helmut Schmidt, der im Benehmen mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer Ende der siebziger Jahre ein Entsorgungskonzept mit der fiktiven Erklärung gebilligt hat, die Entsorgung der Kernkraftwerke sei gesichert, weil sonst auf der Grundlage des damals geltenden Atomgesetzes gar kein Atomkraftwerk hätte ans Netz gehen dürfen.

(Zuruf der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Fiktion - und tun Sie jetzt nicht so, als sei das auf dem Mist von irgendwelchen Christdemokraten oder Liberalen gewachsen - war etwas, was Helmut Schmidt wollte, weil Anfang der siebziger Jahre die Sozialdemokraten - übrigens auch Sozialdemokraten in diesem Land; es gibt ein Programm der Sozialdemokraten aus Schleswig-Holstein aus Zeiten Anfang der siebziger Jahre, wonach sie das ganze Land mit Kernkraftwerken zupflastern wollten - die Idee hatten, wir müssten uns nach dem Ölschock, den wir erlebt hatten, in der Energieversorgung auf ein vergleichsweise unabhängiges Bein stellen, das wir selbst beherrschen können. Dass es da eine Veränderung in der Bewusstseinslage gegeben hat, ist in Ordnung. Aber tun Sie nicht so, als seien Sozialdemokraten an der Entwicklung nicht beteiligt gewesen oder hätten diese nicht massiv mit gefördert.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU - Konrad Nabel [SPD]: Haben wir nie getan!)

(Wolfgang Kubicki)

Aber ich frage Sie zurück, weil ich jetzt in völliger Begeisterung erfahre, dass die Sozialdemokraten schon immer die Vorreiter der Liberalisierung auf allen Ebenen gewesen sind

(Heiterkeit bei F.D.P. und CDU)

das ist ja jahrelang spurlos an mir vorübergegangen -: Was bedeutet die Liberalisierung eigentlich, wenn Sie sagen, Sie wollten Liberalisierung, aber auch nicht so richtig? Sie wollten Vorrangstellung für irgendetwas haben? - Das ist eigentlich genau das Gegenteil von Liberalisierung.

(Beifall bei der F.D.P.)

Ich sage Ihnen: Sie werden es erleben, dass europaweit die Förderung der Windenergie und anderer Energieformen in Deutschland unter Subventionsgesichtspunkten 2005 ausläuft. Dann gucken wir uns einmal an, was Sie den Windmüllern dieses Landes bei ihrer Kalkulation sagen, die über 15 oder 20 Jahre läuft.

Sagen Sie mir doch einmal, Herr Finanzminister, welches Energieversorgungsunternehmen denn überhaupt noch ein Kraftwerk aufbauen soll. Sind Sie ernsthaft der Auffassung, dass die HEW so dumm wären, unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ein Kraftwerk am Standort Brunsbüttel zu bauen? Warum sollten sie das tun? Sie wissen doch selbst jedenfalls können Sie einmal bei Ihrem Kollegen in Nordrhein-Westfalen nachfragen -, dass die Energieversorgungsunternehmen jetzt mittlerweile zu Energiehändlern werden, dass sie sich darauf einrichten, dass es viel preiswerter ist, den Strom europaweit oder weltweit einzukaufen, als ihn hier unter den teuren Bedingungen in Deutschland selbst zu erzeugen.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Ich sehe ja jetzt gerade, wie sich unter sozialdemokratischer Führung große Konzerne - übrigens nicht europäische - bei uns in den Strommarkt einkaufen, die eine ganz andere Ausrichtung haben als die, die Sie hier erklärt haben. Da bin ich einmal gespannt, was hier in zwei, drei Jahren auf diesem Markt passieren wird.

Ich sage noch einmal: Wir sind mit der Vereinbarung, die in Berlin geschlossen worden ist, ausdrücklich einverstanden, weil sie alles macht - sie konkretisiert nur nichts. Deshalb warten wir ja darauf, dass Sie uns mit Ihrem Ausstiegsszenario genau sagen, wann exakt was passiert. Darauf hat die deutsche Öffentlichkeit einen Anspruch, darauf haben wir einen Anspruch.

Ich sage Ihnen noch einmal: Vor 2002 passiert gar nichts, außer dass die Grünen jetzt dankenswerterweise das letzte Politikfeld verloren haben und im Übrigen

daraus lernen müssen, dass man dicke Backen machen kann, dass aber entscheidend ist, was hinten herauskommt.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Bevor wir in die Abstimmung eintreten, begrüßen wir auf der Tribüne noch Damen und Herren der Volkshochschule Dithmarschen. Herzlich willkommen! Sie hatten die Gelegenheit, einen besonders lebhaften Teil der Debatte mitzuerleben.

(Beifall)

Dann treten wir jetzt in die Abstimmung ein. Zunächst stimmen wir ab über den Antrag der Fraktion der CDU mit der Überschrift „Zwischenlagerung abgebrannter Brennelemente“. Der Antrag ist allen bekannt. Ich setze das Einvernehmen der Antragstellerin voraus, dass aus „3. Tagung“ „4. Tagung“ gemacht wird. Wer diesem Antrag der CDU seine Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen?

(Zurufe von der CDU: Ihr wolltet doch zu- stimmen! - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Ihr habt doch gerade gesagt, ihr wolltet zustim- men! - Zuruf von der CDU: Das ist doch un- erhört!)

Stimmenthaltungen? - Dann ist der Antrag mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW abgelehnt.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind in der Abstimmung. Ich bitte um etwas mehr Ruhe.

Jetzt geht es um den Antrag der F.D.P., das ist nämlich der Änderungsantrag zum Grundantrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Über den Änderungsantrag ist zuerst abzustimmen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P., Drucksache 15/253, seine Zustimmung erteilen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Ich darf um die Gegenprobe bitten. - Stimmenthaltungen? - Dann ist dieser Änderungsantrag vom Haus einstimmig angenommen worden.

Dann stimmen wir jetzt über den Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,

(Vizepräsident Thomas Stritzl)