Protokoll der Sitzung vom 20.02.2003

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir können uns als Landesgesetzgeber ja auch enthaltsam verhalten und dem Regierungsbereich nicht zu viele Verordnungsmöglichkeiten geben. Das wäre eine Möglichkeit, die bei uns selbst ansetzt.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Das im Ausschuss vereinbarte Verfahren der Beratung auch der Gemeindefinanzreform wird durch diesen Antrag konterkariert. Wir haben im Ausschuss auch Einvernehmen gehabt, dass wir Papier genug haben, das die Lage beschreibt, das mögliche Abhilfe aufzeigt. Herr Kollege Schlie, Sie eröffnen hier erneut aus durchsichtigen Gründen eine Woche vor der Kommunalwahl den öffentlichen Papierkrieg.

(Klaus Schlie [CDU]: Erzählen Sie das mal den Kommunen!)

Sie hätten sich das sparen sollen. Das wäre auch ein Sparbeitrag gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Ich beantrage die Überweisung dieses Entschließungsantrages an alle Ausschüsse, weil alle Arbeitsbereiche davon betroffen sind, federführend bitte an den Innen- und Rechtsausschuss.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben zwei vom Temperament her sehr unterschiedliche Redebeiträge, des Kollegen Schlie und des Kollegen Puls, gehört.

(Günter Neugebauer [SPD]: Puls war bes- ser! - Weitere Zurufe)

- Wir werden noch feststellen, wie die Wirkungen der Redebeiträge auf die Kommunen sind. Denn dass die Finanzen der Kommunen am Boden liegen, wird von niemandem ernsthafterweise bestritten. Seit Jahren brechen den Gemeinden die Einnahmen aus der Gewerbesteuer weg. Nach der jüngsten Steuerschätzung haben die Kommunen allein im Jahr 2002 bundesweit 2,5 Milliarden € weniger zur Verfügung. Für das laufende Jahr wird mit einem weiteren Einbruch von 3 Milliarden € gerechnet. Die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben der Kommunen belief sich 2002 bereits auf zirka 6,7 Milliarden €, für 2003 wird diese Differenz nach ersten Schätzungen fast 10 Milliarden € betragen. Kurzum: Die Gemeinden befinden sich in ihrer schwersten Finanzkrise seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland - und das ungeachtet der Tatsache, dass wir nahezu regelmäßig über die mangelnde finanzielle Ausstattung der Kommunen beraten.

Die rot-grüne Bundesregierung stört das anscheinend wenig. Sie sah es nicht für notwendig an, die erhöhte Gewerbesteuerumlage von 30 % wieder auf die ursprünglichen 20 % zurückzunehmen. Für die Kommunen hätte dies Mehreinnahmen von 2,5 Milliarden € in den nächsten drei Jahren bedeutet.

Herr Minister, das Land hat zu dieser Krise ebenso seinen Beitrag geleistet. Man denke nur an den Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich - der Kollege Schlie hat es angesprochen - und hier speziell den Kommunalen Investitionsfonds. So hat Rot-Grün in Bund und Land die seit Jahren schwindende Finanzkraft der Kommunen mitverschuldet.

(Beifall bei FDP und CDU)

Dadurch haben Sie an der Vernichtung vieler Arbeitsplätze aktiv mitgewirkt. Die Kommunen investieren nämlich nicht mehr. Das bedeutet, dass auch notwendige Maßnahmen im Straßenbau, in der Bau

(Wolfgang Kubicki)

unterhaltung sowie im Schulbereich nicht mehr durchgeführt werden können.

(Caroline Schwarz [CDU]: Fahrradwege!)

Es unterbleiben private Anschlussinvestitionen und das Wirtschaftswachstum wird geschwächt. Parallel hierzu steigen die Ausgaben für soziale und andere Leistungen weiter an. In der Folge fehlt den Kommunen mittlerweile sogar das Geld für manche Kernbereiche der Daseinsvorsorge.

(Klaus Schlie [CDU]: So ist es!)

So sind nach Auskunft des Gemeindetages der Unterhaltungszustand und die Ausstattung der Schulen konkret gefährdet. Büchereien und Museen müssen Angebote reduzieren oder sogar geschlossen werden. Sport, Kultur und Bildung treten in den Hintergrund. Mütterberatung und Suchtbetreuung, Jugendarbeit und Vereinsförderung - Frau Heinold, das sind doch alles Dinge, von denen die Grünen immer sagen, dass sie ihnen besonders am Herzen liegen - werden immer mehr ausgedünnt.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Gegensatz zur FDP sind uns diese Sachen wichtig!)

- Dann müssen Sie auch etwas dafür tun, dass es weiter unterhalten werden kann.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen wir ja auch!)

Durch diese Kürzungen im kulturellen, sportlichen und sozialen Bereich werden der Tourismusstandort Schleswig-Holstein und das Ehrenamt geschwächt. Wir alle haben doch selbst viele Erörterungen mit potenziellen Kandidaten gehabt, die erklärt haben: „Was sollen wir eigentlich noch in den Gemeindevertretungen, wenn wir nur nachvollziehen können, was andere beschlossen haben, und selbst keine Mittel mehr haben, die wir verausgaben können?“ die als kommunale Vertretungen also völlig überflüssig sind.

(Beifall bei FDP und CDU)

Durch die Mängel bei der Schulausstattung verspielen wir die Zukunftschancen der nächsten Generation. Es ist also höchste Zeit zu handeln.

(Klaus Schlie [CDU]: Sehr richtig!)

Wir müssen unseren Teil dazu beitragen, dass die Handlungsfähigkeit der Kommunen wieder hergestellt wird. Einen Beitrag hierzu kann das von der CDU vorgelegte Vorgabenbefreiungsgesetz, das der Gemeindetag entworfen hat, leisten. Wir hatten als FDP-Fraktion bereits zu Beginn der Legislaturperiode ein Standardöffnungsgesetz mit einer vergleichbaren

Zielrichtung vorgelegt. Dieses Gesetz wurde aber durch dieses Haus im letzten Jahr abgelehnt. Für uns war es schon ein wenig verwunderlich, dass nun die Union einen eigenen, neuen Gesetzentwurf eingebracht hat. Sie hat nämlich in den zwei Jahren, in denen unser Entwurf im Ausschuss schmorte - soweit ich mich erinnere, Kollege Schlie -, nicht einen Änderungsantrag gestellt.

(Beifall bei der FDP sowie der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] und Lars Harms [SSW])

Da drängt sich der Eindruck auf

(Heiterkeit bei der CDU)

- jedenfalls können wir das nicht so ohne weiteres zurückweisen -,

(Heiterkeit bei der CDU)

dass die Einbringung des CDU-Gesetzentwurfs zum jetzigen Zeitpunkt mit den unmittelbar bevorstehenden Kommunalwahlen zu tun hat.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] Lars Harms [SSW])

Dennoch würden wir es begrüßen, wenn die linke Seite des Hauses endlich die ideologischen Scheuklappen ablegte und sich einer Öffnung oder Abschaffung von Vorgaben nicht mehr weiter verschlösse.

(Beifall bei FDP und CDU - Klaus Schlie [CDU]: Das ist der Kern!)

Herr Innenminister, wenn Sie schon den sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern nicht vertrauen, die es ja gemacht haben, gucken Sie vielleicht einmal nach Hessen, was möglich ist,

(Beifall bei FDP und CDU)

wenn man gewillt ist, an den Wust von Rechtsverordnungen und Vorschriften wirklich einmal die Axt anzulegen.

(Günter Neugebauer [SPD]: Hessen ist ein schlechtes Beispiel!)

Das Ziel, eine Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse zu schaffen, muss nicht dazu führen, dass wir kommunale Standards bis ins letzte Detail durchformulieren. Wir müssen die Entnahme aus dem kommunalen Investitionsfonds rückgängig machen. Wir als FDPFraktion haben diese Mittel in unseren Haushaltsanträgen den Kommunen immer wieder zurückgegeben. Die CDU hat das - Herr Kollege Schlie - nicht getan,

(Wolfgang Kubicki)

sondern die Ausgaben in Ihren Haushaltsentwürfen immer auch mit diesen Mitteln finanziert. Insofern ist es zwar richtig, dass Sie den Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich rügen. Sie haben aber in Ihrem bisherigen Handeln keine Konsequenzen daraus gezogen. Auch da warten wir hier auf bessere Zeiten.

Noch weniger nachvollziehbar ist für uns das Verhalten des Landesinnenministers. Herr Buß überbrachte unter großer Presseankündigung einigen Kommunen Bewilligungsbescheide, deren Mittel aus dem kommunalen Investitionsfonds stammten. Er tat also nichts anderes, als den Kommunen ihr eigenes Geld zu überreichen.

(Klaus Schlie [CDU]: Das mit großer Bra- vour!)

Der Eindruck, der aber oftmals in der Bevölkerung entstand oder vielleicht sogar entstehen sollte, war der, dass das Land ein kommunales Projekt förderte. Das ist schon dreist.

Kommen wir zu der Forderung der Union, das erweiterte Konnexitätsprinzip in das Grundgesetz zu schreiben. Auch diese Forderung unterstützen wir, haben wir doch in der letzten Legislaturperiode einen inhaltsgleichen Antrag eingebracht. Ein erweitertes Konnexitätsprinzip würde sicherstellen, dass die den Kommunen vom Bund übertragenen Aufgaben gegenfinanziert werden. Herr Kollege Puls, dieser Antrag ist ein Beleg dafür, dass beständiges Wiederholen auch bei Ihnen den geistigen Fortschritt fördern kann.