Alle diese Gründe sind vom Bundes- und Landesgesetzgeber nicht umsonst gewollt - die Formulierung „nicht umsonst“ dürfen Sie durchaus in einer breiten Bedeutungspalette lesen.
Schlechte Gründe für den Anstieg der Eingliederungshilfekosten könnten sein: fehlende Frühförderung für Kinder mit Behinderung mit schwer wiegenden Folgen. Ich hoffe, dass wir diesen schlechten Grund nicht finden. Grund könnte aber auch - dies bestätigen zahlreiche Untersuchungen der Krankenkassen - eine Zunahme von Behinderung vor allem durch psychische Erkrankungen aufgrund der schlechten Arbeitsmarktlage sein. Wir könnten aber auch Bürokratieleerlauf und Doppelarbeit vorfinden. Sicher sind auch ein Grund für die Kostensteigerung oder zumindest die Kostenunsicherheit die mangelnden Verträge, die es in manchen Gebieten gibt. Es liegt ja immer noch eine Reihe von Vereinbarungen auf dem Tisch, die noch nicht unterschrieben sind. Sicherlich wird man auch gucken müssen, ob es unzulässige Abrechnungstatbestände gibt. Zumindest gibt es Anzeichen dafür, dass Kostenverschiebungen von der Jugendhilfe in die Behindertenhilfe stattge
funden haben. Man muss der Frage nachgehen, ob sie zu Recht erfolgten oder ob es sich um ein Prinzip handelt, das wir so nicht billigen dürfen.
Wir erwarten also, dass die berechtigten gesetzlichen Ansprüche voll erfüllt werden und die notwendigen Leistungsvereinbarungen verabschiedet werden. Ich sage das mit Nachdruck, weil es hier immer wieder Aufrufe der Behindertenverbände gibt, dass in einigen Bereichen immer noch Defizite vorliegen.
Behindertenverbände, Einrichtungen und Einrichtungsträger sollen in das begonnene Prüfverfahren gleichberechtigt einbezogen werden. Information und Transparenz für alle Beteiligten, auch und gerade für die Leistungsempfängerinnen und -empfänger sollen gewährleistet werden. Es soll keine Verschlechterung der Lebenssituation der Menschen mit Behinderung geben. Dazu gehören für uns unabdingbar die Freiheit bei der Wahl der Unterstützungsangebote und eine größtmögliche Autonomie für Menschen mit Behinderung und eine große Vielfalt in der Trägerlandschaft.
Es ist gut, dass wir über dieses Thema sprechen und die Ministerin auf diese Weise Gelegenheit hat, hier im Parlament Missverständnisse klarzustellen und für eine weitere Transparenz im Verfahren zu sorgen. Ich verhehle nicht, dass auch ich sehr unglücklich über dieses Schreiben war, das die Runde gemacht hat. Ich sage aber auch: Die Durchführung liegt vielfach auf kommunaler und Kreisebene, bei den Rentenversicherungsträgern und den Krankenversicherungen. Wahrscheinlich müsste man auch die Rentenversicherungsträger und die Krankenversicherungen, wenn man Lücken entdeckt, in den Dialog einbeziehen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt unter Politikern einen alten Kniff: Man redet ein Problem herbei, das gar nicht existiert, und nachher behauptet man, man habe das Problem gelöst.
Ebenso verhält es sich mit dem berühmten Brief des Sozialministeriums, der die Ursache für den vorliegenden Antrag sein soll.
Im September 2002 war auf den Internetseiten des Landkreistages ein Schreiben veröffentlicht worden, welches aus dem Sozialministerium stammte. Dieses Schreiben war jedoch weder ein Schreiben der Ministerin noch offizielle Meinung des Ministeriums. Die Verunsicherung, die dieses Schreiben auslöste, führte aber zu erheblichen Sorgen bei den Betroffenen. Da der Brief kein offizielles Schreiben des Ministeriums war und ist, bestand eigentlich kein wirkliches Problem. Der Kollege Kalinka konnte sich dann aber in einer Presseerklärung selbst feiern, weil es seiner Ansicht nach nur an seinem besonderen Einsatz, dem Einsatz der CDU-Fraktion, lag, dass dieses Schreiben zurückgezogen wurde.
Dass dieses dem Ministerium recht leicht gefallen war, weil der Brief von vornherein überhaupt nicht die Position der Regierung wiedergab, hat der Kollege in seiner Pressemitteilung nicht erzählt.
Dass trotzdem große Probleme in der Eingliederungshilfe bestehen, ist allen Beteiligten bekannt. Die Kosten der Eingliederungshilfe sind in der gesamten Bundesrepublik in den letzten Jahren rasant gestiegen, bundesdurchschnittlich um circa 4,5 %, in Schleswig-Holstein um circa 9 %.
Angesichts dieser Kosten hat die Politik natürlich ein Problem. Wir sind uns aber in der Politik auch darüber einig, dass dies auf keinen Fall zum Problem der Betroffenen werden soll. Denn der Kostenanstieg ist sicherlich auch eine Folge einer besseren Politik für Menschen mit Behinderung, die wir alle unterstützen.
Bis heute ist aber noch nicht einmal abgeklärt, was dazu führt, dass die Kosten in den letzten Jahren so steigen und weshalb Schleswig-Holstein in dieser Hinsicht erheblich über dem Bundesdurchschnitt liegt. Deshalb ist es heute noch viel zu früh, Aussagen darüber zu treffen, wie wir mit den steigenden Kosten umgehen sollen.
Die Fraktionen sind darüber unterrichtet worden, dass sich das Sozialministerium und die Kommunen zusammengetan haben, um diese Fragen zu durchleuchten. Bis diese Analyse der Eingliederungshilfe vorliegt, sollten wir uns vor etwas hüten, nämlich vor vorschnellen Lösungen für dieses Problem.
Einer der Gründe für den Kostenanstieg - das kann man wahrscheinlich sagen - ist, dass die Menschen heute erfreulicherweise älter werden als früher. Auf diese Entwicklung müssen wir auch neue Antworten
finden. Es erscheint etwas zu einfach, wenn jetzt nur nach mehr Plätzen in Wohnheimen gerufen wird, wie das mit dem vorliegenden Antrag getan wird. Es gibt Alternativen zum Neubau, und die sollten ausgelotet werden. In Flensburg ist man zum Beispiel dazu übergegangen, verstärkt ambulante Wohnformen auch für die älteren Menschen mit Behinderung zu nutzen. Genau diese Entwicklung halten wir für richtig. Zur gesellschaftlichen Teilhabe der Menschen mit Behinderung gehört auch, dass ihnen andere Möglichkeiten des Wohnens geboten werden, soweit ihre Art der Behinderung es zulässt. Eigentlich ist es eine Selbstverständlichkeit, aber es gehört zu den Fortschritten der letzten Jahrzehnte, dass wir heute wissen, dass Menschen mit Behinderung gerade nicht nur in „Heimen“ zu leben haben, sondern auch eine angemessene Unterbringung mit den entsprechenden Hilfen benötigen. Das gilt auch für diejenigen, die in Einrichtungen arbeiten.
Die Maßstäbe für ein humanes Leben und die Lebensumstände der Menschen mit Behinderung haben sich in den letzten Jahrzehnten gewaltig zum Besseren verändert. Das spiegelt sich auch in den jüngst verabschiedeten Gesetzen wie dem SGB IX oder dem Landesgleichstellungsgesetz und so weiter wieder. Deshalb ist es natürlich nicht verwunderlich, dass die Kosten steigen. Damit müssen wir auch leben, wenn wir den Menschen mit Behinderung ein menschenwürdiges Leben bieten wollen.
Trotzdem entbindet es uns nicht aus der politischen Verantwortung. Angesichts steigender Kosten muss sich die Politik Gedanken darüber machen, wo die Strukturen verbessert werden können. Natürlich muss angesichts der steigenden Ausgaben auch darauf gesehen werden, wie die Mittel effizient eingesetzt werden können. Darüber müssen sich die Betroffenen aber keine Sorgen machen. Niemand muss befürchten, dass er oder sie zukünftig Leistungen verliert, auf die er oder sie heute einen Rechtsanspruch hat. Sie werden weiterhin Anspruch auf dieselbe Unterstützung haben wie heute. Es bringt aber nichts, wenn die Kosten steigen, ohne dass das voll den Menschen mit Behinderung zugute kommt. Genau darauf kommt es uns nämlich an.
Wir werden einer Ausschussüberweisung zustimmen, damit wir uns dort - jenseits des vorliegenden Antrags - weiter mit den tatsächlichen Problemen der Eingliederungshilfe auseinander setzen.
Ich habe mit dem Antrag auch noch folgendes Problem. Es gibt einige Punkte, die ich nicht ganz verste
he, und zwar vor dem Hintergrund, dass in SGB IX § 20 steht, dass die Qualitätssicherung durch die Erbringer der Leistung
durchgeführt wird. - Sie sollten einfach einmal in das Gesetz hineinschauen. Sie sollten sich klarmachen, wer Träger der Rehabilitation ist und welche Leistungen erbracht werden. Das geht bei Ihnen durcheinander.
Ich kann Ihnen deshalb nur die Lektüre von „Wegweiser“ zu diesem Problem empfehlen, bevor Sie uns so einen Antrag zumuten.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte wenig zur Motivation und zum Inhalt des Antrags sagen. Ich denke, Ihre Begründungsrede war aufschlussreich genug, Herr Kalinka. Die Mischung aus wohlfeilen Bekenntnissen, Unterstellungen und bestenfalls Halbwissen kennen wir schon.
Unter Punkt 1 Ihres Antrags fordern Sie, die Landesregierung möge von Verunsicherungen Abstand nehmen. Dazu will ich sagen: Das tun wir gern. Aber Sie müssten dann auch aufhören, diese Verunsicherungen zu schüren und zu verlängern.
Ich habe durchaus Verständnis für die Verbände und für die Betroffenen dafür, dass dieses Papier, von dem Sie immer als einem Entwurf sprechen, falsch eingeordnet werden musste, auch wenn „Skizze“ darüber steht. Diese Veröffentlichung im Internet, die nicht autorisiert war, die im Übrigen in einem völlig anderen Zusammenhang erfolgt ist, als Sie es darstellen - -
- Woher wissen Sie denn das? - Im Internet steht eine Unterlage. Deshalb wissen Sie doch noch nicht, welches Gewicht sie hat, von wem sie ist und wofür sie gemacht worden war.
Sie ist nicht von mir autorisiert, noch nicht einmal - - Unterstellung, Herr Kalinka. Ich habe keine Lust, mich mit Ihnen auf dieser Ebene zu unterhalten.
(Wolfgang Baasch [SPD]: Das kann man ihm hundertmal erklären! - Werner Kalinka [CDU]: Warum haben Sie sie nicht sofort zu- rückgezogen?)
- Lieber Herr Kalinka, auf dieser Ebene möchte ich mit Ihnen nicht diskutieren. Ich habe mich vor Ihnen nicht zu rechtfertigen, was ich wann wusste. Ich habe eine politische Verantwortung und die nehme ich war.
Ich habe Verständnis für die Verunsicherung. Diese Stichwortsammlung - mehr ist es nicht - ist in einem völlig anderen Zusammenhang für eine kommunale Arbeitsgruppe im Rahmen der Diskussion um das Quotale System - wenn Sie wissen, was das ist, Herr Kalinka - erarbeitet worden. Dieses Papier taugt jetzt nicht mehr, nicht einmal als Diskussionspapier. Deshalb ist es vom Tisch, und zwar nicht erst, seit Sie das Thema erkannt haben, sondern schon früher.