Protokoll der Sitzung vom 21.02.2003

Wie wäre es, wenn der Parlamentarische Abend nicht nur mit politischen Vorträgen, sondern auch mit Lesungen beginnen würde?

Aber dies nur am Rande. Ich weiß, dass der Kollege Greve Größeres vorhatte. Angesichts der Tatsache, dass wir uns hinsichtlich des Schleswig-Holstein MusikFestivals am Anfang auch oft gefragt haben, ob sich der damalige Nestor nicht ein wenig verhebt, möchte ich doch ein gewisses ernsthaftes Licht auf dieses Anliegen werfen.

(Thorsten Geißler [CDU]: Das ist schon einmal zu begrüßen!)

Es ist in der Tat schade, dass das Buch nur dann die Musik- und Kongresshalle oder das Rathaus oder ähnliche Säle in Lübeck füllt, wenn es von einem Günter Gras vorgelesen wird, aber nicht wenn irgendjemand ein Erstlingswerk vorstellt. Es gibt Literaturen und es gibt auch Länder, da ist das anders. Wir verweisen auch hier auf das berühmte Beispiel Finnland. Wir können aber eine solche Kultur nicht einfach implementieren, und schon gar nicht haben wir öffentliche Mittel dazu, um der Frankfurter Buchmesse Konkurrenz zu machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, Herr Greve, genau das ist das Bild, das Sie vor sich haben. Sie haben sozusagen den Rummel und den Weltruhm der Frankfurter Buchmesse vor Augen und sagen: Das verpflanzen wir jetzt nach Kiel, Lübeck, Schleswig oder Husum. Das ist aber wirklich nicht so leicht möglich, schon gar nicht angesichts unserer Finanzlage und erst recht nicht, wenn man dies unabhängig von Verlagen und Autoren plant. - So viel als ernsthafte Replik auf dieses Anliegen.

Wir lehnen uns aber nicht zurück und sagen: Den Rest erledigt die Ablehnungsmaschinerie von alleine.

Ich denke, es ist ein guter Zug, wenn wir den Antrag in den Bildungsausschuss überweisen. Vielleicht fällt uns ja gemeinsam ein, wie wir die bisherigen Aktivitäten, die ja durchaus finanziell gefährdet sind

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ulf von Hielmcrone [SPD])

- zum Beispiel die alljährlichen Literaturreihen, die für die städtischen Bibliotheken und auch für manche kleine Buchläden immer ein Rettungsanker sind und die jedes Jahr wieder neu auf dem Prüfstand stehen -, künftig besser miteinander vernetzen und vielleicht in ein gründlicheres und helleres Licht heben.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Denn es ist ja richtig: Kinder und Jugendliche gehen dahin, wo etwas los ist. Wenn das Buchlesen nur heimlich im stillen Kämmerlein erfolgen soll, dann ist es für viele kein Vorbild und nicht attraktiv. Da müssen wir uns wahrscheinlich etwas einfallen lassen. Es muss nicht der ganz große Rummel sein, aber es kann mehr sein, als bisher geschieht.

In diesem Sinne war dies eine etwas unliterarische Rede zu einem heiteren Thema mit ernstem Hintergrund.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es passiert nicht alle Tage, dass uns ein Antrag auf den Schreibtisch flattert, der so viel literarische Qualitäten, eine derartige epische Breite und Tiefe hat wie der vorliegende Antrag. Der hohe Anspruch des Autors wird dem Leser schon in den ersten Zeilen offenbar: Die Landesregierung soll prüfen, wie die personellen und finanziellen Voraussetzungen dafür geschaffen werden können, dass ein Literaturfestival in Schleswig-Holstein stattfinden kann, das in Schritten zu einem bedeutenden Literatur- und Buchereignis entwickelt werden könnte. Nicht nur ein Literaturfestival soll es sein und ein unbedeutendes schon gar nicht.

In den folgenden Kapiteln verdichtet sich die Erzählung zusehends. Die Hauptfiguren werden eingeführt

(Anke Spoorendonk)

und entfalten sich in einer Szenerie, die den Leser unbedingt in ihren Bann zieht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es ist förmlich zu greifen, von welch überwältigender Lust am Aufbau dieser virtuellen Festivalwelt der Verfasser ergriffen worden ist. Alle wesentlichen Gattungen der Weltliteratur werden wie Schachfiguren auf das imaginäre Brett gestellt: Roman, Novelle, Erzählung, Lyrik, Sachbuch, Biographie und Autobiographie, Reisen, Abenteuer, Verkehrs-, Schifffahrts- und Marineliteratur, Frauenliteratur, Kriminalroman, Science fiction, Sport- und Kinderliteratur.

(Günther Hildebrand [FDP]: Nur das Kochen fehlt!)

Der Leser wird mit dem Verfasser ergriffen von der Idee, das Spiel zu beginnen, das Schleswig-Holstein bis zum Jahr 2010 zum Großmeister machen soll.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Und wieder überlässt der Autor nichts zum Zufall. Selbst das Spielbrett hat er schon mit ungeheurer Kreativität und großer Suggestionskraft ausgemalt: Breit gestreut in vielen Groß-, Mittel- und Kleinstädten, aber auch auf geeigneten Herrensitzen unter Einbeziehung insbesondere von Hotel- und geeigneten Gaststättenunternehmen soll das Spektakel stattfinden.

An dieser Stelle entfalten sich die außerordentlichen erzählerischen Qualitäten des Autors in ihrer vollen Ausdruckskraft. Denn wie lapidar und unbedeutend wäre es doch gewesen, einfach „in ganz SchleswigHolstein“ zu schreiben, wie manch anderer Autorenkollege es in seiner Unbedarftheit getan hätte.

Zu den größten Qualitäten dieses Werks gehört aber, dass sich der Autor bei der Entfaltung seiner Vorstellungskraft nicht von irritierenden Details beirren lässt.

(Heiterkeit bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Tatsache, dass es schon erfolgreiche Literaturveranstaltungen in Schleswig-Holstein gibt, wird virtuos in die eigene Konzeption aufgenommen: Die bisherigen und vielfältigen Literaturaktivitäten in SchleswigHolstein blieben davon unberührt oder könnten sich freiwillig in das Literaturfestival eingliedern, schreibt der Verfasser und greift so jeder aufkeimenden Flucht des Lesers in die trostlose Wirklichkeit voraus.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Ein phantasieloser Scharlatan, wer da noch anmerkt, dass es nicht ausreicht, einen Heinz G. Konsalik in eine holsteinische Scheune zu bitten, oder gar, dass dieses nicht auch noch Aufgabe des Landes sein soll. Eine schnöde Erbsenzählerin, wer auf die ohnehin schon großen finanziellen Lasten hinweist, die das Musikfestival dem Lande beschert. Von solchen unbedeutenden Details lässt sich der Autor zum Glück nicht aus der Ruhe bringen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist auch gut so!)

So kulminiert die Erzählung in einer ebenso kühnen wie grandiosen Vision: Die Menschen werden zu Hunderttausenden in die Großstädte, Mittelstädte, Kleinstädte und Herrenhäuser strömen, um den Dichtern von nah und fern zu lauschen.

Dem Verfasser ist mit diesem Erstlingswerk ein Meilenstein in der Gattung der schleswig-holsteinischen Parlamentsbelletristik gelungen.

(Heiterkeit und lebhafter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb freuen wir uns auf die Besprechung in unserem nächsten literarischen Quartett unter Leitung des nordfriesischen Kulturpapstes.

(Lebhafter Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung hat Frau Abgeordnete Eisenberg das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Obwohl Kurzbeiträge um diese Zeit eigentlich verboten sind, hat es mich doch etwas hochgerissen.

Frau Spoorendonk, ich verstehe Ihre Bissigkeit überhaupt nicht.

(Anke Spoorendonk [SSW]: Das war Spaß!)

Herr von Hielmcrone, ich kann den ersten Teil Ihrer Rede, der in einer ironischen Art und Weise abgefasst war, schon verstehen. Ich habe mich amüsiert. Das war in Ordnung.

Meine Damen und Herren, ich halte es für nicht ganz gerechtfertigt, eine Idee, die sicherlich von unten her

(Sylvia Eisenberg)

reifen muss, hier in einer Art und Weise a) madig beziehungsweise lächerlich zu machen oder b) auch noch mit Bissigkeit zu versehen, nur weil sie – und da schließe ich mich etwas an – von der CDU stammt.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte Sie wirklich darum bitten – deswegen stimmen wir natürlich der Überweisung in den Ausschuss zu -, in aller Sachlichkeit – deswegen ist dieser Antrag ja auch ein Prüfantrag – zu prüfen, ob wir in Zukunft neben dem Schleswig-Holstein MusikFestival, das auch in aller Kleinheit angefangen und sich letztlich zu einem touristischen und wirtschaftspolitischen Magnet für Schleswig-Holstein im Sommer entwickelt hat, nicht auch für Literatur in diesem Rahmen Raum finden.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Ministerin Erdsiek-Rave.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will mich sachlich und kurz mit diesem Antrag auseinander setzen, obwohl man, Frau Eisenberg, wenn man diese Debatte von hier vorn beobachtet und die Gesichter Ihrer Fraktionskollegen betrachtet hat, teilweise schon den Eindruck gewinnen konnte, dass Sie die Sache selbst nicht ganz ernst nehmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU)