Nunmehr soll ohne eine breitere demokratische Debatte die Gewährung von Funktionszulagen in die Verfassung aufgenommen werden. Außerdem soll gegen den erklärten Willen aller drei im Landtag vertretenen kleinen Fraktionen beziehungsweise der Gruppe des SSW die Zahl der verfassungsmäßig festgelegten Abgeordneten von 75 auf 69 geändert werden. Dass das eine Umsetzung des Koalitionsvertrages ist, kann ich nicht feststellen. Das empfinden
Um auch diesen Einwand zu entkräften, Herr Astrup: Wir haben in unserer Partei beschlossen, 35 Wahlkreise zu fordern, weil nur durch die Zahl von 35 Wahlkreisen mit relativ großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass die in der Verfassung vorgegebene Zahl von 75 Mandaten überschritten wird. Um unserem großen Koalitionspartner entgegenzukommen, waren wir bereit, die Zahl der Wahlkreise auf 38 festzulegen, um auf diese Weise zu erreichen, dass die in der Verfassung festgelegte Zahl von 75 Abgeordneten nicht überschritten wird.
Aber der große Koalitionspartner hält es jetzt aus Gewissensgründen für demokratischer, das festzuschreiben, was ich eben beschrieben habe, und durch gleichzeitiges Unterlassen dafür zu sorgen, dass die in der Verfassung genannte Zahl vermutlich niemals eingehalten werden kann. Anders kann ich mir die Tatsache nicht erklären, dass Sie es versäumen, gleichzeitig mit der Verfassungsänderung eine Änderung des Wahlgesetzes auf den Weg zu bringen, obwohl darin nur zwei Zahlen geändert werden müssten. Ein solcher Gesetzentwurf könnte aus einem einzigen Satz bestehen. Sie gaukeln den Bürgerinnen und Bürgern eine Verkleinerung des Parlaments vor, um damit die Diätenerhöhung zu legitimieren.
Dabei wissen Sie genauso gut wie ich, dass in unserem Wahlsystem nicht die gesetzliche Zahl der Abgeordneten für die tatsächliche Größe des Parlaments entscheidend ist. Entscheidend dafür, wie viele Abgeordnete im Jahre 2005 tatsächlich hier Platz nehmen werden, ist vielmehr die Zahl der Wahlkreise oder, noch genauer gesagt, das rechnerische Verhältnis zwischen der Anzahl der Wahlkreismandate und der Anzahl der Gesamtmandate. Seit der 13. Wahlperiode beschäftigen sich der Innen- und Rechtsausschuss sowie der Wissenschaftliche Dienst des Landtages mit dieser Frage.
Ein Verhältnis von 45 Wahlkreismandaten zu 69 Gesamtmandaten ist absurd und wird in einem FünfParteien-System realistischerweise nicht zu verwirklichen sein.
Wir werden mit der von Ihnen heute eingebrachten Vorlage vermutlich nach der nächsten Landtagswahl wieder mit über 80 Abgeordneten in diesem Hause Platz nehmen.
Ebenso absurd ist es übrigens, dass nunmehr in der Verfassung eine Zahl von 69 Abgeordneten genannt wird, im Wahlgesetz aber nach wie vor von 75 Abgeordneten die Rede ist.
Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht sich aus diesen Gründen gegen die von Ihnen vorgelegte Verfassungsänderung aus.
Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Hinrichsen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte ist mit der Hoffnung verknüpft, dass in Zukunft nie wieder so viele Abgeordnete in diesem Raum sitzen wie jetzt. Landtagsabgeordnete kosten die Gesellschaft Geld. Gerade eben sind sie etwas teurer geworden. Deshalb kann ihre Zahl nicht unbegrenzt sein. Darin sind sich auch alle einig.
Wie viele Volksvertreterinnen und Volksvertreter andererseits notwendig sind, um eine ordentliche parlamentarische Arbeit in Schleswig-Holstein zu gewährleisten, darüber scheiden sich die Geister. Der Kollege Schlie sagte es schon: Wenn es nach dem Bund der Steuerzahler ginge, dann hätten wir uns den Glaskasten hier sparen können und würden locker in der neuen Cafeteria Platz finden können. Das geht nach unserer Ansicht aber eindeutig zu weit. Denn so wenig Abgeordnete könnten sich dann nicht ausreichend in die vielfältigen politischen Themen einarbeiten.
Im Landtag sind wir uns weitgehend einig, dass die in der Landesverfassung vorgesehene Zahl von 75 Mandaten das richtige Maß ist oder war. Diese Zahl wird aber nach jeder Wahl durch Überhang- und Ausgleichsmandate erheblich überschritten. Das hängt mit der Verteilung der Direktmandate zusammen und lässt sich nur dadurch verhindern, dass man die heutige Zahl von 45 Wahlkreisen erheblich reduziert.
Das Innenministerium hatte uns in Modellrechnungen aufgezeigt, dass die optimale Lösung die Reduktion auf höchstens 38 Wahlkreise ist. Nur so ließe sich zuverlässig sicherstellen, dass der Landtag den Refe
renzwert von 75 Abgeordneten nach der Landesverfassung nicht wesentlich überschreitet. Diesem Vorschlag haben sich FDP, Grüne und SSW angeschlossen. Wahlkreise werden aber in der Regel durch die Abgeordneten der großen Parteien gewonnen. Deshalb könnte man auch sagen, dass die beiden großen Fraktionen kein Interesse an einer deutlichen Reduzierung haben.
In der Wahlkreisfrage geht es SPD und CDU nicht um Demokratie, sondern um ihre Lokalfürstentümer. Das macht die jetzt vorliegende Verfassungsänderung deutlich.
Die Abgeordnetenzahl soll auf 69 gesenkt werden. Dafür soll die Zahl der Wahlkreise nur auf 40 reduziert werden. Dass dies aus der Sicht der Wahlkreisabgeordneten von SPD und CDU die beste Lösung ist, kann ich mir durchaus vorstellen. Im Sinne einer Landtagsverkleinerung ist das aber nicht. Denn die von CDU und SPD vorgeschlagene Regelung zur Parlamentsverkleinerung kann nicht halten, was sie verspricht. Die Zahl 69 würde voraussichtlich wieder überschritten werden, wenn man die Ergebnisse der letzten Wahlen bedenkt. Das gilt insbesondere dann, wenn mehr Parteien als CDU, SPD und SSW im Landtag vertreten sind. Das mag eine verlockende Perspektive für Sozialdemokraten und Unionschristen sein. Eine wirksame Verkleinerung des Landtags lässt sich damit aber eindeutig nicht erzielen:
Es ist für uns ausgesprochen schwierig, dass man hier nicht die übliche Wahlrechtsänderung machen, sondern lieber die Landesverfassung ändern will.
Ich muss in diesem Zusammenhang besonders bedauern, dass für uns - schon bei den letzten Änderungsvorschlägen zur Verfassungsänderung haben wir es gesagt - gerade die Verfassungsänderung mit einer Änderung auch dahin verbunden sein sollte, dass die Sinti und Roma in die Landesverfassung mit aufgenommen werden.
Darüber hinaus darf ich darauf hinweisen, dass in Ihrer eigenen Fraktion beziehungsweise sogar interfraktionell vereinbart war, dass gegebenenfalls noch weitere Änderungen aufgenommen werden. Das ist die besagte Änderung der Bezeichnung „Eingabenausschuss“ in „Petitionsausschuss“. Aber auch das ist hier wieder nicht vorhanden. Da frage ich mich wirklich langsam, warum die Dinge, die vorher vereinbart waren, nicht aufgegriffen worden sind. Man hat nur einen bestimmten Punkt aufgegriffen, der nur im Interesse dieser beiden genannten Fraktionen liegt. Das bedauere ich sehr.
hierzu einen Änderungseintrag einbringen. Im Innen- und Rechtsausschuss werden wir die weiteren Dinge sicher mit behandeln. Aber, wie gesagt, ich bedaure sehr, dass der Weg über die Verfassungsänderung gewählt wird. Er wäre nach unserer Ansicht nicht unbedingt notwendig.
Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Holger Astrup.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte drei Erläuterungen geben und Fragen beantworten, die hier aufgeworfen worden sind.
Ich komme zur ersten Erläuterung beziehungsweise Fragebeantwortung. Herr Kollege Kubicki oder irgendjemand anderes fragte, warum wir ausgerechnet auf das Verhältnis 40 : 29 gekommen seien. Die Erklärung ist sehr einfach. Wir bleiben bei diesem Zahlenverhältnis in etwa in dem alten Zahlenverhältnis zwischen Direkt- und Listenmandaten. Natürlich haben wir in Schleswig-Holstein keinerlei Veranlassung, nach über 50 Jahren gemeinsamer Landesgeschichte und gemeinsamer Wahlgeschichte, wenn ich es einmal so ausdrücken darf, von diesem Verhältnis abzuweichen.
Mit der Begründung hierfür komme ich zum zweiten Punkt. Der Vorschlag in der Drucksache 15/3837, wie ihn, verkürzt gesagt, die kleinen Parteien und kurzfristig auch die CDU präferiert haben, würde dazu führen, dass etwas geschieht, was wir als große Partei und Fraktion nicht wollen und auch nicht wollen können. Das würde nämlich Wahlergebnisse zugunsten der kleinen Parteien zurechtrücken. Ich sehe, Frau Kollege Hinrichsen, nicht die geringste Veranlassung, in Ihrem Sinne Wahlergebnisse zu verändern, bevor gewählt wird.
Deshalb habe ich vorhin schon einmal in einem anderen Zusammenhang gesagt: Ich wehre mich ein bisschen gegen den Eindruck, der hier manchmal erweckt wird, dass es das vornehmste Recht der Kleinen sei, hier ihre Rechte einzufordern und zu stärken, dass es aber verwerflich sei, wenn die Großen das Gleiche tun. Also bitte Vorsicht!
Die dritte Bemerkung betrifft die Funktionszulagen und deren Festschreibung in der Verfassung. Dies ist relativ einfach zu erklären. Wir, die beiden Großen, wollen jedwede Willkür zukünftiger Landtage an
dieser Stelle verhindern, indem wir eine möglichst hohe Hürde aufbauen, die nicht so leicht verändert werden kann, und zwar im Sinne dessen, was das Verfassungsgericht festgestellt hat.
Eine letzte Bemerkung! Ich würde mich als Sozialdemokrat gern hierher stellen und sagen: Die Ausnahme ist aus unserer Sicht positiv, aus der Unionssicht negativ. Die Ausnahmewahlergebnisse 1988, 1998 und 2000 würde ich gern auch in den Jahren 2005, 2010 und 2015 fortgesetzt sehen.
Aber ganz so vermessen sollte man doch nicht sein. Vielmehr sollte man, wie wir es in der Arbeitsgruppe getan haben, sinnvollerweise ein normales Wahlergebnis zugrunde legen, um eine verfassungsändernde Wirkung zu erzielen. Und das ist das Wahlergebnis 1996.
Ob uns als Sozialdemokraten das nun passt oder nicht, so ehrlich müssen wir in diesem Hause miteinander umgehen, um sagen zu können: Das ist in etwa die Realität. Ein bisschen mehr für die große eine oder ein bisschen mehr für die große andere, das sollte für die Zukunft gelten, es sei denn, es gibt wieder ein Ausnahmewahlergebnis. Aber das große Gefälle zwischen den beiden Großen wird es in einem Normalfall nicht geben. Deshalb legen wir das zugrunde.
Deshalb erwähne ich noch einmal, was Kollege Puls dazu eingangs gesagt hat, dass wir nämlich bei einem Wahlergebnis entsprechend 1996 in diesem Parlament 69 Abgeordnete hätten, wie von SPD und CDU gewünscht.
Herr Kollege Astrup, selbstverständlich habe ich nichts dagegen, was Sie ausgeführt haben. Nur finde ich es nach Ihrer weiteren Begründung falsch, dass die Anzahl von 69 Abgeordneten für Sie besser sei. Es kommt ganz entscheidend darauf an, wie viel Volksvertreter hier sitzen, die die Bevölkerung des gesamten Landes Schleswig-Holstein vertreten.
Wir würden gern auch die weitere Argumentation hören, warum Sie 69 statt 75 haben wollen, die Sie vorher als angemessen angesehen hatten. Dabei ist auch die steigende Bevölkerungszahl zu berücksichtigen. Ihr Argument erschien mir daher nicht klar.
Zweitens weise ich darauf hin, dass die Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen großen und kleinen Parteien eher durch das d’hondtsche Wahlsystem unterstützt wird, wonach die Verteilung der Sitze geschieht. Deshalb haben auch Sie selber einmal gegen einen Antrag gestimmt, mit dem wir eine Änderung zu unseren Gunsten durchsetzen wollten, nämlich auf der Grundlage des Systems Hare/Niemeyer. Es kam dann aber, wie gesagt, zu der Entscheidung nach d’Hondt.