Protokoll der Sitzung vom 02.04.2003

ist das Vorziehen des Diätenteils aus der Reform schwer vermittelbar.“

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich schließe mich dieser Aussage ausdrücklich an.

Wir haben hier im Parlament oft über unsere unterschiedlichen Auffassungen zu dieser Reform gestritten. Wir kennen sie inzwischen. Dennoch ist es notwendig zu wiederholen, was Ausgangslage war.

Wir als Grüne haben seit 1999, seitdem wir im Landtag sind, gesagt: Die Form der Zulagen, die es hier im Parlament gibt, ist nicht in Ordnung, weil sie zu Karriereleitern innerhalb der Fraktionen führen.

(Zurufe von der CDU)

- Ich habe mit diesen Zwischenrufen und Vorwürfen von Ihnen gerechnet. Das liegt daran, dass Sie zum Teil ein schlechtes Gewissen haben. Insofern kann ich mit Ihren Vorwürfen ganz ruhig umgehen.

(Zuruf der Abgeordneten Herlich Marie Tod- sen-Reese [CDU])

Sie wissen, dass Sie diese Beschlüsse ab morgen in Ihrem Wahlkreis vertreten müssen.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Frau Heinold, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ehlers?

Die Zulagen, die es bisher gegeben hat, haben nicht die Grünen erfunden, sondern die hat dieses Parlament beschlossen, bevor wir im Landtag waren.

(Zurufe von der CDU)

Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir die Zulagen in dieser Form für nicht angemessen halten. Deshalb haben wir diesem Teil der Erhöhung im Rahmen von Diätenreformen immer nicht zugestimmt.

(Zurufe von CDU und SPD)

Wir sind sehr froh, dass uns das Verfassungsgericht hier bestätigt hat. Das Verfassungsgericht hat unsere Linie bestätigt, auch wenn Sie das nicht wollten. Deshalb haben wir mit dafür gestimmt, dass es eine Kommission gibt, die aufgrund dieses Urteils einen neuen Rahmen steckt. Wir haben 2002 gesagt: Ja, wir wollen eine Reform. Wir halten eine Abschaffung der

Zulagen und eine Erhöhung der Grunddiät für notwendig. Wir wollen zeitgleich eine eigene Altersversorgung für die Abgeordneten und, um das Ganze zu vermitteln, wollen wir mit In-Kraft-Treten der Diätenreform auch ein geändertes Wahlgesetz.

Die Diskussion 2002 war aber so, dass CDU und SPD keine eigenständige Altersversorgung wollten. Im letzten Jahr haben Sie dazu noch keine Bereitschaft gezeigt; die jetzige Diskussion hat glücklicherweise ergeben, dass wir nun alle so weit sind. CDU und SPD haben im letzten Jahre keine Änderung des Wahlgesetzes gewollt. Das muss man in diesem Zusammenhang auch sagen. Auch da haben Sie sich scheinbar bewegt. Ob es tatsächlich so ist, weiß ich nicht. Ein erster Entwurf des Wahlgesetzes liegt uns nicht vor, obwohl wir dem Abgeordnetengesetz heute in zweiter Lesung zustimmen sollen.

Deshalb werbe ich dafür, heute nicht abzustimmen, das Gesetz in den Innen- und Rechtsausschuss unter Mitberatung des Finanzausschusses zurückzugeben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich bin der Meinung, dass dieses Parlament gerade über Finanzen erst dann abstimmen darf, wenn die Grundlage geklärt ist, wenn die Deckung geklärt ist. Zum anderen werbe ich noch einmal dafür, die Diätenerhöhung nicht vorzuziehen, sondern über Diätenerhöhung, eigenständige Altersversorgung der Abgeordneten und Wahlkreisreform zur gleichen Zeit abzustimmen und all dieses dann auch zeitgleich in Kraft zu setzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Klaus-Dieter Müller [SPD]: Ein scheinheili- ger Beitrag!)

Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt seiner Sprecherin, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Kayenburg sprach vorhin ein Bild an. Er sagte, dieser Plenarsaal lade zu neuer Transparenz ein. Ganz sicher ist, dass er zu neuen Bildern einlädt. Mir fällt auf jeden Fall ein anderes Bild ein. Ich könnte sagen: Kaum sitzen wir hier im neuen Plenarsaal und schon werfen wir mit Kies um uns.

(Unruhe)

(Anke Spoorendonk)

Ich gehe jede Wette ein, dass wir so oft zu hören bekommen werden, wir säßen im neuen Plenarsaal nun wirklich im Glashaus, dass uns dies noch zum Halse heraushängen wird.

(Zurufe bei der CDU)

Mit Ihrem Entwurf für ein neues Abgeordnetengesetz sorgen SPD und CDU dafür, dass dieses Glas noch dünner wird. Was heute in Sachen Diäten beschlossen, durchgepaukt werden soll, lässt sich angesichts der aktuellen Situation der öffentlichen Haushalte niemandem vermitteln. Dass es der Diätenkoalition anscheinend in letzter Minute gelang, eine Haushaltssperre zu verhindern, macht das Problem umso deutlicher.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darf man den Presseberichten Glauben schenken, dann wollte die Landesregierung vorsorglich eine Haushaltssperre einrichten,

(Klaus Schlie [CDU]: Hat sie schon!)

weil die SPD/CDU-Diätenregelung anders nicht zu finanzieren ist. Zu Recht fragen sich also die Menschen im Lande, ob wir noch ganz bei Trost sind. Im Grunde sitzen wir nämlich in Sachen Diätenreform nicht einmal mehr im Glashaus, sondern in jeder Beziehung vor einem großen Scherbenhaufen. Das gilt sowohl für das parlamentarische Verfahren als auch für die Arbeit mit den Empfehlungen der Diätenkommission und für die öffentliche Wahrnehmung des ohnehin hoch sensiblen Themas Diäten. Wir sind uns in diesem Hause bisher einig darüber gewesen: Nur größtmögliche Transparenz schafft das Verständnis dafür, dass Parlamente über ihre eigenen Bezüge entscheiden müssen. Doch der Gesetzentwurf, um den es heute geht, ist nicht im öffentlichen politischen Raum entstanden. Die großen Fraktionen haben sich in ihrem Kämmerlein verständigt. Sie haben dem Innen- und Rechtsausschuss eine Tischvorlage präsentiert, über die sofort abgestimmt werden sollte. Die nicht eingeweihten Ausschussmitglieder hatten gerade einmal 15 Minuten, um über einen komplizierten Gesetzentwurf zu entscheiden, der die Praxis von Jahrzehnten grundlegend reformieren soll. Keiner soll mir weiß machen, dass alle Mitglieder des Innen- und Rechtsausschusses alle Einzelheiten der Vorlage verstanden und durchschaut haben.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nicht nur das Verfahren ist höchst verwerflich. Das gilt auch für die Inhalte der Diätenreform. Der SSW lehnt den Gesetzentwurf von SPD und CDU ab. Zu

sammen mit FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatten wir im Dezember letzten Jahres, sozusagen bei der ersten Lesung dieser Initiative, gefordert, dass die Diätenreform erst 2005 umgesetzt werden darf, damit die Vor- und Nachteile der Neuordnung gleichzeitig in Kraft treten. Nur so gibt es eine ausgewogene, vertretbare Reform.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, dass für 2003 nur eine Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung um 2,2 % vertretbar ist.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ging aus unserem Antrag damals schon hervor. Diese Erhöhung wäre angemessen gewesen. Wir haben kein Verständnis dafür, dass die Bemessungsgrundlage für die Altersversorgung von 3.900 € auf 4.900 € erhöht wird. Mit welcher Begründung dies geschehen soll, geht nicht aus der Vorlage hervor. Auch ist nicht hinnehmbar, dass die um 45 % erhöhte Grunddiät zusätzlich mit einer Aufwandspauschale angereichert werden soll. Die unabhängige Diätenkommission hat vorgeschlagen, dass die Aufwandspauschale mit der Grunddiät zusammengelegt wird und dass die Abgeordneten dann mandatsbedingte Werbungskosten steuerlich geltend machen können. Dies ist aber keine gute Lösung, weil ein Finanzbeamter den Abgeordneten nicht vorschreiben kann, was mandatsbedingt ist und was nicht. Deshalb steht der SSW wie die anderen Fraktionen nach wie vor zur pauschalierten Aufwandsentschädigung.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und FDP)

Wenn man aber auf die Werbungskostenlösung der Diätenkommission verzichtet, dann ist die logische Schlussfolgerung, dass die von der Diätenkommission vorgeschlagene Grundentschädigung um die Höhe der Aufwandsentschädigung gekürzt werden muss. SPD und CDU berufen sich aber immer wieder auf die von der Benda-Kommission vorgeschlagene Grunddiät und wollen zusätzlich noch eine Aufwandspauschale kassieren. Das geht nicht, und es ist auch unredlich, wenn die Diätenkoalition auch noch behauptet, dass ihre Vorschläge letztlich aus dem Bericht der Diätenkommission abgeleitet werden können.

Eine letzte Bemerkung. Als der Landtagspräsident letztes Jahr pflichtgemäß seinen Bericht über die Angemessenheit der Abgeordnetenentschädigung vorlegte, wurde die dazugehörende formelle Ände

(Anke Spoorendonk)

rung des Abgeordnetengesetzes parteiübergreifend eingebracht. Das ist immer guter parlamentarischer Brauch gewesen. Rückblickend betrachtet - das sage ich jetzt auch selbstkritisch - war es ein Fehler, dass der SSW nicht wie die FDP seine Unterschrift unter diesem Papier zurückgezogen hat.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das hat uns ge- wundert!)

- Das ist klar. Aber ich kann nicht immer über sieben Ecken denken, so wie du, lieber Kollege Kubicki.

(Heiterkeit und Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das hätte zumindest nach außen hin deutlich gemacht, dass sich die Fraktionen von ihrer parteiübergreifenden Verantwortung in Sachen Diäten verabschiedet haben. Auch wenn noch „SSW“ drauf steht, ist bestimmt kein bisschen SSW-Politik mehr drin. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.