Protokoll der Sitzung vom 03.04.2003

Ab und zu ist es gut, in die Vergangenheit zu schauen und wieder einmal die Statistiken zu lesen. Der Landesrechnungshof hatte bereits 1999 festgestellt, dass die Unterrichtsversorgung in Schleswig-Holstein weit unter dem Durchschnitt der Bundesländer liegt und dass diese schon miserable Unterrichtsversorgung nur gehalten werden kann, wenn bis zum Schuljahr 2004/05 1.500 Vollzeitlehrereinheiten den Bedarf decken, bei gleichzeitiger Wiederbesetzung aller Pensionierungsstellen. Wollte Schleswig-Holstein tatsächlich besser werden und ungefähr den Durchschnitt der Bundesländer erreichen, hätten wir bis zum Jahre 2005 2.250 zusätzliche Stellen benötigt. Die erhöhte Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte einschließlich der Vorgriffsstunde wurde bei diesen Berechnungen des Landesrechnungshofs bereits berücksichtigt.

Meine Damen und Herren, die Lehrerbedarfsprognose des Landesrechnungshofs von 2001 bestätigt diese Berechnungen im Wesentlichen. Das kann nur heißen, dass Schleswig-Holstein im Vergleich zu 1999 noch weiter abgefallen ist. Uns fehlen - vielleicht sollten Sie auch in dieser Hinsicht einmal Einsicht zeigen - bis zum Jahre 2005 eigentlich noch einmal 500 zusätzliche Stellen, um die jetzige schlechte Unterrichtsversorgung von durchschnittlich 93 % aufrecht zu erhalten, und zwar selbst dann, wenn die

Landesregierung für die nächsten beiden Haushaltsjahre jeweils 200 Stellen einstellt, was ja jetzt bekräftigt wurde. Damit, meine Damen und Herren, sind wir noch nicht bei einer 100-prozentigen Unterrichtsversorgung angelangt und erst recht erreichen wir nicht den Durchschnitt der Länder. Erkenntnis und Einsicht sind der erste Weg zur Besserung. Aber davon ist, was die Unterrichtsversorgung betrifft, bei dieser Landesregierung noch nichts zu spüren.

Noch ein Wort zu den Grundschulen. Faktum ist, dass der von den Lehrkräften pro Schüler erteilte Unterricht laut Bericht der Landesregierung zur Unterrichtsversorgung von 2001 im Zeitraum von 1991 bis 2001 zwar um 0,01 Stunden pro Schüler gestiegen ist - Leistung! -, aber 1991 lagen wir noch mit 0,02 Stunden über dem Durchschnitt der Bundesländer. Jetzt haben uns die anderen überholt und liegen mit durchschnittlich 1,2 Stunden pro Schüler vor uns. Auch das ist kein Ruhmesblatt für diese Landesregierung.

Der tatsächlich im Rahmen der Stundentafeln durch Lehrkräfte erteilte Unterricht beläuft sich bei den Grundschulen auf 90,7 % bei den Hauptschulen auf 87,9 %. Der Rest des für alle notwendigen Unterrichts wird auf Fördermaßnahmen verteilt, die nicht allen zugute kommen. Darüber, dass Fördermaßnahmen notwendig sind, besteht Einigkeit. Die Diskussion über den letzten Tagesordnungspunkt hat dies gezeigt. Die Anzahl der planmäßig zu gebenden Stunden für alle Schüler darf aber unter den Fördermaßnahmen für wenige nicht leiden. Deshalb fordere ich Sie auf, den planmäßigen Unterricht zunächst für die Grundschulen - ich bin ja vorsichtig - zu 100 % abzudecken und die notwendigen Fördermaßnahmen weiterhin bestehen zu lassen.

Meine Damen und Herren, die Kinder in SchleswigHolstein dürfen nicht länger hinter den Kindern anderer Bundesländer herhinken und müssen die Chancen auf Unterricht bekommen, die ihre kleinen Kolleginnen und Kollegen im Bundesdurchschnitt haben. - Dabei rede ich gar nicht von Bayern, sondern vom Bundesdurchschnitt. - Sonst werden wir ewig hinterherhinken und noch schlechter werden.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Das können wir uns und das können Sie sich nicht mehr leisten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich bitte um den Schlusssatz.

Die CDU wird dieses leidige Thema so lange behandeln, bis sich auch in dieser Hinsicht bei Ihnen die Erkenntnis durchsetzt, dass wir hier nachbessern müssen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die Fraktion der SPD erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann die Nöte der Opposition durchaus nachvollziehen. Da wird etwas gemacht, was sogar sie als positiv beurteilt, aber dann kommt natürlich das Argument: Das ist alles schön und gut, aber. Und dann, Frau Kollegin; kommt die ganze Gebetsmühle, die wir in zig Diskussionsveranstaltungen immer wieder hören, wie wir sie auch jetzt wieder gehört haben.

(Zuruf der Abgeordneten Sylvia Eisenberg [CDU])

Ich weiß, dass es problematisch ist, wenn die Regierung oder die Regierungsfraktion einen Vorstoß gewagt hat, der wirklich nach vorn geht.

Meine Damen und Herren, eigentlich waren sich alle Fraktionen im hohen Hause einig: Der Grundschule muss unsere besondere Fürsorge und Vorsorge gelten. Sie darf nicht mehr wie in der Vergangenheit diejenige Schulart sein, die wir durch das Land, aber auch durch die kommunalen Schulträger mit der geringsten Finanzausstattung von allen Schularten versehen. - Das ist zu CDU-Zeiten nie anders gewesen. - Eine über viele Jahrzehnte gepflegte Tradition der Vorrangigkeit der gymnasialen Schulbildung, insbesondere die hohe finanzielle und personelle Ausstattung der Sekundarstufe II, müssen wir, denke ich, kritisch überdenken.

Meine Damen und Herren, die Regierungskoalition hat mit Beginn der 15. Wahlperiode die Zusage gemacht, die Unterrichtssituation an den Schulen unseres Landes bis zum Schuljahr 2005/06 um 1.000 Lehrerstellen zu verbessern. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, trotz der Unkenrufe, die wir immer wieder hören, werden Sie zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir diese Zielsetzung zuverlässig umsetzen werden.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die SPD-Landtagsfraktion begrüßt daher die Vorschläge der Landesregierung zum Programm „Gegen den Unterrichtsausfall an den Grundschulen“. Genauso begrüßen wir die von der Bildungsministerin vorgelegte neue Regelung zur Umsetzung der verlässlichen Grundschule.

Es hat im Rahmen der Anhörung zum Erlassentwurf aufgeregte Diskussionen im betroffenen Hamburger Rand gegeben oder in den künftig betroffenen Grundschulen in Lübeck und an anderer Stelle. Ich denke, dass alle offenen Fragen der flexiblen Einbindung der bisherigen Betreuungsangebote zufrieden stellend gelöst worden sind. Insbesondere begrüßen wir die Tatsache, dass das Angebot „Geld statt Stellen“ für alle Schulen gilt, die Betreuung und Verlässlichkeit verbinden wollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir alle wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass dies zu finanzieren ist und zu Einsparungen in anderen Haushaltsbereichen führen muss. Ich darf Sie, lieber Kollege Dr. Klug, daran erinnern, dass Sie an vielen Orten, an denen wir gemeinsam diskutiert haben,

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

aber auch hier an dieser Stelle sinngemäß ausgeführt haben: Der Landeshaushalt ist so groß, da sind Möglichkeiten des Umschichtens auf den Bildungsbereich an vielen Stellen gegeben. - Das haben Sie mehrfach gesagt.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich!)

Ich hoffe, Sie stehen dann auch im Rahmen der Haushaltsberatungen, wenn wir über Einsparungen an anderen Stellen diskutieren müssen, zu dieser Aussage.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, unserem Änderungsantrag Drucksache 15/2594 zuzustimmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug.

(Zuruf von der SPD: Kurz und klug!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben ja schon im letzten Jahr im August einen Antrag gestellt, in dem es unter anderem hieß:

„Der Schleswig-Holsteinische Landtag fordert die Landesregierung auf, bei der Umsetzung ihres Zieles, verlässliche Grundschulzeiten zu garantieren, für die Grundschulen in Schleswig-Holstein wieder verbindliche Stundentafeln einzuführen.“

In der Debatte über diesen Antrag habe ich dann auf folgende Begründungen verwiesen: Erstens. Bei Festlegung verbindlicher Standards und Bildungsziele - darauf haben sich ja nach PISA alle geeinigt; darauf wird ja auch kräftig hingewirkt - muss auch eine dementsprechende Unterrichtsgarantie eingeführt werden.

Zweitens. Unser Land gewährleistet bislang nur ein Unterrichtspensum am unteren Rand des bundesweiten Vergleichsmaßstabes.

Drittens. Gerade auch bei der Einführung der verlässlichen Grundschule ist darauf zu achten, dass an den Schulen keine schleichende Verdrängung des Unterrichts durch eine bloße Betreuung stattfindet. - Das ist auch ein ganz wichtiger Punkt.

(Martin Kayenburg [CDU]: So ist das!)

Abgesehen davon, dass alle drei Begründungen heute so zutreffen wie damals, hat ja gerade die Diskussion der letzten Wochen über das Konzept der Landesregierung in Sachen verlässliche Grundschule gezeigt, wie richtig unsere Forderungen gewesen sind. Insoweit ist natürlich auch klar, dass die FDP-Fraktion dem Antrag der Union in vollem Umfang zustimmt; denn er entspricht dem, was auch wir in den hier genannten Punkten immer gesagt haben.

(Beifall bei der FDP)

SPD und Grüne haben dagegen unseren Antrag zu den verbindlichen Stundentafeln erst Ende vergangenen Jahres abgelehnt. Nun heißt es allerdings kurz nach der Kommunalwahl in dem Pressezettel, der nach der Kabinettsklausur der Landesregierung am 25. März veröffentlicht wurde, auf Seite 2 oben: „Projekt Unterrichtsgarantie in der Grundschule.“

Siehe da, die Regierung Simonis sagt: Wir haben gelernt. - Sie tut jedenfalls so. Ich freue mich, dass sie - dazu verweise ich auf die vorausgegangene Debatte zu den Lernplänen - gleichwohl weiterhin wie bisher ihre politischen Fehler in der Bildungspolitik mit aller Pracht und Schönheit fortsetzt. Deshalb bin ich auch ganz sicher, dass sich an der schwindenden

Zustimmung zu Ihrer Politik gerade im Bildungsbereich auch in nächster Zeit, Frau Erdsiek-Rave, nichts ändern wird.

(Beifall bei der FDP und vereinzelter Beifall bei der CDU)

Es ist nur schade, dass die Schülerinnen und Schüler in diesem Land auch unter dieser verfehlten Bildungspolitik zu leiden haben. Aber es wäre ja schon ein gewisser Fortschritt, Herr Kollege Höppner, wenn es denn tatsächlich dazu käme, dass Sie die Mittel für Stundengeber, die Mittel für Aushilfs- und Vertretungskräfte, die zur Verminderung des Unterrichtsausfalls bereitgestellt werden, sukzessive - wie Sie es angekündigt haben - erkennbar erhöhen würden. Das sind übrigens Anträge, die wir in den vorausgegangenen Jahren auch schon mehrfach als FDP-Fraktion - Stichwort Verdoppelung der Stundengebermittel - gestellt haben. Ich kann Ihnen die Anträge aus den zurückliegenden Haushaltsberatungen gern noch einmal nachliefern.

Es ist damals vonseiten der Sozialdemokraten und der Grünen immer gesagt worden, es sei leider nicht möglich, mehr Geld bereitzustellen. So sensationell ändert sich jetzt die Situation nach dem 2. März! Warum ist es jetzt möglich? - Das haben Sie uns nicht erklärt.

(Zurufe)

- Na ja, die Diätenerhöhung führt natürlich dazu, dass dann vielleicht auch ein bisschen mehr Geld für anderes übrig ist. Vielleicht kann der Kollege Neugebauer das ja noch irgendwie so zusammenrechnen.

Sie merken, dass meine Stimmbänder schon dabei sind zu zerspringen, wenn ich mir anschaue, was Sie hier zustande bringen. Aber wenn die Schulen davon dann tatsächlich vom nächsten Schuljahr an profitieren werden, wäre das sicherlich auch die Sache wert und dann wäre es ja immerhin gut. Gleichwohl, ich bin gespannt auf Ihre konkreten Initiativen und Anträge zu diesem Thema.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält Frau Abgeordnete Angelika Birk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir halten also einmal fest: Wir sind uns einig, wir finden es Klasse, dass endlich mehr Geld da ist, um die Unterrichtsversorgung auch im langfristigen Krank