Protokoll der Sitzung vom 04.04.2003

Gegen den Standort Flensburg wird von der Machbarkeitsstudie des Wirtschaftsministeriums vor allem die fehlende Nähe zu den Besucherströmen angeführt. Dabei wird aber verkannt, dass die grenzüberschreitenden Potenziale bei weitem noch nicht erschlossen sind. Letztlich kann die Maximierung der Besucherzahl aber auch nicht das ausschlaggebende Kriterium sein. Ansonsten müssten alle Einrichtungen in Kiel oder an der A 7 bei Hamburg liegen.

Auch das Argument, dass wenig große Technologieunternehmen in Flensburg ansässig sind, kann nicht gelten; denn ein Science Center, das die gesamte technologische Palette des Landes darstellen soll, braucht unter allen Umständen überregionale Unterstützung, egal, wo es liegt.

Jenseits aller Standortvorteile und -nachteile gibt es aber ein entscheidendes Argument: Die Phänomenta gibt es schon. Auf Dauer werden aber keine zwei Science Center in Schleswig-Holstein überleben und sich attraktiv weiterentwickeln können. Dafür reichen die Besucherzahlen nicht aus.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD sowie Beifall des Abgeordneten Claus Ehlers [CDU])

Ein Gutachten des Pestel-Instituts aus Hannover kommt zu dem Ergebnis, dass ein neues Center in Kiel oder Lübeck für die Phänomenta zu großen wirtschaftlichen Einbußen führen würde. Die Einrichtung verlöre den Löwenanteil ihrer Besucher, weil das Publikum aus dem Süden dann nicht mehr den Weg nach Flensburg findet. Die bisher kostendeckend arbeitende Phänomenta wäre in ihrer Existenz gefährdet.

Deshalb können wir kein Science Center - ich sage einmal - in jeder Ecke des Landes gebrauchen. Die Regierung plant auf der grünen Wiese, als wäre die Phänomenta nicht vorhanden. Schleswig-Holstein hat aber schon eine gut laufende Einrichtung, die die volle Unterstützung des Landtages und der Landesregierung verdient. Es ist nicht zu verstehen, dass in

(Anke Spoorendonk)

Kiel oder Lübeck ein neues Science Center mit Regionalfondsmitteln errichtet werden soll, weil dadurch einer anderen, ursprünglich auch mit Fördergeldern gestarteten Einrichtung das Wasser abgegraben wird. Deshalb muss deutlich gemacht werden: Wir wollen keinen kannibalistischen Wettbewerb von Science Centern in Schleswig-Holstein. Wir dürfen uns nicht nur auf das konzentrieren, was machbar ist, sondern müssen dabei auch berücksichtigen, was sinnvoll ist.

Ich habe verstanden, dass der Antrag in den Ausschüssen beraten werden soll, weil die CDU dankenswerterweise bereits einen entsprechenden Antrag vorgelegt hat. Damit bin ich einverstanden. Ich hoffe auf eine gute und konstruktive Beratung unseres Antrages im Bildungsausschuss und im Wirtschaftsausschuss.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Auf der Tribüne begrüße ich den Vorsitzenden des Trägervereins der Phänomenta, Herrn Dr. Michael Kiupel.

(Beifall)

Das Wort erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Schümann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Errichtung eines Science Centers soll Schleswig-Holsteins wissenschaftlich-technologische Leistungsfähigkeit weit über die Landesgrenzen sichtbar gemacht werden. Es soll das entsprechende Potenzial schleswig-holsteinischer Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Unternehmen für Besucher, insbesondere für jugendliche Besucher aus dem In- und Ausland, anschaulich und erlebbar dargestellt werden.

Nach Auffassung des Wirtschaftsministeriums sollte ein Science Center im Sinne eines wissenschaftlichen Erlebnisparks an die vorhandenen regionalen Kompetenzen anknüpfen sowie die Leistungsfähigkeit und das Technologiepotenzial schleswigholsteinischer Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Unternehmen für breite Bevölkerungskreise und Touristen verständlich darstellen und erlebbar vermitteln. Es soll die Besucher intellektuell und emotional ansprechen, überzeugende Inszenierungen und ein hohes Maß an Interaktivität bieten sowie von zukunftsweisenden didaktischen Ansätzen geprägt sein. Soweit zur Zielsetzung und zur Theorie.

Die Phänomenta in Flensburg und auch das Multimar Wattforum in Tönning bestätigen, dass solche neuen wissenschaftlichen Ausstellungsformen mit interaktiven Elementen sehr erfolgreich sein können.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und des Abgeordneten Friedrich- Carl Wodarz [SPD])

Insofern ist nachvollziehbar, dass in einem Science Center die zukunftsorientierten neuen Technologien in unserem Land dargestellt werden. Zugleich könnte damit auch eine neue Attraktion für Touristen geschaffen werden.

Die Potenzialanalyse des Wirtschaftsministers liegt vor. Sie enthält neben grundsätzlichen positiven konzeptionellen Ergebnissen auch Angaben zu möglichen Standorten. Meine Fraktion ist der Auffassung, dass vor der Festlegung auf bestimmte Standorte zunächst grundsätzliche Entscheidungen über das Konzept und die Realisierung eines solchen Science Centers zu treffen sind.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei sind insbesondere die finanziellen Möglichkeiten zu berücksichtigen. Wir sind der Meinung, dass in diesem Zusammenhang auch geprüft werden muss, inwieweit die Phänomenta und das Multimar Wattforum in einem Gesamtkonzept zu berücksichtigen sind. In der Zielrichtung liegen unsere Positionen hier sicherlich dicht beieinander.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es macht keine Sinn, konkurrierende Angebote mit öffentlichen Mitteln zu fördern und zu finanzieren, die dann letztlich alle nicht überleben können.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und vereinzelt bei der CDU)

Frau Kollegin Spoorendonk, es sollte auch mit Landtagsanträgen kein Präjudiz für bestimmte Standorte gegeben werden.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Fraktion hält die Formulierung in Ihrem Antrag sowohl im ersten als auch im zweiten Absatz für nicht akzeptabel. Wir haben lange überlegt, ob wir diesen Antrag deshalb ablehnen sollten.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

(Jutta Schümann)

Wir sind aber an einer weiteren intensiven Diskussion interessiert und deshalb mit einer Überweisung an den Bildungs- und an den Wirtschaftsausschuss einverstanden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Frau Abgeordnete Schmitz-Hübsch hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für die Zukunft der Phänomenta in Flensburg kämpfen viele gesellschaftliche und politische Gruppen im Landesteil Schleswig. Die einen setzen auf die Kraft der parlamentarischen Gremien und zwingen den Wirtschaftsminister nicht nur zu einem Bericht im Wirtschaftsausschuss, sondern nötigen ihm sogar die Zusage ab, dass die miteinander konkurrierenden Standorte ihre Projekte nach der Sommerpause im Bildungs- und im Wirtschaftsausschuss vorstellen können. Diese Abgeordneten haben damit deutlich gemacht, dass sie das Regierungshandeln kontrollieren wollen.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die Aufgabe des Parla- ments!)

- Das ist genau die Aufgabe des Parlaments. Andere Abgeordnete ziehen das Thema sogar in den Landtag. Das ist ein etwas unübliches Verfahren, solange ein Thema noch in den Ausschüssen beraten wird. Egal, es ist nicht an der Zeit, Stilfragen zu diskutieren, sondern es ist an der Zeit, bedrohliche Entwicklungen für den Landesteil Schleswig rechtzeitig zu erkennen,

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

sie beim Namen zu nennen und gegenzusteuern.

(Beifall bei der CDU)

Was ist bloß los in Schleswig-Holstein? Da gibt es seit einigen Jahren die Phänomenta in Flensburg, aufgebaut mit viel Phantasie von Wissenschaftlern der Universität Flensburg, mit gelegentlichen Hilfen der öffentlichen Hand und der Technologiestiftung und mit viel privatem Engagement aus der Region. Die Phänomenta weist stabile Besucherzahlen auf und sie erwirtschaftet ihre Betreiberkosten selbst. Auf die Phänomenta können wir stolz sein.

(Beifall bei CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jeder Abgeordnete hätte einmal dahin gehen müssen. Die Phänomenta ist einzigartig in Schleswig-Holstein und sie kostet uns nichts. Deshalb nehmen wir sie anscheinend nicht zur Kenntnis.

(Beifall bei CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur in Kiel wird diese Leistung leider nicht wahrgenommen. Sieht man von dem Gemäkel über die angeblich fehlende wissenschaftliche Untermauerung der Phänomenta ab - Pädagogik ist übrigens auch eine Wissenschaft -, dann hat die Phänomenta nämlich einen wesentlichen „Fehler“der leider unverrückbar ist. Sie befindet sich nicht in Kiel. Wäre die Phänomenta in Kiel ersonnen und gestaltet worden, so gäbe es natürlich nur einen Sitz für das zukünftige Life Science Center, nämlich Kiel. Vorbild für die Überlegungen der Landesregierung ist das Universum in Bremen. Angeblich ist dort die gestalterische Hand der Universität an allen Ecken und Enden spürbar. Kundige Besucher berichten jedoch, dass sich dem normalen Betrachter die Nähe zur Universität nicht ohne weiteres erschließt. Das Science Center Universum in Bremen sei kein Schaufenster der Universität.

Der Wirtschaftsminister hat im Ausschuss gesagt, das Besucherpotenzial Schleswig-Holsteins für ein Science Center müsse ausgeschöpft werden. Bei einem Zirkelschlag um Lübeck und Kiel durch die Gutachter fiel im Vergleich das Marktpotenzial für Flensburg eindeutig mager aus. Das ist kein Wunder, denn bei Lübeck und Kiel wurde in beiden Fällen das große Bevölkerungspotenzial der Metropolregion Hamburg mit erfasst. Dieser Nachteil könnte aber wettgemacht werden, wenn der Phänomenta in Flensburg die gleichen Ausbaumittel für ein Science Center zur Verfügung gestellt würden, wie sie für das zukünftige Zentrum geplant sind. Der Wirtschaftsminister will 20 Millionen € in die Hand nehmen. Das ist schon etwas in diesen Zeiten. Damit könnten Erlebniswelten auf und unter dem Wasser angeboten werden. Die Nähe zur richtigen Werft und zur Museumswerft gleich um die Ecke kann mitverkauft werden. Vorstellungen für solche Erweiterungen liegen vor und werden sicher im Sommer vorgestellt werden. Die geplante Zusammenarbeit mit dem Danfoss Universe in Nordborg bietet eine weitere Perspektive. Darauf ist Frau Spoorendonk schon eingegangen.

Aus einem Gutachten des Pestel-Instituts in Hannover geht hervor, dass ein zusätzliches Science Center in Kiel die Phänomenta in Flensburg existenziell bedroht. Die jährlichen Besucherzahlen werden nach Schätzungen des Instituts von jetzt 75.000 auf etwa 17.000 sinken. Damit würde der zurzeit kostendeckend arbeitenden Phänomenta die wirtschaftliche

(Brita Schmitz-Hübsch)

Grundlage entzogen. Die Phänomenta in Flensburg, die vom Wirtschaftsminister immerhin als förderungswürdig eingestuft worden ist, würde Investitionen in Höhe von mindestens 7,7 Millionen € benötigen, um allein diesen Effekt abzuwehren.

Das wäre aber schlecht ausgegebenes Geld. Statt mit öffentlichen Mitteln neue Projekte in Gang zu setzen, die die vorhandenen Anstrengungen null und nichtig machen, ist es besser, die bereits gut arbeitenden Einrichtungen wie die Phänomenta in Flensburg und zum Beispiel das Multimar Wattforum in Tönning weiterzuentwickeln.

(Beifall bei CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Gutachten lässt diese Möglichkeit ausdrücklich zu. In diese perspektivischen Konzepte müssen unbedingt auch Fachleute von außerhalb eingebunden werden, die sich den Ausbau im Norden als ein Schleswig-Holstein-Projekt zu eigen machen könnten.

(Beifall bei der CDU)