Protokoll der Sitzung vom 07.05.2003

„Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. Dieser Anspruch ist weder übertragbar noch kann auf ihn verzichtet werden. Das Nähere regelt ein Gesetz.“

Wir Abgeordneten schwören darüber hinaus, Verfassung und Gesetze zu wahren und dem Land unbestechlich und ohne Eigennutz zu dienen.

Damit der Eigennutz, der uns böswillig immer unterstellt wird - das haben wir doch erlebt, egal wann wir über Diäten diskutiert haben; ob das nur eine geringfügige Erhöhung um 5,7 % war, immer waren wir die Bösen -, objektiviert wird, haben wir die BendaKommission eingesetzt, die keine Bindungswirkung hat - das ist auch ein Punkt -, aber zur Feststellung der Angemessenheit beiträgt.

Wir Abgeordneten haben auch nicht die Möglichkeit, vor ein Arbeitsgericht zu ziehen, um die Entschädigung nach Tätigkeitsmerkmalen feststellen zu lassen. Gerade deshalb war die Feststellung der Angemessenheit durch die Benda-Kommission wichtig. Das heißt dann aber auch, vom Tage der Feststellung durch die Kommission war diese Höhe, nämlich entsprechend R 2, angemessen, also seit dem 19. Dezember 2001, und zwar unabhängig von der Regelung der Altersversorgung; denn auch Richter zahlen nicht in ihre Altersversorgung ein.

Deshalb, Herr Klug, greift auch Ihr Vorwurf nicht. Die Benda-Kommission hat ausdrücklich gesagt, bis die Gesetzesänderung kommt, müssen 1.000 € zusätzlich gezahlt werden. Das ist ja auch richtig, denn Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil sind dann außen vor;

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

sonst würde ja der Vergleich der Angemessenheit nicht funktionieren - auch beim Vorziehen nicht.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Ich habe über die Bemessungsgrundlage gesprochen!)

- Nein, Sie haben gesagt, das Vorziehen der Diätenreform in diesem Punkt! Das greift ab 19. Dezember 2001 und nichts anderes. Kein Gericht

würde darauf in einem Arbeitsgerichtsverfahren Rücksicht nehmen - um das einmal zu sagen -, sondern sagen: Wenn die Tätigkeitsmerkmale erfüllt sind, dann haben sie von dem Zeitpunkt der Klage auch gewährt zu werden.

Dann der zweite Punkt, Herr Dr. Klug! Eine Alimentationspflicht besteht auch für Pensionäre; die können Sie nicht ausschließen. Also auch das ist nicht in Ordnung, was Sie hier angeführt haben.

Nun ist die entscheidende Frage: Was ist angemessen? - Dazu kann man in das Diätenurteil von 1975 gucken. Dort heißt es erstens: Sie muss eine ausreichende Existenzgrundlage für Abgeordnete und ihre Familie darstellen. - Hier führe ich ein persönliches Beispiel an. Ich habe aus einer Unterhaltsklage feststellen müssen, dass ich vorher mehr verdient habe als dann als Abgeordneter und ich darf mich nicht schlechter stellen - das wissen Sie aus dem Unterhaltsrecht - und zahle weiterhin Unterhalt aus dem Ursprungsverdienst.

Zweitens sagt das Diätenurteil: Die Angemessenheit muss der Bedeutung des Amtes unter Berücksichtigung der Verantwortung und der Belastung entsprechen und - drittens - dem diesem Amt im Verfassungsgefüge zukommenden Rang gerecht werden.

Was tun wir? Bewerten wir eigentlich das Verfassungsgefüge Legislative, Exekutive, Judikative gleich? - Die Exekutive ist mit Ministerpräsidentin, Ministern angemessen dotiert. Die Judikative ist mit ordentlichen Gehältern der Richter versehen. Aber die Legislative - deshalb auch mein Klagepunkt - entwertet wenige Tage nach Festsetzung des Maßstabes als Orientierung im Gesetz mit R 2 durch Lohnverzicht die Angemessenheit und beschädigt auch das Amt.

Man kann nun sagen, wir standen hier zwischen Scylla und Charybdis und auch die Strukturreform hätte das Amt vielleicht beschädigt. Aber wir haben als Abgeordnete auch unangenehme Dinge zu entscheiden, wenn wir davon überzeugt sind, dass sie richtig sind,

(Glocke des Präsidenten)

und wir haben sie auch in eigener Sache zu entscheiden.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

(Hermann Benker)

Es geht hier nicht um die Beliebigkeit von Entscheidungen. Auch unter Druck haben wir Entscheidungen zu fällen. Hier will ich nur auf § 106 des Strafgesetzbuches verweisen. Wir waren hier einem Druck ausgesetzt, der stark an Nötigung grenzt.

Ein Letztes! Auch der Gesetzgeber hat sich an Verfassung und Gesetz zu halten. Dies werde ich versuchen, durch eine Klage zu erreichen. Vielleicht wird das Urteil ja helfen, die Strukturreform dann leichter umsetzen zu können.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Kollegen Benker außerordentlich dankbar, dass er in der Situation, in der wir uns gerade befinden, auch den persönlichen Mut aufgebracht hat zu erklären - das heißt ja etwas -,

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

er wolle, egal was wir jetzt machen, dies einer verfassungsrechtlichen Prüfung zuführen. Dabei - wie gesagt - stehen eine Reihe von Risiken im Raum, die Herr Kollege Benker beschrieben hat und die nicht so ohne weiteres von der Hand zu weisen sind. Deshalb ist ja unsere Bitte, dass wir uns bei der Frage, wie wir jetzt einen Zustand herstellen, der uns nicht erneut - das Parlament insgesamt - dem Verdacht aussetzt, unsolide gearbeitet zu haben, etwas mehr Zeit nehmen. Das ist keine populistische Geschichte. Ich habe Werner Kalinka gehört, der gesagt hat: Ihr wollt das nur noch einmal debattieren. - Das wollen wir nicht, sondern wir wollen vermeiden, dass ein Zustand entsteht, der dieses Parlament der Lächerlichkeit preisgibt. Ich sage das ausdrücklich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Herr Kollege Wiegard, ich selbst habe überall öffentlich und sogar durch meine Unterschrift erklärt, dass ich die bisherige Entschädigung der schleswigholsteinischen Abgeordneten für unangemessen halte. Ich habe immer erklärt - dazu stehe ich -, dass die Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtages nicht schlechter gestellt sein dürfen als Richter am Oberlandesgericht, dass sie dann übrigens nur den Stand wieder erreichen, den sie 1977 einmal hatten.

Es ist ja ein Auseinanderfallen zwischen Jurisdiktion und Abgeordneten gewesen, weil aus populistischen Gründen immer wieder darauf verzichtet wurde, die Abgeordnetenentschädigung entsprechend dem öffentlichen Dienst auch angemessen zu erhöhen. Es ist also nichts anderes als die Wiederherstellung eines ursprünglichen Zustandes. Das ist auch nicht der zentrale Kritikpunkt von uns gewesen.

Ich will noch einmal sagen, Herr Wiegard - ich denke, Sie sind möglicherweise emotional etwas aufgekratzt -: Ich habe nicht gesagt, dass das Abzocke ist, was hier passiert. Ich habe dazu einen einzigen Satz gesagt.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Wer erklärt, dass die Diätenanpassung Abzocke sei, der muss auch erklären, dass die Regelung der Altersversorgung, die durch SPD und CDU aufgenommen worden ist, Mega-Abzocke ist. Der Kollege Klug hat genau erklärt, warum das so ist.

Wir haben das debattiert. Ich habe das hier in der letzten Beratung noch einmal ausdrücklich gesagt und erklärt, warum die FDP-Fraktion dagegen stimmt. Es ist für uns nicht begründbar, warum nur für die Abgeordneten dieser Legislaturperiode die Bemessungsgrundlage angehoben worden ist - auch unter den Aspekten, die Herr Kollege Benker genannt hat. Es war und ist nicht begründbar.

Aber ich will die Debatten der Vergangenheit nicht wiederholen. Ich will nur auf Folgendes hinweisen - der Innenminister hat ja auch so einen Zwischenruf gemacht, „das ist alles kein Problem“; das scheint für viele in diesem Land alles kein Problem zu sein, was die Verfassung angeht -: Herr Minister, ich will Ihnen sagen, wo die Probleme liegen, über die man etwas intensiver nachdenken muss, als das bisher geschehen ist.

Artikel 39 der Landesverfassung verpflichtet die Ministerpräsidentin:

„Die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident fertigt unter Mitzeichnung der beteiligten Landesministerinnen und Landesminister die Gesetze aus und verkündet sie unverzüglich im Gesetz- und Verordnungsblatt.“

Wie wollen wir diese Unverzüglichkeit, der die Ministerpräsidentin als Verfassungsorgan unterliegt, eigentlich aufheben? - Durch einen Gesetzentwurf, der jetzt verabschiedet werden soll; der muss in Kraft treten. Der kann erst in Kraft treten, wenn er verkündet worden ist. Jetzt müssen Sie mir erklären, dass -

(Wolfgang Kubicki)

aus welchen Gründen auch immer - die Ministerpräsidentin aufgrund eigener Kompetenz - woraus eigentlich? - zu dem Ergebnis kommt: Dieses jetzt beschlossene Gesetz muss zuerst verkündet werden, damit die Verkündung des anderen unterbleiben kann. Das nennt man überholende Kausalität. Mir ist nicht ganz klar, wie das funktionieren soll.

(Glocke des Präsidenten)

Sie können sagen, das ist Förmelei.

Herr Abgeordneter Kubicki, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja, das mache ich gern.

Aber das Gute an der Verfassung und an den Gesetzen ist, dass sie vor Willkür bewahren. Ich will dieses Parlament und die Ministerpräsidentin vor Willkür bewahren. Deshalb dränge ich darauf, dass die gesetzlichen Regelungen, die wir uns als Verfassungsgeber gegeben haben, exakt eingehalten werden, denn sonst ist alles beliebig. Das will ich nicht.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mich bei dem Redebeitrag des Kollegen Wiegard gemeldet, um eine Zwischenfrage zu stellen, die ich jedoch nicht loswerden konnte. Daher ergreife ich noch einmal das Wort. Ich will keine Geschichtsklitterung. Daher sage ich noch einmal: FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW haben einen Antrag gestellt, aus dem eindeutig hervorgeht, dass wir für die Umsetzung der Diätenreform 2005 sind.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen eine Diätenreform aus einem Guss. Wir wollen das Saure mit dem Süßen verbinden. Wir wollen auch die Verkleinerung des Landtages, obwohl dies nichts mit dem Thema Diätenreform zu tun hat. Das haben wir mehrfach angesprochen. Wir sagen, dies muss kommen, damit in der Bevölkerung begriffen wird, dass wir nicht nur eine Diätenreform wollen, sondern dass wir auch die Finanzierung durch

eine Verkleinerung des Landtages sicherstellen wollen. Das haben wir beantragt!