Protokoll der Sitzung vom 08.05.2003

Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass in Schleswig-Holstein bei der Verwaltung der Vermögen öffentlich-rechtlicher Stiftungen und auch der Fondsvermögen - entgegen dem vor einigen Wochen

durch Presseberichte entstandenen Eindruck - keineswegs leichtfertig gehandelt worden ist. Gleichwohl ist unbestreitbar, dass die teilweise Vermögensanlage in Aktien aufgrund des Verfalls des Aktienmarktes zu Unterschreitungen der festgelegten Stiftungsvermögen bei der Energiestiftung um gegenwärtig rund 16 % und bei der Kulturstiftung um rund 6 % geführt haben. Die Stiftungen werden daher einen Teil der aus dem Stiftungsvermögen erzielten Erträge zur Vermögenskonsolidierung einsetzen müssen, der dann zur Erfüllung der Stiftungszwecke nicht zur Verfügung steht.

Die Landesregierung nimmt die entstandene Vermögenssituation nicht nur im Hinblick auf die betroffenen Stiftungen sehr ernst. Die Stiftungsorgane und auch die darin tätigen Vertreter der Landesregierung sind aufgerufen, die Risikovorsorge bei der Vermögensanlage zu verbessern.

(Beifall der Abgeordneten Jürgen Weber [SPD], Dr. Heiner Garg [FDP] und Anke Spoorendonk [SSW])

Das Finanzministerium erarbeitet derzeit Richtlinien für die Vermögensanlage, die allen öffentlichrechtlichen Stiftungen als Angebot an die Hand gegeben werden sollen.

Unabhängig davon hat die bei der Energiestiftung und der Kulturstiftung bestehende Vermögenssituation bereits zu Maßnahmen der jeweiligen Aufsichtsbehörden geführt.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nach gutachterlichen Empfehlungen und Auskunftsmaßnahmen in 2002 wurde im Fall der Energiestiftung ein förmliches Aufsichtsverfahren eingeleitet. Soweit bei der Vermögensverwaltung der Stiftungen Rechtsverstöße festgestellt werden, haben die Aufsichtsbehörden darauf mit den ihnen hierfür zur Verfügung stehenden Mitteln der Rechtsaufsicht zu reagieren. - Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf die Diskussion des Berichtes.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abgeordneten Rainer Wiegard das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Minister Buß, es ist gut, dass Sie im zweiten Teil Ihres Berichtes auch noch dazu übergegangen sind, über die Situation in Schleswig-Holstein zu berichten und sich nicht nur auf die in Bayern zu konzentrieren. Das war nämlich nicht Gegenstand unseres Berichtsantrags.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann ich verstehen!)

- Wir können uns hin und wieder gern über andere Bundesländer unterhalten. Das muss nicht immer von Nachteil sein. In diesem Fall war ein Berichtsantrag hier im Landtag verlangt, und zwar weil die Landesregierung ihn im Finanzausschuss verweigert hat - das muss man hier einmal deutlich sagen -, was ich außerordentlich bedauere.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Doch!)

Wenn man aus aktuellem Anlass gewünschte Berichte im zuständigen Fachausschuss nicht gibt, lässt das immer ein kleines Geschmäckle übrig - damit sind wir auch schon in Baden-Württemberg und haben die auch noch mit ins Boot genommen. Deshalb müssen wir den Berichtsantrag heute hier diskutieren.

Ich danke Ihnen dafür, Herr Minister. Die Nachrichten über die Millionenverluste haben Ende Februar/Anfang März die Öffentlichkeit schon ein bisschen erschreckt, weil der Glaube der Menschen an Stiftungen ist, dass das Stiftungsvermögen dort ziemlich sicher angelegt und dem unmittelbaren Zugriff von handelnden Regierungen und Ähnlichem entzogen ist.

In der Tat, neben der vorrangigen Verfolgung der Stiftungszwecke ist es vor allen Dingen Kernaufgabe einer Stiftung, das Vermögen der Stiftung zu erhalten; denn wenn das Vermögen der Stiftung nicht erhalten wird, dann kann aus den Vermögenserträgen, die zwingenderweise ausfallen, der Stiftungszweck auch nicht mehr erfüllt werden. Deshalb ist dies eine Kernaufgabe und die ist hier in einem Teilbereich vernachlässigt worden. Deshalb haben wir auch erhebliche Vermögensverluste hinzunehmen.

Die Landesregierung hat - wie immer - schnell angekündigt und dann ebenfalls - wie immer - die Arbeit zügig wieder eingestellt.

(Günter Neugebauer [SPD]: Na, na, na! Eine böswillige Unterstellung!)

- Nein, das ist keine Böswilligkeit. - Unmittelbar im Zusammenhang mit unserer Sitzung im Finanzausschuss hat das Finanzministerium angekündigt, nun eine Anlagerichtlinie zu erlassen; von der haben wir

seitdem nichts mehr gehört und nichts mehr gesehen. Weitere Maßnahmen sind auch, Herr Minister, in Ihrem Bericht nicht zu erkennen.

Ich will auch noch einmal auf den Anfang hinweisen; denn der Landesrechnungshof ist es ja gewesen, der diesen - wie ich meine - Finanzskandal aufgedeckt hat und die Reaktion der Regierung war zunächst einmal, sich nicht dem Sachverhalt zuzuwenden, sondern diejenigen, die das aufgedeckt haben, zu beschimpfen, ohne sich dem notwendigen Sachverhalt zuzuwenden, aber dann auch noch die Berichterstattung im Finanzausschuss zu verweigern.

Mit diesen bloßen Ankündigungen, die gemacht worden sind, werden wir aber nicht ausreichend bedient und werden wir den Notwendigkeiten, die Sie genannt haben, nicht gerecht. Es geht jetzt um ein ganzes Paket von Maßnahmen, das wir anfassen müssen.

Das Erste: Wir müssen die Verquickung der Mitgliedschaft von Mitgliedern oder Vertretern der Regierung gleichzeitig in den Stiftungsorganen und in der Stiftungsaufsicht, die darüber zu wachen hat, dass nach Recht und Gesetz gehandelt wird, abschaffen. Das ist unsere feste Überzeugung. Es kann nicht sein, dass sich hier die Kontrolleure selbst kontrollieren. Dieser Zustand muss beseitigt werden.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wir sind damit einverstanden, dass es Richtlinien für die Anlage von Vermögenswerten geben soll und dass diese Richtlinien Wertsicherungsklauseln enthalten müssen. Wir sind aber auch der Meinung, dass es zwingend notwendig ist, darüber nachzudenken, ob nun wirklich jede Stiftung für sich selbst weiterhin eigene Banken-, Börsen- und Spekulationsabteilungen vorhalten muss

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

mit dem gesamten Fachwissen, das dafür erforderlich ist, oder ob es nicht sinnvoller ist, dieses Wissen gebündelt zur Verfügung zu stellen und nicht in jeder Stiftung einzeln vorzuhalten.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Ich glaube, dass der Bericht auch hinreichend Anlass dazu gibt, über das sachliche Erfordernis jeder einzelnen Stiftung, die wir heute noch haben, nachzudenken und zu diskutieren.

Meine Damen und Herren, ich sage das ganz bewusst auch in diesem Beitrag, ohne eine einzelne Stiftung namentlich zu nennen, weil ich glaube, dass es not

(Rainer Wiegard)

wendig ist, dies in aller Sachlichkeit zu tun und hier niemanden einfach an den Pranger zu stellen - außer möglicherweise diejenigen, die ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sind.

In diesen Zusammenhang gehört auch die Notwendigkeit, über die Zusammenarbeit bei der Erfüllung von Stiftungszwecken oder die Zusammenarbeit bei einzelnen Aufgaben nachzudenken, die man hier bündeln kann. Das, was wir in anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung leisten, kann ja für die Stiftungen nicht zwingend ausgeschlossen sein.

Schließlich ist es notwendig, mit Rücksicht auf das Wissen, dass wir wohl dankenswerterweise mit dauerhaft niedrigen Zinssätzen zu rechnen haben, zu überprüfen, ob die Finanzausstattung der nach dieser Diskussion verbleibenden Stiftungen noch hinreichend ist, sodass sie ihre Aufgaben, ihre Stiftungszwecke erfüllen können. Es ist notwendig, dies jetzt zu tun.

Wir bitten, dass der Bericht federführend an den Finanzausschuss, aber mitbeteiligt auch an alle weiteren zuständigen Fachausschüsse überwiesen wird, die hinsichtlich der Stiftungsaufsicht betroffen sind. Dies sind nach meiner Kenntnis der Bildungsausschuss, der Wirtschaftsausschuss, der Umweltausschuss und der Innen- und Rechtsausschuss mit den Stiftungen, für die sie zuständig sind. Ich bin sicher, dass nach Abschluss unserer Beratungen die Stiftungslandschaft wenigstens in Teilen ein bisschen anders aussehen wird als heute, dass Vermögensverluste durch spekulative Anlagen weitgehend ausgeschlossen werden, wenn wir uns dann an neue Regelungen halten, und dass die Stiftungen ihre Aufgaben erfüllen können. Dies muss unser gemeinsames Ziel und unsere Erkenntnis aus den Vorgängen sein.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, darf ich zunächst die Gelegenheit benutzen, neue Gäste zu begrüßen. Weil wir hier auch über andere Bundesländer reden, bin ich stolz, dass wir Gäste aus unserem Nachbarbundesland Niedersachsen begrüßen dürfen, und zwar die Damen und Herren des CDUOrtsverbandes Achim-Baden. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag, in dem nigelnagelneuen Plenarsaal. Schön, dass Sie hier sind!

(Beifall)

Für die Fraktion der SPD erhält jetzt die Frau Abgeordnete Kähler das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte als Finanzausschussvorsitzende natürlich das nicht stehen lassen - obgleich ich jetzt für meine Fraktion spreche -, was Sie, verehrter Kollege Wiegard, hier gesagt haben, dass nämlich die Regierung im Finanzausschuss zu diesen Fragen „gemauert“ habe. Das ist nicht korrekt. Ich habe mir in weiser Voraussicht das Protokoll mit nach vorn genommen, um die Schadensbegrenzung gleich vor Ort in meiner Antwort vornehmen zu können.

Der Herr Staatssekretär hat im Finanzausschuss sehr klar und deutlich gesagt, dass es die Landesregierung bedauert, dass das übliche Beratungsverfahren für diese Bemerkungen des Landesrechnungshofs erneut wieder nicht eingehalten worden sei und dass nicht einmal die Möglichkeit bestanden habe, vor der abgelaufenen Frist Stellung nehmen zu können, und dass die Veröffentlichung wieder einmal im Vorweg aus einem internen Prüfbericht frühzeitig an die Öffentlichkeit gekommen sei. Er hat uns als Staatssekretär der Regierung angeboten, einen Bericht zu geben, wenn wir dies fordern würden, dass wir aber dabei bitte doch auch der Regierung das geordnete Verfahren ermöglichen mögen, auf diesen noch nicht veröffentlichten Prüfbericht zumindest eine Stellungnahme gegenüber dem Landesrechnungshof abzugeben. - Übrigens, den Landesrechnungshof vermisse ich hier heute. Ich bedauere das außerordentlich.

(Beifall der Abgeordneten Konrad Nabel [SPD] und Günter Neugebauer [SPD])

Aber jetzt möchte ich zu dem Bericht kommen; er hat übrigens auch ein paar kritische Ansatzpunkte, die schon in der Finanzausschusssitzung, die Sie im Protokollauszug nachlesen können - ich gebe Ihnen das gern gleich noch einmal -, Gegenstand waren, angesprochen. Ich habe sie übrigens auch in meinem Redebeitrag drin.

Ich finde schon, dass man noch einmal auf den Auslöser dieser Aufforderung an die Landesregierung, einen Bericht zu geben, zu sprechen kommen sollte. Das ist die von mir gerade angesprochene vorzeitige Veröffentlichung. Da hat wieder einer das Wasser nicht halten können und es ist etwas in die Öffentlichkeit gekommen, ohne dass man den Betroffenen die Möglichkeit der Stellungnahme gegeben hat. Aber okay.

Sofort, nachdem ich das in der Zeitung gelesen hatte, habe ich das auf die Tagesordnung der nächsten Finanzausschusssitzung setzen lassen und wir sind dann freundlicherweise auch über einige Details informiert

(Ursula Kähler)

worden; andere sind uns jetzt schriftlich mitgeteilt worden.

Die gesamte Berichterstattung vermittelte ja quasi den Eindruck, als würden die Stiftungen in SchleswigHolstein ihr Stiftungskapital spekulativ verschleiern. Deswegen haben wir uns damit schon sehr frühzeitig im Finanzausschuss befasst.

Für die SPD-Fraktion stelle ich nunmehr - nach diesem Bericht - erst einmal fest, dass eine Aktienanlage etwa im Bereich der europäischen Werte mit einem Anteil von bis zu 35 % am Stiftungsvermögen bundesweit eine durchaus übliche Praxis darstellt und bundesweit von den Aufsichtsbehörden nicht nur gebilligt, sondern zum Teil auch unterstützt wurde. Nun ist es ja richtig, dass im vergangenen Jahr durch erhebliche Aktien- und Börsenrückgänge von über 10 % bei vielen Stiftungen erhebliche Wertminderungen eingetreten sind. Das gilt aber nur bedingt für Stiftungen in Schleswig-Holstein, wie Sie dem Bericht auch entnehmen können; ich kann Ihnen definitiv zwei namentlich benennen, was ich gleich auch tun werde. Bei allen anderen Stiftungen steht: „sind von dieser Fragestellung nicht betroffen“. Das gilt für die Stiftungen und das gilt für die Fonds. Hier müssen wir natürlich aufmerksam sein.

In Bayern zum Beispiel - das ist vorhin schon dargestellt worden - hat der Oberste Landesrechnungshof bereits 1996 verlangt, das Vermögen der Landesstiftung umzuschichten. Die haben das natürlich ignoriert. In der “Süddeutschen Zeitung“ vom 14. April dieses Jahres ist nachzulesen, dass infolge einer riskanten Anlagepolitik die Bayerische Landesstiftung mindestens 1 Milliarde € Staatsvermögen verschleudert hat. Dann können Sie in der Tat von einem Finanzskandal reden. Da bin ich sofort mit Ihnen einig. Wenn hier etwas Ähnliches passieren würde, dann würde ich im Einklang mit Ihnen sagen: Finanzskandal. - Ist aber nicht.