Protokoll der Sitzung vom 19.06.2003

(Beifall bei der CDU)

Kollege Puls hat das freundlicherweise in seiner Rede gewürdigt.

(Jürgen Feddersen [CDU]: Guter Mann!)

Wir werden auch in Zukunft Fehlentwicklungen klar benennen und konstruktiv an einer Reform mitarbeiten, die unseren Kommunen wieder mehr Luft zum Atmen gibt. Dabei legen wir allerdings größten Wert auf das Prinzip der Freiwilligkeit. Nur gemeinsam wird es uns gelingen, die anstehenden Probleme zu lösen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern mit ihrem Antrag zur Reform der Gemeindefinanzen vier Dinge, die entweder längst beschlossene Sache sind oder eigentlich selbstverständlich sein sollten.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dann können Sie ja zustimmen!)

Längst intern von der Bundesregierung beschlossen ist, zum 1. Januar 2004 die steuerlichen Grundlagen der Gemeindefinanzen zu verändern, dazu die Gewerbesteuer zu erhalten und auszuweiten und die Kommunen durch die Agenda 2010 finanziell zu entlasten; selbstverständlich sollte sein, dass bezahlt, wer bestellt. Wir stimmen prinzipiell dreien dieser vier Punkte zu: Die Gemeinden brauchen schnellst möglichst dauerhafte und möglichst Konjunktur unabhängige Einnahmequellen; die Gemeinden müssen darüber hinaus finanziell entlastet werden und wer bestellt, soll bezahlen.

In entscheidenden Punkten sind wir aber anderer Meinung. Für uns ist die runderneuerte und ausgeweitete Gewerbesteuer die falsche Geldquelle für die Kommunen. Der bessere Weg ist ein kommunaler Aufschlag auf die Einkommen- und auf die Körperschaftsteuer.

Die Finanzlage vieler Kommunen ist katastrophal. Sie müssen Pflichtaufgaben mit Überziehungskrediten finanzieren, sie müssen freiwillige öffentliche Dienstleistungen einstellen und können noch nicht einmal

mehr in den Erhalt der öffentlichen Infrastruktur investieren, ganz zu schweigen davon, diese Infrastruktur auszubauen. Darunter leiden die Bürgerinnen und Bürger direkt.

Diese Lage hat viele Ursachen, aber sie lassen sich grob zusammenfassen: Der Finanzbedarf für die gesetzlichen Aufgaben der Gemeinden ist den verfügbaren Geldquellen enteilt. Erstens sind die gesetzlichen Aufgaben der Gemeinden zu schnell gewachsen. Zweitens erreichen neue Aufgaben die Kommunen zu häufig ohne den Scheck, mit dem sie bezahlt werden sollten. Drittens schwanken eine der wesentlichen Einnahmequellen und ein wesentlicher Aufgabenblock der Kommunen gegenläufig zur Konjunktur, nämlich die Gewerbesteuer und die Kosten der sozialen Sicherung. Das heißt, die Einnahmen sinken gerade dann, wenn die Ausgaben steigen.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich darf um etwas mehr Aufmerksamkeit und Zuhören bitten, umso glaubhafter können Sie später auch widersprechen oder zustimmen.

Meine Damen und Herren, hieraus lassen sich zwei eindeutige Folgerungen ziehen. Einerseits brauchen die Kommunen weniger überflüssige Aufgaben - eigentlich gar keine überflüssigen Aufgaben, aber leider bestehen sie ja - und andererseits mehr Geld.

Über die einzelnen Aufgaben, die gestrichen oder verändert werden könnten, sollten oder müssten, wollen wir heute nicht sprechen. Heute geht es darum, wie die Kommunen zu mehr Geld kommen. Die erste Frage lautet: Woher soll das zusätzliche Geld kommen? Entweder wird die Gesamtsteuerlast erhöht oder andere Gebietskörperschaften oder Sozialversicherungen müssen Geld abgeben. Die Gesamtsteuerlast soll dabei nicht steigen. Dies ist die übereinstimmende Meinung der Bundesregierung, der meisten Landesregierungen, der Sachverständigen und selbstverständlich auch der FDP. Wie das insgesamt von der Landesregierung und der Koalition gesehen wird, da gibt es leichte Abweichungen.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Höhere Steuern belasten Menschen und Unternehmen, ja schon die Diskussion über höhere Steuern hemmt Menschen und Unternehmen bei Verbrauch und Investition. Deswegen hat der Bundeskanzler bis

(Günther Hildebrand)

auf weiteres alle Steuererhöhungen ausgeschlossen - Ausnahme Tabaksteuer -, damit die Steuerlast die deutsche Wirtschaft nicht noch weiter drückt.

Folglich muss das zusätzliche Geld für die Kommunen aus anderen öffentlichen Geldquellen umgeleitet werden. Unter dieser Voraussetzung fordern die Antragsteller, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Gewerbesteuer zu erhalten, neue Steuertatbestände aufzubauen und mehr Unternehmen entsprechend zu besteuern. Kein Wort davon, wer dafür an anderer Stelle weniger Steuern oder Abgaben zahlen soll. Daher ist Ihr Vorschlag mindestens unvollständig.

Wir halten ihn aber auch aus folgenden Gründen für falsch. Erstens ist die Gewerbesteuer ein Fremdkörper im deutschen Steuersystem. Mithilfe von Computern lassen sich zwar auch die kompliziertesten Steuerverfahren schnell ausrechnen, aber wenn man den gleichen Ertrag auch mit einem einfacheren, durchschaubareren Verfahren erzielen kann, sollte man es tun.

Zweitens ist es ein Fehlschluss, dass die Gewerbesteuer konjunkturunabhängiger wird, wenn die Kosten der Unternehmen steuerpflichtig werden. Die Gewerbekapitalsteuer ist nämlich gerade deshalb abgeschafft worden, weil sie die Unternehmen unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit belastet hat. Soll-Ertragssteuern sind nachgewiesenermaßen ökonomischer Unsinn, denn damit schlachtet man in schlechten Zeiten viele Kühe, die man in guten Zeiten ertragreich melken könnte. Wenn Sie jetzt fordern, die Bemessungsgrundlagen zu erweitern, gehe ich davon aus, dass Sie damit zum Beispiel meinen, von Unternehmen zu zahlende Zinsen, Mieten und Leasingraten zu besteuern. Das wäre eine Gewerbekapitalsteuer in neuem Gewand. Mieten, Zinsen und Leasingraten sind Kosten des im Unternehmen gebundenen Kapitals. Sie sind Aufwand, um Erträge zu erwirtschaften. Das sind fixe Kosten, die unabhängig davon entstehen, ob ein Unternehmen Nettoerträge erwirtschaftet. Das bedeutete, wenn ein Unternehmen Verluste erleidet, müsste es trotzdem Gewerbesteuer zahlen. Die Verluste würden steigen und damit letztlich die Wahrscheinlichkeit der Insolvenz. Außerdem sänke die zu erwartende Rendite des eingesetzten Kapitals. Als Folge würden genau die Investitionen verdrängt, die wir dringend brauchen, um Wachstum und Beschäftigung anzukurbeln.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Wie gesagt: Kühe, die man melken will, soll man nicht schlachten.

Drittens gibt es nur eine schwache, theoretische Möglichkeit, dass die Ausdehnung der Gewerbesteuerpflicht auf Freiberufler die Einnahmen aus der Gewerbesteuer steigern könnte - hören Sie jetzt vielleicht bitte einmal zu -, aber eine sehr große Möglichkeit, dass die Einnahmen der Kommunen nicht steigen, dafür aber die Freiberufler auch vom Arbeiten und Investieren abgehalten werden. Körperschaften zahlen Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer. Ausbezahlte Gewinne der Körperschaften unterliegen teilweise zusätzlich der Einkommensteuer. Freiberufler zahlen Einkommensteuer. Verpflichtet man die Freiberufler zur Gewerbesteuer, würden sie gegenüber Körperschaften benachteiligt. Erlaubte man, die Gewerbesteuerschuld auf die Einkommensteuerschuld oder das zu versteuernde Einkommen anzurechnen, würden Einkommensteuern ausfallen und durch Gewerbesteuern ersetzt. Entsprechend entgingen den Kommunen anteilig Einnahmen aus der Einkommensteuer. Es lässt sich nicht nachweisen, dass die Einnahmen der Kommunen durch diese Tauschaktion stiegen. Unter dem Gesichtspunkt, dass bei den Freiberuflern dann auch Kosten besteuert werden, wird diese Absicht aus den geschilderten Gründen vollkommen absurd.

Aus diesen Gründen lehnen wir die ausgeweitete Gewerbesteuer ab. Wir schlagen vor, die Gewerbesteuer abzuschaffen und sie durch eine Kommunalsteuer zu ersetzen.

(Beifall bei der FDP - Zuruf der Abgeordne- ten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Diese Kommunalsteuer fließt auf der Grundlage eines Hebesatzrechts der Kommunen auf die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer. Um die Steuerlast nicht zu steigern, schlagen wir vor, gleichzeitig die Einkommen- und Körperschaftsteuer aufkommensneutral zu senken. Die FDP-Bundestagsfraktion hat hierzu ein durchgerechnetes Modell vorgelegt, auf das ich mich im Weiteren beziehe.

Dieses Modell hat vier Vorzüge gegenüber der Gewerbesteuer: Erstens klarere Verhältnisse über die Einnahmeverteilung im Staat. Die Kommunen erhalten eine eigene Steuerquelle, die nicht durch die Veränderung von Stellschrauben auf- oder zugedreht werden kann, wie es heute zum Beispiel durch die Gewerbesteuerumlage geschieht.

Zweitens größere Unabhängigkeit der kommunalen Einnahmen von der Konjunktur. Vollkommen konjunkturunabhängige Steuern gibt es nicht, aber die Einkommensteuer schwankt erheblich weniger mit der Konjunktur als die Gewerbesteuer. Die Amplitude

(Günther Hildebrand)

ist entsprechend kleiner. Daher wäre auch der kommunale Einnahmestrom erheblich unabhängiger von der Konjunktur.

Drittens bürgernähere Besteuerung. Die Bürger und Unternehmen zahlen direkt an ihre Gemeinden Steuern und nicht über völlig undurchschaubare Umverteilungssysteme. Gleichzeitig können die Gemeinden ihre Hebesätze den Wünschen ihrer Bürgerinnen und Bürger anpassen: höhere Hebesätze und mehr öffentliche Leistung der Kommunen oder niedrigere Hebesätze und ein kleineres Angebot.

Viertens weniger Steuerbürokratie. Die kommunalen Aufschläge auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer können einfach zusammen mit den entsprechenden Steuerbeträgen automatisch berechnet werden, ohne dass zusätzliche Vorbereitungen bei den Steuerpflichtigen notwendig sind. Das spart Verwaltungsaufwand in den Finanzämtern.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, hiermit hat die FDP ein durchdachtes, durchgerechnetes Konzept vorgelegt, das die Finanzlage der Kommunen wesentlich verbessert. Das trägt selbstverständlich nicht dazu bei, die Kommunen von Aufgaben zu entlasten, aber das ist auch nicht der Zweck einer Finanzreform. Nach den Erfahrungen von gestern würde ich mich nicht wundern, wenn dieses Modell demnächst zur Rettung der Gemeindefinanzen in einer Regierungserklärung der Ministerpräsidentin auftauchen würde.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hildebrand, es hat Spaß gemacht, Ihnen zuzuhören.

Alle Parteien und gesellschaftlichen Kräfte in unserem Land bekennen sich dazu, dass die Kommunen ihren finanziellen Handlungsspielraum wiedererlangen müssen und dass wir starke und leistungsfähige Kommunen mit einer bürgernahen Selbstverwaltung brauchen. Dennoch, die Konzepte für eine Gemeindefinanzreform, welche von den Parteien, aber auch aus der Wirtschaft und von Wissenschaftlern erarbeitet und vorgelegt wurden, könnten unterschiedlicher nicht sein. Gerade die Vorschläge aus der Wirtschaft und die Vorschläge der kommunalen Spitzenverbände widersprechen sich diametral. Der Bundestag wird sich entscheiden müssen, ob er den Vorschlägen der

Kommunen folgt oder ob er das Modell der Wirtschaft favorisiert.

Während wir uns heute mit unserem Antrag für das Modell der Kommunen entscheiden, entscheidet sich die FDP sehr klar für das Modell der Wirtschaft. Das mag ich inhaltlich kritisieren, aber liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ich finde es gut und ehrlich, dass Sie sich hier klar positionieren, denn dann können wir uns aneinander reiben.

Die CDU hingegen hat es geschafft, einen Antrag vorzulegen, der das eigentliche Thema außen vor lässt. Sie entscheiden sich weder für das Modell der Kommunen noch für das Modell der Wirtschaft. Herr Kayenburg weiß nicht einmal, ob er klatschen soll, wenn Herr Hildebrand redet, weil er merkt, die anderen klatschen nicht mit. Sie lassen die Kommunen im Regen stehen.

Der Städtetag hat gestern noch einmal an uns appelliert, unserem Antrag zuzustimmen. Auch dazu haben Sie überhaupt nichts gesagt. Unsere Meinung ist - deshalb haben wir heute auch den Antrag gestellt -, dass sich der Schleswig-Holsteinische Landtag hier ganz klar positionieren muss, weil es unheimlich große Auswirkungen auf alle Kommunen in unserem Land hat.

Es passt natürlich zur CDU, wenn sie in ihrem Antrag erneut pauschal die Änderung des kommunalen Finanzausgleichsgesetzes fordert. Herr Wiegard, Sie fordern das immer wieder im „Stormarner Tageblatt“ Sie fordern es immer wieder hier. Ich bin seit sieben Jahren im Landtag und ich kenne keinen eigenen Antrag der CDU zum kommunalen Finanzausgleichsgesetz.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Holger Astrup [SPD])

Im Gegenteil. Als wir einen gestellt haben, waren Sie nicht an unserer Seite, weil Sie sehr wohl wussten: Wenn man dort etwas verändert, kann man Gutes tun, aber man trifft auch andere. Davor hatten Sie wieder Schiss.

(Rainer Wiegard [CDU]: Gucken Sie mal in die Haushaltsvorlage!)

Mit unserem heutigen Landtagsantrag setzen wir folgende Eckpunkte: