Protokoll der Sitzung vom 19.06.2003

Wir wollen mit unserem Antrag den Druck auf Berlin für eine kommunalfreundliche Gewerbesteuer erhöhen. Damit unsere Gemeinden auch in Zeiten wirtschaftlicher Flaute leistungsfähig bleiben, muss eine Gewerbesteuer her, die konjunkturelle Schwankungen auffängt.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unsere Forderungen gehen - wie die der kommunalen Spitzenverbände von Bund und Ländern - konkret dahin, die Bemessungsgrundlage der Steuer durch gewinnunabhängige Komponenten wie Zinsen, Mieten oder Leasingraten zu verbreitern und den Kreis der Steuerpflichtigen - zum Beispiel durch freiberuflich Selbstständige wie mich - zu erweitern.

Außerdem muss auf der Ausgabenseite der Gemeindehaushalte nachhaltig für Entlastung gesorgt werden. Dies kann durch Übertragung der Aufgaben- und damit der Ausgabenverantwortung für arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger und -empfängerinnen auf die Bundesanstalt für Arbeit und damit auf die Arbeitsämter in der Fläche erfolgen. Schließlich wollen wir, dass auch der Bund endlich einsieht, weswegen wir ihn noch einmal nachdrücklich darauf hinweisen, dass es ein Unding ist, den Städten und Gemeinden durch Bundesrecht immer mehr und immer neue Aufgaben aufzubürden, ohne die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Finanzmittel mitzuliefern.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Schleswig-Holstein haben wir das Konnexitätsprinzip in unsere Landesverfassung hineingeschrieben. Wir als Land dürfen nur bei entsprechendem finanziellen Ausgleich Aufgaben auf die Kommunen übertragen. Berlin soll sich gefälligst dem selben Prinzip unterwerfen und künftig danach handeln.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Unser Antrag lautet:

„1. Die Landesregierung wird aufgefordert, sich in der Gemeindefinanzreform-Kommission des Bundes für die schnelle und deutliche Stärkung der Finanzkraft der Kommunen und für das Inkrafttreten entsprechender Regelungen zum 01.01.2004 einzusetzen.

2. Die Landesregierung wird gebeten, sich bei den Verhandlungen zur Neuordnung der Gemeindesteuern an dem Modell „Modernisierte Gewerbesteuer“ der kommunalen Spit

zenverbände und des Landes NordrheinWestfalen mit folgenden Eckpunkten zu orientieren:

2.1 Erhaltung der Gewerbesteuer mit eigenem Hebesatzrecht als Grundlage kommunaler Besteuerung der ortsansässigen gewerblichen Wirtschaft,

2.2 Schaffung verlässlicher und konjunkturunabhängiger Gewerbesteuereinnahmen durch Verbreiterung der Steuerbemessungsgrundlage,

2.3 Erhöhung des Gewerbesteueraufkommens durch Erweiterung des Kreises der Steuerpflichtigen.

3. Die Landesregierung wird gebeten, in den Verhandlungen zur Neuordnung der Arbeits- und Sozialverwaltung auf eine Reform hinzuwirken, die zu einer deutlichen finanziellen Entlastung der Kommunen führt.

4. Die Landesregierung wird gebeten, sich dafür einzusetzen, dass bundesrechtliche Aufgabenübertragungen auf die Kommunen nur noch dann erfolgen, wenn der Bund gleichzeitig für entsprechenden finanziellen Ausgleich entstehender kommunaler Mehrbelastungen sorgt (Konnexitätsprinzip).“

Wir wissen, dass insbesondere die CDU-Fraktion in diesem Haus in der Vergangenheit verschiedene Antragsanläufe zur Beförderung des Konnexitätsprinzips in die Bundesverantwortung unternommen hat. Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, wir sind deshalb bis zum Eingang Ihres heutigen Änderungsantrags davon ausgegangen, dass unser Antrag eine breite - möglichst 100-prozentige - Zustimmung erfährt.

(Beifall bei der SPD - Günther Hildebrand [FDP]: Wie kommen Sie dazu?)

Ein einstimmiger Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landtages würde den berechtigten Forderungen unserer kommunalen Familie sicherlich den nötigen - und optimalen - Druck auf den Bundesgesetzgeber mitgeben. Den CDU-Antrag lehnen wir ab. Wir haben aber eben mit Herrn Lehnert gesprochen. Herr Lehnert, man könnte auch in eine alternative Abstimmung eintreten. Wir würden den Antrag sonst ablehnen, obwohl er einige von uns selbst vertretene Positionen enthält. Wir lehnen ihn ab, weil er für die Verhandlungen auf Bundesebene das wesentliche Elemente unseres Antrags nicht enthält, nämlich die modernisierte, stabile, stetige und konjunkturunabhängige Gewerbesteuer. Ferner unternimmt die CDU

(Klaus-Peter Puls)

mit ihrem Antrag einmal mehr den untauglichen Versuch, für die schwache Finanzlage der Kommunen dieses Landes die Landesregierung verantwortlich zu machen.

Auch wir wissen, dass es nicht damit getan ist, nur auf Bundesebene nachhaltig für eine Verbesserung der kommunalen Einnahmesituation und für eine Entlastung von zunehmend belastenden Ausgaben zu sorgen. Auch auf Landesebene und als Landesgesetzgeber müssen und werden wir noch in dieser Legislaturperiode das Regelungsgestrüpp des kommunalen Finanzausgleichsgesetzes zu überprüfen und zu ordnen haben, und zwar im Anschluss an und in Abhängigkeit von den auf Bundesebene hoffentlich in den nächsten Monaten gefundenen übergreifenden Lösungen. Die finanzielle Leistungsfähigkeit unserer Gemeinden zu sichern, ist landesverfassungsrechtliches Gebot. Die SPD-Landtagsfraktion wird sich daran halten.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Lehnert das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Kommunen in Schleswig-Holstein befinden sich in einer dramatischen finanziellen Krise. Wegbrechende Einnahmen und ständig steigende Ausgabenlasten schränken die kommunale Handlungsfähigkeit zunehmend ein und gefährden damit die kommunale Selbstverwaltung. In den Jahren 2001 und 2002 mussten die Kommunen deutlich geringe Steuereinnahmen verkraften. Besonders dramatisch ist die Entwicklung bei der Gewerbesteuer. Nicht nur die schwache Konjunktur, sondern auch die erhöhte Gewerbesteuerumlage, die Rot-Grün zu verantworten hat, machen sich hierbei negativ bemerkbar.

In diesem Zusammenhang möchte ich aus dem Kommunalbericht 2003 des Landesrechnungshofs Schleswig-Holstein zitieren:

„Die kommunale Finanzlage hat sich in den beiden letzten Jahren wieder verschärft; die freien Finanzspielräume sind bei den Städten und den Kreisen weiter abgesunken. Die fehlenden Eigenmittel für die notwendige Investitionstätigkeit der kommunalen Gebietskörperschaften sind offenbar zum Teil durch zusätzliche Kredite ersetzt worden; denn die Schuldenstände sind nach einer Phase der Stagnation erneut angestiegen. Im Haushalts

jahr 2003 wird sich dieser Abwärtstrend fortsetzen. Nach den Haushaltsplanzahlen gibt es eine Vielzahl von unausgeglichenen Haushalten, insbesondere bei den Kreisen und kreisfreien Städten. Auch für die kommenden Jahre haben sich die Perspektiven der kommunalen Finanzen aufgrund der konjunkturellen Lage und der Auswirkungen der Steuerreform verschlechtert. Zu dem von den Kommunen bereits eingeschlagenen Weg der Haushaltskonsolidierung gibt es daher keine Alternative.“

So weit der Landesrechnungshof. Die Rahmenbedingungen für die Kommunen, die Rot-Grün im Bund und im Land zu verantworten haben, haben sich in den letzten Jahren ständig verschlechtert. Ich möchte an dieser Stelle nur ein Beispiel nennen, mit dem die rot-grüne Bundesregierung die Finanzlage der Kommunen, aber auch der Länder, deutlich geschwächt hat. Dabei handelt es sich um die Versteigerung der UMTS-Lizenzen, bei denen die Länder und Kommunen Steuerausfälle von rund 14 Milliarden € hinzunehmen hatten, während der Bund die Versteigerungserlöse von über 50 Milliarden € in die eigene Tasche gesteckt hat. Die Steuereinnahmen und damit auch die Kommunalfinanzen können sich nur dann stabilisieren, wenn Deutschland wieder zu einem soliden Wirtschaftswachstum auf der Grundlage einer verlässlichen Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik zurückkehrt.

Zur Stabilisierung und Verstetigung der Gemeindefinanzen ist endlich über die seit 1998 versprochene Gemeindefinanzreform zu entscheiden. Was die Kommunen jetzt brauchen, sind keine weiteren monatelangen Grundsatzdiskussionen, sondern die Kommunen benötigen sofortige Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Finanzen.

(Beifall bei der CDU und der Abgeordneten Joachim Behm [FDP] und Günther Hilde- brand [FDP])

Nur so können wir ihre Handlungsfähigkeit sicherstellen. Wir müssen jetzt handeln. Wir brauchen ein Sofortprogramm für die Kommunen. Dieses muss - um eine breite Wirksamkeit zu erzielen - Verbesserungen sowohl auf der Einnahmenseite als auch auf der Ausgabenseite beinhalten. Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, sich bei den Verhandlungen zur Neuordnung der Gemeindefinanzen an folgenden Eckpunkten zu orientieren:

Erstens: Rücknahme der Erhöhung der Gewerbesteuerumlage. Die Gewerbesteuerumlage, also der Anteil an der Gewerbesteuer, den die Kommunen an

(Peter Lehnert)

Bund und Länder abführen müssen, wird auf den Stand vor der rot-grünen Steuerreform zurückgeführt. Das entlastet die Kommunen bundesweit im Jahr 2004 um über 2,3 Milliarden €. Dies stärkt allgemein die Finanzkraft der Gemeinden. Es ermöglicht ihnen eine verstärkte Investitionstätigkeit und kommt insbesondere auch dem Handwerk und den mittelständischen Unternehmen zugute.

Zweitens: Höhere Beteiligung der Kommunen am Aufkommen der Umsatzsteuer 2004. Die Kommunen werden zu Lasten des Bundes und der Länder einmalig stärker an der Umsatzsteuer beteiligt. Der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer wird für das Jahr 2004 von 2,2 auf 3,0 % angehoben. Das bringt den Kommunen Mehreinnahmen von knapp 1,1 Milliarden €.

Drittens: Entlastung für die Kommunen bei der Sozialhilfe durch die Zusammenführung der Arbeitslosen- und der Sozialhilfe. Die Grundlagen hierfür haben wir bereits bei der Diskussion heute Morgen erörtert. Durch die Zusammenführung der Arbeitslosen- und der Sozialhilfe für arbeitsfähige Personen müssen Einsparungen und Effizienzgewinne entstehen. Diese sind für eine Entlastung der Kommunen zu verwenden. Im Falle einer Zusammenführung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe bei den Kommunen bedeutete das - über den vollen Ausgleich der den Kommunen entstehenden neuen Belastungen hinaus - eine überwiegende Teilhabe an den sich aus der Zusammenführung ergebenden Entlastungen des Gesamtsystems.

Viertens: Entlastung für die Kommunen bei der Sozialhilfe durch stärkere Anreize zur Arbeitsaufnahme von Sozialhilfeempfängern. Wir müssen darüber nachdenken, dass die kommunalfinanzierte Sozialhilfe für Arbeitsunwillige abgesenkt wird. Die Anreize zur Beschäftigungsaufnahme werden dadurch erhöht, dass dem Hilfeempfänger bei eigenem Hinzuverdienst mehr Nettoeinkommen übrig bleibt.

Fünftens: Berücksichtigung des erweiterten Konnexitätsprinzips durch die Bundesebene und Aufnahme in das Grundgesetz. Derjenige Gesetzgeber, der den Kommunen kostenträchtige öffentliche Aufgaben überträgt oder bestehende erweitert, muss auch für die Kosten aufkommen. Die landesverfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzipien greifen bei einer unmittelbaren Aufgabenübertragung durch den Bund nicht, zumindest nicht unmittelbar. Die Kommunen tragen zunehmend schwerer unter der Aufgabenlast, die ihnen Bund und Länder aufgebürdet haben, ohne gleichzeitig für die Finanzierung aufzukommen. Ein Beispiel auf Bundesebene ist die Begründung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz, der den

Kommunen Milliardenbeträge für Investitions- und Betriebskosten abverlangt.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war die CDU, die das durchgesetzt hat.)

- Wenn Sie erlauben, Frau Kollegin Heinold, rede weiter ich hier vom Pult.

In der Folge dieser Aufgabenverlagerung durch Bund und Länder sehen sich die Kommunen gezwungen, freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben aufzugeben, um die dadurch frei werdenden Finanzmittel für die Erledigung der von Bund und Land veranlassten Aufgaben einzusetzen. Dies stellt die kommunale Selbstverwaltung in Frage. Die so genannte freie Finanzspitze, das heißt der finanzielle Spielraum für eigenverantwortlich gestaltende Kommunalpolitik, wird immer geringer. Dem gilt es, durch gesetzliche Maßnahmen entschlossen entgegenzuwirken. Wir brauchen bei allen dringend notwendigen strukturellen Veränderungen in unserem Land eine verlässliche Grundlage, insbesondere bei der Finanzierung dieser Maßnahmen. Das ist für die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit der Politik von entscheidender Bedeutung. Nur dann werden wir die Menschen auf diesem steinigen Weg mitnehmen, zu dem es keine realistischen Alternativen gibt.

(Beifall bei der CDU)

Im Rahmen der Verwaltungsstrukturreform - auf die konkreten Vorschläge der Regierung warten wir übrigens immer noch - muss sich die öffentliche Hand auf ihre ureigenen Aufgaben beschränken. Diejenige Ebene sollte öffentliche Aufgaben wahrnehmen, die das am besten und am wirtschaftlichsten leisten kann. Bei der Verlagerung von Aufgaben müssen die Kosten vollständig ausgeglichen werden. Das Land darf seine Probleme nicht zu Lasten der Kommunen lösen, indem es pro forma das Konnexitätsprinzip erfüllt, dann aber die kommunalen Kassen durch willkürliche Eingriffe in den Finanzausgleich belastet. Dadurch werden den Kommunen in Schleswig-Holstein seit 2001 jährlich mehr als 38 Millionen € entzogen.

(Klaus Schlie [CDU]: Unglaublich!)

Dadurch geht Vertrauen verloren, Vertrauen, das dringend gebraucht wird, um die notwendigen Strukturreformen zügig umsetzen zu können.

Die CDU-Landtagsfraktion hat sich bereits in der Vergangenheit immer wieder mit Initiativen und konkreten Vorschlägen zur Verbesserung der Situation

(Peter Lehnert)

der Kommunen in Schleswig-Holstein zu Wort gemeldet.

(Beifall bei der CDU)