Protokoll der Sitzung vom 20.06.2003

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das heißt, die Behauptung, der Staat könne es besser, reicht nicht mehr aus. Es muss nachgewiesen werden. Das heißt nach meinem Verständnis auch, dass landeseigene Wirtschaftsbetriebe kein quasi automatisches Zugriffsrecht auf bestimmte Vorleistungen im Rahmen von öffentlichen Leistungen mehr haben. Ich halte diese Vorschrift für die wichtigste Vorschrift dieses Gesetzes, denn wenn sie auch tatsächlich die kommunalen Rechtsgrundlagen nicht automatisch ändert, so ist diese Vorschrift doch ein Signal, in welche Richtung es gehen soll. Ich bin sehr dankbar, dass wir es letztlich mithilfe aller Fraktionen geschafft haben, diesen § 4 unverändert zu lassen.

(Beifall bei der FDP)

Diese Vorschrift § 4 könnte in vielen Bereichen der wirtschaftlichen Betätigung des Landes zu positiven Veränderungen für Schleswig-Holstein führen, zum Beispiel bei der Landesplanung und damit übrigens auch bei der Neustrukturierung der LEG. Das Land beabsichtigt - wir haben darüber gestern debattiert -, beim Verkauf der restlichen Landesanteile die Planungs- und Entwicklungsabteilung herauszulösen, zu verselbständigen und zum 1. Januar 2004 mehrheitlich zu erwerben. Die Planungsarbeiten der LEG können von privaten Planungsunternehmen genauso gut oder besser für weniger Geld erbracht werden. Gerade die Planungssparte der LEG soll sich nicht durch besonders wirtschaftliche Ergebnisse auszeichnen. Das hören wir immer wieder und von allen Seiten. Stärkerer Wettbewerb führt auch im Planungswesen zu höherer Qualität bei niedrigerem Preis.

(Beifall bei der FDP)

Aus rein fachlicher Sicht hat die LEG keinen Vorsprung vor privaten Planungsunternehmen. Die Würdigung der Interessen des Landes in der Raumplanung können und müssen jeweils im konkreten Auftrag festgelegt werden.

Es stellt sich also bereits heute die Frage, warum das Land zum 1. Januar 2004 ein eigenes Planungsunternehmen kaufen will, das den Mittelstand in diesem Bereich außerordentlich behindert. Die Landesregierung täte gut daran, ihre Vorstellungen zur Zukunft der LEG unter diesen Aspekten sehr genau zu prüfen,

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass wir dieses Gesetz heute einstimmig, wie ich hoffe, verabschieden werden.

Das Gesetz hat einen weiteren wichtigen Teil zur Präzisierung des Vergaberechts. Es kodifiziert, es definiert öffentliche Auftraggeber und die zu beachtenden Vorschriften. Es regelt konkrete Verfahren, um öffentliche Vergaben transparenter und Korruption für die Täter gefährlicher zu machen. Meine Vorrednerin und mein Vorredner sind detailliert auf diese Regelungen eingegangen. Ich möchte an dieser Stelle nur noch einen Punkt aus Sicht der FDP hervorheben.

Wir sind weiterhin gegen das Tariftreuegesetz. Sowohl Herr Schröder als auch Frau Strauß haben dieses Thema angesprochen. Wir haben auch in den Beratungen klargemacht, dass wir hinsichtlich des Tariftreuegesetzes weiterhin unterschiedlicher Meinung sind und das auch bleiben. Wir halten es nach wie vor für unsinnig. Es schädigt einen großen Teil genau der Unternehmen, die wir mit dem heute vorliegenden Gesetz unterstützen wollen. Gleichwohl halten wir es für richtig, dass das Tariftreuegesetz als bindende Vorschrift für Vergaben in das Mittelstandsförderungsgesetz aufgenommen wurde. Es ist ein geltendes Gesetz. Es ist ein Gesetz, das rechtmäßig in diesem Landtag zustande gekommen ist. Damit kann es überhaupt keinen Zweifel daran geben, dass das Gesetz, solange es existiert, in einem Rechtsstreit anzuwenden ist.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dass Kommunen sich anders entscheiden können, gehört eben auch zu dem Tariftreuegesetz. Insofern ist der entsprechende Beschluss aus Lübeck nicht nur rechtmäßig, sondern aus unserer Sicht auch außerordentlich richtig.

Insgesamt haben wir also große Einigkeit erzielt, wenn auch vielleicht keinen großen Wurf gelandet. Das liegt nicht an mangelnden guten Absichten aller Beteiligten; das möchte ich noch einmal betonen. Vielmehr liegt es in der Natur der Sache: Ein solches Mittelstandsförderungsgesetz kann keine guten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen ersetzen und schlechte Rahmenbedingungen leider nicht ausgleichen. Aber vielleicht gelingt es uns ja, auf der Basis der Erfahrungen der guten Zusammenarbeit bei der Entwicklung dieses Gesetzes zumindest unter den wirtschaftspolitischen Fachleuten der Fraktionen größere Einigkeit über zukünftige Maßnahmen für sinnvolle wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen zu erzielen und diese Einigkeit in wirksame politische

(Christel Aschmoneit-Lücke)

Initiativen umzusetzen. Das hätte der schleswigholsteinische Mittelstand bitter nötig.

Erlauben Sie mir einen Rückgriff auf gestern und einen Vorgriff auf heute Nachmittag: Im Zusammenhang mit der Handwerksordnung scheint uns das ja auch gelungen zu sein. Ich bedanke mich in diesem Sinne bereits an dieser Stelle für die gute Zusammenarbeit bei beiden Initiativen.

(Beifall bei der FDP sowie vereinzelt bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Karl-Martin Hentschel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion ist sehr froh, dass wir heute einen interfraktionellen Gesetzentwurf zum Thema Mittelstand beraten und auf den Weg bringen. Ich bedanke mich ausdrücklich bei denjenigen, die viel Arbeit investiert haben, vor allem bei Frau Strauß, die die Initiative gestartet hat, und bei Bernd Schröder, der für die Koalitionsfraktionen sehr viel Arbeit hineingesteckt hat. Wir haben öfter darüber gesprochen. Aufgrund seiner Bemühungen ist es gelungen, dass es zu einem gemeinsam von allen Fraktionen getragenen Gesetzentwurf gekommen ist. Das finde ich ausgezeichnet.

(Beifall im ganzen Haus)

Gemeinsam wollen wir eine wirksame Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen, der Selbstständigen und der freien Berufe. Um dies zu erreichen, sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mittelstandsgerecht zu gestalten. Dazu gehören unter anderem die Prüfung der Mittelstandsverträglichkeit von Vorschriften sowie deren Vermeidung und die Überprüfung der Möglichkeiten der Privatisierung von Leistungen und Unternehmen der öffentlichen Hand.

Wir wollen die Leistungskraft und Wettbewerbsfähigkeit unseres Mittelstandes erhalten und steigern sowie ausbildungs- und sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse sichern und neu schaffen.

Ein wichtiger Grundsatz wird formuliert: Eine finanzielle Förderung setzt voraus, dass in der Regel eine Eigenleistung erbracht wird und eine erfolgreiche Durchführung des Vorhabens zu erwarten ist. Bei der

Ausführung des Gesetzes sind die Ziele und Grundsätze der Raumordnung und der Landesplanung sowie des Gender Mainstreaming zu beachten.

Bei dem § 7, der die berufliche Aus- und Weiterbildung betrifft, war es uns Grünen wichtig, dass ausdrücklich die Förderung von Maßnahmen zur Integration von Jugendlichen aus Migrantenfamilien in das duale Ausbildungssystem aufgenommen wurde; denn dies stellt immer noch ein großes Problem dar.

Das Land kann Existenzgründungen und Betriebsübernahmen im Rahmen des jeweiligen Haushaltsgesetzes unterstützen. Bei der Förderung von Existenzgründungen müssen die besondere Situation und die spezifischen Problemlagen von Frauen Berücksichtigung finden. Auch das ist ein Punkt, auf den wir besonderen Wert legen.

Das Land und seine öffentlichen Förderinstitutionen können im Rahmen der Möglichkeiten durch Kredite, Beteiligungen und Bürgschaften insbesondere zur Sicherung und Schaffung von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen beitragen.

Das, was wir bezüglich dieser Punkte geschrieben haben, ist natürlich nicht neu, sondern - das muss man betonen - es ist die gängige Praxis in SchleswigHolstein. Insofern ist die vorliegende Fassung des Gesetzentwurfs eine rechtliche Kodifizierung der Praxis, die das Wirtschaftsministerium in den letzten Jahren angewandt hat, und insofern auch ein Lob an den Wirtschaftsminister.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und der Abgeordneten Christel Asch- moneit-Lücke [FDP])

Ein Absatz ist der Schwarzarbeit gewidmet, die besonders der mittelständischen Wirtschaft schadet. Schwarzarbeit ist und bleibt kein Kavaliersdelikt und muss auf beiden Seiten, beim Kunden und beim Schwarzarbeiter sowie bei der Firma, bekämpft werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und der Abgeordneten Christel Aschmoneit-Lücke [FDP])

Der Gesetzentwurf behandelt den wichtigen Aspekt der öffentlichen Aufträge. Dabei sind neben den Verdingungsordnungen auch das Schleswig-Holsteinische Gesetz zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen - Tariftreuegesetz - vom 7. März 2003 anzuwenden. Ich möchte an dieser Stelle auf zwei Punkte hinweisen. Einmal bedanke ich mich bei den Oppositionsfraktionen dafür, dass sie - an sich ist das selbstverständlich; aber ich finde, man kann es trotzdem betonen - die Tatsache, dass es ein

(Karl-Martin Hentschel)

solches Gesetz in Schleswig-Holstein gibt, respektieren und darauf auch Bezug nehmen. Ich finde, das ist in Ordnung; Frau Aschmoneit-Lücke hat das noch einmal dargestellt.

Darüber hinaus gibt es an dieser Stelle einen Zielkonflikt - wir haben darüber auch im Ausschuss diskutiert -, und zwar den, was die Entbürokratisierung angeht. Wir alle wollen Entbürokratisierung. Wir wollen Vorschriften abschaffen. Wir haben aber in diesem Bereich relativ viele Vorschriften hineingeschrieben, in Bezug auf die Kommunen wird gesagt, es handele sich um viel überflüssige Bürokratie, um viel überflüssigen Aufwand, da behinderten wir sie.

Das, was wir in das Gesetz hineingeschrieben haben, sind sehr klare Regelungen bezüglich der Auftragsvergabe, was die Kommunen und das Land angeht. Mit diesen Regelungen ist natürlich ein Aufwand für die Kommunen verbunden. Auf der anderen Seite aber schaffen diese Regelungen Klarheit für die mittelständische Wirtschaft, wenn sie sich im Wettbewerb bewirbt. Das heißt, die Vorschriften führen zu Erleichterung und zu mehr Klarheit. Sie führen zu weniger Bürokratie und zu mehr Sicherheit für die mittelständische Wirtschaft. Wir hätten - dies war zum Teil der Wunsch der CDU-Fraktion - noch mehr hineinschreiben können. Dann hätten wir vielleicht noch mehr Klarheit für die mittelständische Wirtschaft geschaffen. Aber dies hätte zu einem noch größeren Aufwand für die Kommunen geführt.

Wir hätten natürlich auch weniger hineinschreiben können, was zu einem geringeren Aufwand für die Kommunen geführt hätte. Dies hätte aber negative Auswirkungen auf die mittelständische Wirtschaft gehabt. Das heißt, man muss einfach anerkennen: Es gibt in diesem Punkt Zielkonflikte. Bürokratiefreiheit ist nicht so ohne weiteres zu erreichen, sondern es sind diesbezüglich Abwägungen durchzuführen. Wir haben lange darüber geredet und eine Abwägung vorgenommen. Wir haben auch noch einmal mit den kommunalen Landesverbänden darüber gesprochen, die das kritisiert haben. Wir sind uns alle darin einig gewesen, dass die vorliegende Regelung ein guter Kompromiss ist. Dazu stehen wir auch.

Mittelständische Interessen an der Gewinnung von öffentlichen Aufträgen sollen insbesondere durch die Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose angemessen berücksichtigt werden. Auch das ist ein Punkt, den die Kommunen kritisiert haben.

Wir wollen zur Sicherung der Transparenz und zur Korruptionsbekämpfung Kontrollmechanismen im Vergabeverfahren von Bauleistungen einrichten, um nachträgliche Angebotsmanipulationen zu verhindern.

Des Weiteren wollen wir eine Art Gesetzesevaluierung einführen. Die Landesregierung soll dem Landtag einmal jährlich im Rahmen des Jahreswirtschaftsberichts über die Situation der mittelständischen Wirtschaft, über die getroffenen Fördermaßnahmen und die Entwicklungschancen sowie über das Ausschreibungs- und Vergabewesen auf Landesebene berichten.

Mit dem Gesetz wird nichts Neues erfunden und es wird auch nicht neues Geld geschöpft; das wissen wir alle. Wir haben im Bereich des Wirtschaftsministeriums natürlich Mittel im Rahmen der Förderprogramme. Aber wir wissen auch, dass wir bei den Förderprogrammen an sehr genaue Richtlinien der EU und, was die GA-Mittel angeht, des Bundes gebunden sind. Vielleicht ist das auch ein Grund, weiter darüber nachzudenken - wie wir das im Zusammenhang mit der Föderalismusdiskussion getan haben -, ob man nicht die Mischfinanzierung vonseiten des Bundes oder der EU abbauen oder in bestimmten Punkten erleichtern sollte, damit das Land noch besser als bisher genau das fördern kann, was es fördern will und was es selber für sinnvoll erachtet. Dann braucht es bei Fördermaßnahmen die Dinge nicht so hinzubiegen, dass sie in die Richtlinien der EU oder des Bundes passen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt, die Mischfinanzierung ist nicht immer sachdienlich. Sie führt dazu, dass Fördermaßnahmen manchmal mitgenommen werden, weil man das Projekt gut findet und dafür Förderung bekommt. Man könnte aber etwas Sinnvolleres machen, was jedoch nicht gefördert werden kann, weil irgendwelche Vorschriften dagegen stehen.

Das ist ein Punkt, an dem wir weiterarbeiten sollten. Wir werden mit diesem Gesetz kein neues Geld schaffen. Wir kodifizieren aber mit diesem Gesetz eine gute Praxis. Ich bedanke mich bei allen, die daran mitgewirkt haben, dass wir ein Gesetz bekommen, das von allen in diesem Land getragen wird. Das bedeutet auch, dass es ein Gesetz ist, das der mittelständischen Wirtschaft wirklich die Grundlagen schafft, die sie braucht.

(Beifall im ganzen Haus)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst einmal möchte auch ich mich ausdrücklich dafür bedanken, dass es uns gelungen ist, einen interfraktionellen Antrag zum Mittelstandsförderungsgesetz auf die Beine zu stellen. Dass sich alle fünf im Landtag vertretenen Parteien auf einen Gesetzentwurf geeinigt haben, zeigt, wie wichtig uns die Förderung des Mittelstandes ist. Dass dabei jeder in der Beratung zum Gesetz die eine oder andere Kröte hat schlucken müssen, ist dabei schon fast selbstverständlich und wurde bei meinen Vorrednern deutlich.

Das uns jetzt vorliegende Gesetz ist straffer gefasst und verzichtet weitgehend auf unverbindliche politische Erklärungen. Auch das ist ein Ausfluss der gemeinsamen Beratungen zum Gesetz und sicherlich im Sinne der Lesbarkeit und der Anwendbarkeit des Gesetzes.

Ich möchte nun zu einigen konkreten Bestimmungen des Gesetzes kommen. Da ich gerade von den Kröten gesprochen habe, die manch einer hat schlucken müssen, fange ich mit unserer Kröte an. Im § 4 wird der Vorrang der privaten Leistungserbringung als eigener Paragraph vorangestellt. Eine ähnliche Regelung gab es schon im alten Gesetz, aber eben nicht als eigenen Paragraphen. Da wird eine politische Zielsetzung deutlich, die wir, der SSW, so nicht uneingeschränkt teilen. Wir sehen die umfassende Privatisierung von öffentlichen Aufgaben und von öffentlichen Serviceleistungen kritisch. Wir sind der Meinung, dass es sehr viele Gründe gibt, nicht jede Leistung zu privatisieren und die Leistungserbringung nicht allein an ökonomischen Größen zu messen.

Die öffentliche Hand verfolgt vielfältige Ziele, die allesamt auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger sind. In manchen Fällen ist hier eine öffentliche Trägerschaft oder eine öffentliche Leistungserbringung sinnvoller. Viele Bereiche der öffentlichen Leistungserbringung haben entweder die Funktion, dass soziale Leistungen erbracht werden sollen, oder, dass ein gewisser Grad an öffentlicher Infrastruktur vorgehalten werden muss. Diese Bereiche können nicht nur unter monetären Gesichtspunkten betrachtet werden, die bei einer Privatisierung naturgemäß überwiegen würden.