Die öffentliche Hand verfolgt vielfältige Ziele, die allesamt auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger sind. In manchen Fällen ist hier eine öffentliche Trägerschaft oder eine öffentliche Leistungserbringung sinnvoller. Viele Bereiche der öffentlichen Leistungserbringung haben entweder die Funktion, dass soziale Leistungen erbracht werden sollen, oder, dass ein gewisser Grad an öffentlicher Infrastruktur vorgehalten werden muss. Diese Bereiche können nicht nur unter monetären Gesichtspunkten betrachtet werden, die bei einer Privatisierung naturgemäß überwiegen würden.
Wenn es wirklich nur um die Verbesserung bestehender Strukturen ginge, wie immer vorgegeben wird, so könnte man dies auch bei öffentlicher Leistungserbringung bewerkstelligen. Das wäre eher eine Organisationsfrage. Worum es hier in der Zielsetzung aber auch geht, ist, dass die private Leistungserbringung per se die bessere Lösung sein soll. Das ist nicht
der Fall. Betrachtet man zum Beispiel die Privatisierung der Wasserver- und -entsorgung in verschiedenen europäischen Ländern, so kann man feststellen, dass die Trinkwasserqualität dort, wo privatisiert wurde, nicht verbessert worden ist. Auch die Gebühren für die Versorgung mit Wasser und für die Entsorgung sind nicht geringer geworden, sondern gestiegen. Auch die Qualität der Versorgung ist in diesen Ländern nicht verbessert worden. Darüber hinaus kann man überall feststellen, dass die entsprechenden Arbeitsplätze in diesen Bereichen stark abgebaut worden sind. Die einzigen, die es bei diesen Privatisierungen leichter hatten, sind die Kommunen und die örtliche Politik, weil man sich eines Problems entledigt und die Verantwortung hierfür bequem abgegeben hat.
Genau das darf nicht passieren. Im Bereich der Wasserver- und -entsorgung wäre eine Privatisierung - auch vor dem Hintergrund, dass die Versorgung mit Wasser für mich ein Grundrecht ist - daher eher ein Fluch als ein Segen. Dieses Beispiel, dessen zukünftige Auswirkungen gerade auch bei uns diskutiert werden, soll unsere kritische Haltung gegenüber dem Vorrang der privaten Leistungserbringung verdeutlichen.
Wir haben der Formulierung in § 4 trotzdem deshalb zustimmen können, weil es sich um eine Sollbestimmung handelt und sie damit nicht verbindlich ist und weil neben der ökonomischen Betrachtungsweise auch festgeschrieben wurde, dass die öffentliche Hand Leistungen erbringen soll, wenn sie das besser kann. Das Wort „besser“ lässt sich natürlich auf vielerlei Art und Weise deuten und trägt dazu bei, dass der Spielraum für die öffentliche Hand groß genug ist, um weiterhin die Leistungen in Eigenregie erbringen zu können. Damit folgen wir - das haben wir vorgestern im Ausschuss gehört - dem Wunsch der kommunalen Landesverbände, was für mich eine ganz wichtige Sache ist.
Betrachtet man die im Abschnitt II genannten Fördermaßnahmen, die möglich sein sollen, so kann man sagen, dass hier ein breiter Spielraum für Wirtschaftsförderung aller Art gegeben wird. In diesem Zusammenhang freut es mich im Übrigen, dass es uns gelungen ist, die Förderung grundsätzlich auch an die Beachtung des Gender Mainstreaming zu koppeln.
Neu ist, dass es spezielle Regelungen für Existenzgründungen und für Betriebsübernahmen geben wird. Gerade das Thema Betriebsübernahmen wird in
den nächsten Jahren eine besondere Rolle spielen, da in vielen Betrieben der Generationenwechsel ansteht. Junge Unternehmer, die einen bestehenden Betrieb übernehmen wollen, müssen sich einkaufen und natürlich auch investieren.
Aber wer hat schon am Anfang seiner unternehmerischen Karriere so viel Geld, dass er sich gleich in ein funktionierendes Unternehmen einkaufen kann? Da die Banken nicht sehr freigiebig mit Krediten an Kleinunternehmer und an Mittelständler sind, verschwindet so manches alte Unternehmen mitsamt den dazugehörigen Arbeitsplätzen von der Bildfläche, mit all den Nachteilen für die Menschen, die dazu gehören, aber auch für die schleswig-holsteinische Wirtschaft.
Das Wirtschaftsministerium hat hier schon in den vergangenen Jahren eingegriffen und Existenzgründer und Existenzgründerzentren gefördert. Aber jetzt haben wir im Gesetz dieses politische Ziel noch einmal mit Leben erfüllt und es zu einem vordringlichen Ziel der Landespolitik gemacht. Ich glaube, mit den Bestimmungen in § 8 kommen wir wichtigen Wünschen der mittelständischen Wirtschaft nach. Allerdings geht es hier nur um Informationen über Förderprogramme und Steuererleichterungen.
Was wir, der SSW, uns gewünscht hätten, wäre - wir wissen auch, dass das derzeit nicht finanzierbar ist - die Möglichkeit der einzelbetrieblichen Förderung. Aufgrund der knappen Kassen ist dies derzeit im größeren Umfang nicht möglich. So muss sich der Existenzgründer oder derjenige, der einen Betrieb übernimmt, erst einmal an die bestehenden Programme halten. Hierbei kommt es daher auf eine umfassende Marktbeobachtung der betroffenen Stellen an und darauf, dass die Beratung so ausführlich wie möglich ist. Trotzdem bleibt unser Wunsch, irgendwann einmal ein landeseigenes Programm zur einzelbetrieblichen Förderung für Existenzgründer und Betriebsübernahmen zu schaffen, zumal genau diese beiden Bereiche die Bereiche sind, die entweder - siehe Existenzgründungen - bei uns gut laufen oder - siehe Betriebsübernahmen - in den nächsten zehn bis 15 Jahren vermehrt anstehen.
Das Gesetz befasst sich aber nicht nur mit der reinen Förderung des Mittelstandes, sondern auch mit der Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Wie im alten Gesetz findet sich die Verpflichtung wieder, bei öffentlichen Aufträgen VOB, VOF und VOL anzuwenden. Leider finden sich im Gesetz keine Regelungen zu Sanktionen, die eintreten, wenn die Verdingungsordnungen nicht eingehalten werden. Dies mag aus rechtstechnischen Gründen nicht ohne weiteres möglich sein, aber trotzdem ist dies ein wenig zu bedau
ern, da die Problematik der relativen Unverbindlichkeit in den Folgen des Verstoßes immer wieder Gegenstand von Diskussionen und Unzufriedenheit in der Wirtschaft ist.
Trotzdem gibt es aber auch vor diesem Hintergrund einen Lichtblick, da in § 14 ausdrücklich gefordert ist, dass das Tariftreuegesetz anzuwenden ist. Dieses Gesetz trägt dazu bei, dass unsere mittelständischen Unternehmen überhaupt wieder die Chance haben, am Wettbewerb um öffentliche Aufträge teilzunehmen. Außerdem trägt es so auch zur Sicherung von Arbeitsplätzen in Schleswig-Holstein bei. Die Diskussionen um das Gesetz sind uns noch allen präsent, sodass ich diese hier nicht zu wiederholen brauche. Mir ist wichtig festzuhalten, dass gerade die mittelständische Wirtschaft dieses Gesetz nicht nur begrüßt, sondern auch gefordert hat. Worauf ich aber eigentlich hinaus wollte, ist, dass im Tariftreuegesetz genau beschrieben wird, welche Sanktionen drohen, wenn gegen das Gesetz verstoßen wird. Genau diese Verbindung zwischen dem Mittelstandsförderungsgesetz und dem Tariftreuegesetz schafft nun eine gewisse Verbindlichkeit, die es im alten Gesetz so nicht gab. Das ist ein wichtiger Fortschritt.
Somit kann man abschließend sagen, dass das Mittelstandsförderungsgesetz jetzt verbindlicher geworden ist; es ist straffer formuliert. Die Tatsache, dass wir alle zusammen dieses Gesetz einbringen, ist ein politisches Signal nach außen. Wir zeigen so gemeinsam, dass wir die mittelständische Wirtschaft fördern wollen und die Zeichen der Zeit erkannt haben. Für die gute parteiübergreifende Zusammenarbeit zum Wohle der schleswig-holsteinischen Wirtschaft möchte ich Ihnen allen daher ausdrücklich danken.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich neige weiß Gott nicht zum Pathos, aber ich möchte eine Bemerkung voranstellen: Das, was dieses hohe Haus gestern zur Handwerksordnung beschlossen hat und heute zum Mittelstandsförderungsgesetz beschließt und was gemeinsam vorbereitet worden ist, halte ich für ein ganz bemerkenswertes Signal einer partei- und
Ich freue mich auch deswegen sehr darüber, weil Schleswig-Holstein - das sage ich ganz bewusst übergreifend und nicht nur auf die Landesregierung bezogen - sich mindestens in den letzten 18 Monaten auch länderübergreifend als ein Land engagiert hat, das mit Initiativen zum Mittelstand über Schleswig-Holstein hinaus für Bewegung gesorgt hat. Dafür danke ich allen Beteiligten.
Ich hoffe natürlich auch, dass sich diese Schwerpunktsetzung, die ich gestern und heute hier gespürt habe, auch in den Haushaltsberatungen niederschlagen wird. Ich selbst werde mich - das werden Sie verstehen - dafür einsetzen.
Das Gesetz, das heute verabschiedet wird, zeigt, dass wir uns alle der Bedeutung des Mittelstandes bewusst sind. Es unterstreicht erneut, was wir in Sonntagsreden auch immer sagen, nämlich dass der Mittelstand die Säule der Wirtschaft in SchleswigHolstein und die entscheidende Basis für Arbeits- und Ausbildungsplätze ist. Ohne Mittelstand bekämen wir in Schleswig-Holstein niemals genug neue Ausbildungs- und Arbeitsplätze. Deshalb möchte ich auch allen, die an dieser Koordinierung beteiligt waren, über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg herzlich danken.
Auf die wichtigsten Änderungen ist eingegangen worden. Ich möchte das kurz fassen. Die Mittelstandsverträglichkeit von gesetzlichen Regelungen ist für mich mit der wichtigste Punkt überhaupt, weil wir immer wieder dazu neigen, Gesetze zu machen, ohne uns vorher zu überlegen, welche Auswirkungen das nicht nur für die unmittelbar Betroffenen - das überlegen wir uns meistens noch -, sondern für die mittelbar Betroffenen hat. Deshalb ist für mich, für uns, für das Kabinett und für die Parlamente ganz entscheidend, dass die Mittelstandsverträglichkeit nicht nur ein Schlagwort bleibt, sondern von uns gemeinsam sehr ernst genommen wird.
Herr Harms, zum Thema Vorrang der privaten Leistungserbringung bin ich völlig anderer Auffassung als Sie. Ich finde, wenn wir sagen, dass die private Leistungserbringung dann den Vorrang haben soll, wenn sie mindestens gleich gut oder besser ist, dann heißt das auch, dass die öffentliche Hand die Leistungen erbringt, die sie besser erbringen kann.
Das ist auch in Ordnung. Die Leistungen, die andere besser oder gleich gut erbringen können, sollen die Privaten erbringen.
Das ist übrigens meines Erachtens auch das dänische Staatsverständnis. Ich habe das immer so verstanden, dass das Verständnis herrscht, dass der Staat subsidiär das macht, was Staatsaufgabe ist. Das andere soll von Privaten erledigt werden.
Dass wir nicht auf die Kommunen durchgreifen können, ist völlig klar. Wir können hier nur appellieren und sagen, wir wünschten uns, dass die Kommunen das so weit wie möglich auch so machen. Das ist meine Auffassung, das tun wir. Dass Sie anderer Auffassung sind, bedauere ich. Ich finde, dass dies als Signal an die öffentlichen Institutionen von ganz großer Bedeutung ist.
(Beifall der Abgeordneten Christel Aschmo- neit-Lücke [FDP] und Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich möchte nicht weiter auf das Gesetz eingehen, das ist bereits getan worden. Das Gesetz ist ein Gesetz. Die Mittelstandspolitik wird in der Praxis gemacht. Ich will an dieser Stelle auch nicht sagen, was wir alles tun. Das wäre heute hier nicht der richtige Ort. Ich glaube unter dem Strich schon, dass wir im Rahmen der Möglichkeiten des Landes Schleswig-Holstein eine Menge tun: Angefangen von den Finanzierungsinstrumenten, die übrigens besser als in einigen anderen Ländern organisiert sind, bis hin zur Zusammenarbeit zwischen Investitionsbank und mittelständischer Beteiligungsgesellschaft, Bürgschaftsbank und Landesregierung funktioniert bei uns vieles besser als in anderen Länder. Fragen Sie einmal Ihre Kollegen in manchen anderen Ländern, was dort in der Mittelstandspolitik passiert.
Ich behaupte auch, dass die Technologieförderung in diesem Land, natürlich mit begrenzten Mitteln - wer wüsste das nicht besser als ich selbst -, sehr mittelstandsorientiert ausgerichtet ist. Wir sagen nämlich, dass die Stiftung TTZ in allem, was sie tut, den Transfer von unseren Forschungseinrichtungen gerade in die mittelständische Wirtschaft fördert und dabei auch die Kooperation zwischen Unternehmen unterstützt. Das tut sie auch, und zwar mit Erfolgen, wie man an den Netzwerken der Medizintechnik, der
Wir reden über Bürokratieabbau. Das ist meistens ein Schlagwort. Das Land Schleswig-Holstein hat auch hier noch einige Aufgaben zu lösen. Wir haben einen Katalog von Statistikpflichten vorgelegt, den wir der Bundesregierung übermittelt haben. Das muss auf Bundesebene abgestimmt werden. Dabei haben wir wieder mehr Vorschläge als andere Länder gemacht. Zusammen mit den Wirtschaftsverbänden haben wir eine kleine Arbeitsgruppe gebildet, die im Moment alles macht, was wir in Schleswig-Holstein machen können. Es bringt nichts, pauschal Vorschriften abzubauen. Man muss sich im Einzelnen angucken, wo es wirklich hakt. In dieser Arbeitsgruppe werden einzelne Bereiche durchgegangen und konkrete Vorschläge gemacht. Ich bin sicher, dass da noch einiges herauskommt. Wir haben vor zwei Tagen über das Tourismuskonzept gesprochen. Dabei haben wir festgestellt, dass es auch da Regelungen gibt, die man durchaus etwas flexibilisieren kann.
Entscheidend ist, dass wir nicht über Mittelstandspolitik reden, sondern sie machen. Ich habe den sicheren Eindruck, dass all das, was wir in Schleswig-Holstein machen können, im Rahmen der begrenzten Mittel von uns gemacht wird. Ich habe auch von Ihnen, von der CDU und der FDP, eigentlich keine Vorschläge gehört, die über das hinausgehen, was die Landesregierung macht. Daher sage ich auch in dieser Hinsicht: Das, was wir tun können, tun wir. Ich finde, das sollten wir auch mit Selbstbewusstsein tun.
Lassen Sie mich abschließend auf den vielleicht wichtigsten Punkt eingehen: 80 % der Mittelstandspolitik wird nicht in Schleswig-Holstein gemacht, sondern in Berlin und in Brüssel. Es ist jetzt entscheidend, dass die Agenda 2010 umgesetzt wird. Das ist ein Stück Mittelstandspolitik. Die Reduzierung der Lohnnebenkosten ist für den Mittelstand das wichtigste Thema überhaupt. Es ist im Moment übrigens auch wichtiger als jede Steuerpolitik. Nicht nur die Begrenzung der Lohnnebenkosten, sondern auch die Senkung der Lohnnebenkosten ist das Thema. Ich knüpfe hier an die Debatte von gestern an. Hier kann man nur zweisträngig verfahren. Man muss Leistungen auf den Prüfstand stellen, man muss aber auch die Finanzierungssäule mit bedenken. Die Finanzierungssäule ist anderswo bekanntlich - etwa in Dänemark oder in anderen Ländern - anders geregelt.
Ich unterstütze nicht jeden Vorstoß meines Berliner Kollegen. Etwa den Vorstoß zu den Feiertagen kann ich in dieser Form nicht nachvollziehen. Was er je
doch zum Bürokratieabbau, zur Verbesserung der finanziellen Sicherung von kleinen und mittleren Unternehmen oder zur Flexibilisierung des Arbeitsrechts vorgeschlagen hat, halte ich im Prinzip für sinnvoll. Da unterstützen wir ihn gemeinsam. Deshalb kommt es jetzt darauf an, bis zur Sommerpause die entsprechenden gesetzlichen Regelungen umzusetzen, damit das Signal an die Wirtschaft ist: Ja, es passiert, es wird umgesetzt. Wenn wir das zusammennehmen, dann können wir doch feststellen: Es tut sich schon etwas in der Mittelstandspolitik, und zwar in Schleswig-Holstein und im Bund. Wenn wir so weitermachen, dann gibt es eine gute Chance, dass wir im zweiten Halbjahr - oder spätestens in 2004 - auch in der mittelständischen Wirtschaft wieder einen Stimmungswandel nach oben und damit einen entsprechenden Aufschwung bekommen. In diesem Sinne verstehe ich das, was wir gestern hier gemeinsam geleistet haben ebenso wie das, was heute hier verabschiedet wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Hentschel, ich spreche Sie noch einmal ganz persönlich an. Ich glaube, wir sind uns alle einig, nur haben Sie auch in den Sitzungen mehrfach gesagt, dass wir hier einen gewissen Bürokratieaufbau betreiben. Das möchte ich an dieser Stelle zurückweisen.