Protokoll der Sitzung vom 20.06.2003

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das war sehr gut!)

- Vielen Dank, Herr Kubicki, für diesen Kommentar.

1997 haben wir uns zum letzten Mal den Tätigkeitsbericht des Landeszentrums für den Datenschutz Schleswig-Holstein hier debattiert, und dies, obwohl wir jedes Jahr bestätigen, dass der Datenschutzbericht wichtig für uns ist und wir mit der Arbeit des Datenschutzbeauftragten äußerst zufrieden sind. Seit 1997 wurden ansonsten die Berichte in die Ausschüsse überwiesen - dort wurden sie sehr eingehend erörtert - und abschließend zur Kenntnis genommen.

Wer die Presse in den letzten Wochen verfolgt hat, musste mit Erschrecken feststellen, dass sowohl der Bundes- als auch der Landesdatenschützer insbesondere die zunehmende Überwachung der Telekommunikation anmahnt und kritisiert. Dies ist zum einen darin begründet, dass die gesamte Rechtslage der Überwachung der Telekommunikation kompliziert, unübersichtlich und nicht sauber voneinander abgegrenzt ist, und zum anderen, dass die richterlichen Anordnungen seit 1995 auf fast 22.000 angestiegen sind. Dies ist eine Zunahme von mehr als 350 % in weniger als einem Jahrzehnt. Letzteres ist insofern erschreckend, als es laut Aussage des Bundesdatenschützers keine nachvollziehbare und befrie

(Silke Hinrichsen)

digende Erklärung hierfür gibt. So hat dies unter anderem bereits zur Folge, dass sich Deutschland in den vergangenen Jahren zu einem Abhörparadies entwickelt hat.

Wir dürfen nicht zulassen, dass sich in unserem Land schleichend und fast unbemerkt eine Überwachungskultur entwickelt, deren tatsächliche Effizienz und Notwendigkeit nicht nachgewiesen sind. Hier gilt es besonders aufzupassen. Telefonüberwachungen sollten nur dann eingesetzt werden, wenn andere Ermittlungsmaßnahmen versagen.

(Beifall beim SSW)

Doch wie sieht es nun mit der Einhaltung des Datenschutzes in anderen Bereichen unseres Landes aus? Auch hier müssen wir feststellen, dass es keinen Anlass zum Jubeln gibt. Ich möchte gern auf ein Beispiel des Landesdatenschützers zurückgreifen, das deutlich macht, dass wir auch nach dem 11. September weiterhin das Augenmaß wahren müssen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Bericht wird ausgeführt, dass Ausländerbehörden in bundesweit verteilten Merkblättern aufgefordert werden, Ausländer anhand vager, zur Geheimsache erklärter Kriterien an die Polizei zu melden, obwohl keine Rechtsgrundlage für derartige Meldungen besteht. Daher forderte der Landesdatenschützer zu Recht, dass die Ausländerbehörden diese Merkblätter sofort im Schredder zu entsorgen haben. Wir müssen Sorge dafür tragen, dass es im Fahrtwind des 11. Septembers nicht noch zu einer Hysterie kommt.

Als SSW kann ich natürlich nicht umhin, das im Bericht genannte Informationsfreiheitsgesetz zu erwähnen. Die Bilanz dieses Gesetzes fällt in SchleswigHolstein nach zwei Jahren positiv aus. Das Gesetz hat sich inzwischen etabliert. Allen Unkenrufen zum Trotz gab und gibt es offensichtlich in der täglichen Behördenpraxis nicht die ganz großen Probleme mit der Umsetzung. Dies freut umso mehr, als das der Beweis dafür ist, dass unser viel gescholtener Verwaltungsapparat einerseits durchaus in der Lage ist, schnell und zuvorkommend zu reagieren.

(Beifall beim SSW)

Andererseits wird es von den Bürgern auch angenommen und nicht als Instrument missbraucht, um - wie anfänglich befürchtet - die Verwaltung unnötig zu lähmen. Schade ist aber vor allem, dass es bis heute auf Bundesebene nicht erkannt worden ist, dass dies ein sinnvolles Instrument ist.

Abschließend möchte ich mich im Namen des SSW bei Herrn Dr. Bäumler und seinem Team für ihren unermüdlichen Einsatz zum Schutz unserer Daten bedanken. Wir halten auch weiterhin daran fest, dass der Datenschutz auch in Zukunft eine wichtige Aufgabe dieses Landes bleibt. Wir wissen, dass das ULD auch in Zukunft den Datenschutz weiter optimieren wird. Dies wird vor dem Hintergrund der sich ausweitenden Technologien

(Glocke des Präsidenten)

in allen gesellschaftlichen Bereichen und den damit verbundenen Möglichkeiten des Missbrauchs eine wichtige Aufgabe des ULD sein. Ich möchte mich an dieser Stelle bei dem bisherigen Vorsitzenden des Datenschutzgremiums ausdrücklich dafür bedanken, dass er die Arbeit des Datenschutzgremiums weiter vorangebracht hat und wir auf eine bewährte Grundlage zurückgreifen können. Vielen Dank, Herr Geißler!

(Beifall bei SSW, SPD und des Abgeordne- ten Torsten Geerdts [CDU])

Ich erteile Herrn Minister Buß das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beschränke mich in meinen Ausführungen zum Tätigkeitsbericht des ULD auf das Thema Telefonüberwachung.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubi- cki [FDP])

Das ULD kritisiert unter der Überschrift „Wenn sich zum Überwachungseifer auch noch Regelungswut gesellt“ deutlich die bundesgesetzlichen Regelungen zur Telekommunikationsüberwachung. Die Landesregierung hat sich bereits umfassend in der Antwort auf die Große Anfrage der SPD-Landtagsfraktion zur Datenschutzpolitik für Schleswig-Holstein zur Überwachung der Telekommunikation geäußert. Die kritisierte Zunahme der Telefonüberwachungen erklärt sich unter anderem durch die Entwicklung der Telekommunikationsmöglichkeiten. Die Zahl der Handy-, Internet- und ISDN-Nutzer hat in den letzten Jahren um ein Vielfaches zugenommen. Viele Menschen nutzen die verschiedenen technischen Möglichkeiten parallel. Da jedoch jeder einzelne Anschluss als separate Überwachung zählt, obwohl gegebenenfalls nur eine Person betroffen ist, ergibt sich daraus zwangsläufig eine Zunahme der Zahlen. Herr Dr. Garg, in Amerika zählt man nach meiner Kenntnis anders.

(Minister Klaus Buß)

Dort wird nur die überwachte Person gezählt, nicht aber die Anzahl der benutzten Anschlüsse. Daher resultiert der von Ihnen zitierte Unterschied.

Wegen der tiefen Eingriffe in die Privatsphäre ist die Telefonüberwachung zwar als Ultima Ratio anzuwenden, jedoch im Einzelfall ein unentbehrliches Instrument im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Problembewusst hat der Bundesgesetzgeber die von dem ULD kritisierten Nachfolgeregelungen des § 12 Fernmeldeanlagengesetz bis zum 31.12.2004 befristet. Die Regelungen ermöglichen den Strafverfolgungsbehörden, zu Ermittlungs- und Fahndungszwecken auf richterliche Anordnung von den Dienstanbietern Auskunft über Beginn und Ende der Verbindung sowie über die Rufnummer des Telefonanschlusses oder des Mobiltelefons zu verlangen.

Die von verschiedener Seite geäußerte Sorge, dass der Staat sich auf diese Weise im Übermaß Informationen über seine Bürgerinnen und Bürger beschaffen könnte, hat die Bundesregierung ernst genommen und eine Untersuchung zur Effizienz dieses Ermittlungsinstruments beim Max-Planck-Institut in Freiburg in Auftrag gegeben. Herr Rother hat das Ergebnis zitiert; ich erspare mir weitere Ausführungen dazu.

Die Bundesregierung wird auf der Grundlage dieses und eines weiteren Gutachtens der Universität Bielefeld den Reformbedarf der heimlichen Ermittlungsmaßnahmen sorgfältig prüfen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. März dieses Jahres in die Prüfung einbeziehen. Der Gesetzgeber auf Bundesebene und vor allem die Landesregierung halten es für wichtig. Sie gehen zunehmend dazu über, sensible Eingriffsermächtigungen für die Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden mit einem zeitlichen Verfallsdatum zu versehen. Ich verweise auf unser Gesetz zur Einführung des automatisierten Datenabgleichs, das hier mehrfach zitiert worden ist. Sie wissen, es ist bis zum 31.12.2005 befristet.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das hat das Par- lament durchgesetzt!)

- Vielen Dank, dagegen habe ich nichts gesagt. Ich darf doch darauf verweisen, das ist ein gültiges Gesetz, das auch für mich gilt, Herr Kubicki.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ja, er hat trotzdem Recht!)

- Ich habe nichts anderes gesagt, das ist völlig unstrittig.

Eines stelle ich deutlich klar: Die Gesetzgebungsmotive waren nicht durch Überwachungseifer und Regelungswut begründet. Es ging und geht um berechtigte

Sicherheitsinteressen der Bürgerinnen und Bürger, die sich in der Abwägung der Verfassungsrechtsgüter in - ich betone - wenigen Punkten gegen berechtigte Belange des Datenschutzes durchgesetzt haben.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Landesregierung wird sich jedenfalls weiter in diesem Sinne bei der Evaluation der Vorschriften für ausgewogene Regelungen der Telekommunikationsüberwachung einsetzen. Herr Kubicki, wir wissen das Parlament auf unserer Seite. Die weiteren Punkte können wir im Ausschuss diskutieren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, FDP und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Ich schlage vor, den Bericht zur abschließenden Beratung an den Innen- und Rechtsausschuss und zusätzlich mitberatend an alle Fachausschüsse zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Wir kommen zum letzten Tagesordnungspunkt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 30 auf:

Kindergesundheitsbericht

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/2241

Bericht und Beschlussempfehlung des Sozialausschusses Drucksache 15/2638 (neu)

Ich erteile dem Berichterstatter des Sozialausschusses, Herrn Abgeordneten Beran, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Sozialausschuss hat den CDU-Antrag beraten und empfiehlt, ihn mit den Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in folgender Fassung zu beschließen:

Erstens. Im Rahmen der für 2006 vorgesehenen Vorlage der „Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ des Robert-KochInstituts soll eine umfassende schleswig-holsteinische Berichterstattung erfolgen.

Zweitens. Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz wird gebeten, dem Sozialaus

(Andreas Beran)

schuss zeitnah schriftlich über die SchuleingangsUntersuchungen und über seine Maßnahmen zum Gesundheitsziel „Verringerung von Allergien“ zu berichten. Die Landesregierung wird gebeten darzustellen, in welchen Bereichen sie im Kindergesundheitsschutz tätig ist.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)