Protokoll der Sitzung vom 29.08.2003

Lieber Kollege Ritzek, wenn Sie sich mit Ihren bildungspolitischen Sprechern unterhalten, dann werden die Ihnen das bestätigen und Ihnen auch zur Genüge Zahlen liefern. Aber entscheidende Fortschritte hat es seitdem nicht gegeben.

Aus dem vorliegenden Bericht geht leider nicht genau hervor, wie sich die Landesregierung die weiteren Perspektiven in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit vorstellt. Nur darauf zu verweisen, dass diese Zusammenarbeit ein wichtiger Teil der Ostseepolitik Schleswig-Holsteins ist, reicht aus der Sicht des SSW nicht aus. Wir stehen vor einer wichtigen Weichenstellung und müssen auch konkrete Fortschritte für die Bürgerinnen und Bürger der Region erreichen. Dabei haben sich nicht so sehr die unterschiedlichen Steuer- und Sozialsysteme als Hemmschuh erwiesen - auch darüber gibt es genügend Analysen -, sondern vielmehr die Kultur- und Verwaltungsunterschiede in der Grenzregion.

Der SSW fordert daher einen weiteren Abbau der kulturellen und bürokratischen Hemmnisse in der deutsch-dänischen Grenzregion, zum Beispiel durch einen Ausbau des Dänischunterrichts in den öffentlichen Schulen des Landesteils Schleswig und durch die Entwicklung eines gemeinsamen Leitbildes für die zukünftige grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Joachim Behm [FDP])

Übrigens, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind das konkrete Forderungen an die Landesregierung, die der Schleswig-Holsteinische Landtag im letzten Jahr einstimmig verabschiedet hat. Wir bedauern, dass bisher nicht mehr passiert ist. Wir können nur sagen: Wir müssen uns alle zusammenreißen, uns alle einen Ruck geben, damit wir alle zusammen das Klassenziel noch erreichen.

Allerdings gibt es auch auf dänischer Seite - das wurde schon angesprochen - eine Entwicklung, die aus unserer Sicht nicht ganz unproblematisch ist. Alles deutet daraufhin, dass wir in wenigen Jahren nördlich der Grenze eine Kommunalreform bekommen und dass diese Kommunalreform dazu führen wird, dass wir größere Einheiten erhalten. Eine Zusammenlegung von Sønderjyllands Amt mit anderen Regionen im südlichen Teil Jütlands könnte die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in dem Sinne beein

trächtigen, dass sie in einer großen Einheit kaum noch dasselbe politische Gewicht haben wird.

(Rolf Fischer [SPD]: Natürlich!)

Der SSW hofft daher, dass die Politiker in Dänemark diese Aspekte bei den anstehenden Reformen ausreichend berücksichtigen. Wir haben in Gesprächen schon darauf aufmerksam gemacht. Wir haben auch auf die Sorgen der deutschen Minderheit aufmerksam gemacht.

Ebenso entscheidend für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist, dass die dänischen Kommunen gleichwertige Kooperationspartner in SchleswigHolstein vorfinden. Südlich der Grenze müssen wir uns fragen, ob unsere Gemeinden wirklich handlungsstarke Partner darstellen. Das 5,3-MillionenEinwohnerland Dänemark hat heute 271 Kommunen und will diese Zahl weiter reduzieren. In SchleswigHolstein leben gut 2,8 Millionen Menschen in über 1.100 Kommunen. Das ist auf Dauer keine gute Basis für eine verstärkte Zusammenarbeit.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich fasse zusammen: Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Dänemark hat eine andere Qualität als andere Formen von regionaler Zusammenarbeit. Deutschland war über Jahrhunderte das größte außenpolitische Problem Dänemarks. Wir haben in Teilen eine unvereinbare Geschichte gehabt.

Ziel einer verstärkten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sollte daher sein, die besonderen Stärken der Region zu nutzen - zum Wohl der Menschen in der Grenzregion und zum Wohl der beiden Länder Deutschland und Dänemark, Schleswig-Holstein und Sønderjyllands Amt.

(Beifall bei SSW, SPD und FDP)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Dr. von Hielmcrone.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Wortbeitrag von Herrn Kollegen Ritzek hat mich bewogen, hier noch einiges zu sagen. Ich fand einige Anmerkungen im Hinblick auf das schwierige deutsch-dänische Verhältnis - Anke, du hast darauf hingewiesen -, dass über Jahrhunderte angedauert hat, zumindest ein wenig kleinlich, in Teilen auch falsch. Sie waren aus folgendem Grund falsch: Sie monieren,

(Dr. Ulf von Hielmcrone)

dass die Regierung zu der Gebietsreform, die in Dänemark ansteht, nichts gesagt hat. Ich halte es für richtig, dass wir an dieser Stelle auch als Interessenwahrer der deutschen Minderheit in Dänemark darauf hinweisen, dass es hier Probleme geben wird, dass Dinge verwischt werden und es in einem größeren Zusammenhang in der Tat Gefahren für die deutsche Minderheit und das Bewusstsein eines Grenzlandes überhaupt in Dänemark geben wird. Das ist sicherlich richtig. Das kennen wir auch von uns selber. Wir, die wir aus dem Grenzland kommen, haben recht große Schwierigkeiten, unseren Kollegen südlich der Eider klarzumachen, wie schwierig die Grenzlandsituation ist.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Insofern sehe ich dieser Entwicklung in Dänemark durchaus mit Sorge entgegen.

Ich halte es aber auch für richtig, dass sich die Regierung dazu nicht exponiert. Das ist nicht Aufgabe der Regierung. Das Parlament kann das als Interessenwahrer sagen, aber die Regierung sollte es nicht sagen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Die Regierung sollte sich nicht in auswärtige Angelegenheiten einmischen. Ich kann der Regierung nur sagen: Das hat sie richtig gemacht. Ich weiß nicht, welche Gespräche hinter den Kulissen geführt werden. Hier aber sollte sie öffentlich nichts dazu sagen.

Der Grenzfriedensbund wird sich dazu natürlich noch artikulieren, Herr Vorsitzender. Das ist richtig. Hier sollten wir die Regierung wirklich in Schutz nehmen. Ansonsten sollten wir uns alle dort, wo wir es können, an dieser Grenzarbeit beteiligen.

Auch dort muss man immer wieder vor hochtrabenden Plänen warnen. Natürlich wird die Region Sønderjylland/Schleswig so schnell keine besonderen, hervorragenden Ergebnisse zeitigen. Aber auch dort ist der Weg das Ziel, die Zusammenarbeit, der ständige Austausch, immer wieder das Bewusstsein, auf die andere Seite hinzuweisen, übrigens auch auf die gemeinsame Geschichte. Das ist wichtig. Das sollten wir jeder da, wo wir aufgerufen sind, auch tun.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, die Drucksache 15/2731, zur abschließenden Beratung in

den zuständigen Europaausschuss zu überweisen. Wer dem so zustimmen will, den darf ich um sein Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Stimmenthaltung? - Dann ist das vom Haus einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Erste Lesung des Entwurf eines Gesetzes über die Sonn- und Feiertage (SFTG)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 15/2802

Ich erteile zunächst Herrn Innenminister Klaus Buß das Wort zu Begründung.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Gesetzentwurf beabsichtigt die Landesregierung, ein Gesetz, das in seinen Grundzügen seit 50 Jahren unverändert geblieben ist, zu ersetzen. Das geltende Gesetz ist in einzelnen Passagen aus heutiger Sicht schwer verständlich und entspricht nicht mehr den Anforderungen an einen zeitgemäßen Sonn- und Feiertagsschutz.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das haben wir seit einiger Zeit gesagt!)

Durch die zum Teil nicht praktikablen Vorschriften wird der Schutz von Sonn- und Feiertagen ausgehöhlt, weil er von den Behörden nicht mehr konsequent vollzogen wird. Dem soll entgegengewirkt werden, indem der Zweck der Sonn- und Feiertagsruhe in § 3 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes konkretisiert wird. Den Menschen soll an diesen Tagen die Möglichkeit gegeben werden, innerlich zu Ruhe zu kommen, sich physisch zu erholen, mit Familienangehörigen und Freunden zu kommunizieren sowie sich auf die christlichen und humanistischen Grundwerte zu besinnen.

Die Konkretisierung dient den Ordnungsbehörden zukünftig als Maßstab für die Beurteilung von Handlungen an gesetzlichen Sonn- und Feiertagen. Darüber hinaus ist die Notwendigkeit einer Novellierung des Sonn- und Feiertagsgesetzes durch die Änderung der gesellschaftlichen Anschauungen über den Sinn und Zweck der Sonn- und gesetzlichen Feiertage begründet. Der Erholungscharakter ist deutlich in den Vordergrund getreten. Aus vielen Eingaben weiß ich, dass immer weniger Bürgerinnen und Bürger das Verbot bestimmter Handlungen akzeptieren. In dem Zusammenhang sei an die erfolgreiche Volksinitiative zur Sonntagsöffnung von Videotheken erinnert; die

(Minister Klaus Buß)

Initiative hat mehr als 50.000 Unterschriften gesammelt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

Aus dem Wandel der gesellschaftlichen Anschauung hat die Landesregierung die notwendigen Folgerungen gezogen. So wird unter anderem die Öffnung von automatischen Waschanlagen für Kraftfahrzeuge sowie Münz- und Selbstbedienungswaschsalons zugelassen - auch Gegenstand eines FDP-Antrags. Voraussetzung ist allerdings, dass damit keine unzumutbare Beeinträchtigung der Sonn- und Feiertagsruhe in der Nachbarschaft verbunden ist. Ebenso können die örtlichen Ordnungsbehörden marktähnliche Veranstaltungen wie zum Beispiel private Flohmärkte zulassen. Damit wird endlich eine Benachteiligung gegenüber den gewerblichen Flohmärkten beseitigt, die wegen des Vorrangs der bundesrechtlichen Gewerbeordnung grundsätzlich stattfinden dürfen - eine Sache, die immer wieder besonders auf das Unverständnis der Menschen gestoßen ist.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Insbesondere bei der Ministerpräsidentin!)

Der Gesetzentwurf wurde von den Verbänden im Rahmen der Anhörung überwiegend positiv aufgenommen. In Gesprächen unter anderem mit dem Bischofskollegium der Nordelbischen Kirche sowie Herrn Weihbischof Dr. Jaschke ist es gelungen, einen weitgehenden Konsens zu erzielen. Darüber habe ich mich sehr gefreut; das möchte ich ausdrücklich betonen.

Eines ist für mich klar. Der Gesetzentwurf hebelt nicht, wie Herr Kayenburg dies in einer Pressemitteilung der CDU-Fraktion vom 8. Juli 2003 befürchtet, den Sonn- und Feiertagsschutz aus. Der Ausnahmecharakter der Sonn- und Feiertage bleibt auch im zukünftigen Gesetz erhalten. Der verfassungsrechtlich geschützte Wesenskern des Sonn- und Feiertagsschutzes bleibt unangetastet. Ich bin überzeugt, dass gerade durch die grundlegenden Formulierungen der gesetzgeberischen Zielvorstellung in § 3 Abs. 1 des Gesetzentwurfs einer weiteren schleichenden Aushöhlung des Kerngehaltes des Sonn- und Feiertagsgesetzes vorgebeugt wird. Ich würde mit sehr freuen, wenn Sie zustimmten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Nach dem Bericht der Landesregierung eröffne ich die Aussprache. Das Wort erteile ich dem Oppositi

onsführer und Vorsitzendem der CDU-Landtagsfraktion, Herrn Abgeordneten Martin Kayenburg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst kürzlich haben wir hier mit großer fraktionsübergreifender Mehrheit die Aufnahme des Gottesbezuges in die europäische Verfassung gefordert. Wir bekennen also, dass wir unsere Politik, wenn auch nicht in jedem Detail, aber doch grundsätzlich an christlichen Wertvorstellungen ausrichten wollen.

Was ich hier vortrage, beruht auch auf einem Entwurf des Kollegen Wadephul, der gerne heute zu diesem Punkt geredet hätte, aber leider heute einen anderen Termin wahrzunehmen hat.

Herr Minister, in dem vorliegenden Gesetzentwurf - das sollte man hier einmal feststellen - werden die christlichen Grundwerte meiner Meinung nach nur verschämt in der Begründung und nicht im § 3 des Gesetzes selbst erwähnt. Ich frage Sie, warum nicht im Gesetzestext selbst gesagt wird, dass Sonn- und Feiertage der Besinnung auf die Grundwerte einer christlichen, humanen und demokratischen Gesellschaft dienen.

(Beifall bei der CDU)

Dass Sie hier etwas geändert haben, wird auch daran deutlich, dass in der ursprünglichen Begründung des Gesetzentwurfes weder „human“ noch ein anderes Beiwort gestanden hat und in der jetzigen Begründung die Worte „christlich“, „human“ und „demokratisch“ erscheinen. Das zeigt doch, dass Sie etwas geändert, aber nicht den Mut gehabt haben, das Wort „christlich“ in den § 3 mit aufzunehmen. Im Übrigen würde dies, Herr Minister, dem schleswig-holsteinischen Schulgesetz in seinen Bildungs- und Erziehungszielen entsprechen. Wenn wir es also mit unserem Bekenntnis zu den christlichen Wertvorstellungen ernst meinen, dann muss es uns auch mit dem Schutz des Sonntages, des siebten Tages der Woche, und den Feiertagen ernst sein.