Protokoll der Sitzung vom 29.08.2003

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

- Dann komme ich dazu. Zur Illustrierung dieses Themas zitiere ich eine kurze Passage aus einem Artikel, der vorgestern in den „Lübecker Nachrichten“ zu lesen war. Unter der Überschrift: „Lübeck, die Tortenstadt“ steht dort:

„’Wir sind froh, dass wir es endlich geschafft haben,’ erklärte Landesinnungsmeister Peter Steinhusen, der lange für eine zentrale Ausbildung gekämpft hatte. ’Wir sind zwar nur ein kleines Handwerk, aber dafür eines mit hohen Qualitätsansprüchen’, so Steinhusen… Mit der Einrichtung als Landesberufsschule wird zudem ein Missstand aufgehoben. Ob der geringen Anzahl von Auszubildenden im Konditor-Handwerk wurde in Kiel und Meldorf der Konditor-Nachwuchs gemeinsam mit den Bäckerlehrlingen unterrichtet. ’Die gemischten Klassen auf der Grundlage von Mehl zu unterrichten, ist alles andere als sinnvoll’, meinte Oberstudiendirektor Gerd Dunker. Insbesondere im Bereich der Mentalität gebe es zwischen den beiden Berufen gravierende Unterschiede, so Dunker.“

Das sieht auch eine Auszubildende so: „’Die Bäcker wollen Masse schaffen. Unsere Arbeit sehen sie oftmals als Spielerei an.’ Entsprechend gerne nimmt auch sie in Zukunft lieber eine Berufsschulwoche im Monat in Lübeck in Kauf.“

Das illustriert sowohl die Frage der Berufsfeldthematik als auch den Wunsch derjenigen, die die Ausbildungsberufe vertreten, nämlich die Innungen, zu solchen übergreifenden Ausbildungsorten zu kommen. Das gilt gerade für die kleinen Handwerke.

Ich komme noch einmal auf die Kriterien zurück. Das Verfahren ist hinreichend dargestellt worden. Gleiches gilt für die Frage, wie wir zu dem Konzept gekommen sind. Die Kriterien müssen doch noch einmal genannt werden: Erstens. Erhalt eines differenzierten Angebotes in der Fläche. Zweitens. Erhalt der Ausbildungsbereitschaft, Frau Schwarz. Drittens. Berücksichtigung des regionalen Ausgleichs. Diese Kriterien sind eigentlich eindeutig. Sie werden bei jeder Entscheidung zugrunde gelegt. Im Augenblick werden - moderat durch die Schulaufsicht - die Standorte und die Umfänge überprüft, wobei insbesondere auch der Ausgleich zwischen den Kreisberufsschulen und den städtischen Berufsschulen zu berücksichtigen ist. Beachtet werden muss auch, dass wir gerade im Bereich der Bezirksfachklassen - vor dem Hintergrund rückläufiger Ausbildungszahlen - so viel Flexibilität wie möglich sichern müssen. Herr Dr. Klug, es ist eben gerade nicht ein starres Konzept,

sondern es sind Richtwerte und Anhaltswerte, die man vorgeben muss. Natürlich wird in jeder einzelnen zu treffenden Entscheidung flexibel agiert werden müssen.

Die Zahl der Auszubildenden, die in SchleswigHolstein eine Berufsschule besuchen, ist innerhalb von zehn Jahren um 9.100 Schülerinnen und Schüler zurückgegangen. Das will ich gern zu Protokoll geben. Das entspricht einem Minus von 14 %. Ich weiß nicht, wie wir in 15 bis 20 Jahren über diese Thematik diskutieren werden. Ich werde es dann nicht mehr tun. Einige von Ihnen werden es aber vor dem Hintergrund weiter rückläufiger Schülerzahlen und dem Erhalt einer qualifizierten Ausbildung in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein wohl tun. Bei der Bildung dieser Bezirksfachklassen und Landesberufsschulen setzen wir auf Zentren mit entsprechenden Schwerpunkten. Damit ist auch die Rolle der regionalen Berufsbildungszentren definiert, und zwar in enger Abstimmung mit den Vertretern der Industrie- und Handelskammern, der Handwerkskammern, der Innungen und so weiter.

Unsere Partner unterstützen diese Entwicklung ausdrücklich. Fragen Sie doch einmal bei den Landesinnungen oder den Kammern nach! Diese Entwicklung fördert die Qualität des Unterrichts, das ist eindeutig und wurde hier an mehreren Beispielen belegt. Sie ermöglicht auch die Entwicklung differenzierter Ausbildungsangebote. Sie fördert damit die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen; das wird von den Unternehmen ausdrücklich so definiert.

(Unruhe)

Sie führt zu einem effizienteren Lehrereinsatz. Das ist klar und es ist auch legitim. Sie hält die Sachkosten für die Ausstattung im Rahmen. Das ist gerade an dem Beispiel der Konditorenausbildung belegt. Sie berücksichtigt auch regionale Standortinteressen von Schulträgern und unseren Partnern im dualen System.

(Unruhe)

Frau Ministerin, einen Moment bitte! Der Geräuschpegel ist inzwischen so hoch, dass es Schwierigkeiten macht, zuzuhören. Ich bitte um etwas mehr Ruhe.

Ja, das ist ausgesprochen unangenehm. Die Kollegen, die ständig reden, müssten eigentlich wissen, wie sehr das stört, wenn man hier steht. Diese Konzentration bringt natürlich auch Veränderungen mit sich. Mögli

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

cherweise werden die Wege zu den Berufsschulen länger. Das ist klar. Das ist ein deutlicher Nachteil, den auch niemand verschweigt. Unter Umständen tritt an die Stelle wöchentlicher Schultage ein verblockter Unterricht, der auch mit Übernachtungen verbunden sein kann. Das ist so. Die Erfahrungen haben aber gezeigt, dass in jedem einzelnen Fall - zusammen mit den Kammern, den Innungen und den Verbänden - akzeptable Lösungen gefunden wurden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

- Ja, das ist wirklich so. Wer hier das Gegenteil behauptet, muss Beispiele nennen. Bisher habe ich hier davon kein einziges gehört. Ich habe nur allgemeine Vermutungen und Unterstellungen gehört. Frau Schwarz, dazu braucht es auch kein Gesamtkonzept in Form einer Schulentwicklungsplanung für Bezirksfachklassen und Landesberufsschulen, wie Sie es fordern. Das würde den Zielen zuwider laufen. Wir wollen keine starren Regelungen und mehr Bürokratie, sondern wir wollen flexible und effektive Lösungen, die jeweils auf hohem Niveau an die Situation angepasst sind. Wir wollen Lösungen, die im Bezug auf die Ausbildungszahlen bedarfsgerecht gestaltet sind, und die auf die Erwartungen unserer Partner Rücksicht nehmen. Wir wollen also Lösungen, die qualitative, quantitative und ökonomische Gesichtspunkte gleichermaßen verbinden. Das ist Ziel dieses Konzepts, das dem auch entspricht.

Der Bildungsausschuss kann sich jederzeit wieder mit diesem Thema befassen, dazu bedarf es nicht der Überweisung von Anträgen. Ich stelle jedoch anheim, im Ausschuss auch einmal Fachleute aus den Kammern oder den Innungen einzuladen, um mit ihnen darüber zu diskutieren. Das, was wir einleiten, ist ein wesentlicher Punkt für die wirtschaftliche Entwicklung in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mir ist sehr daran gelegen, dass man dies im größtmöglichen Konsens macht. Ich rate dazu, dieses Thema noch einmal im Bildungsausschuss aufzurufen. Wenn Sie uns nicht ausreichend trauen, dann rate ich dazu, sich noch genauer zu informieren und noch andere Stimmen zu hören. Ich glaube, dann wird hier im Hause ein Konsens darüber herauskommen, dass dieser Weg der richtige ist.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist zum einen für beide Anträge Ausschussüberweisung beantragt worden. Zum anderen sind die Ablehnung des Antrags der Fraktion der CDU und die Überweisung des Antrags von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie eine Abstimmung beider Anträge in der Sache beantragt worden.

Zunächst lasse ich über den weitestgehenden Antrag abstimmen, nämlich über die Ausschussüberweisung beider Anträge. Wer dafür ist, beide Anträge an den Bildungsausschuss zu überweisen, den bitte um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Antrag auf Ausschussüberweisung ist mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU, FDP und der Stimmen des SSW abgelehnt.

Ich komme zur Abstimmung in der Sache über den Antrag der Fraktion der CDU. Wer dem Antrag der CDU-Fraktion zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dieser Antrag ist mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen von CDU und FDP bei Enthaltung der Stimmen des SSW abgelehnt.

Beantragt worden war weiterhin die Überweisung des Antrags von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an den Bildungsausschuss. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist dies mit den Stimmen aller Fraktionen mit Ausnahme der Stimme des Herrn Oppositionsführers, Herrn Abgeordneten Kayenburg, angenommen. Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf:

Haus der Geschichte

Antrag der Fraktion der CDU und der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/2841

Das Wort zur Begründung wird erkennbar nicht gewünscht.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Schwarz.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie alle erinnern sich sicherlich an das Jahr 2001. Am 22. Februar 2001 nahm die Diskussion um ein Haus

(Caroline Schwarz)

der Geschichte in und für Schleswig-Holstein einen verheißungsvollen Anfang.

(Unruhe)

Darf ich um etwas mehr Ruhe bitten? Es ist wirklich sehr unangenehm, wenn man bei dieser Geräuschkulisse reden muss.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal die Initiative der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte dankbar erwähnen, die im Internet unter www.geschichte.schleswig-holstein.de ein Bürgerforum einrichtete.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Henning Höppner [SPD])

Dieser verheißungsvolle Anfang geschah mit unserem gemeinsamen Antrag, mit der eingesetzten Kommission, mit der intensiven Beteiligung der historischen Fachwelt im Land, mit den engagierten Bewerbungen von Kiel, Rendsburg/Büdelsdorf und Schleswig als künftiger Standort eines Hauses der Geschichte, mit der hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion des Bildungsausschusses, Herr Vorsitzender, die von einer großen Anzahl interessierter und fachkundiger Menschen besucht wurde und auf die wir sehr stolz waren, und last but not least damit, dass der Kollege Ulf von Hielmcrone schon anfing, Exponate zu sammeln, indem er dafür sorgte, dass unser ehemaliger Plenarsaal gescannt und ein Teil der Einrichtung für das Haus der Geschichte gerettet wurde. Vielen Dank, lieber Ulf. Das war prima.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Kurzum: Das Vorhaben, die schleswig-holsteinische Geschichte von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart in einem Haus der Geschichte darzustellen, war nicht nur von allen im Landtag vertretenen Parteien gemeinsam gewollt, sondern wurde und wird von einer breiten Öffentlichkeit auch nach wie vor getragen.

Dann kam die Pressemitteilung des Kollegen Jürgen Weber am 20. Mai.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Hört! Hört!)

Wir schienen vor einem Scherbenhaufen oder, um im Bild zu bleiben, vor einem Haufen aus Steinen und Mörtel zu stehen, der nie die Chance bekommen sollte, zu einem Haus zusammengefügt zu werden. Ein Haus der Geschichte sei jetzt nicht finanzierbar. Dar

über könne erst in der nächsten Legislaturperiode wieder beraten werden, hieß es von Herrn Weber als Sprachrohr der SPD-Landtagsfraktion. Ich erinnere daran: Es war derselbe Herr Weber, der sich in der Landtagssitzung am 22. Februar 2001 ausdrücklich - Herr Weber, Sie erinnern sich bestimmt ganz besonders daran - nicht in die Reihe der Bedenkenträger hinsichtlich der Finanzierbarkeit stellen wollte. Schauen Sie sich das Protokoll einmal an.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Hört! Hört!)

Dazu wollten Sie nicht gehören.

Damit war die Beerdigung 1. Klasse des Hauses der Geschichte eigentlich eine beschlossene Sache der SPD. Ich resümiere: Haus der Geschichte und SPD - Nein.

Dann kam am 15. Juli dieses Jahres der absolute Hammer. Frau Simonis versprach der Kieler Oberbürgermeisterin das Haus der Geschichte für Kiel. Immerhin ist Frau Simonis auch SPD-Abgeordnete. Der Landtag hatte bis dahin zwar weder über das Ob noch über das Wo entschieden, aber Frau Simonis versprach Kiel das Haus der Geschichte. Ich resümiere: Haus der Geschichte und SPD - Ja.

Am 7. August stellten Anke Spoorendonk und ich der Presse vor, wie ein Haus der Geschichte trotz der Finanznot des Landes schrittweise verwirklicht werden könnte. Damit riefen wir sofort Herrn Hay auf den Plan, der im Augenblick leider nicht anwesend ist. Dieser vertrat unter anderem die Ansicht, dass, wie er sagte, frei schwebende Organisationsstrukturen wenig sinnvoll seien. Ich resümiere: Haus der Geschichte und SPD - Nein.