Ich möchte jedenfalls, dass wir jetzt alle alles unternehmen, um den Mitarbeitern, denen gekündigt werden wird, schnell einen Wiedereinstieg ins Arbeitsleben zu ermöglichen, indem die Fähigkeiten, die sie haben, noch einmal geschult, gestärkt und geschärft werden. Ich möchte, dass die neuen Investitionen im Wirtschaftsraum Flensburg für die Campushalle, das kultur- und medienwirtschaftliche Dienstleistungszentrum Walzmühle und für die Gewerbegebietserschließung in Flensburg, Schleswig, Kropp oder Schuby nicht umsonst ausgegeben worden sind, sondern dass damit, so wie mit dem übrig bleibenden Unternehmen Motorola, Kernzellen einer neuen guten Entwicklung in dieser Region geschaffen werden. Dafür sollte man hier einmal darauf verzichten, einen Gag loszuwerden, und vielmehr versuchen, Mitleid mit den Menschen zu haben, die sich nun wirklich vor Weihnachten graulen müssen, weil sie arbeitslos werden. Das wäre sicherlich richtiger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man wird bei dem Ablauf der Aktuellen Stunde ein bisschen nachdenklich. Wenn wir über Reformen sprechen, sollten wir vielleicht auch einmal darüber nachdenken, bei Aktuellen Stunden besser die Betroffenen reden zu lassen, als uns angesichts der Situation, die ich als Flensburger Abgeordnete noch einmal schildern möchte, in parlamentarisches Gezänk hineinzubegeben.
Lassen Sie mich zunächst das aufgreifen, was viele gesagt haben, auch Sie, Frau Schmitz-Hübsch. Ich habe durchaus zugehört. Das ist einfach mein Empfinden: Ich ziehe den Hut vor der Belegschaft von Motorola. Sie ist flexibel, weit über alle in der Dis
kussion befindlichen Modelle hinaus. Auch Herr Hundt könnte und müsste sehr zufrieden sein. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes solidarisch, denn sie hat mit 27,8 Stunden pro Woche Entlassungen verhindert. Sie hat Durststrecken gemeinsam durchgestanden. Sie erfüllte und erfüllt alle Anforderungen der Firmenzentrale in den fernen USA, und es gelang ihr auch, die Stückkosten nicht nur so zu senken, wie sie sollte, sondern dies noch zu unterbieten. Derzeit - das ist uns vom Flensburger Chef noch einmal berichtet worden - steht diese Belegschaft vor dem stärksten Produktionsquartal, das sie überhaupt jemals erlebt hat. Das muss man sich einmal vorstellen: Diese 1.800 Menschen arbeiten - noch weiß keiner, wer zu den 600 gehört, die entlassen werden sollen - bis Weihnachten mit großer Power und wissen: Danach ist es womöglich vorbei. Meine Damen und Herren, das verdient unsere Hochachtung, unseren Applaus.
Der Lohn dafür - wir wissen es -: Ein Drittel der Beschäftigten wird entlassen. Noch weiß man nicht, wen es trifft. Ich zitiere abschließend dazu den Betriebsratsvorsitzenden, Herrn Dieter Neugebauer, aus dem „Flensburger Tageblatt“ vom 17. September 2003:
Lassen Sie mich noch einmal darauf eingehen, ob es richtig war, Motorola zu fördern. - Es war richtig, Motorola zu fördern. Ich will noch einmal daran erinnern, in welcher Situation sich die Region befand. Die Stadt Flensburg war massiv von zeitgleichem Truppenabbau betroffen - Marinestützpunkt, Briesenkaserne seien genannt. Auch da hat sich die Ministerpräsidentin eingesetzt. Es hat nichts genützt, wie in vielen anderen Bereichen auch nicht - was ich nicht kritisiere -, aber es war schwer zu „wuppen“. Es ist für uns in Flensburg wirklich eine „Erlösung“ gewesen, so etwas „geschenkt“ zu bekommen, eine Ansiedlung in Europa für eine neue Technologie, gefördert von allen Beteiligten.
Frau Schmitz-Hübsch, ich kann beim allerbesten Willen nicht verstehen, warum Sie ausgerechnet die Ministerpräsidentin angreifen. Zitate lassen sich immer so hinsetzen, dass sie gut passen. Frau Simonis ist immer mit dabei gewesen und hat sehr früh - ich habe mir noch einmal die alten Presseberichte angesehen - erkannt, dass die Firmenzentrale in den USA etwas Fernes hat für den Norden. Sie hat sie nämlich als „Gott“ in den USA benannt, nachdem man ihr das Controlling geschildert hat. Sie ist in die USA, in die
Höhle des Löwen gefahren; sie hat die erneute Bereitschaft zum Verhandeln bekundet. Dagegen setzen Sie einen Brief von Herrn Börnsen, der nicht bei der Demonstration war, und Herr Kayenburg Diskussionsbeiträge, ob wir nicht die falsche Technik gefördert hätten. Das ist doch wirklich kein Angebot, das Sie uns machen!
Herr Kayenburg, es geht eben nicht nur um die Technik, die von hinten betrachtet anfällig ist, sondern es geht - und das wissen Sie doch als Wirtschaftsmann - auch darum, dass 500 weitere Arbeitsplätze in viel kleineren Firmen, die sich als Zulieferer und Partner in der Region gegründet haben, mit gefährdet sind. Nicht ansprechen möchte ich hier im Detail - weil das öffentlich nicht bekannt ist -, dass auch noch Hunderte von Leiharbeitern bei der Firma Menpower betroffen sind, entweder weil sie mitgehen müssen oder weil sie nicht kommen konnten, obwohl ihnen noch im Frühjahr ganz etwas anderes gesagt worden ist.
Zu Herrn Garg nur ganz kurz. Ich kann es mir eigentlich leicht machen - wer Lauenburg mit Flensburg gleichsetzt, ist eben nicht da gewesen, Herr Garg. So einfach ist das. Sie kennen das Firmengelände nicht, es ist riesig und hat Erweiterungsflächen.
(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Dr. Heiner Garg [FDP]: Ich kenne aber Ihre Politik, Frau Franzen!)
- Sie haben wirklich keine Ahnung. Ich sage das einmal so deutlich. Das ist auch nicht so schlimm. Die FDP gibt es in Flensburg seit Jahrzehnten nicht. Deswegen können Sie das vielleicht nicht wissen.
Es ist im Übrigen immer sehr leicht, von hinten her Prophet zu sein, von hinten her zu wissen, wie ist gelaufen wäre. Das ist etwas, was mich wirklich wahnsinnig beeindruckt.
Ich möchte abschließend noch etwas zu China sagen, denn dieses Problem haben wir ja auch im Werftenbereich. Ist es wirklich so, dass die Belegschaft den Wettbewerb im Lohn verloren hat? Ist es überhaupt möglich, da zu verlieren? Das hieße doch auch, dass alle anderen Kosten für Miete, Ernährung, Auto, alles chinesisch sein müssten, wenn wir zu chinesischen Löhnen arbeiten sollten.
- Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Oder liegt der Hauptgrund nicht vielmehr darin, dass dort
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir nehmen die Sorgen der Mitarbeiter von Motorola und ihrer Familien ernst. Wir kümmern uns um die Familien derer, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Das steht doch außer Zweifel. Frau Schmitz-Hübsch hat das hier auch deutlich gemacht.
Frau Simonis, wir sollten keine Geschichtsklitterung betreiben. Wir haben begrüßt, das Motorola in Flensburg angesiedelt wurde. Wir haben nicht kritisiert, dass 20 Millionen € an GA-Mitteln hineingeflossen sind. Wir haben aber - das sage ich genauso deutlich, ich komme darauf zurück - auch auf die Probleme aufmerksam gemacht. Nur das haben Sie nicht wahrhaben wollen.
Herr Hentschel, es reicht nicht, hier Solidaritätsadressen abzugeben. Die nützen überhaupt nichts. Was sollen denn Beschäftigungsgesellschaften nützen? Das ist keine Alternative, das ist keine Dauerlösung, das sind vor allen Dingen keine Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt.
Was wir brauchen, sind Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt, was wir brauchen, sind andere Rahmenbedingungen.
Was wir dringend nötig haben, ist eine andere Politik in Schleswig-Holstein. Dann würden wir aus dieser Falle herauskommen, in die wir hineingekommen sind.
Eines ist - glaube ich - mehr als deutlich, dass wir natürlich mit Beschäftigungsgesellschaften nicht weiterkommen. Vielmehr muss es um einen Transfersozialplan gehen, den das Unternehmen zu bezahlen hat und der nicht aus den Mitteln zu bezahlen ist, die von uns aufzubringen sind.
Herr Hentschel, wenn Sie mir eben vorgeworfen haben, ich hätte deutlich auf den Mittelstand und die traditionellen Industriezweige hingewiesen - ich habe immer gesagt: Hightech ohne Lowtech geht nicht; das gilt auch umgekehrt. Wir brauchen moderne Technologien, wir brauchen aber auch traditionelle Zweige und wir brauchen den Mittelstand. Ich will Sie an die Debatte von 1999 erinnern, als der Kollege Eichelberg gesagt hat, dass es ein Glück sei, ein starkes mittelständiges Unternehmertum zu haben, und dass diese Produktionsstätten dauerhafter seien als die von Konzernen. An dieser Stelle heißt es im Plenarprotokoll: Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel. - Sie haben Recht, Herr Hentschel.
„Als du während eines USA-Besuchs erfuhrst, dass in Flensburg 2000 Menschen arbeitslos werden, und nachts im Gewittersturm nach Chicago flogst und - wie erzählt wird - bei einem Glas Wein mit dem Chef von Motorola das Werk gerettet hast, da erkannte ich: Du bist da, wenn man dich braucht.“
Frau Simonis, wo sind Sie denn jetzt? Wo waren Sie denn, als es um Panasonic ging? Wo waren Sie, als es um Heidelberger ging?
Wo war die SPD, als es um Hagenuk ging? Haben Sie denn aus all dem nichts gelernt? Und wo war diese Regierung, als es um 1.800 Menschen beim Marinefliegergeschwader 2 gegangen ist? - Keiner war dort. Das ist doch das tatsächliche Problem!
Frau Simonis, dass wir Sie gewarnt haben, möchte ich gern unter Beweis stellen. Im Oktober 1998 habe ich Ihnen in diesem Hause gesagt, dass nach den Äußerungen des Chefs des internationalen Großkonzerns Motorola in der Vergangenheit in der „Wirtschaftswoche“ und im „Handelsblatt“ deutlich sei, dass dieses Unternehmen die Subventionen mitnehme, aber dann entscheide, wie es nach marktwirtschaftlichen Gesetzen erforderlich ist. Tun Sie doch nicht so, als ob amerikanische Unternehmer anders entscheiden als deutsche! Ein deutscher Großkonzern würde genauso nach Kostengesichtspunkten entscheiden, würde genauso verlagern. Das Problem hinter dieser Situation ist nicht die Unternehmenspolitik, das Problem