Wir haben 1999 gefragt: Wie wollen Sie Motorola ohne weitere EU-Mittel an Schleswig-Holstein binden? Genau dieses Problem ist nun aufgetreten. Die Erfolge der Fertigungsstätte - das hat auch der Kollege Eichelberg 1999 gesagt - werden jährlich neu im weltweiten Wettbewerb in der Konzernzentrale verglichen. Dass diese Ansiedlung nicht so viel Sicherheit bringt, wie die eines Mittelständlers, hat er damals gesagt. Dafür ist er beschimpft worden. Er hat damals auch auf eine örtliche Brauerei hingewiesen, die möglicherweise sichere Arbeitsplätze hätte. Der damalige Wirtschaftsminister hat zugehört. Er ist heute Vorstand einer Brauerei.
Zurück zu Motorola! Die gesamtwirtschaftliche Lage des Unternehmens ist überhaupt nicht schlecht. Den Beweis haben wir letzte Woche bekommen. Die Aktien sind um 9 % gestiegen, als der Firmenchef, Herr Galvin, zurückgetreten ist.
Die Entschädigungszahlungen, die wir zu bekommen haben, sollten eingesetzt werden für sinnvolle Projekte Frau Simonis, nicht für Beschäftigungsgesellschaften, sondern für Arbeitsplätze. Wenn Sie es nicht schaffen, das Unternehmen dazu zubringen, im Bereich Forschung und Entwicklung, bei UMTS, mehr zu tun als in der Vergangenheit in dem anderen Sektor, dann wird dieser Betrieb aufgrund der Kostensituation weiter Arbeitsplätze verlieren. Dann wird uns China den Rang ablaufen und dann werden wir in Flensburg erneut vor Problemen stehen. Frau Simonis, Ihre Aufgabe ist es, sich um diese Probleme zu kümmern.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte um Motorola ist in der Tat etwas merkwürdig. Ich höre nämlich aus verschiedenen Fraktionen immer wieder, was Unternehmen so zu tun haben, so als könnten wir - -
- Frau Kollegin Birk, ich fange jetzt meine Rede an. Ich weiß nicht, mit wem Sie mich gerade verwechselt haben. Geklont sind wir noch nicht. Vielleicht hören Sie meinen Worten zu und nicht den anderen.
(Heiterkeit - Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorher hat die Debatte natürlich nicht stattgefunden!)
- Das liegt daran, dass die alternden Sozialdemokraten und die alternden Grünen auch schon Schwierigkeiten mit den Augen haben.
Es ist nicht unsere Aufgabe oder Aufgabe des Staates, Unternehmensleitungen, solange sie privatwirtschaftlich organisiert sind, zu sagen, was sie zu tun haben und was sie lassen sollen. Herr Kayenburg, weder haben wir ihnen zu sagen, wo sie forschen sollen - das wissen sie im Zweifel viel besser als wir, weil sie Marktchancen wahrnehmen wollen -, noch müssen wir oder können wir ihnen sagen oder vorschreiben - gegebenenfalls können wir sie bitten -, wie sie unternehmerische Entscheidungen zu treffen haben.
Ich habe dem Beitrag des Kollegen Hentschel sehr genau zugehört. Ich stimme Ihnen zu. Das Einzige, was wir als Staat, als Parlament, als Regierung leisten können, ist, Rahmendaten zu schaffen, um es Unternehmen in unserem Bereich möglich zu machen, an dem internationalen Wettbewerb teilzunehmen. Die Globalisierung findet statt - ob uns das passt oder nicht.
Frau Kollegin Hinrichsen, nach welchen Kriterien soll ein Unternehmen eigentlich entscheiden, wenn nicht nach den Kriterien von Kosten und Gewinn? Sie sagen, wenn ein Objekt ein Cent mehr kostet, kann das keine Entscheidungsgrundlage dafür sein, einen Standort zu wählen. Wonach sonst soll ein Unternehmen das machen, das im Wettbewerb steht? Wenn ein Unternehmen darauf verzichtet, seine Strukturen entsprechend anzupassen, wird es über kurz oder lang vom Markt verschwinden. Da können wir als öffentliche Hand gar nicht gegenanfördern. Das muss man einfach wissen und begreifen.
Jetzt will ich einmal fragen: Was tun wir eigentlich für unseren Standort? Damit meine ich nicht nur den Standort Schleswig-Holstein, sondern auch den Standort Deutschland. Das Mitleid, das wir alle mit den Beschäftigungslosen oder denen, die vor Beschäftigungslosigkeit stehen, haben, hilft ihnen nicht weiter. Das hilft vielleicht, unser schlechtes Gewissen zu beruhigen. Jeder einzelne Arbeitslose ist ein Ar
beitsloser zu viel. Jeder Arbeitsplatz, der nicht entsteht oder vernichtet wird, ist ein Arbeitsplatz, der uns fehlt.
Was tun wir dafür, die Standortbedingungen so zu schaffen, dass unsere Unternehmen, und zwar nicht nur die mit ausländischen Kapitalanteilen, sondern auch die mit deutschen Kapitalanteilen, im Wettbewerb bestehen können? Frau Simonis, ich nehme an, Sie haben Herrn von Pierer gehört. Siemens verhält sich nicht anders als Motorola. Daimler-Benz verhält sich nicht anders als Motorola. Das können sie auch gar nicht, weil sie sonst über kurz oder lang wegen der Schere keinen Umsatz mehr machen. Umsatz minus Kosten ist Gewinn. Und dann, wenn man keinen Umsatz macht, auch wenn man die Kosten noch so sehr zusammenstreicht, macht man keinen Gewinn und landet irgendwann beim Konkursverwalter. Das kann es doch nicht sein.
Was haben wir in den letzten Jahren getan? Ich stelle ganz einfach fest - ich betreibe hier keine Schuldzuweisungen -, dass in Schleswig-Holstein die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit seit 15 Jahren in Relation zu allen anderen Bundesländern zurückgeht. Ich stelle fest, dass wir bundesweit Debatten führen, der jeden Investor, jeden, der sein eigenes, privates Geld einsetzen soll, jeden Aktionär, der darauf vertraut, dass sein Geld eine entsprechende Rendite bringt, zunächst einmal nicht begeistern kann, was den Standort Deutschland angeht. Wir führen Diskussionen über Steuererhöhungen statt Steuersenkungen. Ich habe gehört, dass Herr Müller - Müller-Milch, nicht Müller (SPD), obwohl das bei ihm auch so sein könnte; wenn er es könnte, würde er es im Zweifel auch tun - Deutschland verlassen will, weil ihm die Erbschaftsteuerdiskussion langsam auf den Sack geht und er sagt: Ich will nicht das Risiko eingehen, dass mein Unternehmen zerschlagen wird, wenn ich sterbe; also verlasse ich Deutschland. Ich höre, dass andere Unternehmen entsprechende Verlagerungen vornehmen, weil sie nicht sicher sind, dass sie für ihre Investitionsentscheidungen eine Renditesicherheit bekommen.
Seit Jahren führen wir Diskussionen über die Frage unserer Innovationsfähigkeit. Wir alle haben - einige mehr als andere - zunächst vor den Risiken neuer Technologien gewarnt, statt die Chancen zu nutzen. Heute sehen wir, dass andere Länder bereits in den Markt eingetreten sind. Während wir immer noch unsere großen Risikodiskussionen führen und Risikofolgenabschätzungen durchführen, verdienen andere ihr Geld damit.
- Nein, nein, nein. Ich höre den Kollegen Hentschel, der sagt, wir brauchten eine stärkere Vernetzung und Verzahnung von Wirtschaft mit Bildung und Schule. Ich höre, dass uns die OECD sagt - was wir alle eigentlich wissen -: Je schlechter die Leute ausgebildet sind, desto schlechter ist später auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gesellschaft insgesamt.
Wir stellen fest, wir haben ein Defizit an Ausbildungskapazitäten für Studierende - und wir streichen in Schleswig-Holstein Ausbildungskapazitäten für Studierende.
Ich stelle fest: Wir diskutieren seit zehn, 15 Jahren über Unterrichtsausfall und er ist immer noch da und ich höre jedes Jahr von einem neuen Programm der Regierung, dem Unterrichtsausfall endlich wirksam zu begegnen. Aber er ist immer noch da.
Das bedeutet doch offensichtlich, dass in erster Linie die Regierung ihre Hausaufgaben nicht richtig gemacht hat und Motorola kein Einzelfall bleiben wird, weil sich das fortsetzen wird, weil wir mit der Geschwindigkeit unserer Reformbemühungen zu langsam sind, weil ihr zu langsam seid, das entsprechend umzusetzen.
Statt jetzt wenigstens - das wäre wenig genug - den Genossen Schröder bei seinen Bemühungen zur Umsetzung der Reformagenda 2010 zu unterstützen
- Herr Präsident, das ist mein letzter Satz -, kommt aus Schleswig-Holstein genau das gegenteilige Signal, wird Sand ins Getriebe gestreut mit der Folge, dass Unternehmen wiederum keine Planungssicherheit für ihre künftigen Investitionsentscheidungen bekommen mit der Folge, dass sie unterbleiben mit der Folge, dass Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein nicht entstehen oder verloren gehen. Das darf nicht sein.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es ganz gut, dass wir doch noch in eine
rationale Debatte darüber kommen, was Wirtschaftspolitik ausmacht und was Wirtschaftspolitik bewirken kann. Ich glaube, es ist sinnvoll, dass man das in einer solchen Stunde tut. Solidarität ist das eine, zu überlegen, was man tun kann, wie Wirtschaftspolitik orientiert werden muss, ist das andere. Gerade in einer solchen Stunde bietet es sich an, auch über solche Fragen zu reden.
Erstens. Bildung. Herr Kubicki, Sie haben Recht. Bildung ist das Zentrale in einer Gesellschaft, in der wir leben, in der es wenig Rohstoffe gibt. Davon hängt unsere gesamte Zukunft ab. Deswegen ist es so, dass dieses Land, obwohl wir das ärmste der westdeutschen Bundesländer sind, jedes Jahr mehr für Bildung ausgegeben hat und jedes Jahr den Anteil an Ausgaben für Bildung gesteigert hat.
Das steht im deutlichen Unterschied zu Hamburg, wo die Regierung gewechselt hat und seit dem Regierungswechsel der Anteil am Bildungshaushalt jedes Jahr heruntergefahren worden ist - das nur einmal als Anmerkung.
Zweitens. Hightech oder Lowtech, Herr Kayenburg. Meine Überzeugung ist: Zurzeit geben wir bestimmt über 95 % unserer Fördermittel für Lowtech aus. Das stellen wir fest, wenn wir sehen, was tatsächlich die Technologie-Stiftung, die ttz oder ähnliche Organisationen, zur Verfügung haben, und sehen, was in andere Bereiche, Landwirtschaft, Straßenbau, Werften - wobei hier zum Teil auch Hightech berührt ist -, Uferpromenaden und Tourismus - was alles wichtig ist, das bestreite ich nicht - fließt. Dann kommen wir nämlich zu dem Ergebnis, dass wir etwa 95 % unserer Fördermittel im Land für Lowtech und vielleicht 5 % für Hightech ausgeben, wenn wir das realistisch betrachten.
In einer solchen Situation zu sagen, wir sollten auch wieder einmal Lowtech fördern, halte ich für absurd.
Im Gegenteil, wir müssen uns überlegen, ob wir nicht noch viel mehr Mittel auf die technologisch interessanten Dinge, auch auf die Verknüpfung von Hochschulen und Betrieben konzentrieren. Dort spielt die Musik der Zukunft.
Drittens. Zur Frage der Lohnkosten und Motorola. Die Wahrheit ist doch, dass - wie mir von den Betriebsräten gesagt wurde - der Anteil der Lohnkosten
an der Endproduktion bei 6 % des Produkts liegt. Das sind wahrscheinlich 2 oder 3 € von den 28 €, die das Produkt kostet. Mit Verpackung und allem drum und dran liegen sie bei 31 €. Der Rest ist Handel.