Protokoll der Sitzung vom 25.09.2003

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Tierkörperbeseitigungsgesetz

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 15/2898

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. - Dann erteile ich Frau Ministerin Erdsiek-Rave das Wort.

(Zurufe)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt geht es um etwas ganz anderes.

(Heiterkeit und Beifall)

- Vielleicht hätte dieses Thema gestern Nachmittag besser gepasst, als schon einmal „Tiere“ auf der Tagesordnung standen.

Jetzt geht es um das schleswig-holsteinische Ausführungsgesetz zum Tierkörperbeseitigungsgesetz, das bisher vorsah, dass so genannte Falltiere entgeltfrei abgeholt und - wie es so schön heißt - beseitigt werden. Die Finanzierung war bisher so geregelt, dass die nicht gedeckten Kosten getragen wurden durch besondere Zuschüsse aus dem Tierseuchenfonds, der sich wiederum - wie die Fachleute wissen - zu 100 % aus den Beiträgen der Tierhalter refinanziert.

Nun ist es so, dass das Änderungsgesetz die schleswig-holsteinischen Bestimmungen an den Gemein

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

schaftsrahmen der Europäischen Union anpassen muss. Durch die Neuregelung wird jetzt das Verursacherprinzip eingeführt, wonach die Beseitigungskosten je Falltier ermittelt und verglichen werden. Die Tierkörperbeseitigungsanstalten werden dafür mit behördlicher Genehmigung die Entgelte festsetzen.

Meine Damen und Herren, der weitere inhaltliche Bezugsrahmen ist die BSE-Krise, wodurch sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erheblich verschärft haben. Die Beseitigung von Tierkörpern wird dadurch verkompliziert, dass inzwischen ein Verfütterungsverbot für Tiermehl und Tierfett gilt und dass besonderes Risikomaterial verbrannt werden muss. Das ist der weitere Hintergrund. Dadurch sind die Beseitigungskosten stark gestiegen.

Einzelne EU-Mitgliedstaaten haben daraufhin die Kosten der Beseitigung in unterschiedlicher Weise subventioniert. Damit es keine unerwünschten Wettbewerbsverzerrungen gibt, hat die Kommission einen Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen für BSE-Tests bei so genannten Falltieren und Schlachtabfällen aufgestellt.

Die Kommission geht bei ihren Überlegungen davon aus, dass nach dem Verursacherprinzip grundsätzlich mindestens 25 % der Kosten von den Tierhaltern selbst zu tragen sind, es allerdings unter bestimmten Voraussetzungen eine genehmigungsbedürftige oder - wie es im EU-Deutsch heißt - notifizierungspflichtige Beihilfe geben darf. Voraussetzung dafür ist, dass die Vergabe der Tierkörperbeseitigung transparent gemacht wird. Die Kosten dafür müssen also in Zukunft über eine öffentliche Ausschreibung nachvollziehbar ermittelt werden.

Gleichzeitig wird durch eine Änderung dieses Ausführungsgesetzes der Katalog der Beihilfetatbestände des Tierseuchenfonds ergänzt um eine Beihilfe, die „Beseitigung von Tierkörpern“ heißt. Dadurch wird sichergestellt, dass dies ausschließlich den Tierhaltern zugute kommt. Im Rahmen dieses Beihilfeverfahrens kann dann auch auf die Einzelrechnungslegung der Tierkörperbeseitigungsanstalt gegenüber den Verursachern verzichtet werden. Stattdessen wird der Tierseuchenfonds die Zahlung der gewährten Beihilfen an die Tierkörperbeseitigungsanstalt vornehmen.

Die Mittel werden wie bisher im bewährten Umlageverfahren aus den Beiträgen der Tierhalter aufgebracht.

Meine Damen und Herren, zusammenfassend lassen Sie mich noch einmal sagen: Das Gesetz führt das Verursacherprinzip ein, es ermöglicht eine öffentliche Vergabe der Dienstleistung Tierkörperbeseitigung

und es behält das solidarische Umlageverfahren über den Tierseuchenfonds bei. Damit entspricht es dem EU-Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen für Beseitigungskosten bei verendeten Tieren.

Meine Damen und Herren, ich hoffe, ich habe das verständlich dargestellt und Sie haben es alle verstanden.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Günther Hildebrand [FDP])

Ich eröffne die Grundsatzberatung. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jensen-Nissen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns liegt der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Tierkörperbeseitigungsgesetz vor. Frau Ministerin ErdsiekRave, Sie haben hier die Inhalte dargelegt. Die Notwendigkeit, das Tierkörperbeseitigungsgesetz anzupassen, ist unbestritten. Entscheidend ist aber die Frage, wie dies geschieht.

Dass sich das bisherige Verfahren bewährt hat und alle Beteiligten dies auch zur Zufriedenheit erledigt haben, brauche ich hier - so glaube ich - nicht zu betonen. Das ist auch in den zuständigen Ausschüssen wiederholt so diskutiert worden.

Anlass für die Veränderungen sind EU-Regelungen, die auf Landesebene umzusetzen sind. Das ist in der Tat Kern-, Dreh- und Angelpunkt dieser Änderungen.

Es ist jedoch fraglich - damit komme ich auf den vorgelegten Gesetzentwurf zu sprechen -, ob die Schlüsse, die die Landesregierung daraus in der Begründung zieht, zu einer sachgerechten Lösung führen werden. Besonders unangenehm fällt eine Formulierung in der Begründung auf:

„Diese Regelung unterstützt die Landwirte in ihren Bemühungen, nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis mit möglichst geringen Tierverlusten zu arbeiten.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landwirte machen nicht Jagd auf ihre Tiere. Ich glaube, dass ich das hier so deutlich sagen darf. Wir brauchen unsere Tiere zum wirtschaftlichen Überleben. Wir arbeiten nicht deshalb mit möglichst geringen Tierverlusten, um die Grundsätze der guten fachlichen Praxis einzuhalten, sondern weil für uns die artgerechte Haltung und die Gesunderhaltung eine Herzensangelegenheit und eine wirtschaftliche Notwen

(Peter Jensen-Nissen)

digkeit sind. Ich glaube, dass man das hier deutlich sagen sollte.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Günther Hildebrand [FDP] - Zurufe von der SPD: Oh, oh!)

Das ist zunächst einmal der einzige kritische Unterton. Es ist nicht fair, in der Begründung des Gesetzentwurfs zwischen den Zeilen einen so bitteren Beigeschmack zu erzeugen. Dagegen müssen sich Landwirte und Tierhalter verwahren.

Anders als in anderen Bundesländern zahlen unsere Landwirte über die Umlage zum Tierseuchenfonds 100 % der Beseitigungskosten. Frau Ministerin, darauf haben wir hingewiesen. Wenn hier nach dem Willen der Europäischen Gemeinschaft unerwünschte Wettbewerbsverzerrungen verhindert werden sollen, müsste das Land logischerweise Fördermittel zahlen, um unsere Landwirtschaft zu entlasten. Um Irrtümern vorzubeugen: Ich fordere hier keine neuen Fördertatbestände. Ich will jedoch deutlich machen, dass die Betriebe in den Staaten der Europäischen Union, aber auch in den einzelnen Bundesländern, von höchst unterschiedlichen Ausgangsbedingungen ausgehend, den neuen Gemeinschaftsrahmen zu erfüllen haben. Dieser intensiven Diskussion werden wir uns auch im Rahmen der Anhörung oder im weiteren Verfahren stellen müssen. Ob danach die Wettbewerbsbedingungen einheitlich sein werden, wage ich deshalb schon zu bezweifeln.

Im Zuge einer Neugestaltung der Tierkörperbeseitigungskosten sollte darüber diskutiert werden, ob eine Übertragung der Beseitigungspflicht von den Kreisen und kreisfreien Städten auf das Land sinnvoll wäre. Dies erfordert eine kritische Betrachtung. Wenn Prüfverfahren wie auch Berechnungen konzentriert und transparenter erfolgen sollen, wäre dieser Weg die konsequenteste Lösung. Die abweichenden Verwaltungskosten in den Kreisen führen bei der Ermittlung der Beseitigungskosten zwangsläufig zu unterschiedlichen Ergebnissen. Gerade das soll aber durch das neue Gemeinschaftsrecht verhindert werden.

Eine Differenz sehe ich in der Problembeschreibung, die einerseits eine Ausschreibung der Tierkörperbeseitigung vorsieht, andererseits eine öffentliche Vergabe. Die Formulierung „erforderlichenfalls im Wege der Ausschreibung“ trägt auch nicht nur zur Klarheit bei. Was die EU im Ergebnis tatsächlich verlangt, wird nicht ersichtlich und ist in diesem Punkt möglicherweise strittig.

Jede Anpassung an die EU-Rahmenbedingungen muss von dem Willen geprägt sein, unserer Landwirtschaft und unserer Ernährungswirtschaft das Wirt

schaften zu erleichtern und die Ermessensspielräume in diesem Sinne zu nutzen. Alles andere ist in der derzeitigen Wirtschafts- und Arbeitsmarktsituation unseres Landes nicht akzeptabel. Die letzten beiden Tage waren von der Sorge um den Arbeitsmarkt, um vergleichbare Kosten, um eine Minimierung der Kosten und um die Frage, wie wir all dies allen Beteiligten letztendlich in Zukunft ermöglichen können, geprägt. Ich glaube, wir tun gut daran, auch bei einem so drögen Thema sehr ernst an die Thematik heranzugehen und diese offensiv miteinander zu beraten.

(Beifall bei CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, es ist eine Verpflichtung, dies dezidiert aufzuarbeiten und - mit allen Beteiligten am Tisch sitzend - zu einem guten Ergebnis zu kommen. Wir erwarten daher eine gute und erfolgreiche Beratung in den Ausschüssen. Ich gehe davon aus, dass der Agrarausschuss mitberatend beteiligt wird. Wir sollten uns auf ein gemeinsames Verfahren verständigen. Ich bitte, dies zu berücksichtigen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Wodarz das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ministerin für Bildung hat Ihnen den Sachverhalt dargestellt; ich muss sagen, mit großem Sachverstand. Sie hat dies klar und präzise didaktisch hervorragend aufbereitet.

(Beifall im ganzen Haus)

Es handelt sich um einen Gesetzentwurf, bei dem grundsätzlich noch Änderungen möglich sind. Der Kollege Jensen-Nissen hat richtigerweise darauf hingewiesen. Wir werden im Agrarausschuss über die Vorlage beraten. Dass dies im Agrarausschuss geschehen wird, davon gehe ich aus. Ich glaube, die anderen interessieren sich nicht so sehr dafür.

Ich möchte ganz kurz noch auf einige Punkte eingehen, die auch schon im Zuge der Anhörung zu Gesetzentwurf zur Sprache gekommen sind. Zunächst einmal wäre da der von allen schon erwähnte umstrittene Punkt der Einzelabrechnung. Ich freue mich, dass der vorliegende Entwurf diesen Punkt pragmatisch und praxisbezogen regelt. Herr Kollege JensenNissen, wie bisher werden von den Tierhaltern - nicht von den Landwirten - im Umlageverfahren Beiträge auf die Tierzahl erhoben. Aus diesen Mitteln werden die Beseitigungskosten für gefallene Tiere erstattet.

(Friedrich-Carl Wodarz)

Erlauben Sie mir die folgende Bemerkung, bei der ich mit Ihnen - vielleicht nicht ganz in dieser Schärfe - übereinstimme: Die Begründung im Referentenentwurfentwurf des Gesetzes, die Einzelabrechnung würde die Landwirte dazu anreizen, die Tierverluste zu minimieren, war - vorsichtig ausgedrückt - doch ziemlich daneben.

(Beifall des Abgeordneten Peter Jensen- Nissen [CDU])

Ich halte dagegen, dass die Einzelabrechnung wahrscheinlich dazu geführt hätte, dass insbesondere Tierhalter mit geringen Beständen dazu verleitet worden wären, die Kadaver unsachgemäß zu beseitigen, um Kosten zu sparen. Bei der derzeitigen und auch der zukünftigen Praxis gibt es dafür keinen Anreiz mehr. Deshalb ist dies so in Ordnung. Allerdings: Die Ausführungen des Bauernverbandspräsidenten Steensen beim Landesbauerntag waren auch ziemlich daneben, da er längst von dem geänderten Entwurf wusste. Er war aber so schön bei seiner Rundumpolemik. Da passte das so gut rein.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Jensen- Nissen [CDU])