Protokoll der Sitzung vom 13.11.2003

Ihnen, Herr Minister Rohwer, immer noch so aufrechterhalten - reine Selbsttäuschung oder Volksverdummung. Ich sage das ganz deutlich. Sie können doch nicht bei einem europäischen Netz von einem Selbstversorgungsgrad von Schleswig-Holstein reden. Wovon reden Sie?

Der Ausbau der Windenergie ohne vorherigen Ausbau der Netze ist ein gefährliches Sicherheitsrisiko für die Stromsituation in dieser Republik. Er kann sich in Kürze als Schildbürgerstreich à la New York erweisen. In der Fachliteratur wird über diese Gefahr, die aufgrund der unstetigen Windeinspeisung durch die Nichtmodernisierung der Netze heraufzieht, intensiv geredet. Das ist ein ernsthaftes Problem. Sie nehmen es überhaupt nicht wahr. Sie wollen es überhaupt nicht wahrnehmen.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben null Ahnung! Das stimmt!)

- Nein, ich habe nicht null Ahnung. Offensichtlich haben Sie null Ahnung.

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich merke, dass ich mit meiner Redezeit deutlich in Schwierigkeiten geraten bin. Lassen Sie mich zum Schluss kommen.

(Zurufe von der SPD)

Es wäre fast witzig, wenn es nicht so traurig wäre. Herr Vahrenholt und Herr Schmoldt, der eine grün und der andere rot, befürworten eine längere Laufzeit der Kernkraftwerke, um den steigenden Bedürfnissen nach Reservekapazitäten aufgrund erhöhter Windeinspeisung gerecht werden zu können. In der „Financial Times“ wird das mit 100 Milliarden € pro Jahr veranschlagt.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte formulieren Sie Ihren letzten Satz.

Ich versuche, meinen letzten Satz zu formulieren. Das ist besonders schwierig.

(Zurufe von der SPD)

- Wenn hier ständig dazwischengebrüllt wird, kann ich nicht einmal meinen letzten Satz formulieren.

(Heiterkeit - Dr. Ulf von Hielmcrone [SPD]: Sie Ärmster!)

Ich sage Ihnen: Die Energiepolitik dieses Landes, auch dieser Landesregierung, die hoffentlich ein Stückchen realitätsnäher wird, ist bisher für den Stromverbraucher zu teuer und kostet Arbeitsplätze. Ich hoffe auf mehr Realitätssinn. Bisher konterkariert sie Ihre eigenen Bemühungen um die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Ich wünsche Ihnen mehr Realitätsnähe und damit auch mehr Erfolg in der Energiepolitik.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Frau Abgeordnete Aschmoneit-Lücke hat das Wort.

(Dr. Ulf von Hielmcrone [SPD]: Durch das Klatschen wird es auch nicht besser! - Claus Ehlers [CDU]: Weitere Reden brauchen wir nicht! Das war alles in Ordnung! - Friedrich- Carl Wodarz [SPD]: Claus, kannst du eine Stellungnahme des Bauernverbandes abge- ben? - Weitere Zurufe)

Dürfte ich jetzt vielleicht auch einmal etwas sagen, meine Herren?

(Beifall)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beiden vorliegenden Anträgen ist eines gemeinsam. SPD und Grüne und die CDU treibt offenbar in der Energiewirtschaft immer noch die Staatsgläubigkeit. SPD und Grüne wollen, dass ausgerechnet die Landesregierung der Energiewirtschaft wirtschaftliches Verhalten verordnet und die CDU will neue Staatsschranken, neue Regulierungen gegen die Windenergie aufbauen und hat hierzu bekanntermaßen ihren Fachanwalt gegen Windenergie vorgeschickt.

(Beifall der Abgeordneten Helmut Plüschau [SPD] und Friedrich-Carl Wodarz [SPD])

(Christel Aschmoneit-Lücke)

Zu SPD und Grünen. Sie beschreiben, wie die Zukunft der Energiewirtschaft aussehen soll. Sie, die Energiewirtschaft, soll dafür sorgen, dass die Menschen weniger Energie verbrauchen. Die KraftWärme-Kopplung wird als Endprodukt technischen Fortschritts festgeschrieben. Die Energiewirtschaft soll sich erneuerbarer dezentralisieren. Das ist ihr Befehl für die Zukunft der Energiewirtschaft.

Ich gestehe Ihnen zu, dass Sie über verschiedene „Zukünfte“ der Energiewirtschaft durchaus nachgedacht haben und dass Ihre Forderung nach mehr Staat aus Ihrer Sicht sicherlich das Bestmögliche wäre. SPD und Grüne haben noch nie viel Vertrauen in die Kraft der Gesellschaft bewiesen, Sinnvolles auch ohne staatlichen Zwang zu erzeugen.

(Beifall bei der FDP)

Dass detaillierter staatlicher Zwang die Entwicklung von Gesellschaften oder Wirtschaftszweigen - vorsichtig gesagt - eher behindert, beweist die Geschichte des letzten Jahrhunderts. Den Beweis des Gegenteils bleiben SPD und Grüne auch bei der Energie nach wie vor schuldig.

(Dr. Ulf von Hielmcrone [SPD]: Im 19. Jahrhundert war es besser?)

Sie haben nichts dazugelernt. Schon wieder soll der Staat die Zukunft befehlen.

Sie könnten selbstverständlich Glück haben und nachträglich Recht bekommen. Es gibt ja auch Menschen, die einen Lotto-Jackpot gewinnen. Aber das ist noch viel wahrscheinlicher, als dass Sie mit Ihrer Staatswirtschaft Recht behalten.

Meine Damen und Herren, zu den einzelnen Punkten des Antrags! Die Energiewirtschaft soll Energie sparen. Die Antragsteller haben offenbar vergessen, dass die Energiewirtschaft ein Bedürfnis der Menschen befriedigt: Sie verkauft Energie, mit der die Menschen sich das Leben angenehmer machen. Wer will, dass weniger Energie verbraucht wird - das könnte man ja durchaus wollen -, müsste das Verhalten der Menschen ändern, die freiwillig so viel Energie kaufen. Dass die Energiewirtschaft hierfür die richtige Zielgruppe ist, bezweifle ich.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Das Verhalten von Menschen und Unternehmen steuern verschiedene Ursachen, unter anderem Angebot und Nachfrage. Das Angebot wird von den Energieträgern, dem Stand der Technik und den Produktionskosten bestimmt. Womit sich am leichtesten das meiste Geld verdienen lässt, das wird überproportio

nal angeboten. Die Nachfrage wird von den Bedürfnissen und den Einkommen der Menschen und Unternehmen bestimmt. Die preiswerteste Energie wird am stärksten nachgefragt. Das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage bestimmt den Energiemix und den Energiepreis.

Das alles sollte Ihnen nicht fremd sein, denn diese Zusammenhänge sind das Geheimnis des weltweiten Erfolges der Marktwirtschaft, auch der sozialen Marktwirtschaft. Diese Zusammenhänge verleiten zum Beispiel Unternehmen, stets nach besseren Produktionsmethoden zu suchen. Beim Energieverbrauch hat das seit der Zähmung des Feuers dazu geführt, dass der Anteil an fossilen Brennstoffen am weltweiten Energieverbrauch stetig abnimmt und immer stärker von festen über flüssige auf gasförmige und erneuerbare Energieträger übergegangen wird. Interessant ist, dass sich der Übergang zu saubereren Energien ungefähr seit 1950 verlangsamt hat - ungefähr seitdem sich die Politik immer stärker in die Details der Energiewirtschaft einmischt. Dass Sie jetzt fordern, dass sich der Staat noch stärker um diesen Teil der Wirtschaft kümmern soll, verheißt wenig Gutes weder für die Energiewirtschaft noch für die Umwelt und die Menschen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Damit komme ich zum effizienteren Energieeinsatz! Wer mehr Effizienz will, sollte die Kräfte von Angebot und Nachfrage nutzen, nicht den staatlichen Befehl. Augenscheinlich das größte Problem des derzeitigen Energiemixes ist der hohe Anteil an fossilen Brennstoffen, bei uns besonders das Öl, weltweit immer noch die Kohle. Damit die Energiewirtschaft preiswerte Energie mit weniger Problemen anbietet, sollte jede staatliche Unterstützung für fossile Brennstoffe sofort aufhören.

(Beifall bei der FDP)

Eindrucksvollstes Beispiel ist die deutsche Kohle: Wer etwas für einen effizienten Energieeinsatz erreichen will, muss endlich aufhören, teure deutsche Kohle mit knappen deutschen Steuergeldern zu kaufen. Die über 50 Jahre andauernde staatliche Alimentation der Kohleindustrie zur Anpassung an eine sich verändernde Welt sollte sofort aufhören. Das gesamte staatliche Regelwerk sollte nach weiteren Förderungen fossiler Brennstoffe durchsucht werden und man sollte sie abschaffen. „Gefunden, gestrichen“ sollte das Motto lauten. Allein das brächte neuen Energieformen einen relativen Vorteil und sparte Staat und Bürgern Geld.

(Beifall bei der FDP)

(Christel Aschmoneit-Lücke)

Es würden nicht mehr so viele Subventionen für sie gebraucht. Denn die sind teilweise nichts anderes als staatliche Abwehrbeihilfen gegen staatliche Wettbewerbsverzerrung zugunsten fossiler Brennstoffe.

Davon steht aber leider nichts in Ihrem Antrag. Warum eigentlich nicht? Trauten Sie sich nicht? Oder haben Sie doch die Vorstellung, dass der staatliche Befehl besser ist als alles andere?

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Herr Kollege Matthiessen, schön, dass Sie sich wieder zu Wort gemeldet haben. - Der Staat soll offensichtlich auch dafür sorgen, dass erneuerbare Energien stärker als bisher dezentral genutzt werden. Hier haben Sie einen Trend erkannt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass dies ohnehin der bedeutendste energiewirtschaftliche Trend des 21. Jahrhunderts sein wird - nicht, weil der Staat sich darum kümmert, sondern weil der technische Fortschritt es ermöglicht. Moderne Windmühlen sind ein Paradebeispiel dafür. Es gibt aber drei Probleme: Strom speichern ist teuer, Windenergie an sich ist noch zu teuer und die rotgrüne Politik in Schleswig-Holstein ist für die Windenergie viel zu teuer.

Windmühlen liefern nur Strom, wenn der Wind weht, und zwar nicht zu stark. Wir wollen aber immer Strom. Folglich muss man für die Zeiten vorsorgen, in denen der Wind nicht oder zu stark weht. Strom zu speichern ist sehr teuer, Reservekraftwerke sind es allerdings auch. Allein das begrenzt den sinnvollen Einsatz der Windenergie.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Thomas Stritzl [CDU])

Aber diese Grenze ist noch nicht erreicht, und auch hier wird der technische Fortschritt die Kosten senken und die Grenzen erweitern, auch ohne dass sich der Staat einmischt.

Das zweite Problem der Windkraft sind zu hohe Kosten im Vergleich zu herkömmlichen Energieträgern bei den gegenwärtigen Energiepreisen. Denn die Windenergieunternehmen haben zu wenig versunkene Kosten und sind auf der Lernkurve noch zu weit unten. Deshalb wäre die Windkraftindustrie bei uns derzeit ohne staatliche Hilfe kaum wettbewerbsfähig.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])