Protokoll der Sitzung vom 29.01.2009

Für die Abgeordneten des SSW hat die Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk, das Wort.

(Günter Neugebauer [SPD]: Sie sollten sich als Papst bewerben, Herr Kubicki! - Wolf- gang Kubicki [FDP]: Aber ich bin nicht ka- tholisch!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das vorliegende Paket von Gesetzesänderungen wurde vor mehr als einem Jahr in erster Lesung im

(Wolfgang Kubicki)

Landtag debattiert, um Übergangsgeld und Ruhegehalt, die Altersversorgung sowie die Offenlegung der Einnahmen aus Nebentätigkeiten neu zu regeln. Anlass für die Gesetzesänderung war nicht zuletzt, eine mögliche Doppelversorgung von Ministerinnen und Ministern zu vermeiden.

Der SSW hätte sich zu diesen Punkten ein anderes Verfahren gewünscht, hob ich damals hervor, da sich die Änderung des Landesministergesetzes nicht für parteipolitische Profilierung eignet. Das ist weiterhin die Position des SSW, denn letztlich fällt diese Diskussion immer auf uns alle hier im Landtag zurück. Wie komplex dieser Sachverhalt ist, zeigte die anschließende parlamentarische Beratung, die letztlich dazu führte, dass nichts geändert wurde und alles beim Alten blieb.

Das Anliegen der Grünen, mit diesem Paket an Gesetzesänderungen die Nebentätigkeiten von Ministern und Abgeordneten transparent zu machen, sollte eigentlich leicht umzusetzen sein. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Klage gegen die Änderung des Abgeordnetengesetzes auf Bundesebene zurückzuweisen, kann es keine Entschuldigung mehr dafür geben, eben dies nicht zu tun.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Seit 2005 müssen alle Bundestagsabgeordneten ihre Nebentätigkeiten anzeigen. Sie werden veröffentlicht, auch im Internet, und sind damit für die Allgemeinheit nachzulesen. Laut Abgeordnetengesetz steht das Mandat im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Abgeordneten. Alle anderen Aktivitäten gelten als Nebentätigkeiten, die dem Präsidenten anzuzeigen und von ihm zu veröffentlichen sind. Auch müssen die aus Nebentätigkeiten erzielten Einkünfte dem Präsidenten des Bundestages angegeben werden. Sie werden nicht präzise veröffentlicht, sondern nur im Rahmen von vornherein festgelegten Intervallen.

Der Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht vor, die Vorgaben dieses Modells eins zu eins auf Schleswig-Holstein zu übertragen. Das hat der SSW von Anfang an begrüßt, weil auch wir der Meinung sind, dass dadurch die demokratischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger gestärkt werden.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht hier nicht darum, diese Nebentätigkeit, deren Einkünfte zum Beispiel bei Anwälten oder anderen Berufsgruppen die Höhe der Diäten möglicherweise übersteigen können, zu verhindern oder zu verteufeln. Es geht darum, dass die Bürgerinnen und Bürger genau wissen sollen, in welchen Gremien oder Unternehmen die Abgeordneten oder Minister sonst noch tätig sind.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das entscheiden die Wähler allein!)

Ob diese Nebentätigkeiten zu einem Interessenkonflikt oder zu Abhängigkeiten führen, kann die Öffentlichkeit dann selbst beurteilen. Anders formuliert: Aus Sicht des SSW haben die Bürgerinnen und Bürger Schleswig-Holsteins Anspruch darauf zu erfahren, ob Abgeordnete ihre Entscheidungen frei treffen oder ob sie von wirtschaftlichen oder anderen Interessen geleitet werden.

Ich fasse zusammen: Wir unterstützen weiterhin das Anliegen der Grünen. Wir sind der Meinung, dass Transparenz angesagt ist. Ich denke, das wird auch irgendwann kommen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin, gestatten Sie noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki?

Immer gern.

Frau Kollegin Spoorendonk, stimmen Sie mir zu, dass die Wählerinnen und Wähler der FDP in Kenntnis der gegeben Rechtslage ihre Wahlentscheidung getroffen haben und dass es Ihnen möglicherweise nicht darum geht, dass unsere Wählerinnen und Wähler wissen, wovon wir abhängig oder nicht abhängig sind, sondern möglicherweise Sie das im Rahmen des politischen Meinungskampfes wissen wollen?

- Ich bin fest davon überzeugt, dass die Wählerinnen und Wähler das gerne wissen wollen. Gerade im Deutschen Bundestag oder in deutschen Parlamenten gibt es viele Abgeordnete, die in Aufsichtsräten, in Gremien vertreten sind. Ich finde, die Wählerinnen und Wähler haben einen Anspruch darauf, diese Nebentätigkeiten in ihre Wahlentscheidung einzubeziehen.

(Anke Spoorendonk)

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der SPD)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Ursula Sassen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns über Nebentätigkeiten unterhalten, kann es doch nur darum gehen, dass diese nicht ein Ausmaß annehmen dürfen, das Abgeordnete daran hindert, Mandate in vollem Umfang nach bestem Wissen und Gewissen auszuüben. Da sind Abgeordnete ihren Gewissen verpflichtet. Wenn der Verdacht besteht, dass dem nicht so ist, muss das auf Parteiebene geregelt werden.

Man kann auch die Situation im Land nicht mit der auf Bundesebene vergleichen. Diesen Gesetzentwurf empfinde ich als eine Diskriminierung der Selbstständigen.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben sowieso das Problem, dass unter den Abgeordneten viel zu wenig Selbstständige vertreten sind.

Wie soll ich das machen? Ist meine Existenz, das Geschäft, das ich betreibe, eine Nebentätigkeit oder eine Haupttätigkeit, oder ist die Ausübung des Abgeordnetenmandats mein Hauptberuf? Wenn ich mir durch zusätzliches Personal, das Kosten verursacht, den Freiraum organisiere, hier in vollem Umfang tätig zu sein - ich kann für mich in Anspruch nehmen, dass ich noch nicht einmal wegen meines Geschäftes hier gefehlt habe -, kann doch nicht das Informationsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürgern darin bestehen, dass ich vielleicht meine Bilanz veröffentliche. Hier wird etwas falsch verstanden. Ich kann auch nicht differieren zwischen jemandem, der vielleicht in zu vielen Aufsichtsräten sitzt und diese Nebentätigkeiten angeben soll, und anderen. Wie soll das differenziert werden? Ein bisschen mehr Vertrauen in die Politiker auch von uns wäre wünschenswert.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich dem Fraktionsvor

sitzenden der SPD, Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Sache ist eigentlich alles gesagt. Der Kollege Puls hat dargelegt, wie die Haltung der SPD-Fraktion ist. Ich habe mich hier aus einem anderen Grund gemeldet. Es geht gar nicht darum, dass man sich nicht wünschen sollte, eine Vielzahl von Menschen aus den unterschiedlichsten Berufen zu haben, die für das Parlament kandidieren. Was mich auf die Palme bringt, ist - das haben Sie, Herr Oppositionsführer, wiederholt getan; deshalb habe ich mich hier gemeldet -, wenn man hier so tut, als seien diejenigen besonders unabhängig, die hohe Einkünfte aus anderen Bereichen haben und nicht vom Abgeordnetenmandat leben. Sie haben auch einmal so einen Zwischenruf gegenüber Herrn Neugebauer gemacht, der lange in diesem Parlament ist, als sei es sozusagen weniger ehrenwert, wenn man für das Gemeinwesen arbeitet und davon lebt und keine zusätzlichen Einkünfte hat. Das weise ich entschieden zurück. Das finde ich eine Frechheit.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das trägt nämlich nicht dazu bei, den Parlamentarismus und dessen Ansehen zu stärken, wenn man so tut, als seien das, was man als Abgeordneter bekommt, sozusagen Peanuts, weil die eigentlichen Einkünfte woanders herkommen. Diese Haltung, die manchmal auch als Verachtung gegenüber dem Parlamentarismus just auch noch von Parlamentariern kommt, finde ich unmöglich - bei allem Respekt für andere Berufe.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Reden Sie doch kei- nen Blödsinn!)

Lassen Sie mich noch ein Zweites sagen, weil hier das Beispiel Otto Schily gefallen ist: Ich schätze Otto Schily in vieler Hinsicht sehr. Aber er ist nun das denkbar schlechteste Beispiel, weil er gegen die Verhaltensregeln des Deutschen Bundestages verstoßen hat und vom Präsidenten des Deutschen Bundestages just dafür gerügt worden ist - in diesem Fall zu Recht gerügt worden ist. Ihn sollte man in diesem Punkt nun nicht als besonderes Beispiel hier darstellen. Auch dies gereicht dem Parlament nicht zur Ehre.

Bei aller Toleranz - ich bin auch nicht dafür, dass man es mit der Ausforschung übertreibt. Man kann über Transparenz an dieser oder jener Ecke wirk

(Anke Spoorendonk)

lich unterschiedlicher Meinung sein. Aber die Haltung, sozusagen subkutan die Vorurteile, die es gegenüber dem Parlament gibt, auch noch zu fördern, halte ich für nicht angebracht.

Verehrter Herr Kubicki, selbst wenn Ihre Wähler das nicht interessiert, sind selbst Sie ein Abgeordneter des gesamten Volkes und zuständig dafür, sozusagen das gesamte Volk zu vertreten. Das gilt übrigens für jeden Abgeordneten in diesem Haus. Auch daran bitte ich, sich zu erinnern, bevor man solche fragwürdigen Vergleiche anstellt, auch wenn es noch so sehr der Parteipolemik dienen mag, dass man sich über Abgeordnete lustig macht, die einen anderen Lebensweg haben als Sie.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Der sei Ihnen auch gegönnt. Ich bin übrigens völlig neidfrei, bei Ihnen ganz besonders neidfrei, wenn ich das hinzufügen darf. Aber man muss nicht über andere Parlamentarier so reden. Das will ich wirklich zurückweisen. Das ist ein ehrenwerter Beruf. Sich für das Gemeinwesen einzusetzen, ist allemal ehrenwerter als manches andere.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält der Fraktionsvorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur FDP: Jeder Redner der FDP, der heute aufgetreten ist, hatte es nötig zu erklären, dass er klüger sei als die anderen.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD]: Streber!)

Wenn in der Schule solch Verhalten auftritt, hat das nicht unbedingt die Wirkung, dass derjenige die besten Noten bekommt. Das kann auch zum Gegenteil führen.

Sie müssen selbst wissen, ob Sie auf der Bank da drüben Minderwertigkeitskomplexe oder andere Probleme haben. Darauf will ich jetzt nicht weiter eingehen. Mich interessiert mehr die CDU.

Frau Ursula Sassen, niemand hat sich mit diesem Antrag gegen Sie gewandt. Das möchte ich deutlich sagen. Wenn es Interessenkonflikte gibt, dann bestimmt nicht bezüglich Menschen, die ein kleines Geschäft haben oder als Selbstständige tätig sind. Das ist überhaupt nicht das Problem. Wenn es um Interessenkonflikte geht, dann geht es darum, Nebentätigkeiten zu haben, die im Bereich von internationalen Konzernen, beispielsweise von Energiekonzernen und Ähnlichem, liegen und möglicherweise tatsächlich Konflikte mit dem politischen Handeln im Parlament bewirken, insbesondere, wenn Interessen des betreffenden Konzerns berührt sind.

Jeder ist frei, tätig zu sein. Jeder ist frei, sich in diesem Bereich zu engagieren und seine Meinung zu sagen. Es ist für den Bürger aber sicherlich sinnvoll, zu wissen, wenn sich jemand in einer bestimmten Richtung betätigt, welchem Herrn diese Person sonst noch dient.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)