Doch wie sehen die Regelungen der Kommission im Einzelnen aus? Der Kompromissvorschlag der Kommission sieht vor, dass ab 2016 der Bund seine Neuverschuldung auf höchstens 0,35 % des BIP beschränken muss. Warum eigentlich nur der Bund? Die Frage ist bisher nicht beantwortet. Die Länder sollen von 2020 an in normalen Haushaltsjahren überhaupt keine neuen Schulden mehr aufnehmen dürfen. Ausnahmen sind nur in Rezessionszeiten zulässig oder bei internationalen Wirtschafts
krisen. Aus unserer Sicht ein viel zu starres Korsett, da notwendige Investitionsentscheidungen des Landes mit dieser Regelung massiv eingeschränkt werden.
Auch für uns steht fest, dass die expansive Haushaltspolitik der roten und rot-grünen Regierungszeit mit der daraus resultierenden Zinsbelastung, ohne in guten konjunkturellen Zeiten Rücklagen zu bilden, zu der heutigen haushaltspolitischen Situation geführt hat. Und diese Situation heißt, dass heute jeder Schleswig-Holsteiner und jede SchleswigHolsteinerin mit 7.900 € verschuldet ist und damit 90 € mehr an Zinslasten zu tragen hat als der Durchschnitt der Bürger in den alten Bundesländern. Eine flexiblere Schuldenbegrenzung wird dem Land mehr helfen, als dieses von der Föderalismuskommission geschnürte starre Korsett.
Die Einigung sieht im Gegenzug zur Schaffung der Schuldenbremse zwar Konsolidierungshilfen für die armen Bundesländer, also auch für SchleswigHolstein vor. Ein Konsolidierungsfonds soll über neun Jahre jährlich Finanzhilfen an die finanzschwachen Länder ausschütten. Blickt man allerdings etwas genauer auf die Zahlen, dann kann diese Lösung - da gebe ich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und dem SSW ausdrücklich recht - in keiner Weise zufriedenstellen. Denn was bedeutet diese Lösung für Schleswig-Holstein? Das Land erhält einen Betrag in Höhe von 720 Millionen € - oder umgerechnet rund 80 Millionen € pro Jahr. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist etwas mehr als die ausbleibende Dividende der HSH Nordbank und die Zinszahlungen, die wir auf die 1 Milliarde € Kapitalzuführung im Jahre 2008 zu leisten haben, das Kapital, das sich mittlerweile in Luft aufgelöst hat.
Diese Sache bringt für Schleswig-Holstein überhaupt nichts. Zur Erinnerung: Die Landesregierung war mit 1 Milliarde € an Forderungen in die Verhandlungen gegangen. Wenn man sich die Finanzhilfesummen der anderen Länder anschaut, insbesondere die des Saarlandes, dann kann man sich schon die Frage stellen, ob die Relationen stimmen. Denn das Saarland soll jährlich 260 Millionen € erhalten, ein Gebiet von der Größe des Kreises Rendsburg-Eckernförde, und das bei einem ProKopf-Schuldenstand von 9.180 €, gerade einmal 1.300 € mehr als in Schleswig-Holstein.
Die Summe für Schleswig-Holstein ist bei einer jährlichen Zinsbelastung von 1,1 Milliarden € - gelinde gesagt - ein Witz.
Ich finde es richtig, dass die schleswig-holsteinischen Vertreter in der Föderalismuskommission dieser Lösung nicht zugestimmt haben.
Der dritte Punkt - und der ist meines Erachtens der gravierendste - ist die Aushebelung des Budgetrechts der Parlamente. Denn die Regelung sieht vor, im Grundgesetz eine Länderverschuldung von null festzulegen. Damit wird den Landesparlamenten schlicht die Haushaltshoheit genommen. Das ist nicht zustimmungsfähig.
Ich freue mich, dass der Ältestenrat fraktionsübergreifend festgestellt hat, dass der Landesgesetzgeber die Hoheit über diese Entscheidung haben muss. Doch er hat auch festgestellt, dass - wenn der Bundesrat die Regelungen so beschließen sollte nur eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht als letzter Ausweg bleiben wird. Ich kann für meine Fraktion und für mich als Person bereits verbindlich erklären: Wir werden uns einer solchen Klage definitiv anschließen
oder sie von uns aus erheben, falls die anderen - aus welchen Gründen auch immer - kalte Füße bekommen sollten.
Nun ist der Ältestenrat kein Beschlussgremium, dessen Beschlüsse in irgendeiner Weise bindend wären, aber wir sollten uns in den Ausschussberatungen ernsthaft mit diesem Schritt auseinandersetzen und ihn sehr sorgfältig prüfen.
Kommen wir zum zweiten Teil des Antrags, dem Entschuldungskonzept! Hier wird es nun in der Tat etwas schwierig und nach meiner Auffassung nach dem gestrigen Kabinettsbeschluss geradezu unmöglich. Mit dem aktuellen Doppelhaushalt hat der Landtag eine Nettoneuverschuldung von 607 Millionen € 2009 und 604 Millionen € 2010 beschlossen, dies noch auf der Basis von sehr abitionierten Wachstumserwartungen, von denen wir heute bereits sagen können, dass sie sich nicht erfüllen werden. Mit dem Nachtragshaushalt geht die Neuverschuldung leider nicht zurück. Im Gegenteil, um sie stabil halten zu können, werden Rücklagen in beträchtlicher Höhe aufgelöst.
Dabei wird es nicht bleiben. Der Mai-Steuerschätzung kann man nur mit Grauen entgegensehen: Die Steuereinnahmen werden aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung zusammenbrechen, Ausgabenkürzungen sind politisch nicht gewollt und kurzfristig auch nur in einem ganz geringen Ausmaß möglich, die Rücklagen sind aufgebraucht, die Nettoneuverschuldung wird im Vollzug - machen wir uns da nichts vor - weiter steigen. Wie soll das Land in der derzeitigen Situation eine Nettoneuverschuldung von null erreichen, ohne an Bildung zu sparen, ohne an der Polizei zu sparen, ohne an der Justiz zu sparen, wenn die Landesregierung gleichzeitig den Bürokratieabbau verhindert, keine Aufgabenkritik vornimmt und keine Aufgaben auf Private übertragen will?
Ich frage mich an dieser Stelle: Wie sehen diese Maßnahmen erst aus, wenn sich die Landtagsfraktionen von CDU und SPD tatsächlich entschließen und dazu kommen wir gleich noch -, weitere 1,5 Milliarden € in eine HSH Nordbank zu pumpen, von der ich glaube, dass sie mit ihrem neuen Geschäftsmodell nicht überlebensfähig sein wird?
Herr Kollege Stegner, ich glaube auch nicht, wenn wir Obama zitieren wollen, dass man alles eins zu eins übertragen kann und sollte, was Obama sagt. Ich warne Sie ganz dringend davor, dass wir die Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein in den Schatten stellen, vor allen Dingen deshalb, weil das Konjunkturprogramm, das Obama aufgelegt hat, mit fast 400 Milliarden $ zunächst Steuererleichterungen für die breite Masse der Bevölkerung bewirkt, etwas, was Sie ja für unmöglich und sogar für falsch halten.
Wir können auch als Land Schleswig-Holstein nicht die Steuern erhöhen, vor allem nicht in einem Ausmaß, dass sämtliche unternehmerische Tätigkeit aus unserem Land schlicht vertrieben wird. Damit würden wir ganz schnell in einer Abwärtsspirale landen. Der Haushalt zeigt doch, dass wir jedenfalls im wesentlichen Teil über die Einnahmeseite eine Konsolidierung der Landesfinanzen erreichen müssen, und zwar durch Wachstum, durch Stärkung der Kaufkraft und der damit einhergehenden Steuermehreinnahmen. Denn bereits heute nimmt Schleswig-Holstein im Vergleich zu den anderen westdeutschen Flächenländern pro Kopf 120 € weniger an Steuern ein. Das liegt nicht an zu niedrigen
Steuersätzen, Herr Kollege Dr. Stegner, sondern an zu geringem Wachstum. Und genau hier liegt das Problem.
- Bevor Sie klatschen, Frau Spoorendonk: Wir haben das einmal durchgerechnet. Hätten wir das Denkmalschutzrecht des Jahres 1952 - das Jahr, in dem ich geboren wurde -, das Baurecht und das Planungsrecht dieses Jahres - es ging uns da ja nicht schlecht, weil es aufwärts ging -, hätten wir heute viele unserer Probleme nicht, weil allein in Schleswig-Holstein Investitionen im Bereich von 30 Milliarden € umgesetzt werden könnten, mehr als jedes Konjunkturprogramm, das der Bund pro Jahr auflegt.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ob mit oder ohne Schuldenbremse: Die Zinslasten drohen unser Land zu ersticken. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um die Nettoneuverschuldung zu reduzieren, und zwar überwiegend durch Wirtschaftswachstum. Herr Kollege Dr. Stegner, geben Sie mit Ihrer Fraktion Ihre wachstumsfeindliche Haltung auf. Dann wird ein wesentlicher Teil des Problems gelöst werden.
Ich möchte nun etwas zum Abstimmungsverhalten meiner Fraktion sagen. Wir finden den Antrag von CDU und SPD „Keine Schuldenbremse ohne Entschuldungskonzept“ gut. Wir werden ihm bis auf den zweiten Absatz zustimmen, der mit den Worten „Der Landtag fordert die Landesregierung auf“ beginnt. Man muss diesen Absatz ablehnen, weil er denklogisch dort überhaupt nichts zu suchen hat. Es ist völlig egal, wie die Landesregierung sich entscheidet: Über das Budgetrecht des Parlaments soll durch uns entschieden werden. Das betrifft den letzten Absatz. Deshalb kommt es auf diese Formulierung gar nicht an, Herr Kollege Dr. Wadephul. Im Gegenteil. Egal, ob Sie zustimmen oder nicht zustimmen: Wir lassen uns vom Bund das Budgetrecht des Landes Schleswig-Holstein nicht beschneiden.
Deshalb kann man den zweiten Absatz, gelinde gesagt, streichen. Diesem werden wir nicht zustimmen. Ansonsten sind wir mit dem Antrag einverstanden.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Kubicki. - Für die Landesregierung hat nun Herr Ministerpräsident Peter Harry Carstensen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war schon spannend, dem einen oder anderen zuzuhören, insbesondere als Herr Hentschel von der Herzensangelegenheit beim Sparen gesprochen hat. Ich kann mich noch einigermaßen gut an die Koalitionsvereinbarungen über den Haushalt 2005 erinnern, der zusammen mit Ihnen verabschiedet wurde, Herr Kollege Hentschel. In dieser Zeit muss Ihr Herz ein bisschen ausgesetzt haben.
- Nein, sicherlich nicht bei ihm allein. So ist aber nun einmal die Ausgangssituation, die wir hier haben.
Lieber Herr Kubicki, ich bin gern bereit, darüber nachzudenken, was in der Zeit um 1952 in der Verwaltung und in ähnlichen Bereichen leichter war. Ich bin 1953 in die Volksschule im Elisabeth-Sophien-Koog gekommen. Alles von damals will ich auch nicht übernehmen. Ich kann mich erinnern, dass meine Eltern meine Schulbücher kaufen mussten. Ich glaube, dass wir gerade in diesen Bereichen einiges an Entwicklung betrieben haben, die uns auch etwas kosten sollte. Gerade die Bildung ist in eine andere Situation als damals gestellt worden. Insofern sollte man solche Vergleiche vielleicht nicht anstellen.
Herr Stegner, nur eine Anmerkung zu Ihrer Rede. Die Beispiele, die Sie genannt haben, nämlich HSH Nordbank und Konjunkturpaket, sind ausdrücklich für neue Schulden genehmigungsfähig. Das sind die Ausnahmen, die dort gemacht werden. Ich habe mit großem Interesse festgestellt, dass Sie strikt sagen: Wir wollen neue Schulden machen können. Sie haben ja auch neue Schulden gemacht. Das ist das, was uns unterscheidet. Das nehme ich gern zur Kenntnis. Was uns nicht unterscheidet, ist ein Aspekt bei der Frage, der Steuererleichterungen angeht. Ich bin zutiefst der Überzeugung, dass wir uns in Schleswig-Holstein in der momentanen Situation Steuererleichterungen, wie sie im Moment in der Diskussion sind, nicht leisten können.
Ich bin aber auch deshalb der Meinung, dass wir es uns nicht leisten können, über Steuererhöhungen zu sprechen, weil wir erstens die Balance für unseren Haushalt finden müssen. Zweitens ist, wenn es um Lohn- und Einkommensteuer geht, zu fragen, wen Steuererleichterungen treffen und wer überhaupt noch Vorteile davon hat. Drittens müssen wir dafür sorgen, dass wir in die Lage versetzt werden, unseren Haushalt noch zu gestalten, aber auch noch Wirtschaft bei uns anzusiedeln. Wenn wir uns über Steuervereinfachung und neue Steuersysteme unterhalten, bin ich gern bereit, mich an den Überlegungen zu beteiligen. Über die Höhe von Steuern sollten wir aber nicht diskutieren. Ich finde es manchmal lästig, so zu tun, als seien Steuern nur etwas Schlechtes. Wenn es keine Steuern gäbe, könnten keine Straßen gebaut und keine Schulen finanziert werden. Auch alle anderen Aufgaben, die der Staat hat, könnten nicht finanziert werden. Vielleicht sollten wir insofern eine etwas andere Einstellung zu Steuern haben, weil wir diese letztendlich brauchen.
Die Beratungen in der Föderalismuskommission laufen nun schon über zwei Jahre. Die Kommission hat bis jetzt zwanzigmal mit den Spitzen aus Bund und Ländern getagt. Wir haben dort gemeinsam für die Interessen unseres Landes geworben. Wir haben gemeinsam über die Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Ländern verhandelt. Wir haben auch gemeinsam für eine faire und solidarische Lösung gestritten.
Der Landtagspräsident, die Minister Uwe Döring und Rainer Wiegard und der Fraktionsvorsitzende der SPD haben mit mir zusammen dort konsequent unsere Linie vertreten. Unsere Argumente sind auch gehört worden. Sie sind auch ernst genommen worden. Sie sind in die Beratungen eingeflossen. Ich sage aber mit einem gewissen Maß an Ernüchterung und Bedauern, dass sie nicht in dem Maße in die Ergebnisse der Beratungen eingeflossen sind, wie wir uns das gewünscht hätten. Die Kommission hat vereinbart, eine neue, strengere Schuldengrenze für Bund und Länder einzuziehen. Das ist tatsächlich eine historische Entscheidung. Das ist der Ausstieg aus dem Schuldenstaat, und diesen begrüßen wir sehr.