Protokoll der Sitzung vom 25.02.2009

rungen verlangen auch außergewöhnliche Maßnahmen - und dies in ungeahnter Größenordnung. Der Staat muss den Banken unter die Arme greifen, um Schlimmeres zu vermeiden. Dazu gibt es keine Alternative. Es mag vielleicht widersprüchlich klingen, einerseits einen Milliardenbetrag für die HSH Nordbank aufzubringen und andererseits eine verbindliche Schuldenbremse zu begrüßen. Dennoch ist beides richtig.

Wir kennen in Schleswig-Holstein die Folgen hoher Schuldenberge besser als die meisten anderen. Die wachsende Belastung durch Zinsen hat den Handlungsspielraum bei uns enorm eingeengt. Die Lasten der Vergangenheit hindern uns an der Gestaltung der Zukunft. Zumindest können wir nicht so handeln, wie wir gern wollten und wie es bei uns auch sinnvoll wäre. Deshalb gab es für mich auch keinen Zweifel: Eine möglichst strenge Schuldengrenze für Bund und Länder war das Ziel. Die Landesregierung hat sich in der Föderalismuskommission von Anfang an dafür starkgemacht, dass sich eine Entwicklung, wie wir sie über Jahrzehnte in den öffentlichen Haushalten zu verzeichnen hatten, nun einmal nicht wiederholen darf. Das gilt für den Bund, und das gilt selbstverständlich auch für Schleswig-Holstein.

Wir haben unsere Forderung nach einem strikten Schuldenverbot aber immer mit einer Bedingung verknüpft. Wir haben gesagt: Schuldenbegrenzung ja, aber nur in Verbindung mit einer gerechten und solidarischen Regelung für die Altschulden. Der von uns vorgeschlagene Altschuldenfonds hätte nichts auf die lange Bank geschoben. Er hätte die Belastungen auch nicht einseitig umverteilt. Er wäre eine gute Lösung gewesen. Er war aber nicht mehrheitsfähig. Trotzdem war es richtig, diesen Vorschlag einzubringen, weil durch das Einbringen unserer Regelung die Diskussion über Hilfen überhaupt erst in Gang gekommen ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, wenn wir damals auf den Vorschlag betreffend unsere Regelung verzichtet hätten, wären wir überhaupt nicht so weit gekommen, wie wir jetzt sind. Die Lösung des Altschuldenproblems ist ein Schlüssel zur Konsolidierung. Bei Altschulden von mehr als 22 Milliarden €, die diese Regierung nahezu komplett übernommen hat, hängen uns allein die Zinszahlungen wie ein Mühlstein um den Hals. Uns belastet 1 Milliarde € Zinsen pro Haushaltsjahr. Wo wären wir, wenn wir diese Last nicht zu tragen hätten, zumal bei einer fiskalischen Disziplin, wie sie diese Regierung bisher an den Tag gelegt hat? Wir wären dann längst bei einem ausgegli

chenen Haushalt. Das müssen wir uns vergegenwärtigen.

Der Finanzminister hat eine Ein- und Ausgabenrechnung, eine Art Gewinn- und Verlustrechnung für das Land erstellt. Wir stellen fest: Dank unserer Sparbemühungen schreiben wir eine schwarze Null im operativen Geschäft. Ich sehe auch die verfassungsgemäßen Haushalte der jüngsten Vergangenheit sehr wohl als Erfolg an.

Über die Ursachen des Schuldenberges lassen sich viele Worte verlieren. Häufig schließen sich auch Schuldzuweisungen an. Ich will davon jetzt einmal absehen. Das bringt uns sicherlich nicht weiter. Wir haben die Situation so, wie sie ist. Damit haben wir umzugehen.

Für uns steht fest: Die wirtschafts- und finanzpolitischen Eckdaten weisen aus, dass wir im Wettbewerb mit den anderen Ländern deutlich benachteiligt sind. Im Vergleich zu den westlichen Flächenstaaten haben wir pro Einwohner 120 € weniger aus Steuern und Finanzausgleich. Wir haben pro Einwohner um 87 € höhere Zinsausgeben. Das ist ein struktureller Nachteil Jahr für Jahr. Wir haben dies in der Kommission vorgetragen. Die Bundeskanzlerin hat anerkannt, dass Länder im Westen der Republik Unterstützung brauchen. Die Kommission hat das ebenfalls anerkannt. Einerseits bin ich froh über die Entscheidung der Kommission. Sie hat sich auf Konsolidierungshilfen für die strukturell benachteiligten Länder - fünf an der Zahl; wir sind früher einmal von drei ausgegangen - geeinigt. Diese Hilfen tun dringend not.

Andererseits bleiben die für Schleswig-Holstein angebotenen Hilfen hinter dem zurück, was wir uns vorgestellt haben und was wir auch für dringend notwendig halten. 720 Millionen € - es ist gesagt worden - stehen für die Jahre von 2011 bis 2019 im Raum. Ich bin nicht und werde nicht derjenige sein, der den Eindruck vermittelt, dass dieses für uns ausreichend und genug ist. Ich hätte mir dort mehr gewünscht. Aber ich werde auch nicht derjenige sein, der den Eindruck vermittelt, dass wir auf diese 80 Millionen € pro Jahr verzichten können.

Lieber Herr Stegner, die Rechnung, die Sie gemacht haben, indem Sie unseren Beitrag mit abgezogen haben, ist falsch. Die Alternative wäre gewesen, keine 80 Millionen € zu bekommen, aber zusätzlich noch den Finanzierungsbeitrag zu zahlen. Dass die Schuldenbremse durchkommt, dass das Gesetzespaket im Bundesrat eine Mehrheit findet, ist klar. Es waren auch nicht nur die CDU-geführten Länder, wie Sie gerade den Eindruck vermittel

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

ten; die Diskussion über diese Schulden fand nicht nur unter den Parteien statt. Alle haben Ja zu der Schuldenbremse gesagt: Der Einzige, der Nein gesagt hat, war Mecklenburg-Vorpommern, nicht weil sie keine Schuldenbremse wollen, sondern weil sie nicht wollen, dass Schleswig-Holstein mit in die Konsolidierungshilfen aufgenommen wird. Das war schon eine starke Diskussion. Auch Berlin hat zugestimmt. Das einzige Land, das sich enthalten hat, war Schleswig-Holstein. Ich glaube, diese Entscheidung war in dem Fall richtig, weil wir uns sonst aus der ganzen Diskussion rausgekickt hätten. Es geht jetzt darum, die schleswig-holsteinischen Interessen weiter in der Kommission wahren zu können.

Entweder erklären wir uns irgendwann einverstanden und sagen Ja, oder wir sagen Nein und erwecken den Eindruck, dass wir auf die Konsolidierungshilfe verzichten können. Die Enthaltung demonstriert, dass wir nicht zufrieden sind. Aber sie steht der Hilfe, die wir erwarten, auch nicht im Wege. Das ist in der Kommission klar zur Sprache gekommen.

Viele, unabhängig vom Parteibuch, haben einen Klageverzicht von uns gefordert. Der Klageverzicht, den Saarland und den Bremen eingegangen sind, hat eine völlig andere Qualität als die Klage, die hier angekündigt worden ist. Hier geht es um das Verfahren, nicht um die Hilfen. Hier geht es nicht um die Schuldenbremse, sondern um die Art und Weise, wie die Schuldenbremse eingesetzt wird, ob es hier im Landtag mit in die Verfassung Verfassung hineinkommt oder ob der Bund bestimmen kann, was wir zu tun haben. Insofern hat das eine völlig andere Qualität.

Unser Bedarf - das darf ich auch noch einmal sagen - wurde von anderen permanent infrage gestellt. In der Debatte um die Verteilung der Gelder waren wir schon mehrfach aus der Gruppe der Empfänger raus. Wir haben immer wieder den Wiedereinstieg geschafft. Am Ende sind die Zuwendungen hart erkämpft, und wir sollten sie auch nicht aufgeben. Damit ist die Finanzarchitektur zwischen Bund und Ländern nicht ein für allemal festgezurrt. 2019 läuft der Länderfinanzausgleich in seiner jetzigen Form aus. Bereits in wenigen Jahren werden Verhandlungen darüber geführt. Dann müssen Ungleichgewichte austariert werden.

Meine Damen und Herren, wir haben Verantwortung übernommen und die bestmögliche Entscheidung für dieses Land getroffen. Lassen Sie mich es auf den Punkt bringen. Wir standen nicht vor der Alternative Schuldenbremse ja oder nein, sondern wir standen vor der Alternative, Schuldenbremse

mit Konsolidierungshilfe oder Schuldenbremse ohne Konsolidierungshilfe. Ich bin entschlossen der Meinung, wir können es uns nicht leisten, auf den Solidarbeitrag von Bund und Ländern zu verzichten. 80 Millionen € pro Jahr sind für uns eine wertvolle Hilfe, auch wenn sie uns auf dem Weg zum ausgeglichenen Haushalt nicht sehr weit nach vorn tragen. Aber sie geben uns Schwung, sodass wir Tempo aufnehmen können. Es ist eine große Herausforderung, mit den anderen gleich ans Ziel zu gelangen. Und das müssen wir uns vornehmen. Und wir müssen hart daran arbeiten.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Herrn Ministerpräsidenten. - Das Wort für einen Kurzbeitrag hat nun der Landtagspräsident und Abgeordnete Martin Kayenburg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf die Schuldenbremse selbst möchte ich nicht eingehen. Dazu ist hier genug gesagt worden. Ich halte sie persönlich allerdings grundsätzlich für wichtig und richtig. Über die Ausgestaltung muss man sicherlich noch diskutieren können. Ich gestehe, ich bin da persönlich etwas näher bei der FDP. Das ist wie beim Autofahren: Wenn ich eine Gefahr erkenne, bremse ich. Wenn aber die Gefahr beseitigt ist, dann werde ich keine Vollbremsung machen und auf null gehen. Hier müssen wir sicher noch diskutieren.

Aber ich möchte vor allem damit all denjenigen entgegentreten, die glauben, dass wir mit unserer Verfassungsklage gegen eine Schuldenbremse als solche seien. Das ist an keiner Stelle der Fall. Es geht uns um etwas viel Substanzielleres, nämlich um das Budgetrecht, das Königsrecht der Parlamente. Und dies gilt es, gegen Übergriffe des Bundes zu verteidigen.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Herr Dr. Stegner und ich haben dazu mit den anderen Kollegen von der Landtagsbank unsere Auffassung in der Kommission mehrfach deutlich gemacht. Allerdings sind wir weder bei den Kollegen des Bundestages noch bei den Ministerpräsidenten dabei durchgedrungen. Sie können alle unsere Anträge und Diskussionen nachlesen.

Ich bin der Auffassung, dass neue Schuldenregelungen den Ländern nicht durch Änderungen des Grundgesetzes übergestülpt werden dürfen. Schul

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

denregelungen sind, was die Länder angeht, wesentliche Bestandteile des Haushaltsrechts der Länder. Schuldenregeln schränken das Budgetrecht zentral ein. Neue Schuldenregelungen bedürfen deswegen auch der konstitutiven Mitwirkung der Landesparlamente. Schuldenregelungen sind den Ländern, sowohl was die grundsätzliche Regelung wie auch ihre nähere Ausgestaltung angeht, in den Landesverfassungen vorbehalten.

Die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft der Länder gehören zum Kernbereich unserer Staatlichkeit, die als Ausfluss des Bundesstaatsprinzips vom Grundgesetz verfassungsfest gewährleistet wird.

(Beifall bei der CDU)

Ich erinnere gern daran, dass die Länder in diesem Fall vor dem Bund stehen. Der Weg einer einseitigen Grundgesetzänderung zulasten der Bundesländer muss abgelehnt werden. Er ist verfassungsrechtlich unzulässig und verfassungspolitisch nicht hinnehmbar. Wir dürfen solch einen Weg nicht mitgehen, weil damit nämlich unsere Staatlichkeit beschädigt würde und es im Grunde auf eine Entmachtung der Länder hinausliefe. Deswegen - das ist hier schon deutlich geworden - begrüße ich es außerordentlich, dass der Ältestenrat einmütig beschlossen hat, gegen eine derartige Änderung Verfassungsklage einzulegen.

Ich weiß, diese Verfassungsklage ist mit gewissen Risiken behaftet, was den Verfahrensweg anbelangt, aber die können wir sicher überwinden, wenn, wie das hier im Land bisher üblich war, die Landesregierung im Rahmen des bisher praktizierten innerorganfreundlichen Verhaltens diese Klage mitträgt. Ich fordere Sie hier schon auf, unserer Klage beizutreten beziehungsweise eigenständig zu klagen. Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen einer Einschränkung unseres Budgetrechts mit Entschiedenheit entgegentreten. Und dazu rufe ich Sie alle auf.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Martin Kayenburg. - Das Wort für einen weiteren Kurzbeitrag hat der Herr Abgeordnete Karl-Martin Hentschel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch wenn ich die rot-grüne Koalition im nächsten Jahr möglicherweise gefährde, ich bin für eine Schuldenbremse. Das habe ich immer gesagt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die rot-grüne Koalition?)

- Eben, es ist Aschermittwoch.

Ich bin für eine Schuldenbremse. Ich glaube, dass das ein richtiges Instrument ist, sich festzulegen, natürlich mit Schwankungsbreiten. Das ist auch richtig. Es ist mehrfach gesagt worden, wo die entsprechenden Spielräume sind. Ich glaube auch, die Schuldenbremse ist nicht die Streitfrage. Die eigentliche Streitfrage ist, wie die Entschuldung stattfindet.

Wir haben zwei Resolutionen vorliegen, die Resolution, die der SSW und wir vorgelegt haben, und die Resolution, die die Regierungsfraktionen vorgelegt haben. Vergleicht man die beiden Resolutionen, dann sind die ersten drei Punkte praktisch identisch. Wir wären auch bereit gewesen, die drei Punkte der Regierungsfraktionen zu übernehmen. Der Unterschied besteht allein im vierten Punkt.

Der Anlass für die Debatte war eine Äußerung des Ministerpräsidenten, ich zitiere:

„Ich freue mich darüber, dass die Notwendigkeit von Konsolidierungshilfen für finanzschwache Länder im Grundsatz anerkannt wurde. Es wird aber für Schleswig-Holstein schwierig werden, mit dem in Rede stehenden Beitrag das Klassenziel von null Schulden bis 2020 zu erreichen.“

Das haben Sie gesagt, Herr Ministerpräsident.

Angesichts dieser Situation wollten wir wissen, wie Sie sich das vorstellen. Wie wollen Sie dieses Konsolidierungsziel in den nächsten Jahren erreichen? Wir wollen vor der Wahl und nicht hinterher wissen, was Sie den Bürgern zumuten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, diesen Anspruch hat die Bevölkerung Schleswig-Holsteins. Deshalb lese ich noch einmal den vierten Absatz vor, über den Sie jetzt nicht mit abstimmen wollen. Der vierte Absatz lautet:

„Der Landtag erwartet, dass die Landesregierung dem Landtag ein konkretes Konzept vorlegt, durch welche Maßnahmen unter Einbeziehung der in der Föderalismuskommissi

(Martin Kayenburg)

on vorgesehenen Regelungen das strukturelle Defizit von 600 Millionen € ausgeglichen werden soll.“

Diesen Satz müssen Sie mit verabschieden, wenn Sie ehrlich sind. Sie müssen den Menschen sagen, was sie in den nächsten Jahren erwartet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie das nicht tun, dann weigern Sie sich, die Hosen herunterzulassen.

Herr Wadephul, Sie haben von der Opposition Konkretion gefordert. Das ist eine seltsame Angelegenheit von einem Fraktionsvorsitzenden einer Regierungspartei. Dieser Satz ist das einzig zentrale und konkrete Moment an dieser Resolution. Hier geht es darum, dass konkret beschlossen wird, was passieren soll und was die Regierung machen soll. Wenn Sie Konkretion fordern, dann müssen Sie diesen Satz mit verabschieden.