Protokoll der Sitzung vom 25.02.2009

Herr Wadephul, Sie haben von der Opposition Konkretion gefordert. Das ist eine seltsame Angelegenheit von einem Fraktionsvorsitzenden einer Regierungspartei. Dieser Satz ist das einzig zentrale und konkrete Moment an dieser Resolution. Hier geht es darum, dass konkret beschlossen wird, was passieren soll und was die Regierung machen soll. Wenn Sie Konkretion fordern, dann müssen Sie diesen Satz mit verabschieden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Ich danke Herrn Abgeordneten Hentschel. - Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich mache drei Bemerkungen. Erstens. Ich hatte zumindest den Eindruck, dass es in diesem Hause keinen Dissens hinsichtlich des strukturellen Defizits von 600 Millionen € gibt. Darin waren und sind wir uns einig.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das ist auch klar!)

- Diese Zahl stimmt. Der Finanzminister hat uns das in mehreren Landtagsreden vorgerechnet. Auch heute wurde gesagt, dass dieses strukturelle Defizit weiterhin vorhanden ist. Darum sage ich: Wer so tut, als könnte man dieses Strukturdefizits mit einem Haushaltskonsolidierungskonzept Herr werden, der lügt sich in die eigene Tasche. Darum ist es - wie der Kollege Hentschel schon sagt - von entscheidender Bedeutung, dass wir von der Landesregierung hören, wie ihr Konzept zur Altschuldenregelung aussieht. Das müssen wir haben. Zu sagen, wir wollen keine neuen Schulden machen, wir wollen eine Haushaltskonsolidierung, geht nicht. Das klappt nicht. Darum erwarten wir, dass dieses Konzept von der Landesregierung erarbeitet

wird. Das ist der zentrale Punkt unseres gemeinsamen Antrags mit den Grünen.

Zweitens. Wer sagt, wir könnten vieles erreichen, indem wir Verwaltungsstrukturen ändern und indem wir Fusionen vornehmen, der vergisst die Binsenweisheit, dass Fusionen erst einmal Geld kosten. Das wissen wir auch. Das heißt, die Wirkungen von Fusionen und von Strukturänderungen im Verwaltungsbereich werden sich - wenn überhaupt erst sehr viel später zeigen. Wir können also nicht so tun, als wäre das die Rettung unseres Haushalts, denn das begreift keiner. Ein Blick über die Grenze zeigt, dass sich die Diskussion über die dänische Verwaltungs- und Kommunalreform momentan genau an diesem Punkt befindet. Die Leute haben gemerkt, dass die eingegangenen Fusionen erst einmal Geld kosten und zu Kürzungen führen. Diese Diskussion wird auch hier kommen.

Drittens. Wir werden im nächsten Tagesordnungspunkt die Situation der HSH Nordbank diskutieren. Wir werden auch über das Rettungspaket diskutieren. Es ist gut zu hören, dass der Ministerpräsident uns erklärt hat, dass all dies eine Ausnahme und ungeachtet dieser Schuldenbremse genehmigt und kein Problem sei. Es kommt aber auf uns zu, dass wir alle gemeinsam erklären sollen, wie wir im Haushalt Kürzungen vornehmen wollen. Wir sollen erklären, wie wir etwas reduzieren wollen, und zwar mit der Begründung, dass wir eine Schuldenbremse einführen. Gleichzeitig steht im gesellschaftlichen Raum, dass wir die HSH Nordbank mit einem großen Rettungspaket über die Runden bringen wollen.

Frau Kollegin, die Redezeit!

Ich bin am Ende. - Diese politische Diskussion werden wir nicht durchstehen. Wir werden sie auch zu Recht nicht durchstehen, denn sie ist nicht hinnehmbar. Sie ist für die Menschen auch nicht nachvollziehbar. Heute wird vor dem Landeshaus demonstriert. Die Bediensteten des öffentlichen Dienstes demonstrieren. Ich gehe jede Wette ein, dass im Rahmen dieser Diskussion genau dies zur Sprache gebracht werden wird.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Karl-Martin Hentschel)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist eine alternative Abstimmung vorgeschlagen worden. Sind Sie damit einverstanden? - Herr Kubicki, darf ich meinen Vorschlag machen? - Um den Wunsch der FDP nachzukommen, würde ich vorher Absatz 2 des Antrags von CDU und SPD zur Abstimmung aufrufen. Herr Kubicki, bitte.

Frau Vorsitzende, es reicht, dass wir zu Protokoll nehmen, dass wir den zweiten Absatz des Antrags der Koalitionsfraktionen für denklogisch entbehrlich halten. Im Übrigen stimmen wir zu.

Dann erleichtern Sie mir die Arbeit sehr. Herzlichen Dank.

Wir treten in die alternative Abstimmung ein. Ich weise noch einmal darauf hin, dass Sie jeweils nur mit Ja stimmen können. Zuerst rufe ich den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 16/2487, auf. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. Wer dem Antrag von CDU und FDP, Drucksache 16/2510 (neu), seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Der Antrag Drucksache 16/2510 (neu) ist mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP angenommen worden.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich auf der Besuchertribüne sehr herzlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der HSH Nordbank begrüßen. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:

Neuausrichtung der HSH Nordbank

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/2470

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/2508

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/2509

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Mit dem Antrag Drucksache 16/2470 wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich bitte Sie also zunächst, diesem Berichtsantrag zuzustimmen. Bitte geben Sie mir Ihr Handzeichen. - Wunderbar, dem ist zugestimmt worden.

Herr Finanzminister Wiegard, Sie haben das Wort für den Bericht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Regierungserklärung im November hatte ich die Ursachen und die möglichen Folgen der Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten beschrieben. Diese Krise hat inzwischen den gesamten privaten und öffentlichen Bankensektor betroffen und somit auch die HSH Nordbank. Inzwischen hat sie darüber hinaus weite Teile der sogenannten Realwirtschaft erreicht. Ich hatte seinerzeit vier Fragen formuliert, die in den darauf folgenden drei Monaten - also bis heute - zu beantworten wären. Diese Fragen lauteten: Welche Chancen hat die HSH Nordbank nach überstandener Krise und in welcher Form? Welche Kernkapitalquote ist erforderlich? Wie hoch ist der daraus resultierende Kapitalbedarf? Auf welche Weise kann dieser ermittelte Kapitalbedarf bedient werden?

Gestern haben der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg und die Schleswig-Holsteinische Landesregierung in gemeinsamer Sitzung nach eingehender Beratung mit der Bank und mit unseren externen Beratern die Antworten auf diese Frage gegeben. Noch in dieser Woche werden wir Ihnen die Beschlüsse der Regierung zur parlamentarischen Beratung zuleiten. Dabei geht es vor allem und zuerst um die Frage der Zukunftsfähigkeit des zukünftigen Geschäftsmodells der HSH Nordbank. Diese muss für Veränderungen offen sein.

Deshalb wird die Landesbank organisatorisch in eine neue Kernbank und in eine Abbaubank aufgeteilt. Bei der Kernbank ist die Zielsetzung die maßgebliche Unterstützung der regionalen Wirtschaft sowie die Fokussierung der Geschäftsfelder auf die attraktiven Kerngeschäftsfelder, die die Bank seit Jahren betreibt.

In der Abbaubank werden die nicht zu den künftigen strategischen Geschäftsfeldern zählenden Aufgaben zusammengefasst, die auch die Ausgründung von Portfolien in rechtlich selbstständige Abbaubereiche ermöglichen. Die nicht strategischen Geschäftsfelder werden definitiv abgebaut. Dies geschieht durch die geordnete Abwicklung möglichst

GuV-schonend und über den Verkauf von Portfolien. Neugeschäft findet in diesem Bereich definitiv nicht mehr statt.

Die organisatorische Trennung in Kernbank und Abbaubank soll möglichst schnell auch rechtlich vollzogen werden, wenn dies wirtschaftlich vorteilhaft ist. Entscheidend ist, dass dieses Modell in seinen einzelnen Bestandteilen offen ist für weitere Beteiligungen, für mögliche Fusionen mit anderen Landesbanken oder wer auch immer geeignet ist, und offen ist für mögliche andere Optionen, sowohl in der Kernbank als auch in den nicht strategischen Geschäftsfeldern.

Das neue Geschäftsmodell der Bank konzentriert sich künftig allein auf die regionalen und die Kernkompetenzen, für die diese Bank seit Jahren steht, im Wesentlichen regionale Firmenkunden mit mehr als 50 Millionen € Umsatz, Schifffahrt, Luftfahrt, erneuerbare Energien und Immobilien in Deutschland, im Wesentlichen aber in der Region. Das ist das Überzeugende an diesem Geschäftsmodell, dass auch die Kernkompetenzen, in denen die Bank seit Jahren weltweit führend ist, allesamt eine enge Verankerung in der Region haben. Sie sind also nicht losgelöst von der Heimat, sozusagen in luftleeren Sphären schwebend. Es gibt derzeit und auf absehbare Zeit keine andere Bank, die in der Lage wäre, die Kreditbücher für Luftfahrt und Schifffahrt fortzuführen, den Kompetenzvorsprung bei der Finanzierung erneuerbarer Energien auszugleichen und etwa das Volumen der gehobenen Geschäftskunden zu übernehmen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Das hat natürlich sehr viel mit den ausgezeichnet qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu tun, die nach wie vor trotz der Krise und erheblichen Belastungen - wie wir uns alle vorstellen können - hoch motiviert für den Erfolg dieser Bank und damit auch für den Erhalt unserer Vermögenswerte arbeiten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Diese Vorteile sehr konzentriert zu nutzen und auszubauen für die Zeit nach der wirtschaftlichen Delle, für die Zeit nach der Krise, muss das Ziel sein, auch im Sinn der Arbeitsplätze der Bank in Schleswig-Holstein.

Zweidrittel aller Schifffahrtskunden der Bank befinden sich mit ihrem Firmensitz in der Region Hamburg/Schleswig-Holstein. Hamburg ist nicht nur einer der bedeutendsten Häfen der Welt, der

Hamburger Hafen ist zugleich der größte Hafen Schleswig-Holsteins. Jedes zweite Flugzeug, das die HSH finanziert, wird bei Airbus gebaut. Hamburg ist der drittgrößte Flugzeugstandort der Welt. Wer sich bei Airbus einmal umschaut, sollte auch einmal auf die Autokennzeichen auf den Parkplätzen schauen, damit er eine Vorstellung davon gewinnt, woher die Menschen kommen, die dort arbeiten. Es gibt dort übrigens sehr viele Kennzeichen aus allen Kreisen Schleswig-Holsteins.

In der Region selbst ist jedes zweite Unternehmen mit mehr als 50 Millionen € Umsatz Kunde der Landesbank. Das leistet keine andere Geschäftsbank.

Deshalb ist die hohe fachliche Kernkompetenz, insbesondere in den herausragenden Feldern, wo diese Bank bisher Marktführer war, bei der Schifffahrt, beim Flugzeugbau und bei den erneuerbaren Energien, in der Region ein so bedeutendes Alleinstellungsmerkmal, das sonst keine andere Geschäftsoder Landesbank hat. Deshalb ist dieses Geschäftsmodell nach Auffassung der Landesregierung zukunftsfähig, offen, anschluss- und optionsfähig für weitere Entwicklungen, auch für das Zusammengehen mit anderen Banken.

Die Kapitalisierung dieses Geschäftsmodells soll in einer Kombination von zusätzlichem Eigenkapital in Höhe von 3 Milliarden € und einer Garantie in Höhe von 10 Milliarden € erfolgen. Diese Lösung berücksichtigt die aktuellen volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen, und diese Lösung ist derzeit ohne - jedenfalls realistische - Alternative.

Welche Alternativen gibt es ansonsten? Erstens: Die von einigen ins Gespräch gebrachte Schließung der Bank löst kurzfristig die Gewährträgerhaftung aus. Sie wissen, dass am 18. Juli 2005 die Gewährträgerhaftung ausgelaufen ist. Aus den Geschäftstransaktionen bis zum 18. Juli 2005 sind bis heute in der Gesamtsumme noch etwa 65 Milliarden € an Risiken in der Gewährträgerhaftung enthalten. Der Anteil Schleswig-Holsteins bemisst sich nach dem Anteil zum Zeitpunkt der Fusion. Das waren knapp 20 %. Daraus kann man ermessen, dass diese Variante, die Schließung der Bank, die schädlichste ist.

Zu den wirtschaftlichen Auswirkungen verweise ich auf die Bedeutung der Bank für die Region, die ich eben dargestellt habe. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Kreditversorgung in der Region wäre die Folge und natürlich der Verlust der Arbeitsplätze, nicht nur bei der Bank, sondern darüber

(Minister Rainer Wiegard)

hinaus auch bei denen, mit denen wir wirtschaftlich verbunden sind.

Auch eine kontrollierte Abwicklung - eine zweite mögliche Variante - kommt nicht in Betracht. Würde das Neugeschäft eingestellt und über eine Zeitachse von mehreren Jahren gesehen die geordnete Abwicklung der Bank notwendig sein, wären die finanziellen Risiken dennoch unabsehbar. Die mit diesem Schritt einhergehende Absenkung der Bonität der Bank würde eine Verteuerung der Refinanzierung auslösen. Dieser Schritt wäre auch nicht mehr umkehrbar, wenn er einmal eingeleitet ist. Mit dem Verzicht aufs Neugeschäft wären Auswirkungen auf die regionale Kreditversorgung und damit unmittelbar auch auf die Arbeitsplatzsituation genauso zu befürchten wie bei einer Schließung der Bank. Ganz abgesehen davon bestünden gleichwohl natürlich notwendige Kapitalanforderungen an die Anteilseigner.

Damit kommt als einzige volkswirtschaftlich sinnvolle Maßnahme nur eine Restrukturierung und Fortführung in Betracht. Sie sichert als einzige Variante unserem Land die Möglichkeit der Wertaufholung unserer Vermögenswerte. Das macht insgesamt eine Kapitalmaßnahme in Höhe von 3 Milliarden € und eine Garantie in Höhe von 10 Milliarden € erforderlich.

Das Konzept sieht vor, Kapitalmaßnahmen und Garantiegewährung durch eine selbstständige Einrichtung der beiden Länder in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts vorzunehmen. Die Wahrnehmung der Kapitalmaßnahmen durch die Anstalt als selbstständiger Rechtsträger führt zu einer Trennung des Vermögens der Anstalt vom Vermögen der Länder und damit auch zu einer größtmöglichen Transparenz dieses Vorgangs über die gesamte Laufzeit der Anstalt und damit auch über die gesamte Laufzeit der Gewährung dieser Garantien und der Gewährung dieser Eigenkapitalzufuhr. Die HSH Nordbank wird eine Kapitalerhöhung beschließen und dazu neue Aktien ausgeben, die dann von der gemeinsamen Anstalt erworben werden. Die Anstalt wird das dafür erforderliche Kapital am Kreditmarkt aufnehmen und verzinsen. Gleichzeitig wird die Anstalt Garantien gegenüber der HSH Nordbank begeben, für die die Bank eine marktübliche Provision zu zahlen hat. Diese Provision wird einerseits den Zinsdienst für die Anstalt abdecken, andererseits aber auch für die Risikovorsorge für den Fall der Ziehung aus der Garantie zur Verfügung stehen.

Aus der dramatischen Entwicklung der Finanzmärkte und ihren Auswirkungen auch auf unsere

Bank - ich hatte dazu in der Regierungserklärung einige Ausführungen gemacht - gilt es, weitere Lehren zu ziehen. Das gesamte Risikomanagement der Bank muss an die Erkenntnisse aus dieser Finanzkrise - soweit sie von der Bank beherrschbar sind - angepasst werden. Darüber hinaus sind weitere Regelungen national, europäisch und international erforderlich. Berichtspflichten und Zustimmungsvorbehalte gegenüber dem Aufsichtsrat sind neu zu justieren. Das ist eine eindeutige Erkenntnis aus den bisherigen Prüfungen. Ebenso sind die Regelungen für das Management selbst neu zu ordnen. Die Lösungen sollen sich eng an das vom Finanzmarktstabilisierungsgesetz des Bundes ergangene Regelwerk anlehnen. Vor allem gilt, Vergütungen dürfen nicht dazu verleiten, unangemessene Risiken einzugehen. Sie müssen eine nachhaltige Wirkung entfalten.