Protokoll der Sitzung vom 25.02.2009

Wenn der Berichterstatter Zeit hätte, dann würde ich ihm das Wort erteilen. - Ich erteile dem Berichterstatter des Wirtschaftsausschusses, Herrn Abgeordneten Hans-Jörn Arp, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Wirtschaftsausschuss hat sich auf Empfehlung des Landtags interfraktionell sehr intensiv mit diesem Antrag auseinandergesetzt, der ursprünglich von der SPD kam. Ich will meinen Nachrednern nicht die inhaltliche Debatte wegnehmen. Deshalb berichte ich, dass wir uns einvernehmlich auf diesen Vorschlag geeinigt haben.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wortmeldungen zum Bericht gibt es nicht. Ich eröffne die Aussprache. Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Johannes Callsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bundespräsident Horst Köhler hat Mitte vergangenen Jahres kritisiert, dass die internationalen Finanzmärkte kaum noch Bezug zur Realwirtschaft hätten und gesagt, dass ihre Auswüchse in die Schranken verwiesen werden müssten. Der Bundespräsident hat recht damit. Die Finanzmärkte haben sich abgekoppelt. Aus virtuellen Höchstgewinnen wurden dramatische Verluste, die in ihren Folgen ganz real auch die wirkliche Wirtschaft treffen. Jetzt in der Krise zieht die Finanzwirtschaft die reale Wirtschaft, die Unternehmen, die hochwertige Waren exportieren, die Werften, die die modernsten Schiffe der Welt herstellen, ja sogar die heimische mittelständische Wirtschaft mit nach unten; und das in einem Ausmaß, wie es die Bundesrepublik Deutschland noch nicht gesehen hat.

Was mit den sogenannten Subprime-Immobilienkrediten und den undurchsichtigen Finanzprodukten begann, erfuhr seinen vorläufigen Höhepunkt in der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers. In der Folge brach nicht nur das Vertrauen in die Finanzmärkte und in den Finanzmärkten zusammen, sondern auch der für die Weltwirtschaft so wichtige US-Konsum. Die Nachfrage nach Produkten des Weltmarktes sank gewaltig. Die Handelsflotten der Welt fahren auf Sparflamme, was im Hamburger Hafen ebenso sichtbar ist wie auf dem Nord-Ostsee-Kanal. Angesichts dieser Probleme macht die Bundesregierung das einzig Richtige. Den Verwerfungen in der Weltwirtschaft wird das größte Konjunkturprogramm der letzten 60 Jahre entgegengestellt. Dieses Konjunkturprogramm ist nicht nur richtig, es ist nicht nur gut und hilft, es ist auch verantwortbar.

(Beifall des Abgeordneten Manfred Ritzek [CDU])

Wir müssen in dieser Situation massiv unterstützen, denn Nichtstun würde unkalkulierbare Risiken nach sich ziehen. Die Auswirkungen wären gravierend. Die Wirtschaft hätte mit existenziellen Einschnitten zu kämpfen. Mehr Arbeitslosigkeit und weniger Steuereinnahmen wären die Konsequenzen.

Dass wir Banken retten und entgegen aller marktwirtschaftlichen Grundüberzeugungen zumindest über befristete Staatsbeteiligungen an Banken nachdenken müssen, um schlimmere Folgen zu verhindern, trifft nicht überall auf Verständnis. Leider zwingt uns die Krise aber auch zu diesen Maßnahmen, um einen Flächenbrand in der Wirtschaft mit dramatischen Arbeitsplatzverlusten zu vermeiden.

Bei aller Dramatik sage ich aber auch: Es wäre töricht, die Stärken unserer sozialen Marktwirtschaft durch Begriffe wie „Marktradikalismus“ oder „finanzmarktgetriebener Kapitalismus“ zu diskreditieren. Die Finanzmarktkrise ist schon gar keine Grundlage, um die Verstaatlichung von Stromnetzen oder der Bahn und flächendeckende staatliche Mindestlöhne zu fordern und damit sozialistischen Ideen den Weg zu ebnen.

(Beifall bei der CDU)

Die soziale Marktwirtschaft hat in Deutschland über Jahrzehnte für Freiheit, Wohlstand, Arbeitsplätze und soziale Absicherung gesorgt. Deshalb ist es richtig, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel innerhalb und außerhalb der EU konsequent für die soziale Marktwirtschaft als Ordnungsrahmen für die globalen Märkte eintritt.

(Vizepräsidentin Frauke Tengler)

(Beifall bei der CDU)

Soziale Marktwirtschaft hat auch etwas mit Verantwortung zu tun. Es ist, wie in den USA geschehen, und das war der Ausgangspunkt der Finanzkrise, verantwortungslos, Menschen Immobilienkredite zu geben, für die sie keine Sicherheiten haben und deren Raten sie niemals abtragen können. Hätte es auch in den USA die Basel-II-Regelungen wie in Europa gegeben, die bei uns kritisiert worden sind, dann wäre die Finanzmarktkrise in dieser Dimension wohl nicht eingetreten.

Deshalb ist es richtig, dass wir die erfolgreiche Ordnung der sozialen Marktwirtschaft auch international etablieren müssen. Jetzt geht es konkret darum, die Folgen dieser internationalen Verwerfungen für Deutschland und Schleswig-Holstein abzufedern. Die CDU-geführte Bundesregierung hat hierzu ein umfangreiches Konjunkturpaket geschnürt. Sie senkt damit die Steuer- und Abgabenlast, sie setzt Anreize zum Kauf neuer effizienterer Autos und sie erweitert die Möglichkeiten der Kurzarbeit, um Arbeitsplätze zu erhalten, und zwar auch - und das betone ich - in den kleinen und mittleren Betrieben.

Das Kernstück des Konjunkturprogramms ist ein milliardenschweres Investitionspaket, von dem 322 Millionen € in Schleswig-Holstein ankommen. Zusammen mit dem Eigenanteil werden in unserem Bundesland 430 Millionen € für Investitionen bereitgestellt. 65 % davon kommen der Bildungsinfrastruktur zugute. Allein in meinem Landkreis Schleswig-Flensburg werden rund 12 Millionen € dafür zur Verfügung stehen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Zuruf von der CDU)

- Nein, das ist immer noch zu wenig. Denn der enorme Investitionsstau aus der Vergangenheit auch im Bildungsbereich kann immer noch nicht komplett damit abgearbeitet werden. Wir machen einen Anfang, und das ist gut so. Die Klassenzimmer vieler Schulen werden nach den Investitionen der nächsten beiden Jahre moderner sein. Dabei wird gleichzeitig ein wichtiger Beitrag zum Umweltschutz geleistet. Durch die energetischen Sanierungsmaßnahmen werden wir viel Energie sparen und Kosten senken.

Neben der Bildungsinfrastruktur investieren wir aber auch in die klassische Infrastruktur. Die Sanierung kommunaler Krankenhäuser, der Städtebau, der Ausbau und Erhalt der ländlichen Infrastruktur und Lärmschutzmaßnahmen an kommunalen Straßen werden gefördert. Wir haben dafür ge

sorgt, dass der Ausbau der Breitbandnetze in Schleswig-Holstein nicht zu kurz kommt, übrigens schon seit 2005 ein Schwerpunktthema dieser Landesregierung.

(Beifall bei der CDU)

Die schnellen Internetanschlüsse sind elementar für das Wirtschaften unserer mittelständischen Unternehmen. Das sagen uns nicht nur die Handwerksbetriebe, sondern auch die Bürger vor Ort.

Die CDU-geführte Landesregierung hat jetzt alle Voraussetzungen geschaffen, um eine zügige Umsetzung dieses Konjunkturpakets zu gewährleisten. Seit dem 10. Februar ist der Rahmen in SchleswigHolstein bekannt. Auf dieser Basis bereiten die Kommunen und Maßnahmenträger derzeit die konkreten Projekte vor. Die Landesregierung hat gestern in der Kabinettssitzung die Rahmenrichtlinie behandelt. In abschließenden Gesprächen mit Berlin wird jetzt in den nächsten Tagen dafür gesorgt, dass ein schnelles Verfahren ohne überbordende Bürokratie möglich ist.

Damit werden in Schleswig-Holstein die Voraussetzungen getroffen, dass die Maßnahmen vor allem schnell konjunkturbelebend wirken können und damit sichergestellt ist, dass schon in diesem Jahr 2009 die Hälfte dieser Mittel ausgegeben werden.

(Beifall bei der CDU)

Mit diesem Geld und mit den Änderungen bei der freihändigen Vergabe und bei der beschränkten Vergabe übertragen wir den Kommunen aber auch eine Menge Verantwortung. Unsere Überzeugung aber ist: Vor Ort weiß man noch immer am besten, welche Projekte am dringendsten realisiert und welche Projekte gefördert werden müssen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Den Kommunen mehr Verantwortung zu geben, meine Damen und Herren, das war und das ist eine zentrale Forderung der CDU-Fraktion. Um den bürokratischen Aufwand zu minimieren, werden die Anträge im Rahmen bestehender Verfahren abgewickelt. Damit nutzen wir das bestehende Knowhow, und die Kommunen müssen sich nicht mit weiteren rechtlichen Vorgaben beschäftigen. Auch die Zusage, dass das Land den 25-prozentigen Anteil finanzschwacher Kommunen zur Hälfte übernehmen wird, wird bei den Projekten helfen.

Meine Damen und Herren, der 30-%-Landesanteil diese Gesamtpakets wird nach den gleichen Schwerpunkten für Bildung und für klassische Infrastruktur vergeben werden. Es können so zum

(Johannes Callsen)

Beispiel dringend notwendige Sanierungsmaßnahmen am UK S-H und an den Hochschulen durchgeführt werden. Das Ganze geschieht übrigens ohne neue Schulden.

Dank der erfolgreichen und konservativen Finanzpolitik der letzten Jahre kann das Land zur Finanzierung des Kofinanzierungsanteils in Höhe von 90 Millionen € auf Rücklagen zurückgreifen. Das ist eine sehr gute Botschaft. Ich danke unserem Finanzminister Rainer Wiegard ausdrücklich für seine fruchtbare Arbeit.

(Beifall bei der CDU)

Lieber Rainer Wiegard, vor dem Hintergrund, dass wir 2005 ein Haushaltsdefizit von 1,7 Milliarden € übernommen haben: Heute können wir wieder über Risikovorsorge reden und sie aktiv betreiben.

(Beifall bei der CDU)

Wir sehen also, dass wir mit diesem Konjunkturprogramm viele Fliegen mit einer Klappe schlagen. Wir entlasten die Steuerzahler. Wir modernisieren die Infrastruktur, wir investieren in die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen und in den Umweltschutz. Wir stärken die Auftragsvergabe an unsere heimischen Betriebe, und wir kurbeln so die Wirtschaft an.

Wir sind gewillt, die Chancen des Konjunkturpakets für die Zukunft von Schleswig-Holstein zu nutzen und fordern alle Institutionen im Lande auf, bei der Umsetzung mitzuhelfen. Dabei meine ich ausdrücklich auch die Banken und Sparkassen, nachdem wir vermehrt Hinweise bekommen, dass es dort mit der Kreditvergabe schwieriger wird. Auch sie, die Banken und Sparkassen, müssen verantwortungsvoll ihren Beitrag dazu leisten, dass es nicht zu Finanzierungsengpässen im Mittelstand kommt. Gerade dafür wurde der Bankenschutzschirm der Bundesregierung eingerichtet. Eine übertriebene Zurückhaltung bei der Kreditvergabe wird uns nicht helfen, aus der Krise herauszukommen.

Für das Land gilt, dass wir neben dem Konjunkturprogramm natürlich alle Möglichkeiten der Wirtschaftsförderung von Strukturhilfemitteln bis hin zu einzelbetrieblichen Förderungen nutzen werden, um Investitionen in Innovationen und Arbeitsplätze weiter zu ermöglichen. In diesem Sinne ist unsere Initiative zur Stabilisierung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung auch als Investition in die Zukunft des Landes Schleswig-Holstein, der hier lebenden Menschen und in die Zukunft der Unternehmen und der Arbeitsplätze zu sehen. Wir wollen die Finanzmarktkrise überwinden und Schleswig

Holstein stark machen für die Zukunft. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Johannes Callsen und erteile das Wort für die SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Jürgen Weber.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Verabschiedung des zweiten Konjunkturpakets, des größten Konjunkturprogramms in der Geschichte der Bundesrepublik werden Regierungen und Parlamente gemeinsam ihrer Verantwortung gerecht, schnell und zielgenau auf die Finanz- und Wirtschaftskrise zu reagieren. Das Konzept der Bundesregierung, das jetzt in der Form, wie es vorgelegt wurde, vom Bundestag beschlossen ist, das erfreulicherweise den Bundesrat passiert hat, orientiert sich weitgehend an dem Steinmeier-Plan für einen Wachstums- und Stabilitätspakt. Und das ist gut so, denn die Impulse sind richtig:

Erstens ein massiver Impuls für kommunale Investitionen;

Zweitens eine klare Alternative für Qualifizieren statt Entlassen;

Drittens ein klarer Impuls zur Unterstützung der Familien, dann auch die Senkung des Beitrages zur gesetzlichen Krankenversicherung und damit auch zur Senkung von Lohnnebenkosten und schließlich auch die viel verspottete, aber die in der Umsetzung - teilweise gegen jede Ratio - erstaunlich erfolgreiche Unterstützung der Automobilbranche durch die Umweltprämie.

Ich möchte gern an dieser Stelle einen etwas anderen Aspekt, als ihn Kollege Callsen formuliert hat, hinzufügen: Wir sind auch sehr froh, dass mit der Durchsetzung von Mindestlöhnen in weiteren sechs Bereichen und einer Regelung für die Zeitarbeit ein wichtiger Durchbruch gelungen ist.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Paket antwortet auf die weltweite Wirtschaftskrise, deren Auswirkungen wir im Detail auch für unsere regionale Wirtschaft noch gar nicht kennen. Deswegen will ich deutlich sagen, dass es auch um etwas sehr Grundsätzliches geht. Es geht grundsätzlich darum, die Handlungsfähig

(Johannes Callsen)

keit des Staates auf sämtlichen Ebenen vom Bund bis zu den Kommunen zu unterstreichen. Ich füge hinzu: Eine demokratische Gesellschaft muss auch Antworten finden auf globale Krisen, die nicht vom Himmel fallen, sondern die vom Menschen gemacht sind und die wir durch vernünftige Politik konterkarieren müssen.