Heute ist es für immer mehr Menschen geradezu eine Selbstverständlichkeit, sich zu jeder Zeit und an jedem Ort souverän mit den neuesten Nachrichten und wichtigsten Informationen versorgen zu können. Viele von uns wissen: Man kann das Handy benutzen, um die Bundesliga-Ergebnisse zu bekommen. Ich kann mein iPhone - ich will jetzt keine Werbung machen - auch benutzen, um ganze Fernsehprogramme abspielen zu lassen.
Der Kollege Eichstädt ist nicht auf dem neusten Stand. Ich bin gern bereit, gleich in meinen Fraktionsräumen vorzuführen, wie das funktioniert.
Die Anzahl der Haushalte, die technisch an das Internet angeschlossen sind und über das Internet verfügbare Angebote nutzen, ist stark angestiegen. Da liegt es auf der Hand, dass sich die ÖffentlichRechtlichen an diesem Kuchen stärker beteiligen wollen, während auf der anderen Seite die Privaten zunehmende, vor allem aber gebührenfinanzierte Expansionsgelüste fürchten.
Die Aufgabe, die uns als Landesparlament daher zukommt, ist es, im Rahmen des dualen Rundfunksystems in Deutschland die Rundfunkordnung so zu gestalten, dass beiden Interessen Rechnung getragen wird. Herr Kollege Eichstädt, ich glaube, hier könnten wir uns vielleicht treffen. Hier hilft kein Klein-Klein, wie viele Tage oder Stunden ein Programm oder ein Großereignis im Internet ausgestrahlt werden darf. Genauso wenig helfen künstliche Werbeverbote und Beschränkungen.
Wir brauchen viel mehr eine grundsätzliche Debatte über die Aufgaben und die gesellschaftlichen Anforderungen an einen gesellschaftlichen Rundfunk im konvergenten und digitalen Medienzeitalter. Ziel der Debatte muss ein präziser und klar definierter gesetzlicher Rundfunkauftrag sein. Für meine Fraktion sage ich - das habe ich dem Kollegen Wadephul auch schon gesagt -: Es ist mir völlig egal, wie lange öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten ihr Programm ins Internet einstellen, solange wir sicherstellen, dass sie dort nicht werben.
Genau an dieser präzisen Grenzziehung mangelt es beim Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Nicht zufällig äußerte daher auch der Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien, Jürgen Doetz, nur wenige Tage nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages durch die Ministerpräsidenten anlässlich des 25. Jubiläums des privaten Rundfunks in Deutschland schon seinen Geburtstagswunsch - ich darf zitieren -:
„Und wenn wir uns denn zum Geburtstag etwas wünschen dürfen, dann ist es die Bereitschaft der politisch Verantwortlichen, mit mutiger Entschlossenheit eine neue Medienordnung zu gestalten, in der sich die Kreativität und die Risikobereitschaft der privatwirtschaftlichen Anbieter im elektronischen Medienmarkt verantwortungsbewusst entfalten können.“
Ich kann dem nur zustimmen. Wir brauchen eine grundsätzliche Reform, die der veränderten Wettbewerbssituation für alle Marktteilnehmer und damit den neuen Angebots-, Zugangs- und Nutzungssituationen Rechnung trägt. Dazu gehört sowohl, dass wir im Rahmen des dualen Rundfunksystems in Deutschland neben Hörfunk und Fernsehen auch über ein Online-Angebot verfügen, das dem Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entspricht, das eine unabhängige und zuverlässige Orientierungshilfe bietet und der Information, Bildung,
Dazu gehört auch - das muss man immer wieder sagen -, die privaten Sender, die sich nahezu ausschließlich aus Werbung finanzieren, nicht nur durch zusätzliche Werbeverbote weiter zu beschränken, beispielsweise für Autos oder Süßigkeiten. Im Gegenteil. Es muss darum gehen, entgegen den auf EU-Ebene aktuell diskutierten Werbeverboten und Einschränkungen die für den privaten Rundfunk geltenden Werbebestimmungen weiter zu öffnen. Das Wort „liberalisieren“ ist ja bei den Sozialdemokraten ein Schimpfwort geworden; deshalb habe ich „öffnen“ gesagt. Aber wir müssen die Werbebestimmungen tatsächlich liberalisieren. Alles andere ist wirtschaftsfeindlich, bevormundet die Verbraucher und verringert die Möglichkeiten der Refinanzierung aller Medienformen.
Aber nicht nur die Werbe- und Sponsoringfreiheit muss ein Ziel sein, auch die Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bedarf der Reform. Herr Knothe, sehen Sie mir das nach. Wir sollten auch hierzulande die Überlegungen aufgreifen, die bisherige Binnenkontrolle durch die Rundfunkräte auf eine Bund-Länder-Anstalt nach dem Vorbild der britischen Ofcom zu übertragen, die sowohl für die öffentlich-rechtlichen als auch für die privaten Sender zuständig ist. Ich bin davon überzeugt, dass sich dadurch teilweise nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlungen länderweit vermeiden lassen.
- Ich kenne die Bedenken. Ich bin ein vehementer Anhänger des Föderalismus. Aber bedauerlicherweise oder Gott sei Dank halten sich Fernseher und Rundfunkprogramme nicht an Ländergrenzen. Das sollten wir zur Kenntnis nehmen, weshalb ich glaube, dass wir deutschlandweit zu einer besseren Lösung kommen sollten als gegenwärtig.
Ich danke dem Herrn Oppositionsführer und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten KarlMartin Hentschel, das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 23. Oktober 2008 haben die Ministerpräsidenten der Länder den Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag beschlossen und damit darüber entschieden, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet zukünftig darf und was nicht. Das Ergebnis ist: ARD und ZDF dürfen im Internet in Zukunft weniger mitmischen, als wir es uns gewünscht haben. Die Ministerpräsidenten haben sich in ihrer Entscheidung in vielen Punkten von den Argumenten der Verleger leiten lassen, die in den öffentlich-rechtlichen Online-Angeboten eine Wettbewerbsverzerrung durch gebührenfinanzierte Inhalte sehen.
Die Behauptung, das sei alles auf die EU zurückzuführen, Herr Ministerpräsident, lässt sich nicht aufrechterhalten. Das, was Sie in den Rundfunkänderungsstaatsvertrag reingeschrieben haben, ist nur in kleinen Teilen von der EU gefordert worden. Sie sind weit darüber hinausgegangen. Von daher brauchen wir uns über das Thema nicht zu unterhalten.
Wir Grüne haben uns immer dafür ausgesprochen, die Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu gewährleisten. Das bedeutet: ARD, ZDF und das Deutschlandradio müssen ihre Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler auch über das Internet mit Inhalten erreichen können. Wir wollen das Internet als dritte Säule fest neben Radio und Fernsehen etablieren.
Warum? - Das Durchschnittsalter der Zuschauerinnen und Zuschauer bei ARD und ZDF liegt bei über 50 Jahren. Wenn ARD und ZDF sich auch an die jugendlichen Altersgruppen wenden wollen, muss einfach die Realität zur Kenntnis genommen werden, dass Jugendliche immer weniger die klassischen Medien benutzen und dass sie immer mehr Internetangebote nutzen. Wenn das so ist, kann man die öffentlich-rechtlichen Angebote nicht vom Internet ausschließen.
Das Internet ist das freieste und demokratischste Medium, das zurzeit existiert, weshalb autoritäre Regime auch beträchtliche Schwierigkeiten damit haben und versuchen, ihre Bevölkerung möglichst weitgehend davon fernzuhalten. Wer das Internet nutzt, sucht sowohl nach Unterhaltung als auch nach Informationen. Die Verbreitung und das Vorhalten von Informationen sind in besonderer Weise durch den Auftrag des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks gedeckt. Deswegen ist es nicht zu akzeptieren, wenn Sie jetzt versuchen, diesen Auftrag in dem zentralen Medium der Zukunft zu beschränken. Das Gegenteil wäre richtig: Der öffentlichrechtliche Rundfunk muss die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, wenn er seinem grundgesetzlich verbürgten Anspruch gerecht werden und alle Bürgerinnen und Bürger erreichen will.
Die meisten jüngeren Menschen verbringen heute schon mehr Zeit im Internet als vor dem Fernseher. Allerdings - das möchte ich auch betonen - muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk sich auch in Zukunft daran halten, dass die Redakteure bezüglich der Inhalte für die Zweitverwertung ihrer Artikel entsprechend entlohnt werden. Ich halte das für einen wichtigen Punkt. Es kann nicht sein, dass wir mit staatlichen Mitteln auf Kosten von privaten Internetanbietern eine Billigkonkurrenz subventionieren. Das wäre nicht in Ordnung. Auch die von Herrn Kollegen Kubicki angesprochene Frage der Werbung ist sicherlich ein ganz wichtiger Punkt. Ich bin unbedingt für faire Wettbewerbsbedingungen. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Es darf aber nicht dazu kommen, dass der Nutzer, der Bürger, in seinen Möglichkeiten, informiert zu werden, gerade seitens der öffentlich-rechtlichen Anstalten eingeschränkt wird. Das wäre eine absurde Veranstaltung. Das darf nicht sein.
Ich möchte hier noch auf einige Punkte eingehen. Ich nenne hier Programmzahlbegrenzung, Verbot von Angeboten ohne Sendungsbezug und Erschwerung von neuen Angeboten. Die Krönung aber ist dies: Nach den Vorstellungen der Landesregierung sollen die Inhalte der Internetauftritte von ARD und ZDF nach sieben Tagen gelöscht werden. Ich finde diese Idee außerordentlich seltsam. Ich erinnere einmal an die Olympischen Spiele in Beijing. Da wurde an die chinesische Führung appelliert, das Internet freizugeben. Der Chinese aber, der sich zum Beispiel im freien Medium über die Staudammprojekte informieren will, hat dann Pech, denn die Berichte sind, wenn er am achten Tag ins Netz geht, leider schon gelöscht. Diese Regelung können wir nicht akzeptieren. Ich denke, sie ist auch nicht sinnvoll. Sie entspricht nicht dem Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Diese Regelung muss fallen. Ich hoffe, dass wir in dieser Hinsicht zu einer Änderung kommen. Ich hoffe, dass wir auch in Schleswig-Holstein mit der Mehrheit im Landtag dazu kommen, dass wir diesem Staatsvertrag in der vorliegenden Form nicht zustimmen. Ich hoffe also, dass es noch zu einer Änderung kommt.
Herr Kollege Hentschel, ich hoffe, dass Sie es nicht so meinten, dass Sie die Zensurregelung in der chinesischen Volksrepublik mit der Regelung im Staatsvertrag, nach sieben Tagen ein Programm vom Netz zu nehmen, auf eine Stufe stellen wollen.
Herr Kubicki, ich habe, ehrlich gesagt, wieder das Problem, das ich öfter mit Ihnen habe, nämlich dass Sie so nuschelig sprechen, sodass meine Computer das nicht richtig übersetzen. Ich habe nun einmal zwei Computer in den Ohren. Ich hätte auf die Frage gern geantwortet, aber ich schlage vor, wir verzichten jetzt darauf.
Es gibt auch noch den bilateralen Weg. - Für den SSW im Landtag erteile ich der Vorsitzenden, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe verstanden, was der Kollege Hentschel gesagt und gemeint hat. Ich kann sagen: Er hat keine Gleichsetzung mit den chinesischen Zensurbestimmungen vorgenommen.
(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Ich wollte es auch nur klarstellen!)
Der bereits unterschriebene Zwölfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag, den wir parlamentarisch kaum noch ändern können, wird ohne Zweifel unsere Rundfunklandschaft verändern. Ich füge hinzu: Genau das war auch das Ziel der Beratungen und Verhandlungen, die sich über viele Monate hinzogen. Das ist grundsätzlich ja auch nicht zu kritisieren, solange erstens die Freiheit der Meinung bestehen bleibt, also keine chinesischen Verhältnisse eintreten und zweitens deutsche Sender die gleichen Rechte wie die anderen europäischen Anstalten behalten. Gerade Letzteres ist durch das Gesetz allerdings nicht gewährleistet. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland wird durch die eingelei
teten Beschneidungen hinter die Praxis in anderen Ländern zurückfallen. Das wird Konsequenzen nach sich ziehen, wenn in zwei Jahren die europaweite Vereinheitlichung ansteht. Der ARD-Vorsitzende Fritz Raff führte in diesem Zusammenhang die neue Regelung an, nach der ARD und ZDF Sportübertragungen nach 24 Stunden aus dem Internet löschen müssten. Das ist ein neuer Standard, und zwar nach unten hin.
Es ist eine Regelung, wie sie sonst in keinem EULand gilt. Während deutsche Sportfreunde in die Röhre schauen, können dänische, französische oder britische Fans noch lange im Internet die gleichen Spiele sehen, die deutsche Sender nach nur einem Tag vom Netz nehmen müssen. Das ist angesichts des weltweit möglichen Zugriffs auf das Internet bereits rein technisch Unsinn, politisch allerdings auch. Vor diesem Hintergrund befürchte ich, dass die 24-Stunden-Frist ein Testballon sein könnte. Zur Begründung wurde angeführt, dass es sich um eine Geldfrage handle. Herr Ministerpräsident, es gibt aber auch eine andere Perspektive. Es könnte ein Testballon sein, denn gerade unter Verweis auf Deutschland könnte diese Regelung bei den Verhandlungen über EU-Recht bald für ganz Europa ins Auge gefasst werden.
Der vorliegende Rundfunkvertrag ist also ein schlechter Wegweiser für die weitere Entwicklung des Rundfunks in Europa. Dabei ist der Status der Telemedienangebote, um die es überwiegend geht, noch völlig offen. Obwohl die Staatskanzleien sich nicht einig werden konnten, ob Internetangebote eine dritte Säule neben Hörfunk und Fernsehen oder nur ein Anhängsel sind, wird munter drauflosgeregelt. Das bedeutet dünnes Eis. Diese dürftige Grundlage legt doch den Verdacht nahe, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten ohne zwingende Begründung in ihrer Arbeit und ihrem Sendeauftrag beschnitten werden.
Die Handschrift der Verlegerlobby ist gerade an dieser Stelle deutlich zu erkennen. Es sind eben nicht nur Leitplanken, wie ZDF-Intendant Markus Schächter die neuen Regelungen beschönigend nennt, sondern knallharte Schranken, wie die Verleger den Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag loben. Ich gehe noch weiter: Den Anstalten werden Knüppel zwischen die Beine geworfen, indem ihnen der sogenannte Dreistufentest für bestehende Internetangebote innerhalb von 13 Monaten und
nicht, wie ursprünglich vorgesehen, innerhalb von 18 Monaten aufgebürdet wurde. Erledigen die Anstalten diesen Auftrag gründlich, müssen andere Projekte liegen bleiben. Erledigen sie ihn dagegen schnell, droht ihnen bei eilig geschriebenen Begründungen die Streichung ihres Angebots. Ich denke, das ist unredlich. Der Dreistufentest ist an sich sinnvoll, weil er hilft, inhaltliche Kriterien zu entwickeln. Davon abgesehen, ist er Teil der Vorgaben der EU. Die Durchführung ist allerdings katastrophal und zwingt die Sender zu unnötiger Bürokratie.
Er schränkt unserer Meinung nach die öffentlichrechtlichen Anstalten in Deutschland zu sehr ein. Die Standardverschlechterung wird auch auf andere Sender in Europa Auswirkungen haben. Das können wir nicht akzeptieren.