Antrag der Abgeordneten des SSW und der Fraktionen von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/986 (neu)
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter des Wirtschaftsausschusses, Herrn Abgeordneten Hans-Jörn Arp.
(Zuruf: Er verweist auf die Vorlage! - Weite- re Zurufe - Dr. Heiner Garg [FDP]: Der muss zu jeder Drucksache was sagen!)
Zunächst einmal, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, herzlichen Dank für die vielen guten Ratschläge, die ich auf dem Weg hierher bekommen habe. Wir haben in der Phase der letzten Monate und dieser Legislaturperiode sehr viel über die zukünftige Energiepolitik für unser Land gesprochen. Aus den vielen Anträgen - insbesondere aus den Anträgen der Opposition - erkennt man, dass wir uns sehr intensiv mit dem Thema befassen. Dies wird uns auch in den nächsten Jahren weiter begleiten - ohne Frage.
Die regierungstragenden Fraktionen haben aus den vielen Einzelanträgen einen gemeinsamen Antrag an die Regierung gestellt, über all diese Themen einmal umfassend und zusammenhängend zu berichten. Deshalb haben wir einen Leitantrag und viele Einzelanträge der Oppositionsparteien zusammengefasst in einer Debatte. Die Experten werden sich jetzt dazu zu Wort melden. Denen will ich die Argumente nicht vorwegnehmen.
(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das könntest du auch gar nicht!)
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Manfred Ritzek das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Antrag an die Landesregierung, uns die Energiepolitik in der 45. Tagung vorzustellen, subsumiert eine Vielzahl von Einzelanträgen, wie wir es vorhin schon gehört haben. Es soll ein schriftlicher Bericht der Landesregierung erfolgen mit zum Thema „Konzept zur zukünftigen Energieversorgung und für den Klimaschutz des Landes Schleswig-Holstein“.
Sechs Schwerpunkte sind im Antrag definiert, angefangen mit der Energieeffizienzsteigerung bis zum Thema Energiemix und CCS-Technologie. Das sind alles Themen, die wir schon in der Vergangenheit diskutiert haben, zum Teil übereinstimmend, zum Teil kontrovers.
Übereinstimmung besteht sicherlich bei allen Fraktionen über die Beurteilung, dass der Weltenergiebedarf weiterhin steigen wird. Der Weltenergierat prognostiziert zum Beispiel einen Anstieg der weltweiten Nachfrage von 30 bis 50 % bis zum Jahr 2020, die Europäische Kommission einen Anstieg der Energienachfrage und des weltweiten CO2Ausstoßes bis zum Jahr 2030 um 60 %. Die aktuelle nationale und globale Finanz- und Wirtschaftskrise kann diese Wachstumsraten vielleicht kurz-, vielleicht auch mittelfristig etwas beeinflussen, aber tendenziell wird sich langfristig an diesem Trend nichts ändern.
Dieser dramatische Anstieg des Verbrauchs ist nur noch durch einen ebenso dramatischen Anstieg der Entwicklung und der Verfügbarkeit von regenerativen Energien zu bewältigen - einerseits was die Deckung des Energiebedarfs angeht, andererseits was die Erreichung der Klimaschutzziele betrifft. Zusätzlich sind gravierende Energieeinsparungen und Energieeffizienzverbesserungen erforderlich, besonders bei den hoch entwickelten Industrieländern. Ich denke, das ist einstimmige Meinung hier im Hohen Haus.
Bevor ich auf die sechs unterschiedlichen Bereiche eingehe, möchte ich generell zur Energiepolitik sagen, was die Meinung der CDU-Fraktion ist. Ich möchte auf den Energiemix der Zukunft eingehen. Der Begriff Energiemix ist geprägt von dem Ziel, sich nicht von einzelnen Energieträgern abhängig zu machen, sondern nach Möglichkeit auf eine breit angelegte Mischung von Primärenergieträgern zurückzugreifen. Das ist ein wichtiges Ziel. Diese strategische Entscheidung gilt auch für unser Land Schleswig-Holstein.
Wir haben gegenwärtig einen Mix aus Kohle-, Gas- und Kernenergie wie auch einen hohen Anteil an regenerativen Energien. Dieser Mix ist nach Überzeugung meiner Fraktion Grundlage für Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz. Die Vorteile dieser Strategie sind so offenkundig, dass eine kurz- oder mittelfristige Änderung nicht zu verantworten wäre, jedoch das Ziel der Steigerung des regenerativen Energieanteils höchste Priorität hat.
Deshalb ist es nach Meinung meiner Fraktion energie- und klimaschutzpolitisch, auch strukturpolitisch unerlässlich, in unserem Land der Kohle- und Kernenergie als Brückenfunktion eine hohe Bedeutung im Energiemix zu belassen. Die Kernenergie erlebt - wie wir alle wissen - in Europa gerade eine Renaissance, wie die jüngsten Beispiele in Schweden und Italien zeigen, wo die Moratorien rückgängig gemacht wurden.
(Dr. Heiner Garg [FDP]: Schauen wir mal! - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rückgängig wohin denn?)
Schleswig-Holstein wird Motor der regenerativen Energien bleiben - so das klare Bekenntnis unseres Ministerpräsidenten bereits im Oktober 2005.
Im Grünbuch Energie 2020 von Juni 2007 hat der damalige Wirtschaftsminister Austermann gesagt, dass regenerative Energien für Schleswig-Holstein, besonders die Windkraftenergie, bis zum Jahre 2020 ausgebaut werden können, und zwar durch Repowerment an Land auf 4.000 von heute 2.500 MW und Offshore vielleicht auf eine Kapazität von 3.000 MW.
Wir alle wissen, welche Herausforderungen die Offshore-Technologie fordert und dass eine Gesamtkapazität von 7.150 MW nicht gleichbedeutend ist mit der definitiv erzeugten Strommenge. Denn wir haben keinen Einfluss auf Wind, wir haben keinen Einfluss auf die Leitungsproblematik,
und wir haben auch keinen Einfluss auf mögliche Finanzierungsprobleme durch die Finanzund Energiekrise.
Hochseewindparks sind ein technisches und wirtschaftliches Abenteuer. Das müssen wir wissen. Viel Geld, nach Schätzungen bis zu 500 Milliarden €, muss in die Hand genommen werden, um das EU-Ziel zu erreichen, 20 % von Europas Energieverbrauch bis zum Jahr 2020 aus erneuerbaren Energien zu decken. Wenn diese Menge ausschließlich für Strom verwendet werden würde, wären das fast 50 % des gesamten Strombedarfs der Europäischen Union.
Wir, Schleswig-Holstein, werden ein WindenergieLand bleiben mit steigender Entwicklung. Das reduziert unsere Energieabhängigkeit, reduziert den CO2-Ausstoß und schafft in unserem Land ein hohes Know-how, das unsere Kernkompetenz national und international stärkt und Arbeitsplätze schafft.
Kurz zu den sechs Positionen, zu denen die Landesregierung um eine Stellungnahme gebeten wird! Die Energieeffizienzsteigerung ist ein Gebot, das langfristig vor allem für eine technologische Herausforderung steht, nämlich die Entkoppelung von wirtschaftlicher Entwicklung einerseits und Reduzierung des Energieverbrauchs und der Umweltbelastung andererseits. Neue Technologien und Verfahren zur alternativen Erzeugung von Energien sowie besseren Ausnutzung von Energien müssen weiterentwickelt und eingesetzt werden.
Die Kraft-Wärme-Kopplung ist ein solches hocheffizientes, klimaschonendes Instrument zur Energieerzeugung, aber überall kann die Kraft-WärmeKopplung nicht eingesetzt werden. Gemäß Grünbuch 2020 können heute landesweit etwa 15 % durch Kraft-Wärme-Kopplung abgedeckt werden, im Jahr 2020 vielleicht 20 %.
Einsparpotenzial an Energie ist im Wohnungsbereich, im Gebäudebereich sicherlich gut durchzuführen. Die Landesregierung wird daher die hohe Priorität für energetische Wohngebäudesanierung weiterhin verfolgen. Das soeben verabschiedete Konjunkturprogramm für unser Land zeigt ja gerade auch für Schulen, Kindergärten und Sporthallen sowie Krankenhäuser die hohe Bedeutung energetischer Maßnahmen.
Netzsicherheit und -kompatibilität der Energieträger - das dritte Thema - bezieht sich auf das Stromnetz. Ein sicherer Betrieb der Netze und der Ausbau
sind dringend einzufordern. Die Verantwortung der Bundesnetzagentur als Systemführer und die der Stromerzeuger und Verteiler ist sehr groß.
Das Erfordernis der Netzsicherheit ist immer auch eine Frage nach den Kosten für die Verbraucher. Die Netzbetreiber sind ständig bemüht, Kosten zu senken, um angemessene Netznutzungsentgelte anbieten zu können. Das darf Investitionen in Erneuerungen und den Ausbau der Netze nicht beeinflussen.
Zum Stand der Trennung von Stromerzeugung und Leitungsnetzen gibt es viele Meinungen. 1,6 Millionen km ist das deutsche Stromnetz lang. Je nach Verwendungszweck der Energie lässt es sich in vier Spannungsebenen unterteilen. Zwei seien genannt: Die oberste Ebene bildet das Übertragungsnetz, in dem eine Spannung von 220 bis 380 kV herrscht. Diese Hoch- und Höchstspannungsleitungen erstrecken sich über eine Entfernung von 36.000 km und transportieren den Strom von den Großkraftwerken zu den Umspannanlagen in der Nähe von Verbraucherschwerpunkten. Es folgt das Hochspannungsnetz von 72.200 km Länge mit einer Spannung von 110 kV. Diese beiden Übertragungsnetze gehören zum großen Teil vier Stromproduzenten, nämlich E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW. Sie besitzen gleichzeitig Kraftwerke zur Stromerzeugung. Das möchte die Europäische Union ändern, hoffend, dass der Netzwettbewerb erhöht wird. Wer soll die Netze kaufen? Minister Gabriel will keine Staatsfonds. Soll es eine Bundesnetzagentur geben? Was muss gezahlt werden? Ist ein Eigenkapitalzinssatz von 9,29 % interessant zum Kauf, zum Ausbau, zur Modernisierung der Netze?
Minister Döring begrüßt den geplanten Netzverkauf von E.ON, Vattenfall prüft den Verkauf, Gazprom könnte Interesse bekunden, Pensionsfonds und Infrastrukturfonds könnten ebenfalls Interesse bekunden. - „Vorsicht“ kann ich da nur sagen. Das Schlimmste wäre eine Atomisierung der Netze. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist gegen Netzverkauf. Ich schließe mich aus guten Gründen der Bundeskanzlerin an.