Protokoll der Sitzung vom 27.02.2009

Die endgültige Entscheidung, ob und wann die Meiler wieder ans Netz gehen, liegt allerdings bei der Atomaufsichtsbehörde. Das ist aus Sicht des SSW das Maß der Dinge. Es handelt sich hierbei nicht um eine routinemäßige Untersuchung, bei der Kleinigkeiten verbessert oder ausgetauscht werden. Dem Ganzen liegt eine Unfallserie zugrunde, die vollständig aufgearbeitet werden muss. Selbst wenn dies geschehen ist, wird uns weder der Betreiber noch die Aufsichtsbehörde eine Garantie geben können, dass in den Meilern keine Unfälle mehr passieren werden. Aus Sicht des SSW gibt es daher für beide Meiler eigentlich nur eines, nämlich die endgültige Dichtmachung. Nur das schafft eigentlich Sicherheit.

(Beifall bei SSW und SPD)

Wer sich dennoch hinstellt und eine Verlängerung der Restlaufzeit dieser Meiler fordert, handelt aus Sicht des SSW unverantwortlich. Für beide Meiler ist festgelegt, wann sie dichtgemacht werden. Daran darf nicht gerüttelt werden. Im Gegenteil, es muss sogar noch schneller gehen, wenn irgend möglich. Weder eine Übertragung von Restlaufzeiten von anderen Kraftwerken auf die Atomkraftwerke in Krümmel und Brunsbüttel noch eine andere Verzögerungstaktik dürfen dazu führen, dass der Abschaltzeitpunkt der beiden AKW überschritten wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hierzu ist dem Bericht zu entnehmen, dass die Vertreter von Vattenfall strategische Überlegungen dahin gehend verneint haben. Bei einer offiziellen Aussage ist allerdings mit etwas anderem auch nicht zu rechnen.

Für uns als SSW steht fest: Wer dies im Falle dieser beiden Reaktoren anders sieht, handelt verantwortungslos. Es bleibt der Landesregierung unbenommen, Gespräche mit den Betreibern der Atomkraftwerke zu führen. Dass der zuständige Wirtschaftsminister das Gespräch mit Vertretern der Energiewirtschaft im Lande sucht, zählt zu seine Aufgaben. Nichts anderes erwarte ich von einem Wirtschaftsminister. Dazu gehört eben auch das Gespräch mit Vertretern von Vattenfall, an denen man natürlich nicht vorbeigehen darf.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Diese Gespräche dürfen nach meiner Auffassung gern auch das Ziel eines schnelleren Ausstiegs aus der Atomenergie zum Inhalt haben. Wir müssen ja nicht immer nur in eine Richtung denken. Wir können auch einmal versuchen, in eine andere Richtung zu denken.

Dass dem Bericht der Landesregierung nicht viel Neues zu entnehmen ist, dürfte von vornherein klar gewesen sein. Für uns steht fest: Der Atomausstieg ist beschlossen und darf nicht gekippt werden. Ein Minister darf reden, mit wem er will. Das letzte Wort beim Wiederanfahren der Meiler hat nach Recht und Gesetz die zuständige Aufsichtsbehörde, und das ist gut so.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist kein Antrag gestellt

worden. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Tribüne begrüßen wir ganz herzlich Schülerinnen und Schüler der Jacob-Struve-Schule aus Horst mit ihren Lehrkräften und der Gudewerdt-Schule aus Eckernförde. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 42 auf:

Zukunft der medizintechnischen Ausstattung der Partikeltherapie am Nordeuropäischen Radioonkologischen Centrum Kiel (NRoCK)

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/2450

Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Verkehr, Herrn Dr. Marnette, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Januar 2008 hat sich die Landesregierung für den Bau eines Zentrums der Krebsbehandlung entschieden und damit einen Meilenstein zur weiteren Profilschärfung des Wissenschafts- und Gesundheitsstandorts Schleswig-Holstein gesetzt. Wir streben mit der erfolgreichen Realisierung des Projektes an, den Menschen in Schleswig-Holstein, in Deutschland und in Nordeuropa bei Krebs eine zukunftsorientierte Versorgung mit hoch spezialisierten und innovativen Leistungen bieten zu können.

Bereits heute verfügt das UK S-H über eine hervorragende Reputation in der Krebsbehandlung, die mit dem NRoCK weiter ausgebaut werden soll. Im NRoCK werden Krebsforschung, Krebsdiagnostik und Krebstherapie unter einem Dach vereint, mit dem Ziel, ein anerkanntes Referenzzentrum zu schaffen. Mit einem Gesamtvolumen von 250 Millionen € ist das NRoCK das bislang größte ÖPPProjekt im deutschen Gesundheitswesen. Die Wirtschaftlichkeit dieses Projektes ist durchaus anspruchsvoll. Das Projekt bedarf daher nach Fertigstellung und Inbetriebnahme eines sehr strengen Controllings. Die Landesregierung hat ein vitales Interesse daran, dass das NRoCK im Jahre 2012 erfolgreich in Betrieb gehen kann.

Die Nachricht der Siemens AG, sich zeitweilig aus dem weiteren Vertrieb von Partikeltherapieanlagen

zurückzuziehen, hatte mich und mein Ministerium in Sorge versetzt. Das UK S-H als unmittelbarer Vertragspartner und mein Ministerium haben unverzüglich Kontakt zur Siemens AG aufgenommen, um weitere Informationen und Einzelheiten über die Entscheidung, den Betrieb einzustellen, zu erlangen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nun berichten Sie mal über Ihre Gespräche!)

Seien Sie versichert, wir haben beharrlich recherchiert und nachgefragt sowie ein eindeutiges Bekenntnis der Siemens AG zum Vertrag mit dem UK S-H und vor allem zur Partikeltherapie eingefordert. Das Ergebnis unserer Beharrlichkeit war, dass am 22. Dezember 2008 das zuständige Vorstandsmitglied Professor Dr. Requardt Rede und Antwort über die Motive der Siemens AG in meinem Ministerium stand. Um unsere kritische Haltung gegenüber dem Vorgehen der Siemens AG zu verdeutlichen, habe ich am 15. Januar ein persönliches Schreiben an den Vorstandsvorsitzenden der Siemens AG gerichtet. Den Inhalt meines Schreibens und die Antwort von Herrn Löscher können Sie in dem vorliegenden Bericht nachlesen.

Entscheidend ist, dass die Siemens AG weiter auf die Systemtechnologie Partikeltherapie setzt. Die Antwort von Herrn Löscher kam zeitlich zwar ziemlich verzögert - das muss ich tadeln -, aber sie hat mich darin bestätigt, dass das Kieler Partikeltherapieprojekt auf einem guten Weg ist. Ich gehe daher nicht davon aus, dass die von der FDP skizzierten Probleme eintreten werden. Mit einem Rückzug der Siemens AG aus dem Kieler Projekt als Geräte- und Systemlieferant ist nicht zu rechnen.

Ebenso bin ich davon überzeugt, dass die Siemens AG ihre vertraglichen Verpflichtungen anstandslos erfüllen wird. Dies gilt insbesondere für die vertraglich vereinbarte stetige Weiterentwicklung der Technologie. Pacta sunt servanda. Verträge sind einzuhalten. Dies erwarte ich von beiden Vertragspartnern, der Siemens AG und dem NRoCK.

Gleichwohl werden wir sehr genau darauf achten, wie sich die Firma Siemens künftig a) generell auf diesem Feld und b) in der Zusammenarbeit mit NRoCK verhalten wird. Sollte es dabei Anlass zu Kritik geben, werden wir sehr schnell den Kontakt wieder aufnehmen und darauf drängen, dass Siemens sich nicht nur an den Vertrag, sondern auch an seine sonstigen Zusagen hält. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können und müssen wir aber davon

(Präsident Martin Kayenburg)

ausgehen, dass das NRoCK errichtet und betrieben werden kann.

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, bevor ich die Aussprache eröffne, eine etwas längere Zwischenbemerkung. Gerade hat hinter mir unser langjähriger Landtagsdirektor Dr. Jürgen Schöning Platz genommen. Das ist an sich nichts Bemerkenswertes, aber es wird heute wohl das letzte Mal sein, dass er nach 21-jähriger Dienstzeit hier im Plenum vor Ihnen sitzt. Er tritt nämlich zum 1. März in seinen wohlverdienten Ruhestand. Wir werden am 26. März - deshalb gibt es heute für ihn auch noch keine Blumen - seine Verabschiedung feiern. Sein Dienstende ist aber heute.

Herr Dr. Schöning hat als der dienstälteste Landtagsdirektor Deutschlands in den Jahren an der Spitze der Parlamentsverwaltung wirklich Beeindruckendes geleistet. Ich denke, wir alle kennen die prägendsten Themen, mit denen er sich befasst hat, und zwar zum einen Europa, zum anderen aber auch die Partnerschaft in der Ostseeregion.

Lieber Herr Dr. Schöning, ich glaube, diese Themen sind Ihnen neben dem Beruf auch Berufung gewesen. Sie haben den Schleswig-Holsteinischen Landtag auf Generalsekretärsebene in vielen internationalen und transregionalen Gremien vertreten. Ich erinnere nur an die Ostseeparlamentarierkonferenz BSPC, an das Parlamentsforum Südliche Ostsee und an CALRE, die Konferenz der Europäischen Regionalen Gesetzgebenden Parlamente. Werden und Wirken dieser Gremien hat Herr Dr. Schöning begleitet, aber nicht nur das, er hat sie seit Anbeginn der jeweiligen Arbeit auch gestaltet.

An ganz maßgeblicher Stelle hat er auch an unseren Parlamentspartnerschaften mitgewirkt. Das ist die Partnerschaft mit Kaliningrad, genauso aber mit Schonen und mit den Sejmiks von Pommern, Westpommern und Ermland-Masuren. Er hat diese Partnerschaften zum gegenseitigen Nutzen mit ausgebaut.

Das Bild wäre aber unvollständig, wenn ich an dieser Stelle nicht die fest mit dem Namen Jürgen Schöning verbundene Zusammenarbeit mit den Dänen, Friesen und Nordschleswigern erwähnte. Als wirklich überzeugter Europäer hat Herr Dr. Schöning neben anderen ehrenamtlichen Funktionen seit 1999 auch den Vortandsvorsitz in der Europäischen

Akademie Schleswig-Holstein in Sankelmark inne. Er hat sich diesem Aufgabenfeld immer mit besonderer Aufmerksamkeit gewidmet. Gewiss ist auch nicht zu hoch gegriffen, wenn ich Herrn Dr. Schöning als Aushängeschild für unsere Minderheitenarbeit bezeichne.

Meine Damen und Herren, aber nicht nur das. Auch außerhalb dieses Parlaments und außerhalb unseres unmittelbaren Einflusses hat sich Herr Dr. Schöning gerade um den Föderalismus in der Republik wirklich verdient gemacht. Er hat die Arbeit der Bank der Landtage auch in der ersten Föderalismuskommission begleitet, und vor allem hat er zusammen mit Landtagspräsident Heinz-Werner Arens den ersten Föderalismuskonvent in Lübeck mit auf den Weg gebracht. Dort war er die treibende Kraft. Ich bin ihm dafür besonders dankbar, weil es damals gelungen ist, alle Landesparlamente einzubinden. Dort haben die Landtage erstmals gemeinsam Position bezogen. Von diesem Zeitpunkt an ist - wie bei uns selbst - das Selbstbewusstsein der Landtage erheblich gewachsen.

Dass der Auf- und Umbau sowohl im übertragenen wie auch im tatsächlichen Sinne zu Ihren besonderen Stärken zählen, das haben Sie, Herr Dr. Schöning, in Ihrem Tun unter Beweis gestellt. Ich möchte noch zwei Stichworte nennen. Sie haben Mecklenburg-Vorpommern beim Aufbau der Parlamentsverwaltung nach der Wiedervereinigung maßgeblich unterstützt, und Sie waren an der Neustrukturierung und Umstrukturierung der eigenen Landtagsverwaltung zwischen 2000 und 2002 maßgeblich beteiligt.

Wenn ich Auf- und Umbau gesagt habe: Vielleicht ist an Ihnen auch ein Architekt verloren gegangen. Das dürfte nicht nur den Mitgliedern der Baukommission beim Umbau dieses Hauses klar geworden sein. Dennoch sind wir froh, dass Sie 1965 das Studium der Rechtswissenschaften ergriffen und damit den Grundstein für Ihren Weg an die Spitze dieser Landtagsverwaltung gelegt haben.

Ich weiß, und wir wissen: Sie waren ein politischer Landtagsdirektor, aber Sie haben nie die mit dem Amt verbundene Pflicht zur Neutralität vermissen lassen - im Gegenteil. Wir alle, wir Abgeordneten, die Fraktionen und die Landtagsverwaltung wissen, dass wir mit Ihrer Pensionierung eine bemerkenswerte Persönlichkeit mit reichem Erfahrungsschatz verlieren und - ich darf das so sagen - dass eine Ära zu Ende geht.

Umso mehr danke ich Ihnen im Namen des ganzen Hauses, wünsche Ihnen für den nächsten Monat ei

(Minister Dr. Werner Marnette)

ne Eingewöhnung in das neue Leben und werde Ende nächsten Monats dann noch Gelegenheit nehmen, Sie offiziell zu verabschieden.

Für den kommenden Lebensabschnitt schon heute alles Gute, Glück, Erfüllung und weiter viel Freude! Die Blumen, wie gesagt, gibt es am 26. März. Vielen Dank, Herr Dr. Schöning.

(Lebhafter anhaltender Beifall - Die Abge- ordneten und Minister erheben sich von ihren Plätzen - Wolfgang Kubicki [FDP]: Sollen wir jetzt Zugabe rufen, Herr Präsident?)

- Das ist jedem unbenommen, Herr Oppositionsführer.

Ich rufe nunmehr erneut Tagesordnungspunkt 42 auf:

Fortsetzung der Beratung zur Zukunft der medizintechnischen Ausstattung der Partikeltherapie am Nordeuropäischen Radioonkologischen Centrum Kiel (NRoCK)

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/2450

Ich eröffne jetzt die Aussprache. Das Wort hat für die Fraktion der FDP Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen. Liebe Kollegen! Am 18. Oktober 2008 wurde bekannt, dass die Firma Siemens keine weiteren Partikeltherapie-Projekte mehr akquirieren werde. Da stellt sich natürlich die Frage: Welche Bedeutung hat diese Mitteilung für die Zukunft des Nordeuropäischen Radioonkologischen Centrums Kiel? Welche Auswirkungen hat diese Mitteilung auf das im vergangenen Jahr gegründete Krebszentrum Nord? Wie kann der technische Stand - ich glaube, das ist die zentrale Frage, Herr Minister - des Partikeltherapiezentrums gesichert werden, wenn der Betreibervertrag mit dem Errichterkonsortium ausläuft?