Protokoll der Sitzung vom 26.03.2009

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ja!)

Diese rechnen Sie offenbar nicht ein. Jedenfalls vermisse ich dazu konkrete Aussagen.

Auch die Zusammenarbeit von Lehrkräften der Förderschulen und der allgemeinbildenden Schulen muss sich an vielen Stellen weiter einspielen. Dies gilt insbesondere für die Gemeinschaft- und Regionalschulen, aber ich sage auch: Dies gilt ebenfalls für die Gymnasien.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denjenigen, die jetzt darüber stolpern, will ich sagen: Besuchen Sie doch einmal eines der Gymnasien, die Kinder mit geistigen Behinderungen integrieren. Was für ein Fortschritt das für das soziale Lernen der gesamten Gruppen ist und was für einen ungeheuren Fortschritt die Kinder mit geistigen Behinderungen in einer solchen Umgebung machen, ist wirklich bemerkenswert.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir wollen allerdings die Förderzentren auch ohne Schüler weiter erhalten, Frau Birk. Die sonderpädagogische Kompetenz darf nicht verloren gehen, sie darf nicht in das gesamte System diffundieren. Vielmehr muss sie konzentriert bleiben und weiterentwickelt werden. Der hohe Standard unserer Sonderpädagogikausbildung ist für diese Entwicklung sehr wertvoll.

Leider entscheiden sich nicht genug Studierende für dieses Studium. Das ist bedauerlich. Sie tun es übrigens auch nicht im Bereich Mathematik und Physik. - Aber wir müssen auch für dieses Feld, für das Studium in diesem Bereich, werben.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD] und Zurufe von der FDP)

- Darüber, was man denn tun müsste, um Menschen in bestimmte Studiengänge zu bringen, reden wir vielleicht an anderer Stelle.

Ich will noch sagen: Wir setzen den Rahmen, und wir müssen uns Ziele setzen. Darin stimme ich mit Ihnen überein. Aber wir dürfen nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen. Ihre Begründung für eine frühere Umsetzung, dass die Schulreform im Schuljahr 2012/2013 abgeschlossen ist, kann ich nicht nachvollziehen. Alle Lehrkräfte müssen zusätzlich zu den jetzigen Veränderungen auch auf inklusiven Unterricht vorbereitet sein. Drei Jahre sind dafür ein zu knapper Zeitraum. Wir wollen keine Widerstände hervorrufen, die es in dieser Frage jetzt eigentlich gar nicht gibt. Das lässt sich eben

auch nicht innerhalb weniger Jahre aus der Welt schaffen. Man merkt ja, was sich in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert über Jahrzehnte in den Köpfen sehr fest etabliert hat.

Deswegen ist ein solcher Wandel auf Überzeugungsarbeit angewiesen. Sie können sicher sein, dass ich nicht nachlassen werde, dies zu meiner Sache zu machen, aus einer tiefen eigenen Überzeugung heraus. Das ist auch der Grundgedanke des Jahres der inklusiven Bildung. Ich lade Sie alle ein, daran mitzuwirken.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 16/2559 und den Antrag Drucksache 16/2560 dem Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Gerichte und Staatsanwaltschaften in SchleswigHolstein

Große Anfrage der Fraktion der FDP Drucksache 16/2231

Antwort der Landesregierung Drucksache 16/2390

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann erteile ich zur Beantwortung der Großen Anfrage dem Minister für Justiz, Arbeit und Europa, Herrn Uwe Döring, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal bitte ich um Verständnis für die Dauer der Beantwortung der Großen Anfrage der FDPFraktion zur Situation der Gerichte und Staatsanwaltschaften in Schleswig-Holstein, aber meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben rund 800 Arbeitsstunden dafür eingesetzt. Warum der Aufwand so hoch war, liegt an Einzelfragen wie dieser, die ich gern beispielhaft zitieren möchte:

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

„Wie hoch war die Sitzungsstundenzahl in Hauptverhandlungen in den letzten acht Jahren bei den Staatsanwaltschaften und den Amtsanwaltschaften in Schleswig-Holstein insgesamt und aufgeschlüsselt nach den einzelnen Staats- und Amtsanwaltschaften der Landgerichtsbezirke, und wie hoch war insoweit die prozentuale Zu- beziehungsweise Abnahme in dem genannten Zeitraum?“

Sie haben damit jetzt alle Informationen. Sie haben ein Kompendium der schleswig-holsteinischen Justiz und damit auch ein gutes Nachschlagewerk für das, was wir in den Ausschüssen diskutieren können.

Alle Fragen und Antworten füllen 176 Seiten. Die Drucksache liegt Ihnen vor. Ich gehe davon aus, dass Sie sie gelesen haben und will deshalb auch nur drei Punkte herausgreifen, die aus meiner Sicht besonders wichtig sind.

Erstens. Schleswig-Holsteins Justiz ist personell gut aufgestellt. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit sind in der Regel 518 Richterinnen und Richter tätig. Sie haben dafür gesorgt, dass die Verfahrensdauer im Durchschnitt leicht rückläufig ist. In den Verwaltungs-, Arbeits-, Sozial- und Finanzgerichten sind rund 160 Richterinnen und Richter tätig. Wie sich das Personal auf die einzelnen Sparten verteilt, steuern wir - soweit das bei richterlicher Unabhängigkeit möglich ist - nach der Belastung. So gab es Anfang 2005 40 Sozialrichterinnen und -richter, dann kam Hartz IV, die Klageflut. Sie kennen das alles, wir werden uns morgen noch einmal damit beschäftigen. Die Sozialgerichte brauchten Verstärkung, und sie bekamen sie auch. Ich darf mich dafür auch beim Parlament bedanken. Im Jahr 2009 wird es dort 71 Richterstellen geben.

Zugleich konnten wir bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit Stellen umschichten - einsparen, und zwar von 66 im Jahr 2005 auf 54 im aktuellen Stellenplan. Das heißt, es wird durchaus umgeschichtet.

Bei den Anklagebehörden sind 166 bis 168 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte tätig. Die sechs Stellen, die zusätzlich von Ihnen bewilligt worden sind, sind inzwischen besetzt.

(Beifall des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Die Einzelheiten der personellen Ausstattung finden Sie in der Drucksache. Insgesamt kann ich feststellen: Sowohl Behördenleitung als auch Personalvertretung teilen meine Einschätzung, dass der Personalbedarf bei Gerichten und Staatsanwaltschaften

angemessen gedeckt ist. Ich möchte hierzu aber auch ganz deutlich sagen: Das ist kein Luxus, auch wenn wir immer wieder mit dem Landesrechnungshof darüber diskutieren. Eine funktionierende Justiz ist in der Gesellschaft vielmehr ein ganz wichtiger Teil, um Rechtsfrieden zu haben, damit die Menschen die Entscheidungen bekommen, die sie benötigen, und es ist auch ein wichtiger Teil für den Wirtschaftsstandort. Ich komme darauf gleich zu sprechen.

Zweitens. Schleswig-Holsteins Justiz nutzt die Informationstechnik für mehr Effizienz und mehr Service. Seit 1996 läuft die IT-gestützte Modernisierung der Gerichte und der Staatsanwaltschaften. Ich nenne als Beispiele MEGA, das ist inzwischen schon ein Klassiker. Das System unterstützt die ordentlichen Gerichte in vielen Abläufen, insbesondere die Geschäftsstellen. Wir werden uns jetzt allerdings daran machen müssen, eine Nachfolgelösung zu finden. Ich hoffe, dass uns dies auch mit anderen Bundesländern zusammen gelingt, sodass wir hier nicht allein sind.

MESTA ist das entsprechende System für die Staatsanwaltschaften. Es gibt MegaInsO, das ist ein spezielles Programm für die Insolvenzabteilung der Amtsgerichte. Judex stützt die Abläufe der Landgerichte bei Zivilsachen, unsere Justizstellen kommunizieren elektronisch mit den Zentralregistern des Bundes. Alle diese Maßnahmen verbessern die internen Abläufe der Justiz.

Wir setzen Informationstechnik aber auch ein, um Kommunikation und Kooperation nach außen zu vereinfachen, also zwischen Justiz und denen, die mit ihr zu tun haben. Die vier Registergerichte führen derzeit über 150.000 Akten mit mehr als 800.000 Dokumenten komplett elektronisch. Die Registergerichte kommunizieren elektronisch mit den Notaren, die Registeranträge stellen. Dank der Digitalisierung kann man das Handelsregister, das Genossenschaftsregister, das Partnerschaftsregister per Internet einsehen. Wir sind auf dem Wege der elektronischen Justiz - E-Justice - aber noch lange nicht am Ende angekommen.

Dazu drei Stichworte. Zurzeit sind wir dabei, den Weg für das digitale Vereinsregister freizumachen. Hier sind vor den technischen Fragen rechtliche Probleme zu lösen. Dafür gibt es eine schleswigholsteinische Bundesratsinitiative. Wir wollen erreichen, dass die Veröffentlichungen zu Zwangsversteigerungen im Internet erfolgen. Bei Insolvenzen wird bereits über 80 % über das Netz bekannt gemacht. Wir wollen vor allem erreichen, dass der elektronische Briefkasten der Justiz künftig mehr

(Minister Uwe Döring)

Fächer hat. Es geht darum, dass verfahrensrelevante Erklärungen auf rechtlich wirksame Weise digital übermittelt werden können. Für die Arbeitsgericht wird das noch in diesem Jahr realisiert.

Ich will es jetzt nicht im Einzelnen darlegen, aber unsere Antworten auf die Große Anfrage haben im Hinblick auf die zielgestützte Modernisierung ein ganz eindeutiges Fazit: Es sind Stellen eingespart worden, es sind Verfahrenszeiten verkürzt worden, es sind Serviceleistungen nach außen verbessert worden, und diesen Weg werden wir weitergehen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich komme zu meinem dritten und letzten Punkt: Schleswig-Holsteins Justiz bietet moderne Formen der Konfliktlösung an und ist damit auch erfolgreich. Das wichtigste Instrument ist dabei die Mediation. Angeboten wird sie bei uns in der ordentlichen Gerichtsbarkeit beim Oberlandesgericht, bei allen Landgerichten und bei den meisten Amtsgerichten, in der Verwaltungsgerichtsbarkeit bei den Gerichten beider Instanzen, in der Arbeitsgerichtsbarkeit zunächst beim Landesarbeitsgericht und in der Sozialgerichtsbarkeit demnächst. Im Lauf dieses Jahres soll es dort losgehen.

Wir haben zurzeit 43 Mediatorinnen und Mediatoren, die für diese Art der Streitschlichtung zur Verfügung stehen und denen ich dafür danken möchte. Es geht um Verfahren, die bei Gericht anhängig sind, aber eher für eine Art runden Tisch geeignet sind. Es sind Fälle, bei denen der juristische Streit nur die Spitze des Eisberges ist. Viel wichtiger ist die Frage: Wie können die Interessen tatsächlich ausgeglichen werden? Alles in allem hatten wir in Schleswig-Holstein im Jahr 2007 in der ordentlichen Gerichtsbarkeit etwa 1.150 Verfahren, die von den zuständigen Richtern an die Mediation abgegeben worden sind. In fast 60 % der Fälle stimmten die Verfahrensbeteiligten zu. Das Interessante dabei ist: Wer sich auf Mediation einlässt, erreicht meistens auch ein gutes Ergebnis. In fast 80 % der Mediationsfälle kommt es zu einer Einigung.

Nun ist auch nach der Entlastung der Gerichte durch Mediation gefragt worden. Ja, es gibt sie, wenn Sie bedenken, dass eine endgültige Einigung im Schnitt in einer Sitzung von rund drei Stunden Dauer zustande kommt und dass mitunter bei einer erfolgreichen Mediation noch weitere Streitigkeiten ausgeräumt werden können, die sonst ebenfalls beim Gericht landen würden. Diese Entlastungseffekte sind natürlich nicht wirklich messbar, aber nach meinem Verständnis sollten sie auch nicht im Vordergrund stehen, denn es geht um etwas ande

res. Es geht darum, Konflikte zu befrieden, die so tief greifen, dass sie mit den Mitteln des Rechts allein nicht mehr lösbar sind. Und das ist sehr wertvoll.

Sie kennen diese ganzen Nachbarschaftsstreitfälle, die tief in die Sozialbeziehungen eingreifen und bei denen man sich gegenseitig viel antut und bei denen das Grundproblem gelöst werden muss und nicht die eigentliche Rechtsfrage. Das Urteil ist nicht das Befriedende, sondern dass man darin übereinstimmt, etwas entsprechend aufzulösen.

Eine funktionierende Justiz ist unverzichtbar für das friedliche Zusammenleben in der Gesellschaft. Sie ist unverzichtbar für die Wirtschaft. Sie ist unverzichtbar für die Bürgerinnen und Bürger, die auf schnelle und verlässliche Dienstleistungen der Justiz angewiesen sind.

Wir können sagen: Die schleswig-holsteinische Justiz funktioniert gut, und allen, die dazu beigetragen haben, auch Ihnen, die die entsprechenden Mittel bewilligt haben, danke ich dafür von ganzem Herzen.

(Beifall bei SPD, CDU und der Abgeordne- ten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion der FDP hat der Oppositionsführer, der Fraktionsvorsitzende der FDP, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Fragestellung unserer Großen Anfrage hatten wir unsere Absicht klar benannt, warum wir eine intensive Befassung mit den Gerichten und Staatsanwaltschaften in Schleswig-Holstein aktuell für dringlich halten. Anlass sind die strategischen Strukturveränderungen, die innerhalb des Justizministeriums gerade vorbereitet werden, verbunden mit der - so selbst genannten - Stärkung der Justiz. Soweit es um die Stärkung der Justiz geht, lag es für uns nah, erst einmal die Ausgangsposition zu ermitteln, zumal die letzte Datenübersicht bereits sieben Jahre zurückliegt.

Mit der Antwort auf die Große Anfrage haben wir jetzt diese gewünschte Bestandsaufnahme. Sie hat - Herr Minister, das gebe ich zu - alle Beteiligten mit zusätzlicher Arbeit belastet. Für deren Bewältigung möchte ich ausdrücklich Ihrem Haus und den