Protokoll der Sitzung vom 29.09.2005

(Beifall des Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU])

Die Landesregierung wird die Unternehmen zusammen mit der IHK und den Unternehmensverbänden weiterhin informieren. Auch wir im Parlament erwarten und wünschen weiterhin eine regelmäßige Berichterstattung zu diesem Thema.

Ich bitte um Überweisung federführend an den Wirtschaftsausschuss, begleitend an den Umweltausschuss.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Ritzek. - Für die SPDFraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Konrad Nabel das Wort.

(Zurufe)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Ritzek, ich fange mit dem Dank an die Landesregierung an: Herzlichen Dank, Herr Minister, vor allem Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den Be

richt Drucksache 16/257, der uns heute vorliegt und den wir hier zu diskutieren haben.

Der Klimaschutz ist eine der größten Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft, auch für den Kollegen Kubicki. Der durch den Kollegen Kubicki und uns alle verursachte Klimawandel wird weiter voranschreiten, wenn es uns nicht gelingt, das Volumen der globalen Treibhausgasemissionen zu senken.

Lassen Sie mich eine unverdächtige und seriöse Quelle, das DIW vom März 2005, wonach ohne Klimaschutzpolitik im Jahre 2100 Klimaschäden von bis zu 20 Billionen Dollar auftreten können. Wenn aber schon heute mit einer aktiven Klimaschutzpolitik begonnen wird - das haben wir an verschiedenen Stellen getan -, können bei dafür aufzuwendenden Kosten in Höhe von rund 3 Billionen Dollar immerhin Schäden von bis zu 12 Billionen Dollar im Jahr 2100 verhindert werden. Das ist eine rein betriebswirtschaftliche Rechnung, die volkswirtschaftlich aufgeht. Das sollten wir tun, denn Klimaschutz rechnet sich langfristig volkswirtschaftlich und muss auf allen Ebenen unverzüglich Gegenstand der politischen Agenda sein.

In Deutschland stehen wir in der Klimaschutzpolitik erfreulicherweise anders als zum Beispiel in den USA nicht am Anfang. Die Verpflichtungen des KyotoProtokolls werden wir in Deutschland voraussichtlich erfüllen können und die sechs Treibhausgase in der Zeit von 2008 bis 2012 gegenüber 1990 um 21 % verringert haben. Das gilt besonders für das Klimagas Kohlendioxid, bei dem der Ausstoß bis 2003 bereits um 15 % reduziert wurde. Im Augenblick liegen wir bei 19 %.

In einem breiten Maßnahmenbündel von ökologischer Steuerreform, Erneuerbare-Energien-Gesetz, 100.000-Dächer-Programm und Investitionsprogramm für die Schiene - ich könnte noch mehr nennen - kommt dem am 1. Januar 2005 gestarteten Emissionshandel, der in allen 25 EU-Mitgliedstaaten gilt, eine große Bedeutung zu, unsere Verpflichtung aus dem Kyoto-Protokoll zu erfüllen. Der Emissionshandel steht für einen Paradigmenwechsel: Erstmals erhält Umweltbelastung einen Marktpreis. Die Idee kam ursprünglich aus den USA, aber es gab auch eine heftige Diskussion innerhalb der Umweltszene, ob das etwas bringe. Ich glaube, dass das ein richtiger Schritt war.

Erstmals werden Ressourcenverbrauch und volkswirtschaftliche Kosten in Geld bewertet und erstmals werden Umweltdefizite und -erfolge monetär messbar. Dadurch steigt der Anreiz für eine dynamische

(Konrad Nabel)

und systematische Einführung von Minderungsmöglichkeiten.

(Beifall der Abgeordneten Jürgen Weber [SPD] und Karl-Martin Hentschel [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Der vorliegende Bericht der Landesregierung zeigt nun, dass sich Schleswig-Holstein auf die Einführung des Emissionshandels gut vorbereitet hat; es gibt hier keine landesspezifischen Probleme. Die Information und Beratung für Unternehmen durch die Innovationsstiftung, durch die IHK-Vereinigung und die Vereinigung der Unternehmensverbände haben gut gewirkt. 54 schleswig-holsteinischen Anlagen sind betroffen. Die Zahlen dazu hat der Minister genannt, das will ich nicht wiederholen.

Dies zeigt - erwartungsgemäß -, dass die relevanten Anlagen in Schleswig-Holstein vergleichsweise kleinvolumige CO2-Emissionsmengen ausstoßen, sodass sich die Frage von Aufwand und Wirkung auf die Reduzierung von CO2-Emissionen stellt. Es ist allerdings noch zu früh, über eventuelle Änderungen zum Beispiel bei der Teilnahmepflicht durch neue Untergrenzen zu entscheiden. Beim anstehenden ReviewProzess müssen aber sicherlich Vorschläge zur Verbesserung der Effizienz und zum Abbau von Wettbewerbsverzerrungen durch den Emissionshandel berücksichtigt werden.

Ein großer Erfolg des Emissionshandels steht für mich aber bereits heute fest: In der Wirtschaft ist das Bewusstsein für den betriebs- und volkswirtschaftlichen Wert von CO2-Minderungen entstanden. Der Handelspreis für das Emissionsrecht für eine Tonne CO2 liegt mit rund 20 € deutlich über den Erwartungen. In diesem Zusammenhang ist es für mich völlig unverständlich, dass der Emissionshandel vereinzelt als Argument für den Anstieg der Strompreise herangezogen wird. Eigentlich müssten die Zertifikate umgekehrt wirken, haben doch die unentgeltlich zugeteilten Emissionszertifikate einen Marktwert und stellen im Regelfall einen neuen Vermögenswert dar. Ich erwarte auch hier eine verbraucherfreundliche Klärung im Überprüfungsverfahren des Bundeskartellamtes gegen die Energieversorgungsunternehmen.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit der Einführung des Emissionshandels haben wir in der Klimaschutzpolitik Neuland betreten. Die ersten Erfahrungen aber zeigen: Der eingeschlagene Weg, Klimaschutz volkswirtschaftlich zu verstehen und den Betrieben Instrumente zur Senkung ihrer CO2-Emissionen zur Verfügung zu stellen, ist richtig und muss konsequent weiter gegangen werden. Zu

einem späteren Zeitpunkt wird sicherlich zu prüfen sein, ob Verfahrensänderungen im Emissionshandel notwendig und zielführend sind. Die Diskussion wird uns über die nächsten Jahrzehnte weiter verfolgen.

Abweichend vom Kollegen Ritzek möchte ich die Federführung für den Umweltausschuss beantragen, denn im Umweltbereich liegt die Zuständigkeit für den Zertifikatshandel, mitberatend Überweisung an den Wirtschaftsausschuss.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke dem Kollegen Nabel und erteile für die FDP-Fraktion dem Kollegen Günther Hildebrand das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Theoretisch ist der Handel mit verbrieften Verschmutzungsrechten das effizienteste Verfahren, um Verschmutzung zu begrenzen und zu verringern. Er folgt zutiefst liberalen Prinzipien: Der Staat definiert Eigentumsrechte und überlässt es anschließend den Eigentümern, wie sie damit umgehen. So verwirklichen die Eigentümer die vom Staat verfolgten Ziele grundsätzlich gerade dann am besten, wenn sie ihren eigenen Interessen nachgehen.

Selbstverständlich ist der Emissionshandel kein perfektes umweltpolitisches Instrument, um den Ausstoß von CO2 zu begrenzen oder zu verringern. Aber von den tatsächlichen ist es das Beste und es wird ständig verbessert: Vor drei Tagen hat die Europäische Energiebörse den Start des Terminhandels angekündigt. Dies stärkt die Effizienz des Lizenzmarktes erheblich. Vor zwei Tagen hat die Europäische Kommission einen Plan vorgelegt, den Luftverkehr in den Emissionshandel mit einzubeziehen. Wenn man den CO2-Ausstoß im Luftverkehr verringern möchte, wäre dies der sinnvollste Weg.

(Beifall der Abgeordneten Günter Neuge- bauer [SPD] und Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir erwarten nach knapp zehn Monaten Emissionshandel noch nicht, dass alles klappt, schon gar nicht, dass bereits Nutzen für Umwelt und Wirtschaft gemessen werden können. Folglich beschränkt sich der Bericht auf beschreibende Statistik. Was kommt dabei heraus?

Verglichen mit dem Anteil Schleswig-Holsteins an der deutschen Wirtschaftskraft und der Bevölkerung ist Schleswig-Holsteins Wirtschaft unterdurchschnitt

(Günther Hildebrand)

lich betroffen. Das sollte niemanden überraschen; denn bei uns sind emissionsintensive Betriebe vergleichsweise selten. Bei Betrieben, die teilnehmen müssen, aber nur sehr wenig CO2 emittieren, steht der gesellschaftliche Vorteil aus der Vermeidung von CO2 in einem sehr ungünstigen Verhältnis zum betrieblichen Aufwand für den Emissionshandel. Daher begrüßen wir es, dass die Landesregierung für Mindestemissionen als Voraussetzung für die Teilnahme am Emissionshandel eintreten will. Das würde viel Bürokratie abbauen, ohne die deutschen Leistungen bei der Vermeidung von CO2-Emissionen merklich zu verringern.

Schon vor Beginn des Emissionshandels war eines klar: Sobald der Handel funktionieren würde, leistete die Förderung erneuerbarer Energieträger mit der Einspeisungsvergütung nach dem EEG zur Begrenzung oder Verringerung des CO2-Ausstoßes keinen Beitrag mehr; denn die CO2-Emissionen werden durch die Zahl der vorhandenen Lizenzen bestimmt. Die einzige Möglichkeit, den CO2-Ausstoß in den betroffenen Branchen darüber hinaus zu verringern, besteht darin, Emissionslizenzen zu kaufen und sie dann nicht zu benutzen. Ferner ist die CO2-Vermeidung mit dem EEG um ein Vielfaches teuerer als mit Emissionslizenzen. Beim heutigen Tagespreis für eine Lizenz zur Emission von einer Tonne CO2 - das sind 22,73 € -, ist die CO2-Vermeidung mittels EEG circa 1.200 % oder zwölfmal so teuer wie die Vermeidung infolge des Emissionshandels. Deshalb sollte die Förderung des EEG bereits kurzfristig durch ein marktkonformeres und damit effizienteres Instrument ersetzt werden, ganz ähnlich dem Emissionshandel.

(Beifall bei der FDP)

Die FDP hat bereits im Februar 2001 einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht. Er sah vor, Netzbetreiber und Eigenerzeuger zu verpflichten, eine Mindestmenge Strom aus erneuerbaren Energienquellen durchzuleiten beziehungsweise zu nutzen. Sie werden selbstverständlich versuchen, diese Verpflichtung zu minimalen Kosten zu erfüllen. Da die schleswig-holsteinische Windkraftindustrie zu den preiswertesten Produzenten von Strom aus erneuerbaren Energien in Deutschland gehört, erreichten wir damit für Schleswig-Holstein wirklich eine doppelte Dividende: Erstens würde der Einsatz erneuerbarer Energien wirkungsvoll gefördert und zweitens unsere Windkraftindustrie gestärkt;

(Beifall bei der FDP)

denn heutzutage wird unsere Windkraftindustrie durch die EEG-Förderung gegenüber ineffizienten Anbietern benachteiligt. Schließlich werden mit dem EEG auch jede Menge Windmühlen an windarmen

oder windärmeren Standorten gefördert. Das ist wirtschafts- und umweltpolitischer Unsinn, auf den ganz Deutschland verzichten sollte.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Hildebrand. - Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Klaus Müller.

Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Auch unsere Fraktion dankt herzlich für den kompetenten und fachkundigen Bericht. Er zeigt, wie leistungsstark das Umweltministerium an der Stelle ist. Politisch aber - das muss ich sagen, Herr Minister - ist er ausgesprochen enttäuschend. Ich will noch einmal kurz an die Geschichte des Emissionshandels erinnern.

Kaum vergessen ist der heftige Streit zwischen den beiden Bundesministern Wolfgang Clement und Jürgen Trittin über die Minderungsauflagen für die betroffenen Industriezweige. Insofern gibt es auch etwas pessimistische Aussichten, wenn es jetzt darum geht, dass sich wohlmöglich Wolfgang Clement und Angela Merkel demnächst über diese Politik zu unterhalten haben.

Besonders unrühmlich war die Rolle der CDU im Vermittlungsausschuss. Ich erinnere nur daran, dass es der CDU darum ging, die Einsparung insbesondere für die erste und zweite Emissionshandelsperiode zu verringern. Davon war bei der CDU heute zum Glück nicht mehr die Rede. Gleichwohl ist festzustellen, dass die CDU besonderen Elan in der Frage des Emissionshandels in der Vergangenheit nicht gezeigt hat.

Die Minderungsverpflichtungen sind geringer, als damals die freiwillige Vereinbarung der deutschen Industrie vorgesehen hat. Somit ist, glaube ich, ganz gut belegt, dass es sich beim Emissionshandel und seinen Zielen keinesfalls um eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit handelt; denn eigentlich hatte die Wirtschaft mehr versprochen. Sie hat jetzt ein effizientes und kostensparendes Instrument an die Hand bekommen, um die eigentlichen Ziele, zu denen sie sich selbst verpflichtet hatte, wirklich erreichen zu können.

Die Landesregierung beschäftigt sich leider nicht damit, wie wir uns in der Zukunft stärker im Klimaschutz engagieren können. Ich vermisse Vorschläge dazu, inwieweit der Flugverkehr in den Emissions

(Klaus Müller)

handel einbezogen werden kann. Kollege Hildebrand hat an der Stelle zu Recht darauf hingewiesen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wo sind denn die zukunftsweisenden Vorschläge zum Thema Emissionshandel? Wie sieht es denn aus, wenn wir tatsächlich - eine Idee, der man nahe treten kann - Untergrenzen für kleine Betriebe einführen? Was bedeutet das für die Bereiche, in denen im Rahmen des Emissionshandels dann nichts mehr erbracht wird? Wird das allen anderen obendrauf geschlagen? Wollen Sie das, Herr Minister, oder wollen Sie weniger Klimaschutz? Wie gehen Sie damit um, dass es Ausweichreaktionen gibt? Nichts ist leichter, als dass größere Unternehmen hingehen,

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Kollege Nabel, ihre Unternehmen aufspalten und ihre Anlagen anders konstruieren, um dann Ausweichstatbestände einzuführen. Sie haben Recht, zurzeit reden wir von 1 %. Aber die Frage ist, wie das in zukünftigen Perioden sein wird, wenn im Rahmen des Emissionshandels die Schrauben stärker angezogen werden. Ich glaube, darauf müssen Sie eine Antwort finden, bevor Sie solche Vorschläge machen.