Möglichkeit geben, sich ein attraktives Umfeld zu schaffen, ohne dass der öffentliche Zugang aufgegeben wird. Wenn der Staat dazu finanziell immer weniger in der Lage ist oder sich bewusst andere Prioritäten setzt, dann ist ein Rahmen für Selbstorganisation und Eigeninitiative erforderlich.
Wie entsteht ein BID nach unserem Gesetzentwurf? - Zunächst muss eine grundstücksgenaue Abgrenzung der Geschäftszone vorgenommen werden. Die BID-Initiatoren, meist Grundstückseigentümer oder örtliche Kaufleute, stellen dann einen mehrjährig angelegten Projektplan auf und kalkulieren die Projektinvestitionen. Anhand der erwarteten Gesamtkosten legt dann die Gemeinde die BID-Abgabe fest.
Als nächster Schritt erfolgt eine in der Öffentlichkeit ausgetragene Diskussion des Vorhabens. Nach Ablauf eines festgelegten Diskussionszeitraums gibt es ein Widerspruchsrecht beziehungsweise wird indirekt von den Grundeigentümern abgestimmt. Anschließend werden eine Satzung und der BID-Haushalt verabschiedet beziehungsweise genehmigt.
Die Abgabe wird zusammen mit der Grundsteuer von der Kommune eingezogen und an die private BIDGesellschaft weitergeleitet. Dieses Verfahren sichert eine weitgehend autonome Mittelverwendung durch die BID-Gesellschaft, und die Budget-Autonomie ist auch der Grund dafür, dass nach den bisherigen Erfahrungen die abgabepflichtigen Grundeigentümerinnen und -eigentümer die Abgabe nicht als zusätzliche Steuer empfinden.
Die Idee der BID ist - wie gesagt - nicht neu. Es gibt sie bereits weltweit. Seit dem 1. Januar 2005 besteht in Hamburg durch das Gesetz zur Stärkung von Einzelhandels- und Dienstleistungszentren, eben das BID-Gesetz, eine erste rechtliche Grundlage für die Einrichtung von Innovationsbereichen. In Hamburg gibt es zwei konkrete BID-Projekte: am Neuen Wall in der City und in Bergedorf.
Neben der gesetzlichen Regelung in Hamburg gibt es auch in vielen weiteren Bundesländern Initiativen, die dem Geist der BID entsprechen, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen mit dem Projekt „Ab in die Mitte“ mit rund 20 Kommunen oder mit einem derzeit laufenden Gesetzgebungsverfahren in Hessen.
Die Innenstädte, aber auch die Quartiere brauchen einen neuen Ansatz, um in der harten Konkurrenz mit Einkaufszentren und Einkaufsparks zu bestehen. Wir Grünen halten hier das Prinzip der Selbsthilfe hoch. Die Hamburger Kaufleute und Grundeigentümer haben sich genau dieses Prinzip mit tatkräftiger
Unterstützung der Bezirke und der Stadt Hamburg zu Eigen gemacht und sie haben Erfolg damit. Warum sollte ein Ansatz, der in Hamburg erfolgreich die Innenstädte belebt, der die Immobilienwerte verbessert und die Umsätze der Kaufleute steigert, in den Städten Schleswig-Holsteins nicht genauso funktionieren?
Mehrere Städte in Schleswig-Holstein haben mittlerweile ihr Interesse an ähnlichen Ansätzen gezeigt. Das ist in Kiel der Fall. - Schwarz-grün übrigens. - In Lübeck gibt es Diskussionen, in Neumünster, dringend nötig angesichts der Debatte über das Factory Outlet Center, in Elmshorn, in Norderstedt. Interesse besteht also quer durch Schleswig-Holstein; es fehlt ein rechtlicher Rahmen.
Wir haben uns mit unserem Gesetzentwurf am Hamburger Gesetz orientiert und dies mithilfe des Wissenschaftlichen Dienstes auf ein Flächenland übertragen. Neu ist bei uns die explizite Aussage, dass die Hoheit des öffentlichen Raumes bei der Kommune bleibt.
Dies ist uns auch wichtig, um Ängste und Befürchtungen abzubauen. Die Entscheidung über ein BID ist eine freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe der Kommunen. Weiterhin soll die Abgabe nicht auf private Mietverhältnisse umgelegt werden, wofür voraussichtlich bundesgesetzliche Grundlagen geändert werden müssen.
Ansonsten haben wir uns an den erfolgreichen Erfahrungen der Hamburger orientiert. Wir haben die Quoten übernommen, nach der die Initiative von mindestens 15 % der Eigentümerinnen und Eigentümer mit 15 % der Grundfläche des BID-Bezirks kommen muss. Die Grundeigentümer bekommen während einer vierwöchigen öffentlichen Auslegung die Möglichkeit, den Maßnahmen und dem Finanzierungskonzept eines Bündnisses für Innovation und Dienstleistung zu widersprechen. Sind dies mehr als ein Drittel der Grundeigentümerinnen und -eigentümer beziehungsweise der Grundstücksfläche, dann ist dies nicht möglich. Sollte dieser Anteil nicht erreicht sein, kann das BID auf den Weg gebracht werden. Auch hier gilt: Es ist begrenzt auf maximal fünf Jahre, kann aber auf Wunsch verlängert werden.
Wir sind insofern zuversichtlich, dass es im Schleswig-Holsteinischen Landtag eine Mehrheit, vielleicht sogar eine schnelle Mehrheit für unseren BIDGesetzentwurf geben wird. Zwar hat sich Ministerpräsident Carstensen vor zwei Wochen in einem Interview mit dem „Pinneberger Tageblatt“ noch etwas diffus geäußert, aber im Koalitionsvertrag von CDU
und SPD ist zum BID eine klare positive Aussage festgeschrieben. Das können wir Grünen nur begrüßen und wir machen jetzt den ersten Schritt.
Die Industrie- und Handelskammern haben in einem Antwortschreiben auf unseren Gesetzentwurf zu Recht darauf hingewiesen, dass sie auch der Auffassung sind, der Hamburger Gesetzentwurf sollte auf Schleswig-Holstein übertragen werden und man sollte nicht erst langwierig und umständlich ein eigenes Gesetz aufbauen. Es drängt in vielen Städten Schleswig-Holsteins und es besteht jetzt die Chance, schnell zu handeln. Unter anderem hat uns auch der Einzelhändler und Vorsitzende des Förderkreises der Kieler Altstadt, Herr Uwe König, ermutigt, diesen Weg weiterzugehen.
Verehrte Damen und Herren, mit dem BIDGesetzentwurf wollen wir den Prozess in SchleswigHolstein beschleunigen und bitten deshalb um zügige Beratung im Wirtschaftsausschuss. Vielleicht wird es dann schon im nächsten Jahr möglich sein, die ersten BIDs auf den Weg zu bringen.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Klaus Müller und erteile nunmehr dem wirtschaftspolitischen Sprecher der Fraktion der CDU, Herrn Abgeordneten Johannes Callsen, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrer Pressemeldung die Überschrift wählt ,,Bitte ein BID", dann kann man dazu nur sagen: CDU und SPD haben schon bestellt.
Um bei dem Vergleich mit dem gleichnamigen, aber anders geschriebenen Bier zu bleiben: Wir möchten allerdings kein schnell gezapftes Bier, sondern ein gutes Sieben-Minuten-Bier, das seinen Geschmack dann voll für Schleswig-Holstein entfalten kann, auch wenn Gastronomen - der zuständige ist im Moment nicht im Raum - behaupten, ein gutes Bier benötige nur zwei bis drei Minuten.
Für die CDU hat die Förderung des Einzelhandels und die Belebung der Innenstädte eine herausragende Bedeutung. Daher haben wir uns im Koalitionsvertrag einvernehmlich darauf verständigt, in Anlehnung an das Hamburger BID-Gesetz auch in SchleswigHolstein die Innenstadt-Marketingbemühungen der
Einzelhandelsunternehmen durch die Einführung so genannter Business Improvement Districts zu fördern. Denn seit 1994 ist der Umsatz in den deutschen Innenstädten um jährlich 1,5 Milliarden € gesunken, die Besucherfrequenz ist um 25 % zurückgegangen, und die Aufenthaltsdauer ist auf unter eine Stunde gesunken. - So die IHK-Vereinigung Schleswig-Holstein und der Einzelhandelsverband in einer Studie. Hier besteht also Handlungsbedarf.
BIDs können neue Impulse für die Attraktivität und die Erlebnisorientierung des innerstädtischen Einzelhandels bringen. Das Besondere daran ist, dass die örtlichen Grundstückseigentümer und Einzelhändler, die im Rahmen des zeitlich begrenzten BIDs umzusetzenden Maßnahmen einvernehmlich festlegen und realisieren - auf freiwilliger Basis. Die Initiative muss also vor Ort entstehen. Der Staat gibt hierfür lediglich den rechtlichen Rahmen vor. Die Umsetzung geschieht in eigener Verantwortung vor Ort. Um Missverständnissen vorzubeugen: BIDs sind kein Ersatz für städtebauliche Sanierungsmaßnahmen. Sie ersetzen auch keine kommunalen Aufgaben, sondern sollen zusätzliche Projekte zur Belebung der Innenstädte ermöglichen und die Wettbewerbsfähigkeit der Standorte erhöhen.
Auch der Einzelhandel in Schleswig-Holstein hat die Chancen entdeckt, die in einem BID stecken. An zahlreichen Orten - einige wurden schon aufgezählt -, etwa in Elmshorn, Kiel, Itzehoe und auch Schleswig, gibt es bereits großes Interesse am BID-Gedanken. Hier werden auch konkrete Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung diskutiert.
Ich freue mich daher, dass auch die Grünen diesen Gedanken aufgegriffen und so erfolgreich aus dem Koalitionsvertrag von CDU und SPD abgeschrieben haben. Ich kann Sie nur ermuntern: Machen Sie weiter so. Wir freuen uns, denn wir brauchen mehr Wirtschaftsfreundlichkeit auch an anderer Stelle - für Wachstum und Arbeitsplätze.
Allerdings greift das Abschreiben des Hamburger BID-Gesetzes und das bloße Austauschen der Worte „Hamburg“ und „Schleswig-Holstein“ in diesem Fall etwas zu kurz, da die Strukturen in einem Stadtstaat wie Hamburg doch ein wenig anders sind als in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein. Deshalb muss ein BID-Gesetz sorgsam vorbereitet werden und sollte mit allen Beteiligten, den Verbänden, den Kammern und dem Einzelhandel, intensiv diskutiert werden. Denn neben formal gesetzlichen Unterschieden zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein sollten wir auch darüber nachdenken, beispielsweise Aspekte des Tourismus in das BID-Gesetz mit aufzunehmen.
Bevor wir Schnellschüsse verabschieden, werden wir federführend im Wirtschaftsausschuss und mitberatend im Innen- und Rechtsausschuss nicht nur über den Gesetzentwurf der Grünen, sondern auch über die spezifische Situation in Schleswig-Holstein und daraus folgende Konsequenzen für unser Land miteinander reden.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD zitieren:
„Zur Förderung des Einzelhandels und Belebung der Innenstädte wollen wir in Anlehnung an das hamburgische BID-Gesetz auch in Schleswig-Holstein die InnenstadtMarketingbemühungen der Einzelhandelsunternehmen fördern.“
Worum geht es: Die Innenstädte der Gemeinden geraten bundesweit zunehmend durch die Konkurrenz zu den Ansiedlungen von großflächigem Einzelhandel auf der grünen Wiese unter Druck. In den Innenstädten sind negative Auswirkungen deutlich zu beobachten: Leerstände, Filialisierung, Erreichbarkeits- und Imageprobleme. In den letzten Jahrzehnten haben sich zahlreiche Stadtmarketingvereinigungen gegründet, die genau diesen negativen Entwicklungen für die Innenstadt entgegentreten wollen. Viele positive Effekte konnten durch diese Organisationen erreicht werden. Jedoch war oft eine ausreichende Finanzkraft oder Kontinuität nicht vorhanden, um umfangreiche Maßnahmen durchzuführen. Über BIDs sollen die urbanen Einzelhandelsstrukturen nun effektiver gestärkt werden. Aufgrund einer aus dem betroffenen Quartier ausgehenden Initiative sollen durch Private Maßnahmen vorgeschlagen und finanziert werden. Neu ist, dass an der Finanzierung der Maßnahmen alle Begünstigten beteiligt werden sollen.
Ich freue mich, dass zumindest in diesem Punkten auch die Grünen ihre Wirtschaftsfreundlichkeit durch die Einbringung eines eigenen Gesetzentwurfes deutlich machen. Man kann es sich jedoch nicht so einfach machen, wie Sie sich das vorstellen - das wurde eben schon gesagt -, indem man das hamburgische Gesetz zu großen Teilen abschreibt und hier als eigenen Gesetzentwurf einbringt. Das Gesetz lässt sich überhaupt nicht eins zu eins auf das Flächenland
Schleswig-Holstein übertragen. Neben der sich völlig unterscheidenden Kommunalstruktur gilt es auch, die gegebenen rechtlichen Risiken deutlich zu begrenzen. Aufgabe des Landesgesetzgebers ist es daher, interessierten Kommunen einen rechtlich einwandfreien und verlässlichen Rahmen zu geben, damit diese darauf aufbauend ihre Satzungen erlassen können.
Angesichts des Problems der Trittbrettfahrer, zu denen vermutlich gerade namhafte und große Einzelhandelsketten gehören, ist mit Klagen gegen die Erhebung einer „Zwangsabgabe” zu rechnen. Nach meiner Kenntnis gibt es am Neuen Wall in Hamburg als bundesweit erstem BID-Distrikt zum Beispiel keine Filiale von Lidl oder Schlecker.
Eine Ende Juni gegründete interministerielle Arbeitsgruppe - dazu wird der Minister sicherlich noch etwas sagen - hat bereits die rechtlichen und fachlichen Fragenstellungen eines schleswig-holsteinischen BID-Gesetzes geprüft und eine erste Vorerörterung mit den beteiligten Verbänden und Interessensvertretungen durchgeführt. Die ersten Gespräche ergaben - so wie ich informiert bin - eine große und breite Zustimmung für ein solches Gesetz. Aber es gibt auch eine Reihe von Änderungswünschen. So gibt es zum Beispiel den Wunsch nach deutlich höheren Zustimmungsquoren und deutlich geringere Quoren für ein Veto, um die demokratische Legitimation einer solchen Satzung zu verdeutlichen.
Der Gesetzesentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kommt also parallel zu dem von der Regierung erarbeiteten Gesetzentwurf, lehnt sich aber noch sehr stark an das Hamburger Gesetz an und stößt eben doch auf einige rechtliche Bedenken.
Meine Damen und Herren, wir sollten in der jetzigen Situation hier keine Schnellschüsse durchführen, sondern den begonnenen Prozess fortführen, die rechtlichen Problemfelder abarbeiten und den Gesetzentwurf in engem Dialog mit den Betroffenen auf den Punkt bringen. Wir sind in diesem Verfahren schon so weit gediehen: Wenn wir alle uns dieser Aufgabe stellen, dann schaffen wir es, im Frühjahr nächsten Jahres ein fundiertes Gesetz zum Abschluss und zur Anwendung zu bringen.
Ich beantrage daher, den Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an den zuständigen Wirtschaftsausschuss zu überweisen, mitberatend an den Innen- und Rechtsausschuss. - Vielen Dank für die teilweise Aufmerksamkeit.
Ich danke dem Kollegen Schröder. - Ich erteile für die Fraktion der Freien Demokraten Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Grünen möchten, dass unsere Innenstädte attraktiver werden. Hierzu sollen Innovationsbereiche abgegrenzt und gestaltet werden können, finanziert durch Zwangsabgaben der Grundstückseigentümer. So sollen Trittbrettfahrer vermieden werden. Die Innovationsbereiche sollen von privaten Aufgabenträgern gestaltet werden: Für grundstücksgenau abgegrenzte Bereiche wird ein Entwicklungskonzept inklusive Finanzplan erstellt. Wenn zwei Drittel der betroffenen Grundstückseigentümer dem Konzept nicht widersprechen, kann die zuständige Gemeindevertretung eine Satzung erlassen, auf deren Grundlage die Abgabe von den betroffenen Eigentümern eingezogen und an den Aufgabenträger weitergeleitet wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, wir halten den Entwurf für eine brauchbare Grundlage weiterer Beratungen und wir halten ihn auf jeden Fall für sehr viel brauchbarer als wolkige Absichtserklärungen in angeblich großen Koalitionsverträgen.
Wir halten den Zweck für verfolgenswert: Innenstädte attraktiver zu gestalten ist sinnvoll und sollte die Aufgabe der Menschen und Unternehmen in diesen Städten sein. Wir halten das Ziel für sinnvoll: Die Betroffenen sollen ein Instrument erhalten, mit dem sie für die Entwicklung ihres Stadtteils eine kritische Masse Betroffener zusammenbekommen können, um so das größte Problem des kollektiven Handelns zu überwinden, nämlich das Trittbrettfahren. Wir sehen beim Verfahren aber zwei große, grundsätzliche Probleme, nämlich bei der direkten Finanzierung und bei der Einschränkung der indirekten Finanzierung.