Protokoll der Sitzung vom 03.04.2009

Unabhängig von solchen Fehlern, die es gegeben hat - die will ich auch überhaupt nicht bestreiten -, kann ich nur sagen: Wer da ohne Fehler ist, werfe den ersten Stein.

Fatal wäre es allerdings, aus diesen Entwicklungen nichts zu lernen. Vielleicht gehen wir in dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss auch der Frage nach, inwieweit es überhaupt sinnvoll sein kann, dass öffentliche Unternehmen, die deswegen öffentlich sind, weil sie unter anderem einen gemeinwohlorientierten Auftrag haben - ich rechne die Stützung der regionalen Wirtschaft durchaus dazu -, privatwirtschaftliche Strukturen haben sollten oder sich am Markt behaupten müssen. Hier ließen sich andere Unternehmensberater-Vokabulare beliebig verwenden. Ich habe schon oft mit Vertretern von Rating-Agenturen und solchen Leuten gesprochen, die mir immer erzählt haben, was der Staat alles nicht tun soll. Ich habe nie gehört, wir sollten mehr kontrollieren. Ich habe immer nur das Gegenteil gehört. Deswegen finde ich es manchmal

(Dr. Ralf Stegner)

ein bisschen merkwürdig, wenn wir über solchen Sachverstand reden.

Herr Oppositionsführer, wir haben uns einmal die Freude gemacht, zusammenstellen zu lassen, was Sie zu diesem Thema in den letzten zehn Jahren alles gesagt haben. Quantitativ war das eine Menge. Da lassen sich irgendwie gar keine Hinweise finden, dass Sie mehr Finanzkontrolle gefordert hätten, so gar nicht - nicht einmal in Spurenelementen -, sondern in der Regel immer das Gegenteil: Weniger Staat, lasst die in Ruhe, der Markt macht das besser!

Eingeleitet worden ist das alles mit Entscheidungen aus Brüssel. Die HSH Nordbank und ihr Geschäftsgebaren sind eben Ausfluss des Wegfalls der Gewährträgerhaftung, bei dem der Vorteil günstiger Kreditzinsen für die HSH weggefallen ist, die Erwartungen an die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben aber geblieben sind. Dementsprechend logisch erscheint es mir zu versuchen, die mangelnden Erträge auf der einen Seite durch höhere Renditen mit anderen Geschäften ausgleichen zu wollen. Ich bitte die FDP ausdrücklich, in diesem Zusammenhang noch einmal darüber nachzudenken, ob es wirklich richtig ist, wenn sie weiterhin fordert, Sparkassen in Aktiengesellschaften umzuwandeln.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist keine Rechtsformfrage!)

Man könnte noch einmal darüber nachdenken, wenn man über solche Dinge redet. Die Sozialdemokraten halten das für falsch, will ich noch einmal ausdrücklich sagen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich appelliere an alle, dass sich in dem kommenden parlamentarischen Untersuchungsausschuss Erkenntnisgewinn, Aufwand und potentieller Schaden für die Bank in einem vernünftigen Verhältnis bewegen, und sage noch einmal unsere konstruktive Mitwirkung zu.

All dieses entbindet uns nicht von der Notwendigkeit der heutigen Entscheidung. Die richtigen Lehren aus der Krise haben wir bereits in den vorherigen Resolutionen deutlich gemacht. In der Resolution, die wir heute beschließen, werden wir noch einmal konkret bei dem, was es heißt, die schleswigholsteinischen Interessen nachdrücklich zu vertreten. Unsere Berater haben uns deutlich gesagt, dass es Interessenkonflikte geben kann zwischen dem, was die Bank richtig findet, und dem, was die Ei

gentümer richtig finden sollten. Deshalb haben wir konkrete Anforderungen festgeschrieben, die wir an den Garantievertrag stellen.

Unsere Unterstützung für die Bank knüpfen wir an Bedingungen. Auch das ist etwas, was wir bereits gelernt haben. Wir wollen, dass die Interessen Schleswig-Holsteins als Geld- und Garantiegeber nicht nebenbei, sondern im Vorweg deutlich festgelegt und vertraglich abgesichert gewahrt werden. Auch dazu haben wir uns im Übrigen wieder Gutachtern bedient. Skepsis hin, Skepsis her, es geht nicht ohne sie. Da gilt es, für diese Branche auch gesetzlich die richtigen Anreize zu setzen und Interessenskonflikte auszuschließen beziehungsweise zu vermeiden.

Lassen Sie mich noch einmal auf die Perspektiven insgesamt zurückkommen. Ich fürchte, wir haben in der Krise das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Deswegen ist uns die Risikoabsicherung via Bund auch so wichtig. Ich glaube aber, dass es heute kein Zurück gibt. Wir müssen das, was die Kontrolle angeht, lernen. Wir müssen aber auch das lernen, was das Zusammenspiel von Privaten und Öffentlichen angeht, und dass die Strukturen dies auch ausdrücken müssen.

Das Leben ist konkret, es erlaubt eben nicht, darüber nachzudenken, was man gern möchte oder nicht. Manchmal muss man entscheiden. Die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Landtagsfraktion sind dazu bereit. Wir haben sehr intensiv darüber beraten. Wir haben uns damit überhaupt nicht leichtgetan. Ich will auch nicht verhehlen, dass es in der Auseinandersetzung zwischen den Finanzpolitikern und den Nichtfinanzpolitikern einer Fraktion alle mächtig in Anspruch nimmt, darüber nachzudenken, ob das richtig ist, ob wir den richtigen Kurs haben. Es waren Tonnen von Papieren zur Kenntnis zu nehmen und aufzunehmen. Das war kompliziert.

Ich will all denjenigen ausdrücklich Respekt zollen, die das in einem quantitativ ungeheuer großen Ausmaß getan haben. Ich will aber auch all den anderen Respekt sagen, die mit gutem Gewissen Dingen zustimmen müssen, sich aber viel weniger damit haben beschäftigen können. Sie machen es sich überhaupt nicht leicht. Wir wissen, dass das, was wir heute entscheiden, Spielräume einschränken wird. Ich füge trotzdem hinzu: Wir werden nicht den Eindruck erwecken, dass wir zur Rettung von Banken mit allen Folgen Milliarden an Garantien geben und dass das zulasten derjenigen gehen soll, die das nicht verursacht haben.

(Dr. Ralf Stegner)

Am Ende dieser Rede bleibt mir zu sagen: Wir wollen, dass die Landesregierung dem Landtag spätestens bis zum 1. Oktober 2009 - gegebenenfalls mit potentiellen Partnern - ein entwickeltes Konzept über die Rolle der HSH in einer künftigen Landesbankenstruktur in Deutschland vorlegt. Das wäre dann unser Beitrag zu dem dringend notwendigen neuen internationalen Finanzsystem. Der Philosoph Lichtenberg sagt: „Die Klugheit eines Menschen lässt sich aus der Sorgfalt ermessen, womit er das Künftige oder das Ende bedenkt.“

In diesem Geiste sollten wir als Parlament heute handeln. Wir wollen das Notwendige tun und gleichzeitig das Maß an Vorsorge treffen, das uns möglich ist. Die SPD-Fraktion stellt sich dieser Verantwortung.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Stegner. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sollen heute über die größte finanzielle Transaktion entscheiden, über die dieses Parlament je entschieden hat. Für meine Fraktion sind dabei folgende Fragen entscheidend. Erstens. Gab es eine Alternative dazu, dass die Kreditlast und die Garantien allein von Hamburg und Schleswig-Holstein getragen werden?

Zweitens. Entspricht das vorliegende Gesetz mit dem vorliegenden Geschäftsmodell und dem vorliegenden Staatsvertrag den Interessen des Landes?

Drittens. Müssen wir heute entscheiden, oder haben wir noch eine andere Option?

Viertens. Trauen wir den handelnden Personen zu, den nötigen Reformprozess der Bank im Interesse des Landes zu steuern?

Ich komme zur ersten Frage. Gab es eine Alternative? - Ja, es spricht alles dafür, dass es eine Alternative gab. Ex-Minister Marnette hat ausdrücklich bestätigt, dass er in Kenntnis davon sei, dass der SoFFin für die Rekapitalisierung der Bank früher hätte ins Boot geholt werden können, wenn man die

erforderlichen Maßnahmen dafür rechtzeitig getroffen hätte. Dass es eine Alternative gab, dafür spricht auch die Aussage von Ralf Stegner, der immerhin der Fraktionsvorsitzende einer Regierungspartei ist. Er sagte am 30. März nach einem Gespräch mit dem Bundesfinanzminister:

„Der Bundesfinanzminister habe ihn autorisiert mitzuteilen, dass es Angebote an den Ministerpräsidenten gegeben habe zu helfen. Aber offensichtlich habe man die damit verbundene Aufsicht durch das SPD-geführte Finanzministerium in Berlin nicht gewollt.“

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das kann ich ver- stehen!)

Genau dieser Minister Steinbrück schrieb uns gestern in einem Brief an den Finanzausschuss, aus dem ich Ihnen die entscheidende Passage vorlese, denn unser Finanzminister, Herr Wiegard, behauptete doch gestern tatsächlich, diese Tatsache sei sibyllinisch und missverständlich. Dort steht:

„Die Landesregierung hatte vor diesem Hintergrund prinzipiell zwei Möglichkeiten: Erstens…eine Rekapitalisierung über den SoFFin…Die Landesregierung hat sich seinerzeit gegen diesen Weg entschieden.“

(Zurufe von der CDU)

„Stattdessen hat sich die Landesregierung für die zweite Möglichkeit einer Unterstützung über Garantien…entschieden.“

(Zuruf von der CDU: Unvollständig!)

Das ist das Ende des Zitats. Für jeden, der Deutsch kann, sind diese Worte glasklar.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Jeder, der das Vergnügen hatte, mit dem Bundesfinanzminister zusammenzuarbeiten, der weiß, dass er keineswegs ein Freund von sibyllinischen Formulierungen ist, was immer man ihm sonst auch vorwerfen kann. Im Gegenteil! Sie, Herr Wiegard, versuchen seit Monaten, uns mit sibyllinischen Äußerungen an der Nase herumzuführen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wenn Ihnen aber eine Aussage von Herrn Steinbrück nicht reicht, dann lese ich Ihnen jetzt noch vor, was Ihnen Ihre eigenen Leute aus dem Ministerium in Antwort auf eine Frage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN am 30. März aufgeschrieben haben. In dieser Frage wollten wir wissen, wieso der

(Dr. Ralf Stegner)

Minister die EU nicht schon im Dezember gefragt hatte, ob eine Dividendenzahlung erlaubt sei, wenn ein Konzern Staatshilfen bekomme. Damals hatte die Bank nämlich die ersten Dividenden über 64 Millionen € angekündigt. Siehe da, Herr Minister, Ihr Ministerium antwortete:

„Die Entscheidung, die Kernkapitalerhöhung und Risikoabschirmung nicht über den SoFFin unter dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz, sondern durch die Anteilseigner Hamburg und Schleswig-Holstein vorzunehmen, ist erst 2009 gefallen.“

Herr Finanzminister, ich halte fest: Erstens. Es gab eine Entscheidung, was Sie immer bestritten haben. Es war kein Diktat des SoFFin, wie Sie immer behauptet haben. Zweitens. Die Entscheidung fiel erst im Februar. Herr Minister, Ihre Märchenstunden für dieses Parlament sind am Ende, es reicht uns.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Ihr Ministerpräsident hat personelle Konsequenzen angedroht. Ich kann Ihnen nur empfehlen, dem zuvorzukommen.

Kommen wir zur zweiten Frage: Ist das vorliegende Geschäftsmodell die beste Alternative für das Land, oder gibt es eine Alternative? - Herr Minister, Sie sagen, die Bank habe das für sie beste Modell ausgewählt. Die Berater des Landes und der SoFFin haben geprüft, ob das Modell plausibel ist. Sie sagen, es sei also gut für das Land.

Genau das ist aber ein Trugschluss. Wenn es Garantien für alte Portfolien des Landes gibt, dann liegt es geradezu im höchsten Interesse der HSH, dass diese Garantien auch gezogen werden. Umso eher ist die Bank nämlich entlastet, umso besser steht sie hinterher da. Das Land ist dann aber angeschmiert, weil es das Geld der Steuerzahler los ist. Genau das haben im Übrigen die Gutachter der beiden Regierungsfraktionen von Sal. Oppenheim aufgeschrieben:

„Grundsätzlich werden sich in verschiedenen Konstellationen Interessenkonflikte zwischen der HSH Nordbank AG und den Garanten ergeben. … Sollte ein Kredit über die Garantie abgesichert sein, könnte es aus Sicht der Bank unter Umständen ökonomisch sinnvoller sein, die Garantie in Anspruch zu nehmen, während der Garant den späteren erhöhten Erlös wählen würde.“

Dann kommt der Hammer:

„Zu bedenken ist an dieser Stelle, dass der Vorstand der HSH Nordbank AG nach Abschluss der Garantie rechtlich verpflichtet ist, diese Rechtsposition aus der Garantie im Sinne der HSH Nordbank zu nutzen.“

Das heißt, solange nicht klar ist, was die Abbaubank und was die Kernbank ist, was eigentlich genau abgesichert werden soll, was nach Ihrer Aussage noch 12 Monate lang dauert, Herr Minister, solange läuft das Land Gefahr, Milliarden € in die Bank zu pumpen und hinterher wie der Dumme dazustehen, wenn Sie das nicht gesetzlich regeln.