Ich danke dem Herrn Minister für seinen Bericht. Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Manfred Ritzek das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Minister Döring, man kann Sie jederzeit rufen - ich glaube, sogar nachts -, um hier im Hohen Haus über die Europapolitik unseres Landes zu berichten. Aus dem Stegreif bringen Sie faszinierende Tatsachen und Ausblicke unserer Europapolitik. Darauf können wir stolz sein, und dafür danke ich Ihnen, auch im Namen unserer Fraktion.
Ich möchte mich gleich zu Beginn herzlich bedanken für den sehr umfassenden, detaillierten Bericht, den wir hier gar nicht in allen Einzelheiten behandeln können. Deshalb möchte ich meine Ausführungen mehr in den Zusammenhang der Europawahl stellen, die am 7. Juni, also in gerade einmal vier Wochen, stattfindet. Vielleicht können wir mit diesem Beitrag viele Bürgerinnen und Bürger unseres Landes überzeugen - dass man uns alle hier nicht überzeugen muss, daran habe ich keinen Zweifel -, zur Wahl zu gehen, um ein sehr gutes Ergebnis bei der Wahlbeteiligung zu erzielen. Ein solches Ergebnis wäre auch eine Dokumentation der guten Arbeit unserer Europapolitiker: unseres Rai
Meine sehr verehrten Damen und Herren, am 17. März präsentierte das Europäische Parlament seine Kampagne zur Europawahl unter dem Motto:„Deine Entscheidung“. Dieses Motto soll deutlich machen, dass die Wählerinnen und Wähler durch ihre Stimmabgabe bei der Europawahl unmittelbar Einfluss auf die Entscheidungen und die politische Richtung der Europäischen Union nehmen können. Deshalb begrüße ich es sehr, dass der Bericht gerade zu diesem Zeitpunkt, unmittelbar vor der Europawahl, erfolgt ist. Er gibt uns, wie ich bereits erwähnte, die Chance, dass die europapolitischen Aktivitäten der Landesregierung für Schleswig-Holstein - ich sage hier ganz bewusst: auch die der Parlamentarier, die in verschiedenen Gremien auch international vertreten sind - eine hoffentlich größere Außenwirkung für die Menschen entfalten, um die Wählerinnen und Wähler zu überzeugen, am 7. Juni zur Wahl zu gehen und die Stimme abzugeben.
Wir brauchen in Schleswig-Holstein eine höhere Wahlbeteiligung als vor fünf Jahren; damals waren es 36,4 %. In Deutschland insgesamt lag sie immerhin bei 43 %, in ganz Europa der - damals - 25 Staaten bei 45,6 %.
Es gibt so viele faszinierende Zahlen zu Europa; ich will nur drei erwähnen. Jeder hat andere Themeninhalte, die ihn sehr interessieren. Vor 30 Jahren, 1979, wurde das Europaparlament erstmals frei gewählt. Der erste schleswig-holsteinische Europaabgeordnete war unser damaliger Ministerpräsident Kai Uwe von Hassel.
Am 2. Mai 2004, wenige Tage vor der vergangenen Europawahl, waren die Parlamentspräsidenten aus zehn Beitrittsländern - darunter acht, die jahrzehntelang kommunistisch unterdrückt waren - nach Straßburg gekommen und übergaben dort die Flaggen ihrer Staaten, die dann vor dem Parlamentsgebäude gehisst wurden. Diese zehn neuen Länder haben uns sehr geholfen.
Mit der Neuaufnahme von Rumänien und Bulgarien sind wir jetzt 27 Mitgliedsländer. Alle diese Länder haben sich auf den Weg gemacht, die „Idee Europa“ zu einem „Prozess Europa“ fortzuentwickeln - mit uns in Schleswig-Holstein.
Diesen „Prozess Europa“ werteorientiert, friedlich, erfolgreich, sozial und zukunftsweisend für alle Menschen zu gestalten - auch das erfordert die Stimmabgabe möglichst vieler Bürgerinnen und Bürger. Gerade heute haben wir erleben können,
dass unser Ministerpräsident Gäste aus Dänemark empfangen hat. Das ist ein hervorragendes Beispiel für die Europäischen Union, wie es besser nicht sein kann - friedlich, freundschaftlich, mit vielen Aktivitäten, die unsere beiden Länder verbinden. So soll es auch mit allen anderen Ländern sein, auch mit der Oblast Kaliningrad, mit der wir auch einen Vertrag haben.
„Die Europäische Union steht 2009 vor einer Vielzahl von Herausforderungen“ - so heißt es im Europabericht. Dazu gehört die Realisierung der vor etwa zehn Jahren definierten Lissabon-Strategie, die Europäische Union bis zum Jahre 2010 zur wettbewerbsfähigsten, dynamischsten und wissensorientierten Region zu entwickeln. Durch die Finanzkrise verzögert sich dieser Prozess sicherlich etwas, aber er ist keineswegs aufgehoben. Schleswig-Holstein mit seinen beschriebenen Aktivitäten beteiligt sich entscheidend an der Umsetzung der LissabonStrategie. Einige seien erwähnt: das „Zukunftsprogramm Wirtschaft“, konzipiert für den Zeitraum 2007 bis 2013, als bisher größtes wirtschaftspolitisches Förderprogramm in Schleswig-Holstein; das „Zukunftsprogramm Arbeit“ mit dem Ziel, Beschäftigung zu fördern und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen; das „Zukunftsprogramm AktivRegion“ im Zusammenhang mit dem „Zukunftsprogramm Ländlicher Raum“ mit dem Ziel, die ländlichen Räume zu entwickeln; 21 Großregionen gehören zu dem Aktivprogramm; das Schwerpunktprogramm, Wissen und Innovation zu stärken mit dem Ziel, die Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Wissenstransfer von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in die Unternehmen zu verbessern. Erwähnt seien auch das „Zukunftsprogramm Fischerei“ und auch das Programm „Ostseeund Nordseezusammenarbeit“. Letzteres kann noch verbessert werden. Aber wir werden am Freitag auch über dieses Thema noch einmal sprechen.
Wichtig ist auch die Nutzung der EU-Programme INTERREG zur transnationalen Zusammenarbeit im Nord- und Ostseeraum.
Von hoher Bedeutung ist das Legislativprojekt „Energie und Klima“, zu dem sich die Landesregierung bekennt. In dem Bericht wird eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen beschrieben. Dazu gehört natürlich das klare Bekenntnis zur Positionierung Schleswig-Holsteins als Modellregion für erneuerbare Energien mit dem Schwerpunkt Windenergie.
Ein kleiner Absatz ist interessant und soll erwähnt werden. Er darf nicht Vision sein, sondern soll auch realisiert werden. Bis zum Jahr 2030 soll in Schleswig-Holstein der Waldanteil von heute 10,3 % auf
dann 12 % erhöht werden. Das bedeutet 26.000 zusätzliche Hektar Waldfläche, die 8 Millionen t CO2Emissionen zusätzlich binden.
Jeder, der im Land wohnt, muss wissen, dass eine zukunftsorientierte, erfolgreiche Energie- und Klimaschutzpolitik - beide Politiken sind nicht mehr zu trennen - für jeden da ist, dass diese Politik aber nur gemeinsam mit allen EU-Ländern, mit allen Menschen umgesetzt werden kann.
Für alle Länder gilt, dass wir uns von fossilen Brennstoffen unabhängiger machen müssen. Die EU selbst muss eine Vorreiterrolle bei der Reduzierung der CO2-Emissionen einnehmen. Das geht bis hin zu der Verpflichtung, den CO2-Ausstoß - bezogen auf das Jahr 1990 - bis zum Jahr 2020 um bis zu 30 % und bis zum Jahr 2050 um 80 % zu reduzieren. Das sind die Forderungen der EVP, vorgestellt in der vergangenen Woche auf der Wahlauftaktkonferenz in Warschau.
Meine Damen und Herren, unsere Universitäten haben höchste Kompetenz in der Entwicklung von kohlestoffarmen und kohlestofffreien Technologien. Das Landesziel, den Anteil regenerativer Energien am Energiemix entscheidend zu erhöhen, braucht diese wissenschaftliche Kompetenz.
Unser Land hat Strategiemöglichkeiten, entscheidend zur Verwirklichung des Klimaschutzes beizutragen, sowohl im energetischen Bereich wie auch beim Schutz der Meere - so der Bericht.
Der Maritime Aktionsplan unseres Landes mit einer Vielzahl von Maßnahmen und bedeutenden Mitgliedschaften, insbesondere im Ostseeraum, ist beispielhaft. Das anerkannte maritime Profil von Schleswig-Holstein - auch ein Verdienst unseres Europaministers Uwe Döring - wird noch verstärkt durch das international höchst anerkannte und weltweit agierende Forschungsinstitut IFM-GEOMAR unter der Leitung von Professor Dr. Herzig.
Spitzenpositionen lassen wir uns nicht nehmen. Aber sie müssen auch immer wieder neu erarbeitet werden. Auch dafür sind Wählerstimmen nötig; denn sie stärken politisch und wirtschaftlich unsere Position in Schleswig-Holstein.
Unser Land wird die Schwedische EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr bei der Energiepolitik, dem Klimaschutz, der Entwicklung der Ostseeregion und der strategischen Konzeption „Horizont 2020-2030“ intensiv unterstützen. Das ist eine Herausforderung für alle Menschen.
wichtig auch die gemeinsamen Aktivitäten bei der Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise sind. Wirtschaftliches Handeln nach den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft ist erforderlich. Die Hauptursache der aktuellen Probleme, mit denen auch unser Land derzeit konfrontiert ist, ist der Verlust von Regeln und ethischen Normen im wirtschaftlichen Handeln. Wir benötigen eine bessere, vernünftige Regulierung und Kontrolle des internationalen Finanz- und Wirtschaftssystems.
Meine Damen und Herren, unser Land gestaltet den europäischen Prozess mit Engagement, Wissen und Verantwortung in unserem Land, mit den Nachbarländern und mit der Oblast Kaliningrad. Das beweist der Europabericht der Landesregierung. Europa ist umfassend wertvoll für alle. Deshalb gehe ich zur Wahl - ich hoffe, Sie alle auch und möglichst viele Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.
Ich danke Herrn Abgeordneten Manfred Ritzek. Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Hans Müller das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesem Jahr feiern wir in Europa zwei Jubiläen, die für den europäischen Integrations- und Friedensprozess von herausragender Bedeutung sind.
Erstens haben die friedlichen Revolutionen im Osten Deutschlands und in den mittel- und osteuropäischen Staaten dazu geführt, dass die Berliner Mauer und der Eiserne Vorhang gefallen sind.
Zweitens jährt sich die EU-Osterweiterung in diesen Tagen zum fünften Mal. Mit ihr ist ein Großteil der mittel- und osteuropäischen Staaten in die europäischen Institutionen und Entscheidungsprozesse integriert worden.
Diese beiden Ereignisse können gar nicht hoch genug bewertet werden, dies umso mehr, als das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die europäische Politik gleichzeitig zu schwinden scheint.
In knapp fünf Wochen wählen wir das Europäische Parlament neu. Das ist fraglos eine wichtige Wahl. Dies müssen wir auf allen unseren Veranstaltungen mehr als deutlich machen. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die europäische Politik muss immer wieder neu gewonnen und auch gestärkt werden, die europäischen Werte müssen stärker in den Köpfen, aber auch in den Herzen verankert und es muss eine größere Transparenz europäischer Entscheidungen herbeigeführt werden.
Im letzten Jahr haben wir es an dieser Stelle begrüßt, dass der Deutsche Bundestag dem EU-Reformvertrag zugestimmt hat. Wir sind auf dem Weg zur Reform der EU-Institutionen einen großen Schritt vorangekommen. 23 von 27 Mitgliedstaaten haben das Ratifizierungsverfahren bereits abgeschlossen. Mittlerweile könnte man vielleicht sogar von 24 Mitgliedstaaten sprechen. Man muss abwarten, wie sich Herr Claus verhält. - In drei Staaten harrt dieser Prozess also noch der Ratifizierung. Einer davon ist Deutschland. Wir werden in Kürze erfahren, wie sich das Bundesverfassungsgericht zum Vertrag äußern wird.
In diesem Hohen Haus haben wir uns mehrfach deutlich für den Vertrag ausgesprochen, denn er stärkt nicht nur die Rechte des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente, sondern mit dem europäischen Bürgerbegehren auch ein bürgernahes Europa und mit der Grundrechte-Charta das soziale Europa. Mit diesem Vertrag kann die EU handlungsfähiger, transparenter und auch sozialer gestaltet werden. Das ist ein dynamischer Prozess.
Für die EU und für die europäischen Werte muss auf den verschiedensten Ebenen immer wieder neu geworben werden. Dazu tragen auch der jährliche Europabericht der Landesregierung sowie die heutige Plenardebatte bei. Vielen Dank, Herr Minister Döring, an Sie aber auch an Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Schleswig-Holstein legt übrigens jährlich einen Bericht vor. Eine ganze Reihe von Bundesländern verfasst zweijährliche Berichte. Dies macht deutlich, wie hoch der Stellenwert Europas in diesem Land bewertet wird. Das ist nicht zuletzt auch Ihr Verdienst, Herr Döring.
Der vorliegende Bericht gibt nicht nur einen guten Überblick über die aktuellen europäischen Entwicklungen und Initiativen, sondern stellt diese auch in den regionalen Zusammenhang und zeigt Perspektiven auf. Aus den Schwerpunkten des Berichts möchte ich vier kurz aufgreifen.
Zunächst ist dies die integrierte Meerespolitik. Der Bericht zeigt eindrücklich - der Minister hat es wieder bewiesen -, dass Schleswig-Holstein, vertreten durch die Landesregierung, auch weiterhin eine Vorreiterrolle in der europäischen integrierten Meerespolitik einnimmt. In diesem Zusammenhang ist nicht nur positiv zu erwähnen, dass Schleswig-Holstein als erste europäische Region einen regionalen maritimen Aktionsplan vorgelegt hat, sondern es ist auch darauf hinzuweisen, dass Schleswig-Holstein auf europäischer Ebene durch den Vorsitz in der nationalen Expertengruppe Meer und der Arbeitsgemeinschaft Bund/Länder-Meeresprogramm sowie durch die auf Initiative der Landesregierung gegründete Gruppe Baltic Sea Regions weiterhin entscheidenden Einfluss auf die europäische Meerespolitik nehmen wird.
Die Meerespolitik ist auch einer der Schwerpunkte der Ostseezusammenarbeit, womit ich den zweiten für Schleswig-Holstein wichtigen Bereich aus dem Bericht ansprechen möchte. Erklärtes Ziel ist es, die Ostseeregion zur maritimen Modellregion in Europa zu entwickeln.
Im Juni 2009 wird die Kommission einen Entwurf für die Ostseestrategie vorlegen. Diese Ostseestrategie wird einer der Schwerpunkte der schwedischen Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte sein. Die Landesregierung hat zusammen mit der interregionalen Gruppe Baltic Sea Regions ein Positionspapier zur geplanten Ostseestrategie vorgelegt und auch über die Bundesregierung und den Vorsitz in der Arbeitsgruppe Meerespolitik viele schleswig-holsteinische Interessen eingebracht.
In der Ostseeregion wie in der EU insgesamt bleibt auch die Zusammenarbeit mit Russland wichtig. Es gilt, das gegenseitige Vertrauen wieder zu stärken. Mit einem neuen EU-Russland-Abkommen werden die Beziehungen zukünftig auf eine neue und hoffentlich vertrauensvollere Grundlage gestellt.