Protokoll der Sitzung vom 07.05.2009

Die berechtigten Interessen der Beteiligten werden also ausreichend berücksichtigt. Die Probleme sind nach unseren Erkenntnissen auch lösbar. Was wir zusätzlich zu diesem Verfahren nicht brauchen können, sind weitere Warteschleifen. Deshalb wäre es auch nicht hilfreich, wenn der Antrag hier im Haus eine Mehrheit finden würde. Geben Sie den Menschen und der Wirtschaft im ländlichen Raum eine Perspektive zur besseren Breitbandversorgung, und lassen Sie uns das Verfahren nicht weiter verzögern.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, über den Antrag Drucksache 16/2638 (neu) in der Sache abzustimmen. Wer dem Antrag Drucksache 16/ 2638 (neu) zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei Enthaltung der Abgeordneten des SSW abgelehnt.

Ich darf ganz herzlich auf der Tribüne Senioren des Deutschen Roten Kreuzes aus Groß Grönau begrüßen. - Seien Sie uns ganz herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf:

Kein CO2-Endlager in Nordfriesland

Antrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/2647

Wir das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat für die Abgeordneten des SSW Herr Abgeordneter Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 12. März 2009 haben die RWE Dea und die Landesregierung in einer gemeinsamen Pressemitteilung verkündet, dass sie die Möglichkeiten der Einlagerung in Nordfriesland, Ostholstein und der küstennahen Nordsee von klimaschädlichem CO2 aus Kohlekraftwerken erkunden werden. Partner bei diesem Vorhaben sind die Universität Kiel, das IFM-GEOMAR sowie die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Bis Ende 2009 sollen die seismischen Untersuchungen abgeschlossen sein, und im Sommer 2010 wird gegebenenfalls eine Erkundungsbohrung durchgeführt werden. Sollten diese Voruntersuchungen erfolgreich sein, dann sollen die CO2-Abfälle aus Kohlekraftwerken in Nordrhein-Westfalen künftig in flüssiger Form über eine 500-km-Pipeline nach Schleswig-Holstein fließen und hier in den Untergrund gepumpt werden. Soweit die Ausgangslage.

Wir halten dieses Vorhaben aus zweierlei Gründen für falsch. Zum einen stellt sich - wie bei jeder Endlagerung von umweltschädlichen Substanzen - die Frage, ob diese wirklich dauerhaft von Mensch und Natur ferngehalten werden können. Zum anderen ist die CO2-Speicherung auch aus energiepolitischen Gründen ein Holzweg.

CO2 ist grundsätzlich erst einmal eine gefährliche Substanz - wie gefährlich, das lässt sich anhand von vulkanischen Kraterseen in Afrika beobachten. Zuletzt sind 1986 im Kamerun natürliche CO2-Vorkommen aus dem Nyos-See entwichen und töteten innerhalb kürzester Zeit alles Leben bis zu 20 km rund um den Kratersee. Es mag sein, dass in Schleswig-Holstein ein solcher GAU durch das plötzliche Entweichen großer Mengen von giftigem CO2 aus den geplanten Endlagern höchst unwahrscheinlich wäre, trotzdem sprechen wir hier von einer gefährlichen Substanz. Und es stellt sich die berechtigte und entscheidende Frage: Kann das Gas durch die Einlagerung in Salzstöcken dauerhaft von Mensch, Tier und Klima ferngehalten und von anderen Prozessen im Untergrund getrennt werden?

(Minister Dr. Jörn Biel)

Die Diskussion um das unsichere Endlager Asse hat gezeigt, dass sich Salzstöcke nicht immer so verhalten, wie Kraftwerksbetreiber und Geologen es gern hätten.

Wie auch bei anderen Endlagern, geht es beim CO2 um eine Lagerung, die unüberschaubar viele Generationen sicher überdauern soll. Deshalb kann es auch nicht befriedigen, wenn der RWE-Dea-Chef darauf verweist, dass die Natur Erdgas schließlich über Jahrmillionen sicher gelagert habe. Es gibt da eben doch einen Unterschied. Die RWE Dea ist nicht Mutter Natur, und sie wird es auch nie werden.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ein Eingriff durch den Menschen ist etwas anderes, und keiner kann geologische Prozesse so lange vorhersehen.

Diesen Erwägungen muss man den energie- und klimapolitischen Nutzen gegenüberstellen, den diese CCS-Technologie für uns bringt - oder besser: nicht bringt. Denn die CO2-Endlagerung ist eine extrem teure Methode der CO2-Vermeidung. Sie verschlingt zudem selbst erhebliche Energiemengen, weil das CO2 erst einmal abgeschieden, verflüssigt, transportiert und eingelagert werden muss. Dafür muss man dann bis zu 10 % mehr Kohle verbrennen. Es geht hier aber auch nicht zuerst darum, das Klima zu retten. Die RWE Dea verfolgt kurzfristige finanzielle Interessen, und die bestehen darin, die RWE-Kohlekraftwerke möglichst lange am Laufen zu halten und neue zu bauen.

(Konrad Nabel [SPD]: So ist es!)

Das vorrangige Ziel der CO2-Einlagerung ist also die Lebensverlängerung für eine veraltete Energietechnologie.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie ist die Blutwäsche für Kohlekraftwerke, die in Zeiten des Klimawandels eigentlich nicht mehr überlebensfähig sind. Es ist aber eine Milchmädchenrechnung, das Klima über der Erde dadurch verbessern zu wollen, dass man den Klimakiller in den Untergrund pumpt. Das CO2 bleibt in der Umwelt und wird nur unter den Teppich gekehrt.

Die RWE Dea und ihre Unterstützer in der Politik werden natürlich einwenden, dass wir die Kohleverstromung noch für eine Übergangszeit brauchen, bis wir genug regenerative Energie erzeugen können. Das ist auch richtig. Aber durch Milliardenin

vestitionen in CCS wird die Laufzeit der Kohlekraftwerke länger als nötig verlängert, wird der Bau neuer Kohlekraftwerke legitimiert und wird vor allem Geld gebunden, das in den Aufbau der nachhaltigen Energieerzeugung fließen sollte.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

So verhindert die CCS-Technologie sogar den Ausbau der regenerativen Energien.

Alles in allem ist dies ein absurdes System, das sich allenfalls aus Sicht der Kraftwerksbetreiber betriebswirtschaftlich begründen lässt. Vielleicht überzeugt es auch noch einen verarmten Finanzminister, der gierig auf die Konzessionsabgabe ist, die für die CO2-Speicherung fällig wird. Aber einen nachdenkenden Menschen und einen verantwortungsvollen Politiker, der alle Vorteile und Nachteile abwägt, kann dieser Weg nicht überzeugen.

Der SSW fordert die Landesregierung auf, das Projekt einer möglichen Speicherung von Kohlendioxid in Nordfriesland zu stoppen. Es liegt in Ihrer Hand dafür zu sorgen, dass der nordfriesische Untergrund und das Wattenmeer nicht zum Endlager für die Abgase der Kohlekraftwerke von RWE Dea werden. Dieses Projekt wird vom Wissenschaftsministerium und vom Umweltministerium unterstützt und vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie genehmigt. Damit hat die Landesregierung genug in der Hand, das Projekt wieder zu stoppen am besten sofort.

Noch ein letztes Wort: Gestern hat der Bundestag bereits in erster Lesung einen Gesetzentwurf beraten, mit dem die CO2-Lagerung in Deutschland geregelt werden soll. Es hinterlässt schon einen starken Nachgeschmack, dass die Bundesregierung den Energieversorgungsunternehmen bereits den Weg in die Endlagerung ebnet, bevor überhaupt Pilotprojekte stattgefunden haben.

Deshalb fordern wir die Große Koalition auf: Sorgen Sie dafür, dass Ihre Parteikollegen im Bundestag und im Bundesrat nicht noch schnell vor der Bundestagswahl ein Gesetz zur CCS-Speicherung durchdrücken und so eine Vorfestlegung im Sinne der Kraftwerksbetreiber vornehmen! Selbst der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung warnt vor vorschnellen Weichenstellungen und weist darauf hin, dass derzeit noch viele technische, ökologische und finanzielle Fragen im Zusammenhang mit der CCS-Technologie ungeklärt sind. Da wäre es vollkommen falsch, jetzt schon ein Gesetz zur Endlagerung von CO2 aus Kohlekraftwerken zu beschließen. Stimmen Sie un

(Lars Harms)

serem Antrag zu, dann helfen Sie auch dem Nationalpark Wattenmeer!

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU hat Herr Abgeordneter Dr. Axel Bernstein das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade in der letzten Sitzung des Umweltausschusses vor einigen Tagen haben wir zwei Anträge der Oppositionsfraktionen zu dieser Thematik, die sich diametral widersprachen, behandelt. Die Grünen haben einen Antrag gestellt, der die CCS-Technologie generell ablehnte. Die FDP forderte in einem Antrag, diese Technologie in Schleswig-Holstein umfassend voranzutreiben. Den Antrag der Grünen haben wir aus Überzeugung abgelehnt, den der FDP aus Koalitionsraison, und heute formuliert der SSW auch einen Antrag mit genereller Ablehnung ein bisschen ergänzt um die Variante Sankt-Florians-Prinzip: Bitte nicht in Nordfriesland! Wir wissen ja nun, dass Grüne, SPD und auch der SSW in Schleswig-Holstein vorzeitig aus der friedlichen und klimafreundlichen Nutzung der Kernenergie aussteigen und auch auf die Nutzung von Kohle verzichten wollen. Beides freut möglicherweise Altkanzler und Gazprom-Funktionär Schröder. Es ist aber sicherlich wirtschafts-, sozial- und umweltpolitisch ausgemachter Unsinn.

Vor einiger Zeit konnten wir auf großen roten Plakaten lesen: CO2 ist tödlich. Bei einer derart tief greifenden Argumentation hätte man vielleicht darauf hinweisen sollen, dass bei gleicher Anwendung für Wasser dasselbe gilt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: CO2 rettet Leben! Wenn Sie keins haben, gehen die Pflanzen ein!)

Lieber Kollege Lars Harms, der CO2-Gehalt in der Luft liegt normalerweise bei ungefähr 0,4 %, wenn wir ausatmen, liegt er bei 4 %. Das ist etwas, was wir vielleicht bei jedem Redebeitrag mit bedenken sollten.

(Heiterkeit und vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wenn wir auf diesem Niveau Energiepolitik machen, werden wir weder der Sache gerecht, noch sind wir in der Sache tatsächlich glaubwürdig. Zum

Thema Glaubwürdigkeit: Wenn man die anderen Alternativen, die sicherlich in der Debatte auch noch wieder hervorgekramt werden, haben möchte, sollte man sie auch konsequent vertreten. Ich darf anmerken, dass die Grünen im Bundestag heute Morgen gerade das Gesetz zum Ausbau der Höchstleistungsenergienetze abgelehnt haben.

Aus unserer Überzeugung heraus muss der Energiemix der Zukunft sicher verfügbare, klimafreundlich erzeugte, einseitige Abhängigkeiten vermeidende und bezahlbare Energie liefern. Kohle ist derzeit sicher, sie ist kostengünstig, sie ist grundlastfähig und sie ist verfügbar, aber sie ist eben nicht klimafreundlich. CCS bedeutet, dass wir darauf hoffen dürfen, in absehbarer Zeit über eine Technologie zu verfügen, die CO2 aus Verbrennungsprozessen separieren kann. CCS basiert auf Techniken und Werkzeugen, über die wir bereits heute verfügen - wenn auch nicht in diesem Maßstab -, und man muss sich nur einmal vor Augen halten, an wie vielen Stellen in der Bundesrepublik Deutschland, auch hier in Kiel, Gas unterirdisch gespeichert wird - im Unterschied zu CO2 übrigens brennbares Gas.

Durch CCS soll CO2 nicht in die Atmosphäre gelangen, sondern es wird in 2.000 bis 3.000 m Tiefe in Gesteine gepresst und lagert sich dort dauerhaft ein. Das Ganze ist deswegen bei uns in SchleswigHolstein ein so großes Thema, weil eben die tiefen Bodenstrukturen im Norden Deutschlands besonders geeignet sind. Wir sollten die heutige Diskussion nutzen, solche sachlichen Informationen zu dieser Thematik nach außen zu treiben und nicht eine populistische Verunsicherung voranbringen, indem man das Ganze mit Endlagern, wie beispielsweise Salzstöcken, vergleicht. Das sind völlig unterschiedliche Themen.

Auch das Märchen, wir würden die Technologie nicht brauchen, weil es kurzfristig ohne Kern- und Kohleenergie geht, hilft uns an der Stelle nicht weiter. Selbst wenn wir es mit einem gewaltigen Kraftakt für Schleswig-Holstein oder sogar für Deutschland hinbekommen würden, ohne Kernund Kohleenergie unsere Energieversorgung sicherzustellen: Was hilft es uns vor dem Hintergrund der Klimadiskussion? - Die derzeitige weltweite Energienachfrage verursacht einen CO2-Ausstoß von etwa 30 Milliarden t. Die EU geht davon aus, dass die Nachfrage nach Energie weltweit bis 2030 um 60 % steigen wird. Kohle ist weltweit so viel vorhanden und so billig, dass sie in steigendem Maße genutzt werden wird, völlig unabhängig davon, was wir bei uns technologisch machen.

(Lars Harms)

Nach aktuellen Berechnungen ist die CO2-Konzentration in der Atmosphäre bereits heute auf ein derartiges Maß angestiegen, dass es zweifelhaft ist, ob das Klimaziel von maximal 2° C Temperaturanstieg tatsächlich zu erreichen ist. Wir brauchen allein deshalb schon Technologien, CO2 wieder aus der Atmosphäre herauszubekommen. Ich glaube, an dieser Stelle sind wir uns sogar einig. Aber dann zu sagen, mit CCS würden die Lagerstätten für CO2 im Erdboden blockiert, die man dringend als Senke brauche, zeigt wieder einmal genau den grünen Tellerrand.

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sehen wir denn gar nicht, dass in China jeden dritten Tag ein neues Kohlekraftwerk ans Netz geht? Wollen wir denn die Augen davor verschließen, dass ein noch so perfekter Beitrag, den wir als Deutsche für den Klimaschutz leisten, die weltweite Entwicklung nur in einer Nachkommastelle beeinflusst?

Wir sind zwar ein kleines Land und haben einen kleinen Einfluss auf die weltweite CO2-Emission, aber wir sind ein Standort für Spitzentechnologie und Spitzenforschung. Deshalb kann unser Beitrag zum Klimaschutz nur dann wirklich nachhaltig sein, wenn wir analysieren, was die großen Länder machen und wir ihnen mit unserer Forschung und unserer Technologie helfen, ihre Energie künftig klimafreundlich zu erzeugen.

(Beifall bei der CDU)

CCS ist ein wichtiger Bestandteil des EU-Klimapaktes, und Schleswig-Holstein steht nicht nur aus geologischen Gründen im Fokus, sondern Klimaschutztechnologie ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Schleswig-Holstein und kann mit CCS gestärkt und ausgebaut werden.