Protokoll der Sitzung vom 07.05.2009

CCS ist ein wichtiger Bestandteil des EU-Klimapaktes, und Schleswig-Holstein steht nicht nur aus geologischen Gründen im Fokus, sondern Klimaschutztechnologie ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Schleswig-Holstein und kann mit CCS gestärkt und ausgebaut werden.

Herr Kollege Bernstein!

Herr Präsident, mein letzter Satz, mit Blick auf die Uhr. - Bei uns - wie weltweit - kann CCS nur eine Brückentechnologie sein, die uns gemeinsam mit anderen klimafreundlichen Wegen der Energieerzeugung die Zeit verschafft, global in ein Zeitalter ohne die massenhafte Verbrennung von Gas, Öl und Kohle einzutreten.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der SPD hat Herr Abgeordneter Olaf Schulze das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag des SSW greift die hier zuletzt im Januar dieses Jahres geführte Debatte um die CCS-Technik auf und fordert angesichts aktueller Explorationsvorhaben einen Stopp für die Pläne, CO2-Endlager in der küstennahen Nordsee vor Nordfriesland zu erkunden. Dem kann ich mich natürlich anschließen,

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

möchte aber ergänzen, dass wir dies für ganz Schleswig-Holstein und seine Küsten fordern. Schleswig-Holstein darf nicht zur CO2-Müllkippe Deutschlands werden!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Dabei stehen für mich die ungelösten Endlagerprobleme bei der CCS-Technik erst am Ende der Problematik. Die CO2-Abscheidungstechnik ist voller Fragezeichen und bei genauer Betrachtung nur ein Deckmantel mit dem blauäugigen Verweis auf eine vielleicht in 20 Jahren einsetzbare Technik, um heute weiter Kohlekraftwerke mit gewaltigem CO2-Ausstoß bauen zu dürfen.

Hier kurz die Gründe, warum wir als SPD in Schleswig-Holstein das Fazit gezogen haben, dass die CCS-Technologie insgesamt abzulehnen ist:

Die gegenwärtig untersuchten Verfahren zu CCS verursachen relativ hohe Kosten und hohe energetische Verluste. Bei der CCS-Technik würden bis zu 15 % Wirkungsgrad verloren gehen. Das würde bedeuten, dass die Effekte der neuen Kraftwerke gegenüber den alten gleich Null wären. Es kommt hinzu, dass die Technik noch in einem frühen Forschungsstadium steckt.

Auch die Transporte von CO2 von den Kraftwerken zu den vorgesehenen Endlagern und die geologische Eignung solcher Endlagerstätten sind fragwürdig und gesellschaftlich nicht durchsetzbar. Der Transport auf langen Strecken mit Lkws, Pipelines oder Schiffen ist darüber hinaus unwirtschaftlich. Die gedachte Lagerung in entleerten Öl- und Gasfeldern setzt erhebliche und kostspielige geologische Untersuchungen voraus, wenn sie sicher sein

(Dr. Axel Bernstein)

soll. Ich glaube, ich kann hier sagen: Eine hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben.

Ich darf an den Vortrag von Professor Dr. Rademacher auf der Nachhaltigkeitskonferenz SchleswigHolstein am 24. April 2009 hier in Kiel erinnern. Er warnte vor dem menschlichen Mechanismus: Hast du ´ne Krise, hol dir ´nen Ingenieur und lass ihn diese lösen!

Dies gilt aus meiner Sicht gerade angesichts des Klimawandels und der Suche nach Lösungen, um den durch Menschen verursachten CO2-Ausstoß zu senken. Eine wesentliche Ursache für den viel zu hohen CO2-Ausstoß ist die Kohlekraftwerktechnik. Bei allem Respekt für Forschung und Technik: Ein nur auf Technik basierender Ansatz zur Lösung der Probleme des Klimawandels greift zu kurz.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das wird bei der CCS-Technik offenkundig. Mit Milliarden € eine Technik zu fördern, die in 20 Jahren - vielleicht - einsatzfähig wird und dann auf viele hundert Jahre Folgekosten und -probleme schafft, ist keine Lösung.

Daher wiederhole ich gern meine Worte aus dem Januar:

„Wir wollen keine Kraftwerksdinosaurier,“

- mit oder ohne CCS-Technik

„sondern wir setzen auf kleinere, dezentrale Kraftwerke. Sie bieten größere Flexibilität, geringere Leitungsverluste und leichtere Wärmenutzung. Deshalb sollten sich Forschung und Entwicklung auf diese Energieträger konzentrieren.“

(Beifall bei SPD und SSW)

Noch ein paar Worte zum Gesetzentwurf aus Berlin zur CCS-Technik! Richtig ist, dass auf Druck interessierter Kreise das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf eingebracht hat, der die Erprobung und Entwicklung der CCS-Technik regeln soll. Es gibt aber noch viele inhaltliche Baustellen und Konflikte zwischen den Interessen der SPD und denen der Energiekonzerne. Nicht akzeptabel wäre es, wenn, wie im Entwurf vorgesehen, schon 30 Jahre nach Stilllegung des CO2-Speichers die Verantwortung für dessen Risiken auf den Staat übergehen soll. Dies wäre - das Atommülllager Asse lässt grüßen - wieder eine unverantwortliche Verlagerung von Verantwortung und Kosten von der Wirtschaft auf den Steuerzahler in den betroffenen Bundesländern und damit möglicherweise auch auf Schles

wig-Holstein. Daher glaube ich nicht, dass der Gesetzentwurf zur CCS-Technik in dieser Legislaturperiode in Kraft treten wird, und das ist auch gut so.

Hier darf ich den Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung zitieren, der gestern in seiner Stellungnahme zum vorliegenden Gesetzentwurf vor übereilten Weichenstellungen für die CCS-Technik warnte und zunächst eine Zukunftsdebatte zur CO2-Speicherung und damit insgesamt zur CCS-Technik einforderte. Dem siebenköpfigen Sachverständigenrat gehört auch Professor Dr. Hohmeyer aus Flensburg an. In der Umweltpolitik sind neue und überzeugende Bewegungen oft aus Schleswig-Holstein heraus gestartet worden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Vielleicht liegt es an der klaren Luft bei uns im Norden, die klare Gedanken schärft.

(Zuruf von der SPD: Nicht bei allen!)

Ich wünsche mir, dass auch die von uns gestartete Absage an die CCS-Technik von Schleswig-Holstein heraus bald in alle Köpfe einzieht.

So sehr ich dem Antrag des SSW auch meine Sympathie ausspreche, kann ich ihm mit Blick auf unseren Koalitionspartner leider nicht zustimmen. Daher beantrage ich die Überweisung in die Ausschüsse Wirtschaft und Umwelt.

(Beifall bei SPD und SSW)

Für die Fraktion der FDP hat das Wort der Oppositionsführer und Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist bedauerlich zu sehen, wie sehr sich die SPD in diesem Land immer mehr als Fortschrittspartei verabschiedet. Aber darauf komme ich gleich noch einmal zurück. Man sollte immer auch ein bisschen in die Geschichte der eigenen Partei gehen, Herr Kollege Dr. Stegner, wenn man sich zu solchen Themen äußert.

Dass Planungen zur Lagerung von Kohlendioxid in Nordfriesland im Rahmen der Entwicklung der CCS-Technologie bei Kohlekraftwerken bestehen, ist nicht neu. So war bereits am 11. März 2008 und

(Olaf Schulze)

am 17. März 2008 der Kreis Nordfriesland unter anderem im Rahmen von Informationsveranstaltungen des Wirtschaftsministeriums und der Firma RWE Dea AG über die Suche nach einer Kohlendioxid-Lagerstätte informiert worden.

Im Umweltausschuss des Kreises Nordfriesland wurde bereits am 19. März 2008 bekannt gegeben, dass für die geplanten seismischen Untersuchungen der Bereich Bredstedt-Leck-Niebüll festgelegt worden sei. Daher mag man sich wundern, warum der Antrag des SSW erst jetzt vorliegt. Aber sei es drum. Letztlich geht es bei der Frage, ob wir die Suche nach Lagerstätten von Kohlendioxid in Nordfriesland zulassen wollen oder nicht, um die Frage, wie wir uns zur neuen Technik bei der CCSAbscheidung von Kohlekraftwerken stellen.

Die FDP-Fraktion hat bereits mehrfach betont, dass CCS eine Zukunftstechnologie darstellt, die wir unterstützen. Wir sind mit dieser Auffassung nicht allein. So steht im Koalitionsvertrag von CDU und SPD auf Seite 25 unter anderem der Satz:

„Wir werden neue Energietechnologien wie zum Beispiel die Brennstoffzelle, die Nutzung von Wasserstoff und die modernen Technologien zur Kohlenutzung weiter entwickeln.“

Herr Dr. Stegner, vielleicht erklären Sie uns einmal, was Sie damit gemeint haben.

Die Sozialdemokraten betonen auch in ihrem sogenannten „Regierungsprogramm 2005 - 2010“, also dem Landtagswahlprogramm der SPD, auf Seite 23:

,,Wir wollen neue Energietechnologien wie zum Beispiel die Brennstoffzelle, die Nutzung von Wasserstoff oder die modernen Technologien zur Kohlenutzung weiter entwickeln und an Standorten in Schleswig-Holstein anwenden.“

Was um alles in der Welt hat Sie eigentlich veranlasst, diese Position aufzugeben? Der Klimawandel war 2005 bereits bekannt.

Das wollte die SPD also mit den Grünen durchsetzen.

Wenn wir uns den Koalitionsvertrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD ansehen, dem der SSW seine Zustimmung gegeben hat, dann stellt man fest: Vergleichbares steht auch dort drin. - Sie müssen uns und den Bürgerinnen und Bürgern Schleswig-Holsteins schon einmal erklären, was Ihren Positionswandel in dieser Frage begründet.

(Beifall bei FDP und CDU)

Herr Kollege Kubicki, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Stegner?

Selbstverständlich, gern. Zur Weiterbildung des Kollegen Dr. Stegner trage ich gern bei.

Lieber Herr Kollege Kubicki, ist Ihnen der Unterschied bekannt zwischen Forschung an einer bestimmten Technologie und der Lagerung? Frage Nummer 1. Frage Nummer 2: Tritt die FDP dafür ein, dass solche Abscheidungen aus anderen Bundesländern nach Schleswig-Holstein gebracht werden? Ist das die Position der FDP? Zu beiden Fragen wäre ich an Ihrer Antwort sehr interessiert.